Das Thema Kampfhunde beschäftigt die Öffentlichkeit auch weiterhin. Da viele Abgeordnete



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Fall 7: Kampf gegen Kampfhunde In den letzten Jahren sind zahlreiche Menschen, vor allem Kinder, von gefährlichen Hunden (sog. Kampfhunden typischer Rasse und Züchtung) angegriffen und dabei schwer verletzt worden. Alle Länder haben daraufhin im Rahmen ihres Polizei und Ordnungsrechts strenge Vorschriften für das Halten von Hunden bestimmter Rassen und für den Umgang mit diesen Tieren erlassen. Verstöße hiergegen sind als Ordnungswidrigkeit sanktioniert und werden deshalb mit einem Bußgeld geahndet. Das Thema Kampfhunde beschäftigt die Öffentlichkeit auch weiterhin. Da viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages immer noch Handlungsbedarf sehen, beschließt die Bundesregierung im Herbst 2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde (Gefahrhunde Bekämpfungsgesetz GefHBekG). Der Gesetzentwurf sieht folgende neue Maßnahmen vor: Der Import gefährlicher Hunde nach Deutschland wird entweder verboten, oder er darf nur mit Genehmigung erfolgen. Die Befugnisse zum Erlass eines Zuchtverbots für gefährliche Hunde werden erweitert. Verstöße gegen landesrechtliche Verbote sollen künftig als Straftat geahndet werden. Da die Bundesregierung den Ängsten in der Bevölkerung schnell begegnen will, lässt sie den Gesetzentwurf von der S Fraktion des Deutschen Bundestages (der auch der Bundesinnenminister angehört) einbringen. Er wird im Plenum in erster Lesung behandelt wobei sein Inhalt unter den Fraktionen unstreitig war und an den Innenausschuss überwiesen. Der Innenausschuss nimmt am Gesetzentwurf kaum Änderungen vor. Er fügt allerdings Vorschriften über eine obligatorische Haftpflichtversicherung für gefährliche Hunde ein und beschließt den nunmehr erweiterten Gesetzentwurf mit deutlicher Mehrheit. Am 25. Mai 2007, drei Tage nach der Beschlussfassung im Innenausschuss, wird der Gesetzentwurf im Plenum zur abschließenden Beratung und Beschlussfassung aufgerufen. In der Sitzung es ist freitagnachmittags vor dem Pfingstwochenende sind noch 22 Abgeordnete im Plenarsaal anwesend. Da sich in der vorangegangenen 1. Lesung und den Ausschussberatungen gezeigt hat, dass über den Inhalt des Vorhabens unter den Fraktionen Übereinstimmung herrscht, wird der Gesetzentwurf in 2. und 3. Lesung ohne inhaltliche Aussprache mit 20 gegen 2 Stimmen beschlossen, und zwar in der Fassung, die ihm der Innenausschuss gegeben hat. Der Gesetzesbeschluss wird sodann dem Bundesrat zugeleitet. Der Bundesrat stimmt dem Gesetzesbeschluss nicht zu und ruft den Vermittlungsausschuss an. In längeren Verhandlungen einigt man sich hinter verschlossenen Türen darauf, das Im portverbot und die obligatorische Haftpflichtversicherung auf andere gefährliche Tiere auszudehnen, also neben Hunden auch Wildkatzen, Schlangen, Giftspinnen etc. einzubeziehen. Das Gesetz wird daraufhin in Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Tiere (Gefahrtiere Bekämpfungsgesetz GefTBekG) umbenannt und von Bundesrat und Bundestag mit Mehr 1

heit verabschiedet. Es wird am 24. August 2007 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt am 1. September 2007 in Kraft. In den Medien wird hierüber ausführlich berichtet. Das GefTBekG bestimmt im Einzelnen (auszugsweise): Artikel 1 Gesetz zur Beschränkung des Verbringens gefährlicher Tiere in das Inland (Gefahrtiereinfuhrbeschränkungsgesetz) 1 Genehmigungspflicht. (1) Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier sowie Hunde aus Kreuzungen mit den genannten Tieren dürfen in das Inland nicht verbracht werden. 2Dasselbe gilt für [es folgt eine Aufzählung gefährlicher Wildkatzen, Schlangen, Spinnen usw.] (2) Wer einen anderen als in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Hund, für den nach landesrechtlichen Vorschriften 1. das Züchten oder der Handel verboten oder beschränkt oder 2. das Halten verboten ist, in das Inland verbringen will, bedarf der Genehmigung. Maßgeblich sind die Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll. Die Genehmigung erteilt auf schriftlichen Antrag die nach Landesrecht zuständige Behörde, soweit ein berechtigtes Interesse nachgewiesen ist. Artikel 2 Änderung des Tierschutzgesetzes Das Tierschutzgesetz wird wie folgt geändert: 1. 11b Absatz 2 Buchstabe a wird wie folgt gefasst: a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen oder erblich bedingte Aggressionssteigerungen auftreten oder 2. 11b Absatz 5 wird wie folgt gefasst: Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die erblich bedingten Veränderungen, Verhaltensstörungen und Aggressionssteigerungen nach den Absätzen 1 und 2 näher zu bestimmen, 2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen die Absätze 1 und 2 führen kann. Artikel 3 Änderung des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) 2

1. Das Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) wird in Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeug und Tierhalter (Pflichtversicherungsgesetz) unbenannt. 2. Nach 1 wird folgender 1a eingefügt: 1a. Der Halter eines gefährlichen Tieres ist verpflichtet, für sich und den Eigentümer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch das gefährliche Tier verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Artikel 4 Änderung des Strafgesetzbuches Das Strafgesetzbuch wird wie folgt geändert: 1. 2. Nach 142 wird folgender 143 eingefügt: 143 Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Hunden. (1) Wer einem durch landesrechtliche Vorschriften erlassenen Verbot, einen gefährlichen Hund zu züchten oder Handel mit ihm zu treiben, zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung einen gefährlichen Hund hält. (3) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. 74a ist anzuwenden. Im Frühjahr 2009 liegt dem Richter R am Amtsgericht die Strafsache eines Hundehalters vor, der ohne vorgeschriebene Genehmigung Staffordshire Bullterrier züchtet. R kommt nach eingehender Prüfung der Rechtslage zur Überzeugung, dass das Gesetz verfassungswidrig und unwirksam sei: Die Bundesregierung hätte den Gesetzentwurf selbst einbringen müssen; der Innenausschuss hätte die genannten Änderungen nicht in den Gesetzentwurf einfügen dürfen; die Abstimmung im Plenum hätte so nicht stattfinden dürfen; der Vermittlungsausschuss hätte die Erweiterung auf alle gefährlichen Tiere nicht vornehmen dürfen. R legt das GefTBekG deshalb dem Bundesverfassungsgericht vor. Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden? (BVerfGE 110, 141 ff.; s.a. E 106, 62 ff.; BVerfG, NJW 2004, 2363 ff.; NJW 2004, 2803 ff.; NJW 2005, 493 ff.) 3

Lösung Der Sachverhalt enthält fünf Problemkreise zum Thema Gesetzgebung: (1) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das GefTBekG (2) Einbringen des Gesetzentwurfs im Bundestag (3) Erweiterung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss (Haftpflichtversicherung) (4) Beschlussfassung über den Gesetzentwurf im Bundestag (5) Änderung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes im Vermittlungsausschuss Lösungsschritte zum Fall: I. Zulässigkeit der Richtervorlage (konkrete Normenkontrolle) 1. Zuständigkeit des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG, 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG 2. Vorlageberechtigt, 80 I BVerfGG: jedes Gericht 3. Statthaftigkeit der Vorlage: Verfahrensgegenstand muss ein formelles und nachkonstitutionelles Gesetz sein und es muss eine besondere Kollisionslage vorliegen (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG): Bundesgesetz < > Grundgesetz 4. Überzeugung des vorlegenden AG von der Verfassungswidrigkeit der im Verfahren anzuwendenden Norm(en), bloße Zweifel genügen nicht o Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm(en), d.h. es muss im Verfahren vor dem AG konkret auf deren Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit ankommen (d.h. andere Entscheidung bei Verfassungswidrigkeit des Gesetzes) o Form: Aussetzungs und Vorlagebeschluss mit eingehender Begründung, 23 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 2 BVerfGG ZE: Die Vorlage des AG nach Art. 100 Abs. 1 GG ist zulässig. II. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die vorgelegte Norm mit höherrangigem Bundesrecht unvereinbar ist, 82 I, 78 S. 1 BVerfGG. 1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das GefTBekG Voraussetzungen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das GefTBekG: Grundsatznorm: Art. 70 GG > Gesetzgebungsbefugnis der Länder als bundesstaatlicher Regelfall, Zuständigkeit des Bundes als Ausnahme; möglich daher: ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Art. 71 GG (Verteilungsregel) i.v.m. Art. 73 GG (Gegenstände; nicht abschließend, z.b. Art. 21 Abs. 3, 38 Abs. 3 GG) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Art. 72 GG (Verteilungsregel) i.v.m. Art. 74 GG (Gegenstände; nicht abschließend, z.b. Art. 74a, 105 Abs. 2 GG) 4

Gegenstände der gesetzlichen Regelungen im GefTBekG (1) Verbot bzw. Genehmigungsvorbehalt des Verbringens gefährlicher Hunde rassen und anderer gefährlicher Tiere in das Inland (Importverbot) (2) Zuchtverbot für gefährliche Hunderassen (3) Strafbewehrung von Verstößen gegen landesrechtlich geregelte Verbote (4) Einrichtung einer Pflichtversicherung für Halter gefährlicher Hunde und anderer Tiere (1) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Einfuhr und Verbringungsverbot für gefährliche Tiere, Art. 1 1 Abs. 1 GefTBekG? Regelt den Warenverkehr mit dem Ausland (EG Mitgliedstaaten und Drittstaaten) > Art. 73 Nr. 5 GG, ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, die nach Art. 71 GG ohne weitere Voraussetzung in Anspruch genommen werden kann (2) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Verbot, gefährliche Hunderassen zu züchten, 11b Abs. 2 lit a) TierSchG? Regelt das Verhalten des Menschen gegenüber bestimmten Gruppen von Tieren, könnte also Tierschutz darstellen und dann der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG i.v.m. Art. 72 Abs. 1 und 2 GG unterfallen. i. Tierschutz = Schutz von Tieren gegen menschliches Fehlverhalten, bezieht sich auf Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung, auf Versuche mit und auf Tötung von Tieren; Ziel des Tierschutzes ist, Tieren bei diesen menschlichen Einwirkungen Schmerzen, Leiden oder Schäden möglichst zu ersparen ii. Dient das o.a. Züchtungsverbot diesem Zweck, will es also Tiere vor bestimmten Nutzungen und Behandlungen durch den Menschen schützen? Nur, wenn Ziel des Zuchtverbots wäre sicherzustellen, dass gefährliche Hunderassen durch Züchtung keine Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden aber gerade nicht Ziel des Gesetzes, das Schutz von Menschen vor gefährlichen Hunderassen bezweckt; dass die mit der Züchtung ein hergehenden Aggressionssteigerungen beim Hund mit Leiden verbunden sind, behauptet weder das Gesetz noch soll gerade dies verhindert wer den (vgl. 11b Abs. 5 TierSchG n.f. gegenüber a.f.). 11b Abs. 2 lit. a) TierSchG ist also kein Gegenstand des Tierschutzes i.s.d. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG, sondern dem Sicherheits und Ordnungsrecht zuzurechnen und fällt daher in die Gesetzgebungskompetenz der Länder aus Art. 70 GG; Vorschrift verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 GG und ist daher verfassungswidrig und unwirksam. (3) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Strafbewehrung von Verstößen gegen Vorschriften der Länder über Züchtung oder Handel gefährlicher Hunde, Art. 4 Nr. 2 GefTBekG? Regelt die Strafbarkeit solcher Gesetzesverstöße und könnte daher Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (eventuell i.v.m. Art. 72 Abs. 1 und 2 GG) unterfallen. i. Strafrecht = Sanktionierung eines fremde Rechtsgüter verletzenden kriminellen oder polizeiwidrigen Verhaltens mit Freiheits oder Geldstrafe oder anderen spürbaren Maßregeln Bestrafung des Verstoßes gegen Zuchtverbote für oder Handel mit gefährlichen Hunden ist Strafrecht i.s.d. Vorschrift, da dadurch das ethische Minimum der Gemeinschaft gegen Verletzungen abgesichert werden soll. ii. Aber: Ist es auch Strafrecht, wenn, wie hier, nur bereits bestehende landesrechtliche Verbote oder Gebote sanktioniert werden (Rechtsfolge regelung), oh 5

iii. ne dass der Bundesgesetzgeber selbst den Straftatbestand festlegt? Auch unselbständige Strafrechtsnormen sollen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen; die Kompetenz schließt auch die Befugnis ein, Vor schriften des Landesrechts (also eines anderen bundesstaatlichen Gesetzgebers) mit strafrechtlichen Sanktionen des Bundesrechts zu versehen, solange sich der Bund dabei darauf beschränkt und nicht die der Länderkompetenz unterfallenden Gebote und Verbote festlegt 143 Abs. 1 StGB n.f. knüpft hinsichtlich des Straftatbestandes an das Landesrecht nur an, d.h. keine Ge und Verbote ids. Festgelegt Beachte: Gesetzgebungsbefugnis des Bundes früher nur mit Erfüllung der Erforderlichkeitsklausel, seit 2006 für Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht mehr der Fall (vgl. Art. 72 II GG, der den Art. 74 I Nr. 1 GG nicht erwähnt); Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Art. 4 GefTBekG. (4) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Einrichtung einer Pflichtversicherung für Halter gefährlicher Hunde und anderer Tiere, Art. 3 GefTBekG i. Kompetenz kann nur aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG bürgerliches Recht folgen; Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ist nicht einschlägig, da durch die Einrichtung einer Pflichtversicherung nicht der Gegenstand privatrechtliches Versicherungswesen als Teil der Wirtschaft geregelt wird (z.b. durch Aufsicht über diese Tätigkeit, Genehmigungserfordernisse für Versicherungen usw.); die Pflichtversicherung für gefährliche Tiere regelt die Rechtsverhältnisse von Tierhaltern als Versicherungsnehmer und von Versicherungsunternehmen als Vertragspartner als zwingend vorhanden und im Einzelfall vom Tierhalter zu begründen und damit einen Gegenstand des bürgerlichen Rechts; konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, Art. 72 Abs. 2 GG auch hier nicht bzgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ZE(zu 1.): Der Bund kann für die Regelung des Imports gefährlicher Tiere (Art. 1 GefT BekG), für die Strafbewehrung landesrechtlicher Zucht und Handelsverbote und für die Einführung einer Pflichtversicherung für den Halter gefährlicher Tiere (Art. 3 GefTBekG) eine Gesetzgebungsbefugnis aus den Art. 73 und 74 GG in Anspruch nehmen. Die Einführung eines Zuchtverbots für gefährliche Tiere findet hingegen keine Kompetenzgrundlage in den Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes. 2. Einbringen des Gesetzentwurfs im Bundestag Fraglich, ob mit GG vereinbar, dass Entwurf von S Fraktion eingebracht wird, obwohl er inhaltlich von der Bundesregierung stammt; könnte mit Art. 76 GG kollidieren; Vorüberlegung: Warum wählt Bundesregierung diesen Umweg über die S Fraktion? > Unterschied im Verfahren der Gesetzesinitiative je nach Initiativberechtigtem: Bundesregierung: Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG > Entwurf an Bundesrat ( 1. Durchgang ), dabei 6 Wochen Frist bzw. 9 Wochen Frist, abgekürzt bei Eilbedürftigkeit auf 3 bzw. 6 Wochen, dann vorab Zuleitung an Bundestag zulässig, ausgenommen Fälle des Art. 79 Abs. 3, 23 oder 24 GG Bundesrat: Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG > Zuleitung an Bundesregierung, dabei identische Fristen wie bei Bundesregierungs Vorlage Mitte des Bundestages: keine Befassung anderer Verfassungsorgane bei Vorlagen durch den Gesetzgeber selbst 6

> Zulässig, dass Bundesrat hier nicht beteiligt wird und daher kein Recht zur (frühen) Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 2 GG in Anspruch nehmen kann? E.A.: Zulässig, keine verfassungswidrige Umgehung von Art. 76 Abs. 2 GG: * Verfahrensvorschriften müssen, um der Klarheit willen, formal ausgelegt werden * Abgeordnete aus der Mitte des Bundestages übernehmen für den Inhalt des Entwurfs die parlamentarische Verantwortung * Bedürfnis nach einem mitunter beschleunigten Gesetzgebungsverfahren ist anzuerkennen * Überprüfung des materiellen Urhebers eines Gesetzentwurfs unergiebig und systemwidrig A.A.: Unzulässig, da verfassungswidrige Umgehung der Regelung in Art. 76 Abs. 1 3 GG: * Verfahrensvorschriften sind nicht nur formal zu verstehen, sondern haben im Gesetzgebungsverfahren auch eine steuernde und rechtssichernde Funktion * Gefahr besteht, dass die ausgewogene Detailregelung und Differenzierung in Art. 76 Abs. 2 und 3 GG inhaltsleer und überflüssig wird * Beschleunigung ist von Art. 76 Abs. 2 und 3 GG gesehen und geregelt worden > muss abschließend verstanden werden = trotz der unterschiedlichen Sichtweisen entscheidend schlussendlich: Verstoß gg Verfahrensvorschriften des GG? Wenn ja Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift oder lediglich Ordnungsvorschrift tangiert? Art. 78 GG legt die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Bundesgesetzes fest; es reicht demnach aus, wenn der BT ordnungsgemäß darüber beschlossen hat, solange nur überhaupt eine Initiative nach Art. 76 GG stattgefunden hat. ZE (zu 2.): Das GefTBekG ist insoweit ordnungsgemäß zustande gekommen. 3. Erweiterung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss (Haftpflichtversicherung) Rechtsgrundlage im GG: Art. 77 Abs. 1 S. 1 = Vorlagen werden vom BT beschlossen; dabei inhaltliche Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Entwicklung einer Gesetzesvorlage (Art. 76 GG) zu einem Bundesgesetz, Art. 77 Abs. 1 GG; Grenzen hierfür? Umfassende Bearbeitungskompetenz des Bundestags (Plenum und Ausschüsse) betrifft die Behandlung bestimmter Vorlagen i.s.v. Art. 76 GG, d.h. konkreter Gesetzesvorhaben; Grenze liegt daher mangels anderer betroffener Verfassungsorgane in der Regelung des Art. 76 GG: Institutionelle Schranke: Recht zur Initiative haben nur die in Art. 76 GG genannten Berechtigten. Mitte des Bundestages bedeutet nicht: einzelne Abgeordnete, auch nicht: Abgeordnete in Ausschüssen, auch nicht: Ausschüsse selbst. Ausschuss darf Entwurf daher nicht so umgestalten, dass dies einer eigenen Gesetzesinitiative gleichkommt. Sachliche Begrenzung: Initiativberechtigter kann zwar nicht verlangen, dass sein Entwurf von den Beratungen unbeschädigt bleibt; er hat aber einen Anspruch darauf, dass sein Entwurf die Grundlage für die nachfolgenden Beratungen im Plenum und in den Ausschüssen (als Hilfsorgane an dieselben Grenzen gebunden) bildet 7

> Vorlage muss in ihren Grundzügen erhalten bleiben, darf also ihre sachlich inhaltliche Identität nicht verlieren > Thematische Festlegung muss beachtet werden; Erweiterungen um einzelne, sachlich verwandte Materien sind zulässig unzulässig sind aber Änderungen bzw. Erweiterungen, bei denen mit dem Thema der Vorlage kein sachlicher Zusammenhang mehr hergestellt werden kann = Grund und Ziel der Vorlage müssen identisch bleiben mit dem späteren Gesetz; in den Fällen gleichwohl erforderlicher substantieller Änderung und Ergänzung muss eine neue Gesetzesinitiative unternommen werden Hier: Einführung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für gefährliche Hunde hat mit dem Thema des Entwurfs (Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden) zu tun (s.a. Anlass der Änderung); durch die Pflichtversicherung (i.s.e. Gefährdungshaftung) soll sichergestellt werden, dass die Geschädigten unabhängig vom Vermögen des Hundehalters und von dessen Verschulden eine ausreichende Entschädigung für ihre Vermögensschäden erhalten. Der Innenausschuss maßt sich damit nicht die Funktion eines Initiativberechtigten an, die ihm nicht zusteht. ZE (zu 3.): Die Änderung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss ist mit Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar. 4. Beschlussfassung über den Gesetzentwurf im Bundestag Ist Gesetz wirksam zustande gekommen? Vorschriften: GG: Art. 42 Abs. 2 S. 1 i.v.m. Art. 121 aber: Art. 42 Abs. 2 S. 1 regelt nicht die Voraussetzungen eines solchen parlamentarischen Beschlusses, sondern nur die Tatsache, dass die jeweils vorhandene Mehrheit entscheidet = relative Mehrheit; Art. 121 Abs. 1 GG enthält eine Legaldefinition der Mitgliedermehrheit = gesetzliche Mitgliederzahl Mehrheit = abstrakte, rechnerische Mitgliederzahl = absolute Mehrheit. Art. 121 GG ist aber nicht einschlägig, wenn eine andere Vorschrift erkennbar nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen = relative Mehrheit fordert, wie in Art. 42 Abs. 2 GG keine Regelung der Beschlussfähigkeit im GG enthalten GOBT: 45 GOBT ist Teil der Geschäftsordnung = Ordnung für die Geschäfte des Bundestages = alle Regelungsgegenstände, die herkömmlich als autonome Geschäftsordnungsregeln des Parlaments gelten, werden vom GG in diesem Bereich zugelassen; Beschlussfähigkeit darf traditionell in GOBT geregelt werden. Beachtung im vorliegenden Fall: 45 Abs. 1 GOBT: Anwesenheit von mehr als der Hälfte seiner Mitglieder; 598 : 2 + 1 = 300 (ohne Überhangmandate); hier ( ) Aber: 45 Abs. 2 GOBT: Bezweiflung und fehlende Bejahung > Feststellung der Beschlussfähigkeit durch Zählung der Stimmen; Folge: 45 Abs. 3 GOBT > nach Feststellung Aufhebung der Sitzung = Feststellung der Beschlussunfähigkeit, nicht automatische Beschlussunfähigkeit bei unterbliebener Anzweiflung, da keine Prüfung von Amts wegen 8

ZE: Vorliegend hat keine Anzweifelung stattgefunden; wäre grundsätzlich Beschlussfähigkeit nach GOBT gegeben; Aber Besonderheit hier: Anwesenheit von nur 22 Abgeordneten; Anzweiflung wäre nach GOBT gar nicht möglich gewesen, da das hierfür notwendige Quorum nicht einmal gegeben war; gefordert werden in 45 Abs. 2 GOBT Fraktionsstärke; 45 Abs. 2 GOBT geht also davon aus, dass zumindest so viele Abgeordnete anwesend sind, dass Bezweiflung überhaupt rechtlich zulässig ist (= untere Grenze der Beschlussfähigkeit) Folge des Verstoßes gegen GOBT: h.m.: Ein im Widerspruch zur GOBT zustande gekommenes Gesetz ist rechtsgültig; Begründung: Gefahr für Rechtssicherheit und Problem der Rangordnung der Geschäftsordnung, da nur Verstoß gegen Satzungsrecht als Innenrecht ohne Außenwirkung stattfindet Aber (anerkannt): Verstoß gegen GOBT ist dann relevant, wenn damit zugleich gegen Vorschriften des GG verstoßen wird Verstoß gegen zwingendes Verfassungsrecht? Denkbar allein: Art. 20 Abs. 2 GG, Prinzip der repräsentativen Demokratie Repräsentative Willensbildung des Volkes = ganzes Parlament ist Organ des Volkes. Auch wenn GG den einzelnen Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes bezeichnet, kann er dieses Volk nur gemeinsam mit den anderen Abgeordneten repräsentieren, denn nicht der einzelne Abgeordnete, sondern das Parlament ist das staatsgewaltausübende Organ i.s.v. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Daher: Prinzip der repräsentativen Demokratie fordert einerseits grundsätzlich Mitwirkung aller Abgeordneten bei der Willensbildung des Bundestages. Andererseits muss dem einzelnen Abgeordneten die Möglichkeit belassen werden, sich bestimmten Sachgebieten besonders zu widmen und dafür andere Sachgebiete hintanzustellen (Konflikt im Funktionsbereich des Bundestages: Redeparlament [im Plenum] oder Arbeitsparlament [in den Ausschüssen]) > Es muss dem Abgeordneten in jedem Fall die Möglichkeit gegeben werden, in ihrer Gesamtheit an der Plenarsitzung teilzunehmen; sie müssen freilich nicht alle an der Sitzung teilnehmen. Ist dies der Fall (rechtliche und faktische Möglichkeit der Teilnahme), besteht unter dem Gesichtspunkt der repräsentativen Demokratie kein Einwand dagegen, dass nicht alle Abgeordneten an der Abstimmung im Plenum teilnehmen. Zudem: Traditionell wird nicht unwesentlicher Teil der Parlamentsarbeit nicht im Plenum, sondern in den Fachausschüssen geleistet. Ist dort auch Repräsentation möglich? > Der Wille der Abgeordneten, im Plenum an der Schlussabstimmung teilzunehmen, hängt in erster Linie davon ab, ob das betreffende Vorhaben kontrovers ist oder weitgehend einmütig bejaht wird. In letztgenannten Fällen fällt Entscheidung über Inhalt des Gesetzesbeschlusses schon in den Ausschüssen (wie hier, da keine 2. oder 3. Lesung mit inhaltlicher Aussprache stattfand). Repräsentation vollzieht sich aber im Parlament namentlich dort, wo die Sachentscheidung fällt; dies ist hier nicht in Frage gestellt. ZE (zu 4.): trotz Missachtung der GOBT kein Verstoß gegen das Verfassungsprinzip der repräsentativen Demokratie. Das Gesetz ist nach Art. 77 Abs. 1 GG wirksam beschlossen worden und insoweit verfassungsgemäß zustande gekommen. 5. Änderung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes im Vermittlungsausschuss 9

Änderung des vom BT beschlossenen GefHBekG im Vermittlungsausschuss könnte gegen Art. 77 Abs. 2 GG verstoßen Vorüberlegung zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsausschuss (VermA): Einschaltung des VermA primär durch BR bei Einspruchs und Zustimmungsgesetzen (Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG); bei Zustimmungsgesetzen auch Einschaltung durch BT bzw. BReg. möglich (Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG) Stellung und Zusammensetzung des VermA (Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG): ständiger gemeinsamer Ausschuss beim BR, der nach GO VermA je zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundesrates und des Bundestages besteht, die weisungsfrei zu entscheiden haben Aufgabe des VermA: Zusammenführen der politischen Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat hinsichtlich eines konkreten Gesetzesprojekts im Wege des (partei )politischen Vermittelns mit dem Ziel einer Lösung, die für beide Organe akzeptabel ist. Im Fall eines mehrheitlichen Einigungsvorschlags des VermA hat BT hierüber erneut Beschluss zu fassen (Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG), er ist dabei inhaltlich an diesen Vorschlag gebunden kein Recht der Abgeordneten, neue Sachanträge zum Gesetzesvorhaben einzubringen und kann das Gesetz nur in der Fassung des VermA, d.h. en bloc annehmen o der aber den Einigungsvorschlag verwerfen (mit der Folge, dass Gesetzesvorhaben nach erneuter negativer Befassung des BR damit gescheitert sein dürfte). Umfang des Rechts des VermA zur Herbeiführung eines Einigungsvorschlags im Verhältnis zum Gesetzesbeschluss des BT umstritten Ausgangslage: Anrufungsbegehren des BR weder im GG noch in der GO VermA inhaltlich festgelegt > es bleibt dem Anrufenden überlassen, ob er den Vermittlungsauftrag auf einzelne Gegenstände des Gesetzes beschränkt und/oder hierfür eine inhaltliche Vorgabe macht (Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens!). Ausgangspunkt dabei: (natürlich) der Gesetzesbeschluss des BT i.v.m. dem eventuell konkretisierten Anrufungsbegehren (zumeist aber offenes Anrufungsbegehren) Diskussionsfähige und für den späteren Einigungsvorschlag erhebliche Verhandlungsmasse ist darüber hinaus das gesamte Material des laufenden Gesetzgebungsverfahrens (Gegenstand des Gesetzentwurfs, Stellungnahmen des BR dazu, Änderungsanträge im BT [Plenum und Ausschüsse] etc., also auch Material, das sich im späteren Gesetzesbeschluss nicht mehr niedergeschlagen hat, gleichwohl aber zuvor im parlamentarischen Verfahren eine Rolle gespielt hat Dies bezieht auch Ergänzungen zum und Erweiterungen des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses des BT ein, solange ein sachlicher Zusammenhang zum parlamentarischen Gesetzesbeschluss selbst besteht > Themenbindung = Findungs, nicht Erfindungsrecht ; dem VermA kommt also funktional kein Gesetzesinitiativrecht zu, zumal wegen der Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen des VermA Art. 42 Abs. 1 GG gerade nicht eingehalten wird und die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (frei über den Inhalt des Vermittlungsvorschlags entscheiden zu können) beschränkt werden. Gesetzesbeschluss des BT darf also durch Einigungsvorschlag des VermA nicht inhaltlich verfremdet werden und seine ursprüngliche Identität verlieren. VermA darf demzufolge eine Änderung, Ergänzung oder Streichung der vom BT beschlossenen Vorschriften nur vorschla 10

gen, wenn dieser Vorschlag im inhaltlichen Rahmen des zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens bleibt => Begrenzung der konkreten Regelungsgegenstände Hier: VermA hat Verbringungsverbot und Pflichtversicherung für gefährliche Hunde auf alle gefährlichen Tiere ausgedehnt, ohne dass erweiterter Kreis der Gefahrenquellen zu irgendeinem Zeitpunkt im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren diskutiert und von Abgeordneten entschieden wurde; sowohl der Gesetzentwurf der BReg als auch der Gesetzesbeschluss des BT bezogen sich allein auf den aktuellen Diskussionsstand; von flächendeckenden Schutzgesetz, das auch gefährliche Wildkatzen, Schlangen, Giftspinnen etc. einbezieht, war zu keinem Zeitpunkt die Rede; VermA hat demnach einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der sachlich nicht im Zusammenhang mit dem Anliegen des konkreten Gesetzesbeschlusses steht, und damit seine Befugnisse nach Art. 77 Abs. 2 GG ZE (zu 5.): Der Einigungsvorschlag des VermA widerspricht Art. 77 Abs. 2 GG; aus diesem Grund ist das GefTBekG trotz der nachfolgenden Verabschiedung in BT und BR nicht nach Art. 78 GG wirksam zustande gekommen. Das inhaltlich auch nicht gesetzestechnisch teilbare GefTBekG ist somit verfassungswidrig und unwirksam; es kann nicht Grundlage des vor dem AG laufenden Strafverfahrens gegen den Hundehalter sein. Das BVerfG wird das GefTBekG nach 82 Abs. 1, 78 Satz 1 BVerfGG für nichtig erklären. Das AG hat dann auf der Grundlage bestehender (landesrechtlicher) Vorschriften über das Verhalten des Hundezüchters zu entscheiden. 11