Es gilt das gesprochene Wort! Haushaltsrede des Stadtkämmerers Marco Schulze-Beckinghausen zur Einbringung des Haushaltes 2016/17 der Stadt Werne in der Ratssitzung am 22. Oktober 2015 Seite 1 von 13
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren des Stadtrates, sehr geehrte Pressevertreter, sehr geehrte Damen und Herren, wir stehen heute vor der Einbringung des ersten Doppelhaushaltes hier in Werne seit Einführung der Doppik in unsere Haushaltsführung. Doppelhaushalte hat unsere Stadt schon öfter gesehen. Die letzten drei in den Jahren 2003 bis 2008, noch zu Zeiten der Kameralistik. Soviel zur Statistik, wichtiger in diesem Zusammenhang ist aber, dass wir das im Rahmen der laufenden Haushaltskonsolidierung tun. Nehmen Sie das mal als gutes Zeichen: Wir liegen zum aktuellen Zeitpunkt mit der Konsolidierung auf Kurs und auch bei genauer Betrachtung werden sich in den kommenden zwei Jahren kaum entscheidende Abweichungen ergeben, denn die wesentlichen Weichen sind gestellt, die Planungen stehen und sind durch den Rat beschlossen. Das gilt zumindest für den Teil, den wir hier als Rat und Verwaltung selbst beeinflussen können und damit auch verantworten. Andere Einflüsse auf unsere Haushaltsergebnisse können wir dagegen, wie auch in den Vorjahren, nur im eng gesteckten Rahmen der gesetzlichen Vorgaben prognostizieren. Dazu gehören, wie in den Vorjahren, die Entwicklung der Kreisumlage und natürlich auch einige andere Faktoren. Seite 2 von 13
Einer dieser Faktoren, und zwar ein ganz entscheidender, ist die Entwicklung der Zinsen. Dieser Punkt ist mir ganz besonders wichtig. Selbst, wenn wir, wie vorgesehen 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen werden, dann bedeutet das ja nichts anderes, als das wir aufhören werden Schulden anzuhäufen. Erst in 2019 können wir mit dem Abbau von Schulden beginnen. Und zwar in eher bescheidenem Maße. Schon heute haben wir aber fast 40 Millionen Euro Schulden angehäuft, die als reine Kassenkredite den Haushalt belasten, davon rund 25,5 Millionen im Kernhaushalt und weitere 14 Millionen beim KBW. Nehmen wir die Investitionskredite dazu, dann liegen wir aktuell bei rund 100 Millionen Euro. Und die Summen steigen bis 2019 stetig an. Die Lage wird also nicht besser. Trotzdem, bleiben wir bei den bereits angesammelten 40 Millionen Euro Kassenkrediten. Diese entsprechen nur zur Veranschaulichung dem Gegenwert aller Straßen, Wege und Plätze in unserer Stadt. Das ist natürlich eine rein theoretische Zahl denn ich bin nicht einmal sicher, ob es überhaupt einen Markt dafür gäbe aber diese Zahl verdeutlicht, wie ich finde, sehr anschaulich, wo wir stehen. Und das sind Kassenkredite, also Kredite, ohne langfristige Zinsbindung anders als bei den Investitionskrediten. Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu beschreiben, was eine Veränderung des derzeit historisch niedrigen Zinsniveaus für unseren Haushalt und die Konsolidierung bedeutet auf Jahrzehnte hinaus, nicht nur in den kommenden Jahren. Seite 3 von 13
Ich betone das deshalb noch einmal so deutlich, damit klar ist, warum ich bei allem, was wir jetzt und in Zukunft beschließen, sehr genau darauf achten muss und genau darauf achten werde, was uns das kostet, wie uns das in Zukunft belastet und welche Konsequenzen das für den Haushalt und damit schlussendlich für unsere Stadt haben kann. Noch einmal: Die Schulden von heute belasten uns über Jahrzehnte und wir tragen dabei viele Risiken. Das Zinsrisiko ist nur eines davon ein wichtiges, aber lange nicht das einzige. Einen Beschluss eben auch in Bezug auf die zukünftige Schuldenlast hat der Rat ja gerade erst gefasst: Ich meine den zum Neubau des Bades. Das ist in der jetzigen Form und nach heutigem Dafürhalten für Werne so zu stemmen. Trotzdem mahne ich noch einmal: Da darf in der endgültigen Umsetzung nichts Erhebliches aus dem Ruder laufen. Nur so schaffen wir eine vernünftige und finanzierbare Lösung. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, bereits bei oberflächlicher Betrachtung der vorliegenden Zahlen zum Gesamthaushalt fällt zunächst einmal auf, dass der Wirtschaftsplan unseres Kommunalbetriebes, wie auch der unseres Bades, in den Gesamthaushalt eingerechnet ist. Das machen wir zum ersten Mal so, weil es die Transparenz gerade im Hinblick auf den Verzehr des Eigenkapitals erhöht und einen besseren Vergleich zwischen Planung und tatsächlicher Entwicklung erlaubt. Ich bin überzeugt, dass dies Seite 4 von 13
Missverständnissen vorbeugen wird und, wie gesagt, die Transparenz fördert. Der zweite Blick auf die vorliegenden Zahlen könnte meine Aussagen über die Erreichung der Planziele zumindest für das laufende und das Folgejahr in Frage stellen, denn da sehen wir ja im Saldo erhebliche Abweichungen zu den ursprünglich geplanten Zahlen für 2015 und 2016. Wir werden nach heutigem Stand in 2015 statt des berechneten Defizits von rund 9 Millionen Euro eine Unterdeckung von rund 3,4 Millionen Euro einfahren. Dafür aber in 2016 unser Limit um eine vergleichbare Summe überschreiten. Das gefährdet über den gesamten Konsolidierungszeitraum hinweggesehen die Zielsetzung nicht: Das jährliche Haushaltsdefizit wird 2017 und 2018 auf dem Niveau von rund 1,5 Millionen stagnieren und dann weiter kontinuierlich abnehmen. 2020 sehen wir eine schwarze Null. Das war so geplant und aus heutiger Sicht können wir das nach wie vor schaffen. Zu den Risiken habe ich schon etwas gesagt. Das wir im nächsten Jahr mit einem Finanzbedarf von fast 10,8 Millionen Euro zu tun haben und damit fast doppelt so viel, wie die Planung noch 2015 vorsah, ist einer Besonderheit der kommunalen Finanzregularien hier in Nordrhein-Westfalen geschuldet und muss hier kurz erklärt werden: Seite 5 von 13
Die Stadt Werne ist in der Referenzperiode 2014/15 das beschreibt den Zeitraum vom 1.7. 2014 bis zum 30.6.2015, also exakt ein Jahr die proportional steuerstärkste Kommune im Kreis Unna. Das ist erstmal erfreulich, nur leider nicht von Dauer. Zwar steht Werne auch sonst nicht schlecht da, was die Steuereinnahmen im kreisweiten Vergleich angeht, aber im laufenden Jahr führt ein steuerlicher Einmaleffekt auf deutsch eine erhebliche Steuernachzahlung von rund 6,5 Millionen Euro dazu, dass wir Spitzenreiter geworden sind. 6,5 Millionen, das macht deutlich mehr als ein Drittel unserer jährlichen Gewerbesteuereinnahmen aus und hat Konsequenzen für den Abschluss 2015 aber eben auch oder besser: leider auch auf die Zahlen für 2016. Schade, weil es sich eben nicht um eine strukturelle und damit dauerhafte Verbesserung handelt. Und, weil es Auswirkungen auf den Haushalt des Folgejahres hat. Es ist nämlich so, dass die Steuerkraft einer Kommune eine ganz wesentliche Bemessungsgrundlage für eine Reihe von Zuweisungen und Umlagefinanzierungen bildet. Zwei davon seien hier genannt, weil sie erheblich zum gestiegenen Fehlbetrag in 2016 beitragen werden. Zum einen führen die ungewöhnlich hohen Steuereinnahmen 2015 für 2016 zum kompletten Wegfall der Schlüsselzuweisungen des Landes an uns. Das haben wir bislang mit rund 4,4 Millionen Euro für 2016 veranschlagt. Davon sehen wir Stand heute keinen Cent. Und das tut jetzt richtig weh! Seite 6 von 13
Dazu kommt noch: Auf der anderen Seite wird die Steuerkraft mittelbar auch zur Berechnung der Kreisumlage herangezogen. Und Sie ahnen es schon die Kreisumlage wird auf Grundlage der hohen Steuereinnahmen im besagten Referenzzeitraum für Werne im Folgejahr steigen! Entgegen unserer bisherigen Planung um rund 1,1 Millionen Euro wieder: Stand heute. Das sind 1,8 Millionen Euro mehr, als wir im aktuellen Jahr bezahlen. Haben Sie mitgerechnet: Das macht alleine bei diesen beiden Positionen eine Summe von 5,5 Millionen Euro für den kommunalen Haushalt aus. Der steuerliche Einmaleffekt ist also schon im Folgejahr wieder so gut wie aufgezehrt und stellt deshalb keine Entlastung des Haushalts dar. In einer Stadt dieser Größenordnung schlagen solche steuerlichen Einmaleffekte natürlich sofort durch, nebenan in Dortmund oder Münster wären die Auswirkungen nicht so gravierend. Uns wäre schon geholfen, wenn der Bemessungszeitraum nicht ein Jahr sondern beispielsweise drei Jahre betragen würden. Dann wären solche Effekte lange nicht so gravierend und wir bekämen im Folgejahr nicht nahezu alles sofort wieder weg genommen. Ich erlaube mir diesen Hinweis, in Richtung Gesetzgeber. Aber es ist, wie es ist. Bleiben wir kurz bei den Steuereinnahmen, die entwickeln sich derzeit stabil bis erfreulich im Wetterbericht würde man sagen heiter bis wolkig. Die Gewerbesteuern nehmen auch in 2016 ohne Einmaleffekte zu und zwar um eine gute Million im Seite 7 von 13
Verhältnis zu den bisherigen Schätzungen für das kommende Jahr. Der Anteil an der Einkommensteuer wird ganz leicht steigen oder stagnieren und der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird leicht sinken. Soviel zu der Ertragsseite! Das heißt: Ich bin Ihnen ja noch eine Zahl aus meiner letzten Haushaltrede schuldig. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich kurz auf die kleinteiligen Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts eingegangen bin? Dabei habe ich eine Steuereinnahme besonders erwähnt, weil sie eigentlich nur einen kleinen Teil zum Haushalt beiträgt. Ich kann Ihnen heute sagen, der Anteil wird sich erhöhen! Weil, ja weil sich die Anzahl der Hunde in Werne in den zurückliegenden Monaten enorm vermehrt hat. Die bloße Ankündigung einer Hundezählung hat schon dazu geführt, dass gut 170 neue Hunde bei uns gemeldet wurden. Bis zum Ende der Zählung wird sich das noch weiter erhöhen, wir gehen von 220 neuen Steuerzahlern aus. In jedem Fall haben sich die angesetzten Kosten für die Zählung bereits im ersten Jahr amortisiert. Und für diese weit über 200 Hunde werden ja auch in Zukunft Steuern zu zahlen sein. Der Steuergerechtigkeit ist damit, glaube ich genüge getan. Und die Zahl der Hunde wird danach ja hoffentlich konstant bleiben. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, Sie mögen schmunzeln oder sich auch Fragen, warum geht der Kämmerer jetzt schon zum zweiten Mal in einer Seite 8 von 13
Einbringungsrede auf dieses Thema ein. Nun nehmen Sie es als Beleg der Tatsache, dass wir sämtliche Instrumente in die Hand nehmen, um den Haushalt zu konsolidieren. Auf der Aufwandseite habe ich zur Kreisumlage schon etwas gesagt. Ich hätte, gemeinsam mit den Kollegen Kämmerern der anderen Städte und Gemeinden gehofft, dass sich zumindest bei dieser Kostenstelle eine gewisse Entlastung ergibt. Dem ist nicht oder doch nur minimal so, betrachtet man die anvisierte Senkung der allgemeinen Umlage um 0,06 Prozentpunkte. Das hilft uns hier gar nichts, zumal wir nun wirklich die Konsolidierungspotentiale vollkommen ausgeschöpft haben. Andere Schlüsselzahlen, etwa der Aufwand für Personal, bewegen sich in etwa im Rahmen des Geplanten. Wobei wir die Personalanpassung im Rahmen des Möglichen flexibel gestalten, auch um personellen Mehraufwand etwa bei der Flüchtlingsbetreuung abfedern zu können. Damit ist ein weiteres Stichwort gegeben. Vorab ein klares Bekenntnis. Es stimmt, der Zustrom von Flüchtlingen belastet die Stadt Werne genauso, wie alle anderen Kommunen des Landes. Es stimmt, wir kommen damit an die Grenzen des Leistbaren, insbesondere, was die dezentrale Unterbringung der Schutzsuchenden angeht. Wir werden weiter dafür Geld ausgeben und zwar viel Geld. In den Haushalt unseres Kommunalbetriebes stellen wir allein für eine mögliche Investition 2 Millionen Euro ein. Seite 9 von 13
Aber wir müssen helfen, das ist uns eine Verpflichtung! Das gilt, wie wir alle wissen, für viele Wernerinnen und Werner im ganz Konkreten und das gilt selbstverständlich auch für Rat und Verwaltung durch die Bereitstellung von Geld, Sachmitteln und personellen Ressourcen. Wir tun hier in Werne unseren Teil aber wir erwarten das auch von anderen: Ich knüpfe unsere Hilfe nicht an Bedingungen, und ich bin tatsächlich dankbar, dass Bundestag und Bundesrat, wenn auch erst Ende der vergangenen Woche, endlich ihrer Verpflichtung nachgekommen sind und den Kommunen die dringend benötigten Mittel im Rahmen des Konnexitätsprinzips zur Verfügung stellen. Das hilft zu helfen, und ermöglicht uns hier, nicht die Grenzen des Vertretbaren überschreiten zu müssen. Noch nicht, denn ich bin ziemlich sicher, es wird nicht reichen! In diesem Zusammenhang will ich doch zumindest erwähnen, dass die Kosten der Notunterkunft die in unserer Stadt entstehen wird, nicht aus Mitteln der Kommune finanziert werden. Das gehört zu den Aufgaben, die die Bezirksregierung in diesem Zusammenhang zu erledigen und zu finanzieren hat. Seite 10 von 13
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, die Stadt Werne wird auch in den kommenden Jahren weiter in die Zukunft investieren. Das macht einen erheblichen Teil des Aufwands aus, den wir in den kommenden Jahren stemmen wollen. Das Schlagwort dabei ist: Bildung Mit Bildung meine ich den Schulneubau der Wiehagenschule am neuen Standort. Das kostet die Stadt fast 10 Millionen Euro. Die erste Million ist bereits in diesem Jahr etatisiert, für 2016 stellen wir zwei weitere Millionen in den Haushalt ein. Der Neubau soll dann zum Ende 2018 stehen. Bildung steht bei den Investitionen auch für die dringend notwendige Erweiterung der Uhlandschule, die wir bereits in 2015 angegangen sind. Natürlich werde ich auch das Bad bei der Aufzählung der großen Investitionen nicht vergessen. Darüber ist heute schon ausreichend debattiert und dann ja auch entschieden worden. Ich selbst bin schon zu Anfang der Einbringungsrede kurz darauf eingegangen, dabei will ich es belassen. Aber nicht ohne meinen dringenden Appell zur Ausgabendisziplin gerade bei diesem Projekt noch einmal zu unterstreichen. Sie erinnern sich bitte bei allen Planungs- und Umsetzungsschritten an meine Ausführungen zu Schulden, Zins- und Tilgungslasten in den kommenden Jahrzehnten und den damit verbunden Risiken. Seite 11 von 13
Ich will Sie alle auch nicht lange mit der Berichterstattung über die vier Säulen der Konsolidierung aufhalten. Zur Personalkonsolidierung habe ich das Notwendige schon ausgeführt und auch bei den anderen Punkten kann ich berichten, dass alles voran geht. Die externe Beratung von Rödel und Partner hat erste Einschätzungen abgegeben, wir gleichen das, wie angekündigt, mit den Ergebnissen der Gemeindeprüfungsanstalt ab. Allerdings habe ich den Eindruck und der wird mir auch von beiden Sachständen bestätigt, dass wir in unseren vier Säulen das meiste an Potentialen schon angegangen sind. Es wird noch ergänzende Maßnahmen geben. Die großen Themen kann ich nicht erkennen. Ich werte das auch als einen Beleg für seriösen und maßvollen Umgang mit dem Geld unserer Bürgerinnen und Bürger durch Politik und Verwaltung. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, mein Resümee für den Doppelhaushalt und die Haushaltskonsolidierung bis 2020 lautet: Über alle Zahlen sind wir im Plan, auch wenn an der ein oder anderen Stelle und in manchem Zeitraum die Erwartungen abgewichen sind, in Summe können wir den Ausgleich schaffen. Das ist Vorgabe des Gesetzgebers und deshalb müssen wir das auch schaffen, auch wenn es weiterhin ein schweres Stück Arbeit sein wird. Seite 12 von 13
Für die kommenden zwei Jahre ist alles in Zahlen gegossen, ich lege Ihnen einen Doppelhaushalt vor, der tragfähig ist und die Stadt dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts wieder ein gutes Stück näher bringt. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Und ich danke all denen, die an diesem Haushaltsentwurf mitgewirkt haben. Das gilt vor allem für mein Team, das wieder sehr gute Arbeit geleistet hat wie immer. Wenn dieser Haushalt verabschiedet ist, dann werden wir zumindest mit der Erstellung eines neuen ein wenig mehr Zeit haben. Ich setze darin auch die Hoffnung, dass wir uns so anderen Aufgaben mit ganzer Kraft widmen können, wohlwissend, dass Karl Popper recht hat, wenn er sagt: Alles Leben ist Problemlösen. Stimmt! Also machen wir uns an die Arbeit! Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 13 von 13