Notare Rechtsanwälte Fachanwälte HORNE HEIDORN KRÜGER GEISSLER MITGLIEDSCHAFTEN Deutsche Gesellschaft für Transportrecht e.v. Logistik-Initiativen Schleswig-Holstein e.v. und Hamburg e.v. zugelassen im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Kiel RECHTSANWALT FRANK GEISSLER FACHANWALT FÜR TRANSPORT UND SPEDITIONSRECHT www.fachanwalt-transportrechtschleswig-holstein.de KONTAKT Ohechaussee 9 und 19 22848 Norderstedt Tel.: 040 / 529 69 02 / 03 Fax: 040 / 529 30 91 geissler@hkt-jur.de NEWSLETTER MAI / JUNI 2011 TRANSPORT- und ARBEITSRECHT TRANSPORTRECHT Frachtführer haftet für unvollständiges Carnet TIR Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich kürzlich mit einem Fall beschäftigt, in welchem sowohl der CMR-Frachtbrief als auch das Zollpapier im Carnet TIR Verfahren unvollständig waren. Bei einem Transport von pharmazeutischen Artikeln von Velten bei Berlin nach Istanbul wurden sowohl auf dem Frachtbrief wie auch auf den Zollpapieren die ersten drei Warenpositionen versehentlich nicht eingetragen. Beim Zollamt in Velten wurde dies bemerkt und es wurden später vom Absender noch zwei Positionen nachgetragen, nicht jedoch die Erste, 390 Kartons mit einem Röntgenkontrastmittel. An der bulgarisch-türkischen Grenze wurde der Lkw daher festgesetzt und die Sendung beschlagnahmt. Der Transportversicherer des Absenders regulierte den Schaden und nahm den Frachtführer in Höhe von rund 91.000 in Regress. Dieser verteidigte sich damit, dass der Verlust der Sendung auf der Unvollständigkeit von Frachtbrief und Carnet TIR beruhte, für welche aber jeweils der Absender zu sorgen hätte.
Blatt 2 Der BGH sah dies jedoch nicht so: Die Beschlagnahme sei ausschließlich wegen Unvollständigkeit des Zollpapiers erfolgt. Dieses sei aber keine notwendige Urkunde nach Art. 11 der CMR, für welche der Absender sorgen müsse, sondern nur eine nützliche, da dieses bei Einhaltung der Vorschriften die Abwicklung erleichtere. Eine Verzollung sei auch ohne Carnet TIR Dokumente möglich. Die Beschaffung eines korrekten Dokuments gehörte damit zu den Aufgaben des Frachtführers, weshalb er voll haften würde. BGH, Urteil vom 09. September 2010 - Az. I ZR 152/09 Keine Leichtfertigkeit bei Schäden durch Reifenbrand des Anhängers In einem weiteren Urteil, bei welchem es um eine Schadensforderung von über 1 Million Euro ging, behauptete der geschädigte Absender gegenüber dem eingesetzten Frachtführer eine erweiterte Haftung wegen Leichtfertigkeit. Der Absender beauftragte im Juli 2005 einen Frachtführer mit dem Transport von vier von ihm hergestellten sog. Führerraumschränken und zwei Bedienpulten für ICT-2-Triebzüge von Bremen nach Halle/Saale. Die Empfängerin nahm das Gut zunächst ohne Beanstandungen entgegen. Einen Tag nach der Anlieferung rügte sie dann aber Brandschäden am Transportgut. Wie sich herausstellte, hatten während des Transports am Anhänger beide vordere Bremsen blockiert und die Gummireifen in Brand gesetzt. Dabei fing die Plane des Anhängers Feuer, welches von Feuerwehr gelöscht werden konnte. Die Empfängerin nahm den Absender daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 1.052.752,49 in Anspruch. Dieser nahm den Frachtführer in Regress und behauptete, die von der Empfängerin festgestellten Schäden am Gut seien durch den Brand während der Obhutszeit der Unterfrachtführerin entstanden. Der Frachtführer hafte auch unbegrenzt wegen leichtfertiger Herbeiführung dieses Schadens. Seite 2 von insgesamt 6
Blatt 3 Es sei davon auszugehen, dass er einen für den Transport ungeeigneten Anhänger eingesetzt hätte. Er hätte insofern nachforschen müssen, warum es zum Blockieren der Bremsen gekommen sei und in welchem Wartungszustand sich Lkw und Anhänger befunden hätten. Nachdem beide Vorinstanzen (LG Duisburg und OLG Düsseldorf) eine volle Haftung des Frachtführers angenommen hatten, rückte nun der BGH die Maßstäbe wieder zurecht: Es kann nach seiner Auffassung von einem Frachtführer eben nicht verlangt werden, dass er seine Transportfahrzeuge vor jedem Fahrtantritt von einem Kraftfahrzeugmechaniker auf ihre Betriebssicherheit hin überprüfen lässt. Die vom Frachtführer belegte tägliche Sicht- und Funktionsprüfung durch den Fahrer würde insofern ausreichen. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - Az. I ZR 188/08 Unbeschränkte Haftung bei Lufttransport und ungeklärter Schadensursache Umgekehrt geht es aber auch! In einem kurze Zeit später verkündeten Urteil hat sich der BGH mit einem Verlust während einer Luftbeförderung beschäftigt. Der zu festen Kosten beauftragte Spediteur ließ ein Paket mit Chemikalien im Wert von 27.819,44 mit der SAS von Hamburg nach Philadelphia befördern, dort kam es jedoch nicht an. Laut Sendungsverfolgung und Behauptung des Spediteurs soll sich der Verlust auf dem Flughafen von New York ereignet haben. Der Absender hat den Spediteur auf Schadensersatz in voller Höhe des Warenwertes gerichtlich in Anspruch genommen. Er meint, dieser hafte unbegrenzt, da er näheres zu Aufklärung des Schadensverlaufes, insbesondere zu den beteiligten Personen und dem Organisationsablauf, nicht beitragen könne und auch keine hinreichenden Schadensverhütungsmaßnahmen getroffen hätte. Der Spediteur berief sich vor allem darauf, dass für den fraglichen Transportabschnitt das Montrealer Übereinkommen gelte, bei welchem es auch bei leichtfertiger Verursachung bei der Höchsthaftung von 19 Sonderziehungsrechten (SZR) pro Kg bliebe. Seite 3 von insgesamt 6
Blatt 4 Dem sind allerdings weder da LG, noch das OLG Stuttgart und nun auch nicht der BGH gefolgt: Das Vorbringen der Beklagten, wonach der Verlust der Sendung auf dem Flughafen New York eingetreten sei, reicht zur Aufhellung des Verlustgrundes nicht aus, wie die Klägerin zu Recht meint. Auch wenn das Montrealer Übereinkommen gelte, sei über Ziff. 27.2 der vereinbarten ADSp ein Verzicht auf die Haftungshöchstbeträge im Falle von Leichtfertigkeit vereinbart. Dies hatte der BGH in anderer Sache vor kurzem erstmals klagestellt (vgl. unseren Newsletter Januar / Februar 2011 Volle Haftung im Luftfrachtverkehr ). BGH, Urteil vom 03. März 2011 Az. I ZR 50/10 ARBEITSRECHT Unfall zwischen Fahrer und Lagerist gilt als Betriebsunfall Bei einem Beladevorgang kam es zu einem Unfall, bei welchem der Fahrer eines betriebsfremden Lkws von einem Lageristen des Absenders mit einem Hubwagen angefahren wurde, als der Fahrer ohne Kenntnis des Lageristen eigenmächtig Ladetätigkeiten in der Halle vornahm. Dem Fahrer hatte die Beladung zu lange gedauert, zumal nach seinem Arbeitsvertrag Ladetätigkeiten von mehr als 1 ½ Stunden nicht mehr als Arbeitszeit bezahlt wurden. Er erlitt einen Fersenbein- und Schienbeinbruch links. Er klagte gegen den Lageristen und dessen Arbeitgeber auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sowohl das erstinstanzlich zuständige Landgericht (LG) Münster, wie auch jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wiesen seine Klage jedoch ab. Das gemeinsame Beladen führe gemäß 106 Abs. 3 SGB VII zu einer Haftungsfreistellung des Lagerbetriebes. Ansprüche bestünden nur gegenüber der Berufsgenossenschaft wegen eines Arbeitsunfalls. Seite 4 von insgesamt 6
Blatt 5 Zwar werde zur Annahme eines betrieblichen Zusammenwirkens verschiedener Unternehmen grundsätzlich von der Rechtsprechung ein tatsächliches bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf verlangt, welches jedoch auch stillschweigend erfolgen kann. Dies war vorliegend eigentlich nicht der Fall: Nur der Fahrer hatte bewusst an der Beladung mitgewirkt. Auf die Kenntnis des Lageristen hiervon kommt es nach Meinung des Gerichts dennoch nicht an. Denn gerade in dem Fall, dass dieser nichts von der aufgedrängten Mitarbeit wisse, könne er sich nicht entsprechend sorgfältig verhalten und eine Schädigung vermeiden. Dann bedürfe er aber umso mehr des Schutzes einer Freistellung von der persönlichen Haftung. Für den verletzten Fahrer folgt hieraus, dass er insbesondere kein Schmerzensgeld erhalten kann. OLG Hamm, Urteil vom 14. März 2011 Az. 6 U 186/10 Mitarbeiter muss bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht selbst kündigen Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat in einem Berufungsurteil jüngst klargestellt, dass auch der dauererkrankte Arbeitnehmer, bei dem eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht abzusehen ist, nicht von sich aus kündigen muss, um die Aufsummierung von Urlaubsansprüchen zu vermeiden. Der Kläger war als Buchhalter langjährig bei einem Gartenbauunternehmen angestellt gewesen. Im Mai 2007 wurde er arbeitsunfähig und kündigte seinerseits im September 2008 das Arbeitsverhältnis. Er verlangte insofern von seinem Arbeitgeber die Abgeltung von Resturlaub für die Jahre 2007-2008 in Höhe von mehr als 6.000,-. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, die Rechtsprechung des EuGH und des BAG zur Nichtverfallbarkeit von Urlaub, der wegen andauernder Krankheit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, gelte nicht bei Eigenkündigung des Mitarbeiters. Außerdem hätte der Angestellte nach Treu und Glauben schon vorher in dem Augenblick kündigen müssen, in welchem ihm seine andauernde Arbeitsunfähigkeit bekannt geworden sei. Das LAG folgte allerdings dieser Meinung nicht und bestätigte das Urteil der ersten Instanz: Seite 5 von insgesamt 6
Blatt 6 Von wem die Kündigung ausginge, sei für die Frage der Abgeltung von schuldlos nicht genommenem Urlaub bedeutungslos. Auch müsse der Arbeitnehmer nicht seinerseits kündigen, um eine Aufsummierung von nicht genommenem Urlaub zu vermeiden. Insofern habe ja schließlich der Arbeitgeber ebenfalls ein Kündigungsrecht bei lang andauernder Erkrankung. LAG Niedersachsen, Urteil vom 17. Dezember 2010 - Az. 16 Sa 297/10 Diese Zusammenstellung genießt urheberrechtlichen Schutz für den Verfasser Rechtsanwalt Frank Geissler. Eine Weitergabe oder Verwertung in jeder Form gegenüber Dritten ist nur mit schriftlicher Zustimmung zulässig. Seite 6 von insgesamt 6