BESCHLUSS. des. Obersten Patent- und Markensenates

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Transkript:

Om 3/09 BESCHLUSS des Obersten Patent- und Markensenates

2 Om 3/09 Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich KODEK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wilfried KY- SELKA, Dr. Brigitte SCHENK und Dr. Gerhard PRÜCKNER als rechtskundige Mitglieder sowie den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Kurt EHRENDORFER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin A***** S. A., ***** Frankreich, vertreten durch Patentanwälte Puchberger, Berger & Partner, Reichsratsstraße 13, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin S ***** A G, ***** vertreten durch Kliment & Henhapel Patentanwälte OG, Singerstraße 8, 1010 Wien, wegen Löschung der österreichischen Marke Nr 219 114, über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 10. Juli 2008, Zl Nm 44/2006-4, entschieden: Der Berufung der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben. Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 1.633,14 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (hierin enthalten EUR 272,19 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. G r ü n d e : Antragstellerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke Nr 2 543 791

3 Om 3/09 Sie ist mit dem Zeitrang von 21. Jänner 2002 für folgende Waren und Dienstleistungen registriert: Kl 9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Datensicherungsgeräte; Encoder, Aufzeichnungs- und Abspielgeräte für Musik im MP3- Format, Abspielgeräte für Audio-CDs und DVDs, CD-R-Brenner. Kl 15: Musikinstrumente mit Verbindung zur Datenverarbeitung. Kl 42: Wissenschaftliche und industrielle Forschung im Bereich der Datenverarbeitung, Softwareentwicklung, Hardwaredesign. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der österreichischen Marke Nr 219 114 Sie besitzt die Priorität vom 19. März 2004 und ist für folgende Waren und Dienstleistungen geschützt: Kl 9: Compact Discs; Digital Versatile Discs (DVDs); CD-Abspielgeräte, CD-Brenner; DVD-Brenner, optische Speichermedien; Software, welche das unerlaubte Vervielfältigen von CDs und DVDs verhindert; Kl 42: Technologische Dienstleistungen, nämlich Einsatz eines Verfahrens zur Herstellung von Compact Discs und DVDs, welche

4 Om 3/09 deren unerlaubte Vervielfältigung verhindert; Prüfen von Speichermedien insbesondere hinsichtlich deren Authentizität. Die Antragstellerin beantragte die vollständige Löschung der österreichischen Marke Nr 219 114 gemäß 30 Abs 1 Z 2 MSchG. Die einander gegen-überstehenden Marken seien verwechselbar ähnlich, die Waren und Dienstleistungen seien gleichartig und die Marke der Antragstellerin habe den besseren Zeitrang. Sie weise nur eine geringe graphische Ausgestaltung auf und sei als Wortmarke anzusehen. Die angefochtene Marke enthalte den allein kennzeichnenden Bestandteil ARccOS. Die weiteren Worte copy control seien beschreibende Hinweise ohne Unterscheidungskraft. Auch die graphische Ausgestaltung entbehre jedweder Unterscheidungskraft. Die beiden kennzeichnungskräftigen Worte seien sowohl optisch als auch phonetisch beinahe identisch. Ein unterscheidungskräftiger Bedeutungsinhalt sei den Worten nicht zu entnehmen. Die jeweils geschützten Waren seien teilweise identisch, sonst gleichartig. Auch bei den jeweiligen Dienstleistungen liege es aufgrund der Gleichartigkeit nahe, dass die Konsumenten diese dem gleichen Unternehmen zuordneten. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Löschungsantrags. Die einander gegenüberstehenden Marken seien nicht verwechselbar ähnlich, insbesondere bestehe für das Publikum keine Verwechslungsgefahr. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Wortbildmarken sei vom Gesamteindruck auszugehen. Eine zerlegende Betrachtungsweise sei unzulässig. Der optische Gesamteindruck beider Marken sei für einen flüchtigen Betrachter unterschiedlich. Auch akustisch wiesen beide Marken einen anderen Wortklang auf. Weiters verfüge der Bestandteil der angefochtenen Marke copy control in Zusammenhang mit den Waren und

5 Om 3/09 Dienstleistungen über eine hohe Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft. Hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen würden die Verkehrskreise (gewerbsmäßige Hersteller und Anbieter, nicht Durchschnittskosumenten) diese nicht als gleichartig ansehen, insbesondere weil es sich bei den Waren der Antragsgegnerin um eine Spezialsoftware handelt. Dieselben Verkehrskreise würden auch nicht davon ausgehen, dass die jeweiligen Dienstleistungen von demselben Unternehmen erbracht würden, was gegen eine markenrechtliche Gleichartigkeit spreche. Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Löschungsantrag aus dem Grunde des 30 Abs 1 Z 2 MSchG statt. Der Marke der Antragstellerin komme die bessere Priorität zu. Nach geltender Rechtslage genüge für das Vorhandensein einer Verwechslungsgefahr die Ähnlichkeit der verfahrensgegenständlichen Zeichen. Im Gesamteindruck beider Zeichen stünden die Worte ARCHOS bzw. ARccOS im Vordergrund. Die angesprochenen Verkehrskreise würden beide Worte als Phantasiezeichen auffassen. Sowohl hinsichtlich Wortklang als auch Wortbild sei eine Ähnlichkeit der beiden Zeichen gegeben, sie würden somit trotz geringer Detailunterschiede miteinender verwechselt werden. Die Worte copy control würden allenfalls eine äußerst geringe Unterscheidungskraft besitzen. Hinsichtlich der gegenüberstehenden Waren sei zumindest eine Ähnlichkeit festzustellen. Die beteiligen Verkehrskreise würden bei Ansichtigwerden der Zeichen eine zumindest lose wirtschaftliche Verbindung zwischen den Anbieten der jeweiligen Waren vermuten. Dies gelte auch für die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeits-

6 Om 3/09 abteilung im Sinn einer Abweisung des Löschungsantrags abzuändern. Der Gesamteindruck der streitverfangenen Marken sei völlig verschieden. Der Begriff der Ähnlichkeit sei im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Ihr Vorliegen hänge von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und dem Grad der Ähnlichkeit der streitverfangenen Marken und den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise der Markenbestandteile sei unzulässig. Das angefochtene Zeichen sei eine komplexe Marke, deren Eindruck in Summe durch die Kombination der graphischen Elemente bestimmt werde. Aufgrund dieser Elemente und ihrer farblichen Gestaltung sei der optische Eindruck auch bei nur flüchtiger Betrachtung beider Marken völlig unterschiedlich. Auch klanglich bestehe aufgrund der unterschiedlichen Aussprache von ch und cc keine Ähnlichkeit. Die völlig unterschiedliche Gesamtgestalt mache eine Verwechslung der beiden Marken denkunmöglich. Der größte Teil der mit den Marken jeweils gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sei nicht gleichartig. Aber selbst bei gleichartigen Waren oder Dienstleistungen bestehe durch den jeweils unterschiedlichen Gesamteindruck keine Verwechslungsgefahr. Die mit der jeweiligen Marke gekennzeichneten Produkte richteten sich überdies an unterschiedliche Verkehrskreise. Dies seien bei den Produkten der Antragstellerin Endverbraucher, die in Elektronikmärkten kauften, bei jenen der Antragsgegnerin seien es gewerbliche Anbieter von Dateninhalten, die beim Kauf der Waren oder bei Inanspruchnahme der Dienstleistung besondere Aufmerksamkeit aufwendeten. Die Antragstellerin beantragt, die Berufung abzuweisen. Die Berufung der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

7 Om 3/09 1. Die bessere Priorität der Marke der Antragstellerin ist nicht strittig. Gemäß 30 Abs 1 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, sofern entweder - die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich sind, oder - die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, für den Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von Waren und Dienstleistungen andere Herkunft zu unterscheiden. 2. Der Oberste Patent- und Markensenat vertritt in ständiger Rechtsprechung und im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes folgende tragende Grundsätze zur Verwechslungsgefahr von Marken: 2.1. Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen sind (Nachweise Schumacher in Kucsko, marken.schutz 210 FN 77). Umfassende

8 Om 3/09 Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft sowie Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen, Bedacht zu nehmen ist (Om 10/01 = PBl 2002, 102 - CHOCAPIC / CHOCOPIE; Om 9/03 = PBl 2004, 115 - Novapark / Innova Park Innsbruck). So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Abzustellen ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart. Folge dieser Wechselwirkung ist es, dass bei Warenidentität oder einer hochgradigen Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (EuGH ÖBl 1999, 105 - Canon; OGH 17 Ob 36/08f; RIS-Justiz RS0116294). Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je höher die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist (EuGH-Slg 1997, I-6191 Sabel / Puma). Um die Kennzeichnungskraft einer Marke zu bestimmen, ist zu prüfen, ob sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH-Slg 1999, I-2799 - Chiemsee). 2.2. Zeichenähnlichkeit ist schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (OPM Om 4/02 = PBl 2003, 8 - Kathreiner; OGH 17 Ob 36/08f; RIS-Justiz RS0079190 [T22]). Ob einander gegenüberste-

9 Om 3/09 hende Marken in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich sind, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den sie hervorrufen. Es ist keine zergliedernde Betrachtung vorzunehmen. Dabei sind jedoch die sie unterscheidenden und die sie dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist wiederum, wie die einzelne Marke auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- und Dienstleistungsart wirkt (ÖBl 1999, 305 - Lloyd). Dieser nimmt die Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf Einzelheiten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die zu vergleichenden Marken in den meisten Fällen nicht gleichzeitig wahrgenommen werden (Om 10/01 = PBl 2002, 102 - CHOCAPIC / CHOCOPIE). Auch bei einer Gesamtbetrachtung können daher durchaus einzelne Zeichenelemente in den Vordergrund treten und von den Konsumenten bewusster wahrgenommen werden. Einer Wortbildmarke, bei der weder die Wort- noch die Bildelemente in den Hintergrund treten, sind regelmäßig auch solche Zeichen ähnlich, die nur die Bildteile oder nur die Wortteile verwechselbar wiedergeben (OPM 23. April 1980, PBl 1980, 159). Bei einer Wortbildmarke ist in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der geschäftliche Verkehr an diesem orientiert und ihn im Gedächtnis behält (ÖBl 2003, 186 - Rothmanns). Eine Wortbildmarke ist als reine Wortmarke zu behandeln, sofern die bildhafte Ausgestaltung der Marke nicht so charakteristisch ist, dass sie als das wesentliche aufgefasst wird, hinter dem die Wortelemente vollkommen zurücktreten (strsp). Dies bedeutet, die bildliche Gestaltung eines Wortes macht eine Marke nur dann zu einer Wortbildmarke, wenn sie so eigenartig ist, dass sie den Verkehrskreisen als besonders charakteristisch auffällt. Eine Marke,

10 Om 3/09 die neben Worten nur allgemein gebräuchliche figurale Beigaben (wie z.b. Umrahmungen) enthält, ist als reine Wortmarke anzusehen. 3. Wendet man die genannten Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen. 3.1. Die Marke der Antragstellerin ARCHOS ist - bei Gesamtbetrachtung - als bloße Wortmarke anzusehen. Die Schreibweise der einzelnen Buchstaben, deren Farbgebung (blau) und die rechteckige Umrandung tragen nichts zu einer markanten graphischen Ausgestaltung bei. Aber auch bei der angefochtenen Marke ist die graphische Ausgestaltung äußerst gering. Sie beschränkt sich auf eine einfache Umrahmung der Markenworte, die Farbgebung (blau und orange) sowie eine teilweise unterschiedliche Größe der Buchstaben. Die Marke der Antragstellerin besteht ausschließlich aus dem Wort ARCHOS. Bei der Marke der Antragsgegnerin wird der Gesamteindruck ganz wesentlich vom Wortbestandteil ARccOS geprägt. Die übrigen Wortbestandteile sind zu unscheinbar, um von den Konsumenten bewusst wahrgenommen zu werden. Die Bezeichnung copy control entbehrt jedweder Unterscheidungskraft. Auch die einfache Umrahmung vermag an diesem (durch das Wort ArccOS geprägten) Gesamteindruck nichts zu ändern. Die angesprochenen Verkehrskreise werden in jedem Fall das Wort ARccOS als prägnantes Merkmal, somit als unterscheidendes und prägendes Element wahrnehmen und daher, wenn sie unter dieser Marke vertriebene Produkte oder Dienstleistungen benennen, bestellen oder kaufen, dies jedenfalls unter dieser Bezeich-

11 Om 3/09 nung tun, richtet sich doch das Augenmerk der Konsumenten in solchen Fällen weitestgehend nach dem markantesten Wortbestandteil. 3.2. Ein akustischer Vergleich der beiden relevanten Markenworte ARCHOS und ARccOS ergibt folgende Beurteilung: Selbst wenn hier der Konsument den Laut ch - anders als dann, wenn er am Wortanfang steht (Om 6/08 Chron) als solchen ausspricht, besteht eine hochgradige akustische Ähnlichkeit zur Buchstabenkombination cc, die regelmäßig als k gesprochen wird. Denn gerade bei einer raschen und flüchtigen Aussprache, wie sie heutzutage im geschäftlichen Verkehr durchaus üblich ist, bestehen zwischen ch und cc bzw k lautmäßig keine großen Unterschiede. Entgegen der Auffassung der Berufungswerberin wird hiebei zwischen einer harten und weichen Aussprache einzelner Buchstaben nicht bewusst unterschieden. Dadurch besteht im Hinblick auf den Wortklang unmittelbare Verwechslungsgefahr. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung reicht es für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus, dass die Zeichen in einem der drei Kriterien - Wortklang, Wortbild, Bedeutung - verwechselbar ähnlich sind. Einer Prüfung nach allen Kriterien und der hiezu von der Berufungswerberin vorgebrachten Argumente bedarf es nicht mehr. Die Nichtigkeitsabteilung hat zudem zutreffend ausgeführt, dass keinem der beiden zu beurteilenden Zeichen ein eindeutiger Sinngehalt zuzuordnen ist.

12 Om 3/09 4. Die Berufungswerberin bestreitet die Gleichartigkeit bzw Ähnlichkeit eines Teils der einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen. 4.1. Ob Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren (Dienstleistungen) selbst bezogener Kriterien zu beurteilen. Als relevante Faktoren kommen dabei insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren (bzw Dienstleistungen) nach ihrer Herstellungsart, ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck, ihrer Vertriebsstätte, ihren Vertriebswegen und ihrer Nutzung, sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren bzw Dienstleistungen in Betracht (vergleiche EuGH, 29. September 1998, C-39/97 Canon Kabushiki Kaisha gegen Metro-Goldwyn-Mayer Inc.; Randnummer 23; OGH 4 Ob 18/02d = ecolex 2002, 444-opus one; 17 Ob 36/08f). Ähnlichkeit wird von Lehre und Rechtsprechung dann angenommen, wenn der regelmäßige Geschäftsverkehr die Waren (Dienstleistungen) als zusammengehörig betrachtet und daher der Meinung sein kann, dass diese aus demselben Geschäftsbetrieb kommen, zumindest aber aus einem Unternehmen, das mit dem letztgenannten in einer besonderen geschäftlichen, wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehung steht (OGH ÖBl 1981, 78; 17 Ob 36/08f). Gleiches gilt, wenn die beteiligten Verkehrskreise zur Auffassung kommen können, dass die Vereinigung der Erzeugung und/oder des Vertriebes der beiderseitigen Waren bzw die Erbringung der einander gegenüberstehenden Dienstleistungen in demselben Unternehmen nahe liegt. Bei der Beurteilung ist auf die Verkehrsauffassung nach den berechtigten Verbrauchererwartungen abzustellen. Die Voraussetzungen müssen nur alternativ, nicht kumulativ vorliegen (OPM PBl 1991, 119). Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit von Waren bzw Dienstleistungen ist ein

13 Om 3/09 weiter Maßstab anzulegen. Im Zweifel ist eher zugunsten der Ähnlichkeit zu entscheiden. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Waren und Dienstleistungen jeweils in derselben Klasse nach der Nizzaer Klassifikation aufscheinen. 4.2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zu den nachstehenden Ergebnissen: Hinsichtlich der Waren CD-Abspielgeräte, CD-Brenner und DVD- Brenner stellt die Berufungswerberin die Identität außer Streit. Aber auch hinsichtlich der übrigen Waren und Dienstleistungen ist eine Ähnlichkeit zu bejahen. So sind Magnetaufzeichnungsträger einerseits und optische Speichermedien, CDs und DVDs andererseits als ähnlich einzustufen. Die Berufungswerberin gesteht selbst zu, dass es sich bei Magnetaufzeichnungsträgern ebenfalls um technische Speichermedien handelt. Auch CDs und DVDs sind in diesem Sinne (akustische und optische) Speichermedien. Die von der Berufungswerberin vorgenommene Differenzierung zwischen optischen Speichermedien und sonstigen Speichermedien mag streng technisch gesehen zutreffen, doch wird sich der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, auf den abzustellen ist, beim Erwerb solcher Waren keine weit reichenden Gedanken über technisch bedingte Unterschiede zwischen den einzelnen Speichermedien machen. Eine andere Auffassung würde nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen. Der Verwendungszweck (Datenspeicherung) sowie die Art der Nutzung sind durchaus vergleichbar. Darüber hinaus werden sie von den gleichen Verkaufsstellen angeboten und vertrieben, sodass der

14 Om 3/09 Konsument durchaus den Eindruck gewinnen könnte, sie stammten aus demselben Geschäftsbetrieb. Besteht zwischen einer Ware und einer Dienstleistung eine so enge Verknüpfung, dass für die beteiligten Verkehrskreise der Schluss nahe liegt, die Dienste würden von demselben Unternehmer geleistet, der auch die Waren herstellt oder vertreibt, spricht man von mittelbarer Warengleichartigkeit (vergleiche hiezu OGH 16. Dezember 1980 ÖBl 1981, 78). Ein solcher Fall liegt hier zwischen der Dienstleistung Softwareentwicklung und der Ware Software, welche das unerlaubte Vervielfältigen von CDs und DVDs verhindert vor. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Unternehmen, welches Software entwickelt, diese dann auch selbst vertreibt. Die für die Antragstellerin in Kl 42 eingetragene Softwareentwicklung ist als Oberbe-griff für jene - von der Antragsgegnerin vertriebene - Software zu verstehen. Für welche Klasse die Markenregistrierung erfolgte, ist für die Frage der Ähnlichkeit ohne Bedeutung. Es stünde der Antragstellerin aufgrund ihrer Markenregistrierung frei, eine gleichfalls der Verhinderung unerlaubter Vervielfältigung dienende Software zu entwickeln und unter ihrer Marke zu vertreiben. Ähnlichkeit ist auch gegeben zwischen Wissenschaftlicher und industrieller Forschung im Bereich der Datenverarbeitung einerseits und Technologischen Dienstleistungen, nämlich Einsatz eines Verfahrens zur Herstellung von CDs und DVDs, welches deren unerlaubte Vervielfältigung verhindert bzw Prüfen von Speichermedien, insbesondere hinsichtlich deren Authentizität andererseits. Aus dem Erkenntnis des OPM Om 9/2003 vom 11. Feber 2004, PBl 2004, 115, geht hervor, dass Dienstleistungen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und industriellen Forschung sowie

15 Om 3/09 Datenverarbeitung und die Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung unter anderem Ingenieurarbeiten ähnlich sind. Ingenieurarbeiten lassen sich jedenfalls unter dem Oberbegriff technologische Dienstleistungen subsumieren. Nach der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 31. Jänner 1992, Nm 53/1991 ist Forschung auf dem Gebiet der Technik ähnlich der Prüfung technischer Vorrichtungen, Geräte und Anlagen (vergleiche auch Kronberger/König Markensammlung zur Warenähnlichkeit (2008), 122 und 152, E-Nr 678 und 844). Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass Dienstleistungen in den Bereichen Forschung und Datenverarbeitung sowohl technologischen Dienstleistungen als auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prüfung technischer Vorrichtungen, Geräte und Anlagen ähnlich sind. 5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass bei der gebotenen Gesamtbeurteilung der Grad der Ähnlichkeit der unter den streitverfangenen Marken vertriebenen Waren und durchgeführten Dienstleistungen derart hoch ist, dass unter Berücksichtigung der Wechselbeziehung zur ebenfalls vorliegenden Zeichenähnlichkeit in akustischer und visueller Hinsicht die Verwechslungsgefahr jedenfalls bejaht werden muss und auch die Gefahr besteht, dass die jüngere Marke mit der älteren gedanklich in Verbindung gebracht wird. Dass sich das Angebot der Streitteile an einen etwas anderen Interessentenkreis richtet, vermag die Verwechslungsgefahr nicht zu beseitigen, zumal hinsichtlich einiger der jeweils angebotenen Geräte unbestritten Identität besteht. Es kann auch keineswegs ausgeschlossen werden, dass ein mit der Marke der Antragstellerin vertrauter Konsument, der mit dem Angebot der Antragsgegnerin in Berührung kommt, insoweit eine gedankliche Ver-

16 Om 3/09 bindung zu dem ihm bereits bekannten Unternehmen und dessen Angebot herstellt. Der Berufung kann somit kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf 42 Abs 1 MSchG ivm 122 Abs 1 und 140 Abs 1 PatG sowie auf 41 und 50 Abs 1 ZPO. Wien, am 13. Mai 2009 Der Vorsitzende: Dr. Kodek Für die Richtigkeit der Ausfertigung: