Elektronisches Fahrzeugmanagement Neue Optionen bei Nutzfahrzeugreglern 1
Fahrzeugregler im Nutzfahrzeug Struktur und Vielfalt Elektrische und elektronische Architekturen im Nutzfahrzeug (Nutzfahrzeug) sind bereits heute sehr komplex: In den vier Hauptbereichen Power train, Chassis & Safety, Cabin & Comfort sowie Infotainment & Telematics arbeiten zahlreiche elektronische Steuergeräte (ECUs) parallel und durch mehrere Bussysteme vernetzt. Nur durch dieses Zusammenspiel lassen sich die geforderte Funktionsvielfalt, Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und der Komfort moderner Nutzfahrzeuge realisieren. Hinzu kommen spezielle Steuergeräte, in denen all jene Schnittstellen ausgelagert sind, die Aufbauhersteller für die Steuerung von Sonderfunktionen benötigen. Insgesamt unterscheiden sich die heute realisierten Philosophien, wie eine elektrisch/elektronische Architektur (E/E-Architektur) im Nutzfahrzeug strukturiert wird, je nach Fahrzeughersteller (OEM) deutlich. Bei aller Vielfalt der heute realisierten Topologien zeigen sich jedoch auch Gemeinsamkeiten: Steuergeräte für Kabinen bezogene Funktionen und die ECU des Fahrzeugmanagements bilden meist klar getrennte Bereiche oder Domänen, auch wenn beide in der Fahrzeugkabine montiert sind. Begründet ist diese Struktur nicht zuletzt durch die teilweise erheblichen Kabellängen zwischen (Kipp-)Kabine und Antriebskomponenten sowie die mit langen Übertragungswegen verbundenen Fehlerquellen bei der Informationsübertragung. Heute und auch in Zukunft bietet die Gliederung in Domänen mit jeweils einem Kopfrechner (Head Unit) neue Potenziale zur Funktionsintegration, zur Architekturvereinfachung, als Kostenbremse sowie zur Integration zusätzlicher Funktionen, wie etwa Sensor gestützter Fahrerassistenzsysteme. Typische Beispiele sind der Abstandsregel-Tempomat (ACC), die Erkennung ungewollter Spurwechsel (LDW) sowie die Überwachung des toten Bereichs im Fahrzeugumfeld (BSD). Da solche Assistenzsysteme zusätzliche Eingangsgrößen für die Fahrdynamik-Regelung bedeuten, erfordern sie meist eine Optimierung der E/E-Architektur, um die höhere Komplexität wirtschaftlich beherrschen zu können. 2
Beispiel für eine zukunftsorientierte dezentralisierte elektrisch/elektronische Architektur Domänenübergreifendes Backbone (High-Speed-CAN, 500 kbit/s) Redundanter CAN-Bus USB Powertrain Master Control Unit Chassis Master Control Unit Cabin Master Control Unit Infotainment Master Control Unit Gateway & Datenaufarbeitung Sicherheitsrelevant Powertrain-Teilnetz (High-Speed CAN) Auf- & Anbauten Bremsen Retarder Getriebe Chassis Teilnetz (High-Speed CAN) Niveau- & Wankregelung Fahrerassistenzsysteme Reifendrucküberwachung Batterie- & Energiemanagement Auf- & Anbauten Cabin-Teilnetz (Low-Speed CAN) Türmodule Heizung & Klima Infotainment Teilnetz MMI-CU Kombi- Instrument Sekundärdisplay Abgasnachbehandlung Motormanagement Fahrerkabinenerweiterung Schlafkabinenerweiterung Zugangskontrollsysteme Erweiterungsmodule Radio & Navigation VDR/DTCO Maut-OBU Powertrain Domäne Chassis & Safety Domäne Cabin & Comfort Domäne Infotainment & Telematics Domäne 3
Domänen-Controller optimal nutzen Funktionsmanagement für elektronifizierte Aggregate Fahrzeugmanagement in der Vehicle Control Unit Im Bereich des Fahrzeugmanagements ist eine moderne Nutzfahrzeug E/E-Architektur typischerweise zweistufig aufgebaut: Möglichst dicht an den einzelnen Aggregaten des Antriebsstrangs (Powertrain) befindet sich in der Regel für jeden Funktionsbereich ein dediziertes Steuergerät. Im Nutzfahrzeug sind das die Motorsteuerung, die Kupplungs-, Getriebe- und/oder Retardersteuerung (Dauerbremse) sowie das Bremssystem (ABS/EBS). Untereinander sind diese besonders fahrzeugsrelevanten ECUs über High-Speed- CAN-Busse verbunden. Durch konsequente Nutzung der Potentiale der VCU lassen sich Komplexität und Kosten des Fahrzeugmanagements verringern. Bereits in der Entwicklungsphase von Fahrzeugen entstehen Kostenvorteile. Die Architektur mit der übergeordneten VCU schafft gut testbare Einheiten mit eindeutig definierten Systemschnittstellen und -grenzen. Dies gilt nachfolgend auch für den Produktionsprozess, der vollständig produzierbare und testbare Einheiten (Antriebsstrang, Chassis, Kabine) schafft und somit die gesamte Fertigungslogistik vereinfacht. Um die Befehle der Einzelsteuerungen etwa bei einem Gangwechsel zeitlich richtig zu koordinieren, ist den baulich getrennten Einzel-ECUs des Antriebsstrangs eine Vehicle Control Unit (VCU) übergeordnet. Dieser Fahrzeugregler ist besonders leistungsfähig und als oberste Ebene für die gesamte Domäne Powertrain zuständig. Als VCU koordiniert sie die Steueraufgaben der Aggregatesteuergeräte des Antriebsstrangs. Dabei bleibt der Fahrer mit seinen zahlreichen Eingriffsmöglichkeiten über Pedale, Lenkradtasten, Lenkstockhebel und direkte Bedienschalter immer der Kapitän an Bord und damit die letzte Entscheidungsinstanz. Alle verbauten Systeme unterstützen und entlasten ihn lediglich in vielfältiger Weise bei seiner Arbeit. Gleichzeitig führt eine erhebliche Reduzierung des Kabelbaums sowohl zu Kostenvorteilen, als auch zu einer Qualitätssteigerung durch Wegfall zahlreicher Steckerübergänge von der Kabine zum Antriebsstrang. Letztlich entsteht mit der VCU ein sauber strukturiertes Regelsystem zur Berechnung sämtlicher dynamischer Drehmoment-Anforderungen für die steigende Anzahl von Systemteilnehmern innerhalb moderner Fahrzeug- Architekturen. Zentralisieren oder dezentralisieren? VCUs sind für das Fahrzeugmanagement unverzichtbar. Deshalb liegt es nahe, diese Steuergeräte möglichst effizient zu nutzen. So lassen sich je nach Philosophie der E/E-Architektur vormals baulich getrennte Steuergeräte mit in die VCU integrieren. Im Nutzfahrzeug ist die VCU damit ein Domänenrechner im eigentlichen Sinn, der je nach Anforderung des OEM entsprechend leistungsfähig ausgelegt werden kann. Allerdings lassen sich nicht beliebig viele Funktionen in ein einzelnes Steuergerät integrieren. Es bleibt daher immer eine Abwägung im Einzelfall, ob die Strategie eine höhere Integration pro ECU vorsieht oder eine optimierte Netzwerktopologie mit stärker nach Funktionen getrennten ECUs. 4
Fahrzeugmanagement Rechenleistung im Dienst des Fahrers Mensch-Maschine-Schnittstelle ADAS-Sensoren Erweiterungsmodule für Aufbauhersteller Abstandsregel-Tempomat (ACC) Spurwechselwarnung (LDW) Toten-Winkel-Erkennung (BSD) Kombinstrument Lenkstockschalter Retarder Tempomat Antriebsstrang Schalter Motor Kupplung Getriebe Pedale Fahrpedal Bremspedal Kupplungspedal Fahrzeugmanagement (VCU) ABS/ASR Retarder 5
Architekturoptimierung ECU-Integration als Strategie zur Vereinfachung Integration weiterer Funktionen über den Antrieb hinaus Um die Zahl der Partnersteuergeräte am Antriebsstrang zu reduzieren, haben wir bei der Weiterentwicklung eines aktuellen Fahrzeugreglers die Funktionen für Längs- und Quersperren für Allradfahrzeuge mit integriert. In der Vorläuferarchitektur war diese Funktion noch als separate ECU ausgeführt. Die neue, hoch integrierte VCU vereint somit Steuer- und Regelfunktionen für Motor, Getriebe und Dauerbremsen ebenso wie die Traktionssteuerung für mehrere angetriebene und gelenkte Achsen. Das Motor-Wärmemanagement sowie die Regelung von Zusatzaggregaten und Nebenantrieben gehören ebenso zu den Aufgaben dieser VCU wie die Aufzeichnung von Diagnose- und Servicedaten. An den technischen Merkmalen dieser Lösung lassen sich Leistungsanforderungen an diese VCU ablesen: Das Steuergerät ist in 32-bit-Technologie mit mathematischem Coprozessor ausgeführt. Dies dient der echtzeitfähigen Verarbeitung komplexer Algorithmen, die modellbasiert entwickelt werden konnten. Eine Multilayer-Platine trägt neben dem hochpoligen μ-prozessor (416 Pin PBGA) auch eine große Anzahl von elektronischen Leistungsschaltern für Ströme von bis zu 10 Ampere. Eine 150-polige Steckerleiste sowie fünf CAN- und vier LIN-Schnittstellen dienen zur Anbindung der Fahrzeug umgebung. Über die Aufgaben eines reinrassigen Domänenrechners hinaus kann die VCU weitere Funktionen übernehmen. So lässt sich der hohe Freiheitsgrad von Netzwerken dazu nutzen, um beispielsweise auch Body-Funktionen in eine VCU zu integrieren. Auch diesen Ansatz haben wir für einen führenden Nutzfahrzeug-Hersteller bereits umgesetzt. Die betreffende VCU verarbeitet nicht nur Informationen vom und für den Antriebsstrang, auch die direkte Ansteuerung von sicherheitsrelevanten Signallampen sowie die Schnittstelle für weitere Lenkradtasten sind mit integriert, da es keinen separaten Body-Controller im Fahrzeug gibt. Als Gateway zwischen allen Domänen gibt diese VCU zahlreiche Botschaften an weniger sicherheitsrelevante Elektroniksysteme weiter, etwa an das Kombinations- Instrument, die Klimaanlage, das Flottenmanagement oder auch an das Radio. Je mehr digitale Lösungen die analoge Welt im Nutzfahrzeug ersetzen, desto größer wird hier der Freiraum des OEM, die E/E-Architektur neu zu definieren beziehungsweise zu partitionieren. Dank Hochleistungsμ-Controller (bspw. PowerPC) und immer mehr Busschnittstellen lässt sich das Potenzial des Domänenrechners VCU sehr vielfältig nutzen. 6
Hybrid-Busantriebe managen Ausblick Als Königsklasse in der Implementierung elektronischer Systeme gilt heute unumstritten das Hybridfahrzeug. In Stadtbussen beispielsweise ist eine leistungsfähige Koordinationsebene für das Gesamtmanagement oberhalb der beiden Antriebsebenen Dieselmotor und Elektromotor erforderlich. Unter der Bezeichnung Powertrain Control Unit (PCU) haben wir diesen Typ der VCU ebenfalls erfolgreich umgesetzt. Über das zentrale Management der Fahrdynamik hinaus übernimmt die PCU das Sicherheits- und Notfallmanagement sowie die Aufzeichnung von Diagnose- und Servicedaten. Auch künftig wird es eine unvoreingenommene Abwägung bleiben müssen, ob eine höhere Integration unter dem Strich die bessere Lösung ist, oder ob nach Funktionen getrennte ECUs für ein Fahrzeug geeigneter sind. Mehr digitale Technik ist aber auf jeden Fall im Nutzfahrzeug zu erwarten eines Tages vielleicht bis hin zum voll vernetzten Fahrzeug, in dem auch Schalter und Taster nicht mehr per Einzelleitung sondern per Standard-Datenbus angebunden sind. Hier wird sich der LIN-Bus als preiswerteste und hinreichend schnelle Anbindung auch für die Lenkradtasten oder die mit vielen Funktionen belegten Lenkstockhebel durchsetzen. Ein Fahrzeugregler für eine solche E/E-Architektur wird als Powertrain Gateway Unit (PGU) eine nochmals erweiterte Funktionalität bei gleichzeitig reduzierter Anzahl konventioneller Ein-/Ausgänge haben. Statt elektrischer Signale über direkte Kabelanbindungen werden in Zukunft die Informationen mehr und mehr nur noch über Bussysteme weitergeleitet. Dies stellt natürlich einerseits an die Rechengeschwindigkeit sowie andererseits an den nötigen Programm- und Datenspeicher besonders hohe Anforderungen. Dies reduziert jedoch in der Summe die Komplexität und somit die Kosten für den Kabelbaum zukünftiger Fahrzeuge und ist damit ein Gewinn für den Kunden und seine Wettbewerbsfähigkeit. 7
Continental Automotive GmbH I Deutsch 2009 I Gedruckt in Deutschland Continental Automotive GmbH Heinrich-Hertz-Strasse 45 78052 Villingen-Schwenningen Germany Telefon +49 7721 67-0, Telefax +49 7721 7847 automotive@continental-corporation.com www.continental-corporation.com Die Informationen in dieser Broschüre enthalten lediglich allgemeine Beschreibungen bzw. Leistungsmerkmale, die im konkreten Anwendungsfall nicht immer in der beschriebenen Form zutreffen bzw. die sich durch Weiterentwicklung der Produkte ändern können. Bei diesen Informationen handelt es sich lediglich um eine technische Beschreibung des Produktes. Sie stellen insbesondere keine Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie dar. Die gewünschten Leistungsmerkmale sind nur dann verbindlich, wenn sie bei Vertragsabschluss ausdrücklich vereinbart werden. Liefermöglichkeiten und technische Änderungen vorbehalten. 8