Positionen und Forderungen vor der Bundestagswahl 2009

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Transkript:

Berlin, 28. August 2009 Positionen und Forderungen vor der Bundestagswahl 2009 1. Nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens sicherstellen Das Gesundheitswesen in Deutschland ist ein Garant für sozialen Frieden und wirtschaftliche Prosperität. Rund 4,4 Millionen Menschen arbeiten direkt oder indirekt in diesem Bereich. Das bedeutet: Jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland hat seinen Arbeitsplatz im Gesundheitssektor. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des langen Lebens wird auch in Zukunft die Schaffung neuer Arbeitsplätze erfordern. Investitionen in Personal und Infrastruktur sind notwendig, um das Gesundheitswesen demografiefest zu machen und die Versorgung der älter werdenden und länger arbeitenden Bevölkerung sicherzustellen. Eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung für über 80 Millionen Menschen braucht eine auch in wirtschaftlichen Krisen stabile und nachhaltige Finanzierungsgrundlage. Es ist ein Dilemma der gesundheitlichen Versorgung, dass die medizinischen Möglichkeiten schneller wachsen als die Bereitschaft, dafür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn aber die Finanzmittel für eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung nicht ausreichen, sind Leistungseinschränkungen die unausweichliche Konsequenz. Wir erwarten deshalb von der nächsten Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Sicherung einer langfristig verlässlichen, hochwertigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Dazu sind Entscheidungen erforderlich, die auch den Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise standhalten. Bislang ist das deutsche Gesundheitswesen aufgrund der Konstruktion des Gesundheitsfonds und aufgrund der mit den Konjunkturprogrammen getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung in einer relativ günstigen Situation des Schutzes vor unmittelbaren Folgen der Wirtschaftskrise. Dies kann sich im Jahr 2010 allerdings rasch ändern, falls sich kein neues Wirtschaftswachstum einstellt. Der Marburger Bund wirbt dafür, sich auf Pressestelle Reinhardtstraße 36 10117 Berlin Tel.: 030 746846 41 Fax: 030 746846 45 presse@marburger-bund.de www.marburger-bund.de Hans-Jörg Freese (Ltg.) Tel.: 030 746846 40 freese@marburger-bund.de Andrea Barclay Tel.: 030 746846 43 barclay@marburger-bund.de

- 2 - eine Stabilisierung des deutschen Gesundheitswesens auch für den Fall vorzubereiten, dass die Wirtschaftskrise andauert. Wir Ärztinnen und Ärzte wollen, dass jeder Patient Zugang zu den gesundheitlichen Leistungen hat, die er aus medizinischer Sicht braucht. Es muss transparent sein, wenn Leistungen nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt werden und wofür Versicherte stattdessen in eigener Entscheidung zusätzlich privat vorsorgen sollten. Die Politik kann sich der Aufgabe nicht entziehen, den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zumindest in seinen Grundzügen zu bestimmen und zu verantworten. Die Krankenkassen müssen sich auf ihre originären Aufgaben konzentrieren und ihr Leistungsangebot an den tatsächlichen Versorgungsbedürfnissen der Menschen ausrichten. Wir wünschen uns, dass versicherungsfremde Leistungen nicht länger über die Solidargemeinschaft der Beitragszahler finanziert werden. 2. Chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser überwinden Die Finanzausstattung zahlreicher Krankenhäuser ist trotz der Finanzspritze im Zuge des KHRG nach wie vor unzureichend, eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung bleibt daher Aufgabe der kommenden Legislaturperiode. Sie muss sich an folgenden Grundsätzen orientieren: Die Krankenhausversorgung ist eine öffentliche Aufgabe. Die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung und die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser gehören zur Daseinsvorsorge des Staates für seine Bürger. Beiden Aufgaben muss der Staat in angemessener Form nachkommen und darf sich nicht in dem für die Bürger existenziellen Bereich der Krankenhausversorgung der Verantwortung entziehen. Das Morbiditätsrisiko liegt originär bei den Krankenversicherungen und nicht bei den Krankenhäusern. Die Zunahme der Krankheitslast in einer alternden Gesellschaft muss sich in der Höhe der Vergütung von Krankenhausleistungen widerspiegeln. Spitzenmedizin und gedeckelte Budgets passen nicht zusammen. Die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser muss überwunden werden.

- 3-3. Budgetdeckel abbauen - Orientierungswert zügig einführen 15 Jahre nach ihrer Einführung wird immer deutlicher, dass die Deckelung der Krankenhausbudgets durch die Anbindung an die Veränderungsrate nach 71 SGB V (Grundlohnsummenanbindung) kein geeignetes Instrument zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser darstellt, da weder die Dynamik des medizinischen Fortschritts noch die von den Krankenhäusern nicht zu verantwortenden Kostensteigerungen abgebildet werden. Die Schere zwischen steigenden Ausgaben infolge des erhöhten Behandlungsbedarfs und begrenzten Einnahmen geht sonst immer weiter auseinander. Diese Entwicklung hat zu einer chronischen Unterfinanzierung geführt und in wesentlichem Maße zu der derzeitigen Finanzmisere sowie der Überlastung und Überforderung des Klinikpersonals beigetragen. Die Deckelung ist daher untauglich für die Krankenhäuser des 21. Jahrhunderts. Zwar ist der Budgetdeckel im Jahr 2009 deutlich gelüftet worden, aber die dazu gefällten Entscheidungen sind nicht nachhaltig genug. Der vom Statistischen Bundesamt zu entwickelnde Orientierungswert muss daher zügig eingeführt werden und als alleinige Grundlage für die Verhandlungen der Basisfallwerte dienen. 4. Investitionsstau in den Kliniken beseitigen Der Marburger Bund fordert weiterhin konkrete Schritte zur Auflösung des über Jahre in mehrfacher Milliardenhöhe aufgelaufenen Investitionsstaus. An dieser Misere hat auch das Konjunkturprogramm trotz vielfältiger Hilfen für zahlreiche Kliniken keine prinzipielle Änderung herbeiführen können. Die Bundesländer müssen ihrer Investitionsverpflichtung in vollem Umfang nachkommen. Es wirkt in den Krankenhäusern widersprüchlich, einerseits Projekte gegen den Ärztemangel sowie zum Ausbau der Gesundheitswirtschaft, der medizinischen Forschung und Wissenschaft finanziell zu unterstützen, andererseits aber die Kliniken durch ausbleibende Investitionen in ihrer Funktion als Innovationsträger des Gesundheitswesens zu schwächen.

- 4-5. Marktgläubigen Preiswettbewerb zu Lasten der Patienten verhindern Der Marburger Bund lehnt einen marktgläubigen Wettbewerb um Preise sowie eine zunehmende Ökonomisierung der Patientenversorgung ab. Ziel aller politischen Bemühungen muss es sein, eine qualitativ hochwertige, flächendeckende ambulante wie stationäre Versorgung sicherzustellen. Ein reiner Preiswettbewerb aber geht zu Lasten der Patienten und zu Lasten der freien Arzt- und Krankenhauswahl. Beim Kampf um die niedrigsten Preise bleibt die Qualität auf der Strecke: Personalabbau, höhere Arbeitsverdichtung und Demotivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus sind die Folgen. Der Discounter -Ansatz in den Kliniken würde viele der Krankenhäuser, die jetzt schon rote Zahlen schreiben, endgültig in den Ruin treiben. Die flächendeckende und wohnortnahe Verfügbarkeit von Krankenhausleistungen ist ein hohes soziales Gut, das nicht durch unkontrollierte Wettbewerbsexperimente wie der Einführung selektiver Verträge bei so genannten planbaren Leistungen gefährdet werden darf. Der Marburger Bund lehnt derartige Einkaufsmodelle zur Stärkung der Marktmacht der Krankenkassen ab, da sie die grundgesetzlich verbriefte Krankenhausplanungskompetenz und Planungshoheit der Länder unterlaufen und in Verbindung mit einem Höchstpreissystem zu einem unverantwortlichen Preisdumping im Krankenhausbereich führen würden. Wir wollen keine rabattierte Medizin weder im Krankenhaus noch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens. 6. Rahmenbedingungen verbessern Ärztemangel begegnen Der Arztberuf im Krankenhaus muss dringend attraktiver werden. Ärzte am Krankenhaus müssen von unnötigem bürokratischen Ballast und nichtärztlichen Tätigkeiten befreit werden, um endlich wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit und Gespräche mit den Patienten zu haben. Arbeitsplätze und Arbeitszeiten müssen familienfreundlich gestaltet werden und die Weiterbildung in guter Qualität auch in Zukunft sichergestellt sein. Nur so kann verhindert werden, dass sich zunehmend mehr junge Ärztinnen und Ärzte gegen eine Tätigkeit in der kurativen Medizin in Deutschland entscheiden und in andere Tätigkeitsfelder oder ins Ausland abwandern.

- 5 - Laut Berechnungen des Deutschen Krankenhausinstituts hat sich die Zahl der offenen Arztstellen auf inzwischen 4.000 erhöht. Allein in Nordrhein-Westfalen können ca. 1.000 Arztstellen nicht nachbesetzt werden. Deutschland steuert in einen flächendeckenden Ärztemangel. Der Exodus junger Ärztinnen und Ärzte wird sich nur dann aufhalten lassen, wenn die Rahmenbedingungen für attraktive Arbeitsplätze verbessert werden. Die Krankenhäuser brauchen Planungssicherheit. Eine bessere Finanzausstattung durch eine vollständige Refinanzierung der Ausgaben für eine leistungsgerechte, tarifkonforme Bezahlung der Ärztinnen und Ärzte, wie sie vom Marburger Bund seit langem gefordert wird, sowie der steigenden Kosten für Sachmittel und Energie sind wichtige Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit im Krankenhaus. Darüber hinaus sollten Bund und Länder prüfen, ob auch durch eine Erhöhung der Studienplätze in der Medizin mittelfristig dem Nachwuchsmangel begegnet werden kann. Zugleich müssen dann aber auch die Kapazitäten in der klinischen Ausbildung, am Krankenbett des Patienten, erweitert werden. Bisher übernehmen nur die Universitätskliniken diese Aufgabe. Eine höhere Anzahl von Medizinstudierenden erfordert die Einbeziehung auch anderer Krankenhäuser in die klinische Ausbildung der Medizinstudenten - unter der Lehrverantwortung der Medizinischen Fakultäten. Notwendig ist auch eine Debatte darüber, welche Auswahlkriterien der Zulassung zum Medizinstudium zugrunde liegen sollen. Die Abiturnote allein als Eingangsqualifizierung zum Medizinstudium ist für die Auswahl künftiger Ärzte unzureichend. Die Fakultäten sind aufgefordert, von ihren Gestaltungsspielräumen Gebrauch zu machen. In Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten sollten Bund und Länder endlich weitere geeignete und gerichtsfeste Auswahlkriterien entwickeln, die sich an der Sozialkompetenz und Motivation der Bewerber für den Arztberuf orientieren. 7. Bereitschaftsdienst muss weiterhin Arbeitszeit bleiben Die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes von Ärztinnen und Ärzten in Gesundheitseinrichtungen ist Arbeitszeit. Dabei muss es bleiben. Öffnungsklauseln im Arbeitszeitgesetz, die von diesem Prinzip abweichen, lehnen wir ab.

- 6 - Die von einigen europäischen Regierungen massiv vorangetriebene Kampagne, Bereitschaftsdienste in aktive und inaktive Phasen zu unterteilen und nur die aktiven als Arbeitszeit zu werten, ist völlig unpraktikabel und dank des Widerstands im Europäischen Parlament gescheitert. Einer vermeintlich Kosten sparenden Neudefinition der Bereitschaftsdienste um den Preis der Gesundheit von Ärztinnen und Ärzte werden wir uns mit aller Kraft widersetzen. Wir sind enttäuscht über den Versuch der Deutschen Krankenhausgesellschaft, erneut dafür zu werben, es ein weiteres Mal auf diese Konfrontation mit den Beschäftigten ankommen zu lassen. Nach den jüngsten Entscheidungen im Europäischen Parlament gehört jetzt Ruhe in dieses Thema. Wir erwarten von der nächsten Bundesregierung, dem Arbeitnehmerschutz und damit auch dem Patientenschutz Vorrang einzuräumen. Eine Rolle rückwärts bei der Definition von Bereitschaftsdiensten darf es nicht geben! 8. Selbstverwaltung stärken Staatseinfluss zurückdrängen Wir erwarten von der nächsten Bundesregierung einen Neuanfang in der Gesundheitspolitik. Der Selbstverwaltung muss wieder mehr Freiraum gegeben werden. Die Auslagerung bisheriger Selbstverwaltungsentscheidungen in staatsnahe Institutionen ist auf den Prüfstand zu stellen. Durch verschiedene Regelungen wurde die ärztliche Berufsausübung, die auf den Eckpfeilern der Professionalität und Therapiefreiheit beruht, in die Enge staatsbeeinflusster Weisungsmedizin gedrängt. Ein Arzt aber muss frei entscheiden können, welche Therapie im individuellen Fall die bessere ist. Der Marburger Bund fordert deshalb Politik und Regierung auf, die Unabhängigkeit des Arztes in seiner Berufsausübung und damit gleichzeitig das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu sichern und zu schützen. Überflüssige Kosten- und Qualitätskontrollen sowie ausufernde Bürokratie müssen abgebaut werden. 9. Nebeneinander von GKV und PKV bewahren Für uns Krankenhausärzte ist jeder Mensch von gleichem Wert. In unserer Sorge um die Patienten lehnen wir eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Patientengruppen ab. Ärztliche Hilfe darf nicht vom Geldbeutel abhängen und auch nicht vom Versichertenstatus. Ob jemand zur gesetzlichen Krankenkasse

- 7 - gehört, privat versichert ist oder Beihilfe vom Staat bekommt, macht keinen Unterschied in der ärztlichen Behandlung. Beim Hotelkomfort mag es Unterschiede geben, in der Medizin aber muss die Behandlung eines jeden Patienten fachlich immer auf der Höhe der Zeit erfolgen. In beiden Versicherungssystemen, dem gesetzlichen wie privaten, erhalten Patienten eine hochwertige Versorgung. Das Nebeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) hat maßgeblich die Versorgung befördert, Innovation gesichert und medizinischen Fortschritt vorangetrieben. Die PKV ist als Alternative und Ergänzung der umlagefinanzierten GKV unverzichtbar. Die Privatversicherten tragen in erheblichem Maße dazu bei, dass allen Bürgern eine ärztliche Versorgung in beispielhafter Weise zugänglich ist, dass die medizinischen Innovationen allen zeitnah zur Verfügung stehen und dass der Investitionsstau in den Krankenhäusern nicht zu deren baulichem und medizinisch-technischem Verfall geführt hat. Kein Problem im Gesundheitswesen wäre gelöst, wenn die PKV einer Einheitszwangsversicherung geopfert werden würde. 10. GOÄ als Referenzgröße ärztlicher Leistungen reformieren Die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) als Vergütungsgrundlage für die privatärztliche Behandlung in Praxen und Krankenhäusern muss reformiert werden. Grundlage für eine Weiterentwicklung als eigenständiges Bewertungsund Preissystem für ärztliche Leistungen sollte das Konzept der Bundesärztekammer sein. Die Schwächen der geltenden GOÄ mit ihrem veralteten Leistungsverzeichnis müssen beseitigt und die ordnungspolitische Funktion und die Akzeptanz der GOÄ als Referenzgröße für einen modernen und umfassenden Katalog freiberuflich ärztlicher Leistungen gestärkt werden. Ziel muss es sein, einen fairen Interessensausgleich zwischen Arzt und Patienten herbeizuführen, der eine leistungsgerechte, angemessene Honorierung des Arztes ebenso gewährleistet wie den Schutz des Patienten vor finanzieller Überforderung.