Demokratie zum Nulltarif? Anmerkungen zu den Kosten direktdemokratischer Verfahren



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Demokratie zum Nulltarif? Anmerkungen zu den Kosten direktdemokratischer Verfahren Tim Weber Lohnt sich Bürgerbeteiligung überhaupt? Sind die Kosten im Verhältnis zum Ergebnis nicht zu hoch? Hätten sich die Ergebnisse nicht auch auf andere Art und Weise erzielen lassen? Anhänger der partizipativen Demokratie sind immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert. Doch klar ist: mehr Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif. Bürgerbeteiligung: Sammelbegriff für verschiedene Verfahren Unter dem Begriff»Bürgerbeteiligung«werden im allgemeinen Sprachgebrauch verschiedene Verfahren subsummiert. Direktdemokratische Verfahren, also Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, zielen auf kommunaler Ebene auf eine verbindliche Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger ab; deren Entscheidung tritt an Stelle der Entscheidung des Kommunalparlaments. Demgegenüber haben andere, eher diskursorientierte Verfahren der Bürgerbeteiligung eine beratende Funktion. Die Entscheidung verbleibt beim gewählten Gremium. Hier ist zwischen freiwilligen Verfahren (z.b. Bürgerhaushalt, Planungszellen) sowie gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren (z.b. öffentliche Auslegung im Bauleitverfahren) zu unterscheiden. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide haben den Vorteil, dass sie eine verbindliche Entscheidung herbeiführen, mithin den Souverän als Souverän ansprechen und sie in der Regel mehr Menschen erreichen, die sich am Prozess beteiligen. Allerdings können direktdemokratische Verfahren auch den Nachteil haben, dass sie Themen zu früh auf eine Ja-Nein-Entscheidung reduzieren und dadurch konfliktverschärfend wirken können. Andere Bürgerbeteiligungsverfahren sind diskursiver angelegt, begünstigen Kompromisse und neue Lösungen und wirken deshalb konsensstiftender. Allerdings beruhen sie auf der Bereitschaft der Verwaltung, ein solches Verfahren konstruktiv zu begleiten. Gerade wegen ihrer beratenden Funktion können die Ergebnisse solcher Verfahren ins Leere laufen, d.h. Bürger/innen werden zwar beteiligt, bewirken aber gar nichts. Eine anwendungsfreundliche direkte Demokratie begünstigt andere Verfahren der Bürgerbeteiligung. Denn durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid werden bestehende Machtungleichgewichte zwischen Bürger/innen und Verwaltung verringert. Verwaltung und Entscheidungsträger haben so einen größeren Anreiz auf Bürgerinnen und Bürger zuzugehen und sie an Entscheidungen zu beteiligen. Auf der anderen Seite bewirken Bürgerbeteiligungsverfahren, dass direktdemokratische Verfahren unwahrscheinlicher werden und dass Fragestellung und Argumente in direktdemokratischen Verfahren differenzierter werden können. Ein Beispiel: Angenommen eine Verwaltung plant den Umbau eines zentralen Platzes, beauftragt ein Planungsbüro und stellt kurz vor der Entscheidung die Pläne den Einwohner/innen vor. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit Seite 1

von Protesten und eines Bürgerbegehrens sehr viel größer als wenn die Verwaltung bereits vor der Planung eine Einwohnerversammlung einberuft und für Bürgerinnen und Bürger zusätzlich die Möglichkeit besteht, sich mit eigenen Planungsvorschlägen zu beteiligen. Das Szenario ist aber auch anders denkbar. Die Verwaltung möchte einen zentralen Platz umbauen und dies wird auf Einwohnerversammlung durch Beiträge mehrheitlich abgelehnt; in dem Fall könnte der Rat einen Bürgerentscheid (z. B. in NRW oder Bayern möglich) oder eine Bürgerbefragung (in Niedersachsen möglich) einleiten und diese Frage allen vorlegen. Durchführungs- und Ergebniskosten bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden Bei den Kosten kann zwischen Durchführungskosten und durch die Entscheidung selbst entstehenden Folgekosten unterschieden werden. Es liegt auf der Hand, dass jedes Verfahren, das gestartet wird, Durchführungskosten verursacht. Hier sind als wichtigste Kosten zu nennen: Geld (z.b. durch die Beauftragung einer Firma) und (Arbeits-)Zeit, die auf Seiten der am Prozess beteiligten Bürger/innen nicht, wohl aber auf Seiten der Verwaltung auch in Geld umgerechnet werden kann. So wurden beispielsweise in Bonn die Kosten für die Durchführung des Internet-Bürgerhaushalts 2010 in Höhe von 301.887 Euro kritisiert. Hierin waren die Kosten für die moderierende Firma und die verwaltungsinternen Kosten enthalten, der Zeitaufwand der beteiligten Bürger/innen wurde aber nicht thematisiert. Im Bonner Bürgerhaushalt wurden 108 Sparvorschläge der Verwaltung und 1.600 Vorschläge von User/innen diskutiert. Natürlich ist es legitim und sinnvoll, das zusätzliche Einsparpotential in Relation zu den Kosten zu setzen, da es ein Ziel des Bürgerhaushalts war, öffentliche Gelder zu sparen. Doch grundsätzlich gilt: Wenn man ein Bürgerbeteiligungsverfahren wählt, entstehen Durchführungskosten, das liegt in der Natur der Sache. Interessanterweise stehen die Kosten für Bürgerbeteiligungsverfahren dennoch stärker in der Kritik (und Bürgerbeteiligungsverfahren in hohem Maße unter öffentlicher Beobachtung). Dies führt regelmäßig und schneller zu einer Infragestellung solcher beteiligungsorientierten Verfahren, als dass bei gesetzlich normierten demokratischen und parlamentarischen Verfahren der Fall ist. Für die Zukunft ist es ratsam, die Kosten und die Funktion eines beteiligungsorientierten Verfahrens schon im Vorfeld transparent offenzulegen. Die Kosten für ein Bürgerbegehren tragen die Initiatoren. Während man in Gemeinden bis 10.000 Einwohner/innen von ca. 50 Cent pro gesammelter Unterschrift ausgehen kann, steigen diese Kosten pro Unterschrift auf 1 Euro bis 1,25 Euro in Städten ab 100.000 Einwohner/innen. Diese Werte gehen auf eigene Erfahrungen und auf Gespräche mit anderen Initiatoren zurück. Während in kleineren Gemeinden die Organisation des Bürgerbegehrens ehrenamtlich ist, ist man in Städten auf Arbeitszeit Hauptamtlicher angewiesen. Bezüglich der Kosten für die Prüfung der Unterschriften, die die öffentliche Hand trägt, liegen mir keine Zahlen vor. Natürlich können hier Effizienzgesichtspunkte Anwendung finden. Die Verwaltung kann alle für ein Bürgerbegehren eingereichten Unterschriften prüfen oder wie es in Nürnberg und Bremen der Fall ist Stichproben vornehmen. So wurden bei einem Bremer Volksbegehren 2006 fünf Prozent aller Unterschriften geprüft und da in dieser Stichprobe über 94 Prozent der Unterschriften gültig waren, wurde das Volksbegehren als erfolgreich gewertet. Solche Verfahren der Effizienzsteigerung sind zu begrüßen. Seite 2

Neben dem Geld ist natürlich auch die Zeit zu berücksichtigen, die in hohem Maße von ehrenamtlichen Sammler/innen eingesetzt wird. Wenn die formalen Bedingungen sehr streng sind, wenn z. B. das Fehlen eines Geburtsdatums zur Ungültigkeit einer Unterschrift führt, wird gleichermaßen die Zeit der Sammelnden und die Zeit des Unterschreibenden verschwendet. Auch hier hat Bremen bei seiner jüngsten Reform neue Wege eingeschlagen, indem künftig Unterschriften nur dann ungültig sind, wenn die Identität des Unterschreibenden nicht eindeutig festgestellt werden kann. Die Durchführungskosten eines Bürgerentscheids wurden bei Umfragen in bayerischen Gemeinden Mitte der 1990er Jahre mit einer bis zwei DM pro Einwohner/in angegeben. Damals wurden aber nur die zusätzlichen Ausgaben für Druck und Versand der Abstimmungsunterlagen sowie für Abstimmungshelfer/innen betrachtet. Unter der Betrachtung eines doppischen Haushaltes, der z. B. auch den Arbeitsaufwand der Verwaltung mit einbezieht, sind diese Kosten je nach Größe der Gemeinde auf 1,25 bis zwei Euro pro Einwohner/in gestiegen. In Ottersberg beispielsweise kostete die Durchführung der letzten Kommunalwahl 16.354 Euro bei 12.100 Einwohner/innen (1,35 Euro pro Einwohner/in). Hinsichtlich der Ergebniskosten gehen von Bürgerentscheiden eher sparsame Effekte aus. Eine Auswertung bayerischer Bürgerentscheide nach einem Jahr ergab, dass 60 Bürgerentscheide kostenneutral, 13 kostensenkend und 4 kostensteigernd waren. Umfassendere Studien aus der Schweiz bestätigen diesen Befund: sie kommen zu dem Ergebnis, dass je stärker direktdemokratische Verfahren vorhanden sind, sich dies positiv auf die Wirtschaft auswirkt. Ich möchte aber hervorheben, dass sich dies durchaus auch ändern kann. So wie parlamentarische Entscheidungen zu hohen Ausgaben führen können, ist dies auch bei Bürgerentscheiden der Fall. Wenn z. B. ein Gemeinderat einen Schulneubau beschließt, entstehen Investitions- und Folgekosten. Diesen Kosten steht aber eine Schule gegenüber. Genauso verhält es sich bei Bürgerentscheiden, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger z. B. für mehrere Autobahntunnel aussprechen. Der hohen Ausgabe steht flüssiger Verkehr und weniger Lärmbelästigung gegenüber. Es wäre verkehrt, von dem Ergebnis eines demokratischen Verfahrens auf seine Sinnhaftigkeit zu schließen. Mit anderen Worten: Würde man die gleichen Maßstäbe hinsichtlich der Kosten an Bürgerentscheide und parlamentarische Entscheidungen anlegen, halten beide Verfahren gleichermaßen einer kritischen Prüfung stand. Durchführungs- und Ergebniskosten bei anderen Beteiligungsverfahren Mir liegen bezüglich der Kosten von Beteiligungsverfahren keine belastbaren Zahlen vor. Je nach Wahl des Verfahrens sind die Kosten unterschiedlich hoch. So ist die Durchführung einer Zukunftskonferenz günstiger als ein Internethaushalt oder eine Planungszelle, aber es wird auch ein völlig unterschiedlicher Input und Output geleistet. Bei einem Projekt sollte in der Planungsphase mehr Zeit aufgewendet werden, um Fehler zu vermeiden und Reparaturkosten zu vermeiden. Die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren der Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren kommen zunehmend an Grenzen, wie bei der Auseinandersetzung um»stuttgart 21«eindrucksvoll studiert werden kann. Übrigens: ein Bürgerbegehren mit über 60.000 Unterschriften wurde hier für unzulässig erklärt, ein Bürgerentscheid hätte befriedende Wirkung entfalten können und viele Folgekosten eines eskalierenden Konflikts gespart. Sicherlich hätte Stuttgart 21 im Bürgerentscheid abgelehnt werden kön- Seite 3

nen, aber unerwartete und von manchen unerwünschte Ergebnisse haben demokratische Verfahren so an sich. Hätten Entscheidungsträger schon während der Planung andere freiwillige Verfahren der Bürgerbeteiligung gewählt (z.b. die Planungszelle), um das Konzept Stuttgart 21 zu prüfen und alternative Varianten zu entwerfen, wären wahrscheinlich viele Kosten nicht entstanden. Allgemein lässt sich feststellen, dass eine ergebnisoffene und transparente Bürgerbeteiligung zu Beginn eines Verfahrens Reparaturkosten eines eskalierenden Konflikts unwahrscheinlicher werden lässt. Einfacher könnte man auch sagen: Bürgerbeteiligung zu Beginn eines Projekts ist gut investiertes Geld. Was kostet also Bürgerbeteiligung? Zeit und Geld! Konkreteres lässt sich dazu nicht sagen, da es an belastbaren allgemeinen Zahlen fehlt. Aber möglicherweise ist das sogar gut, denn ob Bürgerbeteiligung sich lohnt also ob die eingesetzte Zeit und das eingesetztes Geld in einer vernünftigen Relation zum Ergebnis stehen muss jede/r an solchen Verfahren Teilnehmende für sich entscheiden. Die Verwaltung als Auftraggeber freiwilliger Bürgerbeteiligungsverfahren muss sich natürlich fragen, ob sie ihre Ziele erreicht hat und ob die Ergebnisse den Ressourcenaufwand rechtfertigen. Es empfiehlt sich, dass Verwaltungen Ziele und Kosten von vorne herein offen legen. Und es wäre wünschenswert, wenn in der öffentlichen Diskussion solche Fragen gelassener erörtert würden. Bei gesetzlich normierten Verfahren wie Wahlen und Bürgerentscheiden kann eine Diskussion über die Kosten schwerlich zu einer Infragestellung der Verfahren an sich führen. Also was kostet Bürgerbeteiligung? So genau weiß ich das auch nicht. Aber lohnt sich Bürgerbeteiligung? Das auf jeden Fall! Literatur Markus Freitag, Adrian Vatter: Mehr Volksmitsprache in Finanzfragen Positive Erfahrungen aus den Kantonen und Gemeinden, Neue Züricher Zeitung, 14.3.2002 Gebhard Kirchgässner, Lars P. Feld, Marcel R. Savioz (1999): Die direkte Demokratie Modern, erfolgreich, entwicklungs- und exportfähig Thomas Mayer, Michael Seipel: Triumph der Bürger, München 1997 Autor Tim Weber ist langjähriger Mitarbeiter bei Mehr Demokratie e. V. Er beschäftigt sich praktisch und theoretisch mit Fragen der Demokratieentwicklung, hat mehrere Volksbegehren initiiert und ist kommunalpolitisch in Ottersberg aktiv. Seite 4

Kontakt: Tim Weber Mehr Demokratie e. V. Schildstraße 12-19 28203 Bremen Telefon: (04 21) 7 94 63 70 E-Mail: tim.weber@mehr-demokratie.de http://www.mehr-demokratie.de Redaktion Newsletter Stiftung MITARBEIT Wegweiser Bürgergesellschaft Redaktion Newsletter Bornheimer Str. 37 53111 Bonn E-Mail: newsletter@wegweiser-buergergesellschaft.de Seite 5