12.03.2015. Einleitung Grundidee von MST-Kinderschutz. Wir können Kinder aus Familien nehmen, aber die Familien nicht aus den Kindern.



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Transkript:

Einleitung Grundidee von MST-Kinderschutz XXXIV. DGKJP-Kongress 2015 Implementierung und Evaluation der Multisystemischen Therapie (MST) und MST Kinderschutz (MST-CAN) in der Region Basel und dem Kanton Thurgau Wir können Kinder aus Familien nehmen, aber die Familien nicht aus den Kindern. Ried Portengen Alternative Behandlungsformen, Continuum of Care S-034-Symposium Marc Schmid, Tania Pérez, Stephanie Hefti, Ute Fürstenau, Bruno Rhiner Marc Schmid, München, Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Basel 3 Gliederung 1. Was bedeutet Multisystemisch im Kindesschutz? 2. Kurzüberblick MST-Kinderschutz (MST-CAN) 3. Interventionen von MST-CAN 4. Implementierung im Kanton Basel-Stadt 5. Das Studiendesign, dessen Begründung und RCT? Limitationen Instrumente Stichprobe 6. Psychometrische Verfahren Selbsturteil Expertenurteil Kosten-Nutzen-Analyse 7. Zusammenfassung und Diskussion Gesellschaftliche Faktoren Mangelnde soziale Unterstützung soziales Netzwerk Kindliche Faktoren Interaktionelle Faktoren / Erzieherische Fertigkeiten Kindesmisshandlung und Vernachlässigung Elterliche Faktoren Familiäre Faktoren / Partnerschaft Transgenerationale Weitergabe von Erziehungsstilen Cindy Swenson et al., 2008 2 4 1

Fit: Multisystemische Verhaltensanalyse Für Verhalten des Kindes und der Eltern Mutter wirkt sehr unsicher, wenig Kooperation möglich, sehr unzuverlässig. Bringt dadurch Tobias oft in ungünstige Situationen. Tobias ist wütend, dass er den Vater kaum sieht, ist nach Besuchswochenenden beim Vater extrem gereizt und aggressiv. Mutter reagiert auf aggressives Verhalten der Kinder wie gelähmt (dissoziative Reaktion). Familie sozial sehr isoliert, Mutter erhält kaum Unterstützung in schwierigen Situationen. Leichte Überreizung durch ADHS und Traumafolgestörung. Bisher keine Therapie. Extreme Wutanfälle von Tobias Mutter hat wenig Wissen über Traumafolgestörung und ist allgemein sehr unsicher in Erziehung Schnell abgelenkt, schlechte Konzentration im Klassenzimmer. Im Klassenverband Aussenseiter keine Freundschaften zu Klassenkameraden und Nachbarn Schule hat wenig Wissen über Traumafolgestörung und geeignete pädagogische Interventionen Tobias hat Gewalt vom Vater gegen die Mutter miterlebt (Modelllernen, Trauma, Hilflosigkeit, Wut) Historie MST-CAN: Adaptation von MST für den Kindesschutz und jüngere Kinder Erfahrung, dass ein Bedarf besteht und MST-Standard mit extrem hoch belasteten Eltern an seine Grenzen stößt. Seit 2008 in USA und Australien Seit 2010 im Kanton Thurgau und Amsterdam Seit 2014 in Basel 2 RCT-Studien (Swenson et al., 2010; Herbert et al., 2014) 5 7 Was ist MST? Was ist MST-Can? Behandlungskapazität Aufsuchendes Therapieprogramm Verbindung zwischen lebensweltorientierten sozial-pädagogischen Konzepten und evidenzbasierter Psychotherapie MST ist ein lizensiertes und manualisiertes Behandlungskonzept. Behandelt werden Kinder und Jugendliche, die von Vernachlässigung und Misshandlung bedroht sind. Der Fokus liegt auf der Befähigung der Eltern und Bezugspersonen. Als MST- Klient wird die gesamte Umgebung (Ökologie) des Jugendlichen betrachtet. Ein Team besteht aus: einem/r TeamleiterIn, vier 100%-Stellen für fallführende Therapeuten und einer 100%-Stelle für einen Crisis-Case-Worker. Auswahl erfolgt über ein standardisiertes Assessment von MST-Services. 3-4 Familien pro Therapeut, d.h. 12-16 Behandlungsplätze Alle Familienmitglieder werden in die Behandlung mit eingeschlossen. Alle beteiligten Systeme werden involviert, MST-CAN übernimmt die Koordination der Helfer. 6 9 Monate Behandlungsdauer 24h am Tag; 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr ist das Team und ein Hintergrunddienst erreichbar. 6 2

Zuweisungskriterien Der Familie droht ein Entzug von Teilen des Sorgerechts wegen Gefährdung des Kindeswohl bei Misshandlung und/oder Vernachlässigung. Die MST-Qualitätssicherung Manualisierte Feedback-Mechanismen und Vorgehen, um die Manual- Treue der nachgeordneten Person zu überprüfen und steigern. Mindestens ein Kind in der Familie mit einer diagnostizierbaren psychischen Erkrankung. Mindestens ein Kind im Alter von 6-17 Jahren Modulerweiterung für 3-6-Jährige in Planung. MST-Coach MST- Experte Supervisor Therapeut Familie Familiäres Bezugssystem, das sich für die Behandlung und die Teilnahme an einer Studie motivieren lässt. Kein sexueller Missbrauch in der Familie. Oft werden auch Rückführungen nach einer Inobhutnahme bzw. der Aufnahme auf Durchgangswohngruppen begleitet. Wissenschaftlich beforschte Fragebögen, um die Manual-Treue der vorgesetzten Personen zu überprüfen und steigern. 11 Wesentliche Wirkfaktoren von MST Wesentliche Wirkfaktoren von MST Hohe Intensität in allen Lebensbereichen erlaubt es, Verstärkungsmuster zu durchbrechen und nachhaltig zu verändern. Hoch strukturierte Therapieplanung sowie Überprüfen der Zielerreichung durch wöchentliche Gruppen- und Einzelsupervision, Konsultationen mit den MST-Experten via Skype (außerhalb des Systems). Eindeutige zeitliche Begrenzung der Intervention Kontinuierliche MST-Fortbildung der Therapeuten (Booster Training jedes Quartal). Umfassende Ausbildung jedes MA zu Beginn seiner Tätigkeit. Engmaschige Kontrolle der Qualität und Manualtreue auf jeder Ebene 10 12 3

Problemverhalten bei Zuweisung Vereinbarte Behandlungsziele Erneute Analyse Fortschritte und Hindernisse erfassen Gewünschte Behandlungsziele der Familie und weiterer Schlüsselfiguren Fit : Multisystemische Verhaltensanalyse Analytischer Prozess in der MST Wirkfaktoren priorisieren Fortschritte stabilisieren und generalisieren Zwischenziele definieren Zusätzlich verwendete Therapie-Module in MST- Kinderschutz (Eltern) Zur Behandlung psychischer Erkrankungen der Erziehungspersonen (gegebenenfalls wird eine Abklärung eingeleitet): CBT für Aggressionsmanagement Stressbewältigungstraining: Entspannungsmethoden, Gedankenstopp, Selbstverbalisation Prolongierte Exposition (Foa et al., 1996) bei Traumafolgestörung (Erwachsene) Reinforcement Based Therapy bei Substanzmissbrauch (Erwachsene) Interventionen durchführen Interventionen entwickeln 13 15 Zusätzlich verwendete Therapie- Module in MST-Kinderschutz Zur Behandlung der ganzen Familie: Sicherheitsplan (inkl. Sicherheits-Checkliste u.a.) Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten Abuse Clarification Process : d.h. die Eltern erarbeiten mit Hilfe der Therapeuten einen Brief an die Kinder. Ziel: 1. Das eigene Verhalten kritisch reflektiert 2. Die Perspektive des Kindes eingenommen 3. Verantwortung übernommen und sich aufrichtig entschuldigt 4. Alternativhandlungen werden detailliert beschreiben Zur Behandlung von Kindern: Traumafokussierte CBT bei Kindern (Cohen et al., 2002, dt. 2009) Soziales Kompetenztraining Implementierung in Basel-Stadt Mehrere Diskussionsrunden mit politischen Entscheidungsträgern Gleichzeitige Einführung eines MST-CAN und eines MST-Standard Teams. Implementierungsprozess über zwei Jahre: Empirische Bedarfsermittlung Budgeterstellung Verhandlung der Mischfinanzierung Prüfung durch MST-Services Rekrutierung der MA Projektstart mit mehreren Informationsveranstaltungen KVG nach Tarmed KVG zusätzliche Leistungen? (Fahrtkosten, etc.) Gesamtbudget Tagessatz über die Kinder- und Jugendhilfe 14 16 4

Begleitforschung Herausforderungen an die Evaluation Die zu untersuchenden Kollektive sind extrem heterogen, was die Auswahl der Instrumente erschwert. Die von der Ethikkommission geforderte Freiwilligkeit der Teilnahme verträgt sich oft nicht mit dem Zwangskontext der Massnahme - die Familien sind oft sehr misstrauisch gegenüber einer Evaluation eingestellt. Familien sind so stark belastet, dass sie häufig zu Terminen nicht erscheinen, Fragebögen verweigern oder nicht verstehen und schwer nachzuverfolgen sind (MST-Motto: What ever it takes!). Evaluation und Studiendesign Verschiedene Ebenen der Evaluation Epidemiologische quantitative Beschreibung der betreuten Kinder und Jugendlichen Neurobiologische Ebene Haarcortisol Qualitative Evaluation Praxisorientierte Evaluation RCT/KG? Veränderungsmessung mit quantitativen Methoden Die Eltern sind oft selbst so belastet, dass sie ihre eigene Situation und die Bedürfnisse und Auffälligkeiten ihrer Kinder nicht ausreichend gut wahrnehmen und berichten können. Zufriedenheit der Zuweiser Ebene der Familien Testbatterie Ebene der Zuweiser CNI Kosten-Nutzen-Analyse 17 19 Begleitforschung Herausforderungen an die Evaluation Evaluation Fragestellung Die Familien neigen eventuell dazu, in eine sozial erwünschte Richtung zu antworten. Die Forschung soll möglichst unmittelbar der Weiterentwicklung des Teams und Optimierung des Angebotes zu Gute kommen ( Action Research ). Veränderungsmessung: Lassen sich Fremdplatzierungen vermeiden und geht das Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko zurück? Reduziert sich die psychische Belastung der Kinder und ihrer Eltern? Die Evaluation sollte in der arbeitsintensiven Aufbauphase möglichst wenig Ressourcen der Behandlungsteams absorbieren. Belegungs- und Kostendruck ist bei der Entwicklung des Forschungsdesigns zu beachten (optimaler Zeitpunkt der Randomisierung, möglichst ökonomische Erhebungen). Kosten-Analyse: Vergleich der Kosten für MST-CAN mit dem finanziellen Aufwand für die alternativen Angebote, die in Anspruch genommen worden wären, gäbe es MST-CAN nicht. 18 20 5

Evaluation Methodik Vor und nach der Behandlung füllen die Kinder und ihre Eltern verschiedene Fragebögen (CBCL, BSI, ISEL, Traumainventare) aus. Dies geschieht wegen Sprachproblemen zur Sicherung der Datenqualität in Form von aufwendigen Interviews, das von einer Mitarbeiterin der KJPK durchgeführt wird, dabei werden auch die Haarproben entnommen. Mit den Zuweisern wurde vor und nach der Behandlung ein Telefoninterview geführt und der Child Neglect Index und die Behandlungszufriedenheit und die gegebenenfalls eingeleitete Alternative psychosoziale Hilfen erhoben (vgl. Rehberg et al., 2012). Zuweiserbefragung Fallcharakteristiken, Child Neglect Index, n =31 Art der Gefährdung n % Vernachlässigung 28 67 Körperliche Misshandlung 12 29 Sexueller Missbrauch 1 2 Emotionale Misshandlung 15 36 Sonstige 10 24 Anmerkung: Mehrfachantworten möglich. 21 23 Behandelte Patienten Behandelte Patienten 47 (55.3%) Jungen, 38 (44.71%) Mädchen Alter: MW = 10.30 (SD = 3.30) Keine w. Gefährdungsmeldung 59 (88.1%) reguläre Therapieabschlüsse 6 (8.9)%) Abbrüche aufgrund mangelnden Engagements 2 (3%) Abbrüche aufgrund einer Fremdplatzierung 7 Abbrüche aus anderen Gründen (fehlende Kostengutsprache, Ausweisung, etc.) (gehen nicht in Statistik ein) Leben zu Leben Hausezu Hause Besuchen Schule /Arbeit Eltern ohne Anzeige 11 noch laufende Behandlungen 22 24 6

Zuweiserbefragung Child Neglect Index Veränderungsmessung 70 CNI Score 60 50 40 30 20 10 0 Baseline n=31; p<.01; ES = 0.87 (mittel) Post-treatment N Mittelwert und Standardabweichung bei Eintritt und Austritt Prä-post Signifikanztest Variable Eintritt Austritt p; ES CNI 31 45.00 (17.89) 27.90 (21.48) <.01; 0.87 (mittel) CBCL Gesamt T-Wert 30 62.77 (10.77) 55.87 (12.78) <.01; 0.58 (mittel) CBCL Internalisierend 30 62.27 (10.59) 54.67 (11.32) <.01; 0.69 (mittel) CBCL Externalisierend 30 60.10 (11.51) 56.00 (12.14) <.01; 0.35 (klein) SCARED Gesamt (Eltern) 32 10.86 (10.03) 8.38 (8.72).06; 0.26 (klein) SCARED Gesamt (Kinder) 27 19.19 (12.46) 15.15 (11.43).13; 0.34 (klein) BSI-GSI T 29 54.38 (16.28) 44.35 (19.44) <.01; 0.56 (mittel) 25 27 Veränderungsmessung T-Wert Kosten Die Fallkosten für MST-Kinderschutz lagen um 15 50% unter den Kosten, die ohne MST-CAN Behandlung für ausserfamiliäre Platzierungen erforderlich gewesen wären. Bei ca. 20 Behandlungsfällen im Jahr entspricht dies einer jährlichen Entlastung der Sozialhaushalte von CHF 248 640 bis CHF 1 322 080. Langfristige Kosten, lebenslange tangible und intangible Traumafolgekosten (Habetha et al., 2012) und die Ersparnisse durch die Mitbehandlung der Geschwister (Clark et al., 2014) gehen in diese Kalkulation noch gar nicht ein! (n = 30) (n = 30) (n = 30) 26 28 7

Fazit Kontakt und Literatur Mit MST-CAN werden extrem belastete Familien erreicht, die sonst nicht mit ambulanten Hilfen behandelt werden können. MST-CAN hilft Fremdplatzierungen zu verhindern und relativ rasch, das Misshandlungs-/Vernachlässigungsrisiko zu reduzieren. MST-CAN erwies sich als extrem kosteneffizient, und spart bis zu 50% der Kosten pro Fall schon während der Dauer der MST-Behandlung. Die wahren Einsparungen liegen vermutlich noch deutlich höher. Es ist in den Kantonen Thurgau, Basel und Aargau gelungen, multisystemische Therapiekonzepte im deutschsprachigen Raum aufzubauen und unüberbrückbar scheinende Grenzen zwischen dem Medizinsystem und dem Jugendhilfe-/-fürsorge-/Justizsystem zu überwinden. Insgesamt gibt es weltweit im Moment 12 MST-Can Teams. Mit den anderen europäischen Teams (Cambridge und Amsterdam) besteht ein regelmäßiger Austausch. Marc Schmid Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Schanzenstrasse 13, CH-4056 Basel +41 61 265 89 74 marc.schmid@upkbs.ch, www.upkbs.ch www.equals.ch www.ipkj.ch 29 31 Fazit: Multisystemische Therapie Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Der Kompass Die 9 Prinzipien der MST «Gut ist es, an andern sich zu halten, denn keiner trägt das Leben allein.» Friedrich Hölderlin 1. Den Fit finden (multi-faktorielle, multisystemische Verhaltensanalyse): Wie macht das Verhalten Sinn? 2. Fokussierung auf das Positive und die Stärken. 3. Steigerung der Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit aller Teilnehmenden. 4. Interventionen sind gegenwartsfokussiert, handlungsorientiert & zielgerichtet. 5. Wiederkehrende Interaktionsmuster erkennen & ändern. 30 32 8

Der Kompass Die 9 Prinzipien der MST Teufelskreis aus Bindung und Ausstossung (Stierlin, 1980; Schweitzer, 2002) 6. Strukturen (Regeln, Konsequenzen, etc.) sind dem Entwicklungsstand des Jugendlichen angemessen. 7. Kontinuierlicher Einsatz der Familienmitglieder wird gefördert und gefordert. 8. Kontinuierliche Auswertung der Behandlungsfortschritte, Verantwortung des Therapeuten. 9. Generalisierung: Werkzeuge für die Zukunft werdender Familien auf den Weg mit geben. 33 Ziele für die gesamte Familie definieren Familie drängt auf Entlassung nach Hause, für langfristige Platzierung nicht zu motivieren Starke Entlastung durch stationäre Behandlung, Konkurrenz um bessere Elternschaft Familie ist überfordert, massive Konflikte drängen auf stationäre Aufnahme Eltern müssen in der Verantwortung gehalten werden Stationäre Behandlung als Übergang definieren 35 Exkurs Haarcortisol als psychophysiologisches Stresskorrelat 34 9