Projektive Einheitliche Feldtheorie mit Anwendungen in Kosmologie und Astrophysik



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Projektive Einheitliche Feldtheorie mit Anwendungen in Kosmologie und Astrophysik Neues Weltbild ohne Urknall? von Ernst Schmutzer, A Gorbatsievich 1. Auflage Projektive Einheitliche Feldtheorie mit Anwendungen in Kosmologie und Astrophysik Schmutzer / Gorbatsievich schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Kosmologie, Urknalltheorie Harri Deutsch 2004 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8171 1726 0 Inhaltsverzeichnis: Projektive Einheitliche Feldtheorie mit Anwendungen in Kosmologie und Astrophysik Schmutzer / Gorbatsievich

4. Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit 4.1. Relativitätstheorie als Metatheorie 4.1.1. Einführende Hinweise In unserem mehr populärwissenschaftlich gestalteten Buch Relativitätstheorie aktuell [12] haben wir uns nach einer Kurzbiographie Albert Einsteins mit folgenden Gegenständen befaßt: Vorrelativistische Physik, Experimente zur Vorbereitung und Bestätigung der Speziellen Relativitätstheorie, speziell-relativistische Physik, allgemein-relativistische Physik, Symmetrie und Erhaltung in der Relativitätstheorie, Einheit der Physik. Da es im Rahmen des jetzigen Werkes nicht möglich ist, diesen umfangreichen Themenkomplex ausführlich abzuhandeln, möge der mit der Relativitätstheorie weniger vertraute Leser das oben erwähnte Buch gelegentlich mitbenutzen, um die folgenden Kapitel besser zu verstehen, denn hier sind wir nur in der Lage, mehr thesenartig die Inhalte der Speziellen Relativitätstheorie und der Allgemeinen Relativitätstheorie mit ihrem Kernstück der Einsteinschen Gravitationstheorie darzustellen. Hinsichtlich der Speziellen Relativitätstheorie greifen wir darüber hinaus auf unser Lehrbuch der Theoretischen Physik [13] zurück. 4.1.2. Spezielle Relativitätstheorie Im Abschnitt 3.1.1 des Kapitels 3 haben wir uns bei der Einführung der gekrümmten 4-dimensionalen Raum-Zeit mit dem Newtonschen Absolutheitskonzept von Raum und Zeit befaßt. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren hervorragende Physiker und auch Mathematiker zu der Überzeugung gelangt, daß dieses Newtonsche Konzept, bereits in ernsthafte Widersprüche zur experimentellen Erfahrung geraten, nicht länger als das Fundament der zukünftigen Physik dienen kann. Neben den großen Forschern E. Mach, der bekanntlich das Fundament der Newtonschen Mechanik kritisiert hatte, und H. Poincaré, der kurz vor Einstein bis zum Speziellen Relativitätsprinzip vorgestoßen war, listen wir, ohne hier ins Detail gehen zu können, folgende weitere herausragende Namen auf: H. Hertz, W. Voigt, J. J. Larmor, F. Hasenöhrl und insbesondere H. A. Lorentz. Wenn letzterer auch am falschen Weltätherkonzept festgehalten und sich damit den Weg zur Vierdimensionalität der Raum-Zeit versperrt hatte, so hat er immerhin in der Lorentz-Transformation die richtige raumzeitliche Transformation gefunden, die die an sich bereits relativistische Maxwellsche Elektromagnetik

140 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit im Gegensatz zur Newtonschen Mechanik forminvariant läßt. Diese besondere Eigenschaft der Maxwellschen Elektromagnetik wurde bekanntlich erst viel später in ihrer Auswirkung erkannt. Es war nun Einstein, der das Weltätherkonzept fallen ließ und, aus der Elektromagnetik lernend, die Forderung der Forminvarianz (Kovarianz) auch für die Mechanik postulierte. So kam er zur speziell-relativistischen Mechanik als Weiterführung der Newtonschen Mechanik. Es versteht sich von selbst, daß nach diesem grandiosen Fortschritt auch die anderen bis damals bekannten Gebiete der Physik hinsichtlich dieser Eigenschaft der Forminvarianz gegenüber der Lorentz- Transformation mit großem Erfolg untersucht wurden. So entstand schließlich das auch die relativistische Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie umfassende Erkenntnisgebäude der Speziellen Relativitätstheorie mit dem Speziellen Relativitätsprinzip als ihrem Fundament. Die Spezielle Relativitätstheorie wurde bis heute durch unzählige Experimente immer wieder glänzend bestätigt. Allerdings ließ sich in diesem Rahmen keine mit der empirischen Erfahrung im Einklang befindliche Theorie der Gravitation unterbringen. Spezielles Relativitätsprinzip (1905): Die Grundgesetze der Physik sind gegenüber kontinuierlich auseinander hervorgehenden Lorentz-Transformationen forminvariant (kovariant). Mit anderen Worten: Die Grundgesetze der Physik besitzen für zwei Beobachter, die sich in kontinuierlich auseinander hervorgehenden, geradlinig-gleichförmig gegeneinander bewegten Bezugssystemen (Lorentzsche Inertialsysteme) befinden, dieselbe Form. Dabei ist insbesondere bei der Formulierung der erwähnten Grundgesetze die Benutzung der Galilei-Koordinaten {x, y, z, t} vorgeschrieben, also die Verwendung krummliniger Koordinaten nicht zulässig. Natürlich ist in der Anwendung die spätere Benutzung krummliniger Koordinaten erlaubt. Die Betonung der Kontinuität der Bezugssysteme ist später durch die Entdeckung der Verletzung der Forminvarianz (Nichterhaltung der Parität bei den schwachen Wechselwirkungen) wichtig geworden. Da der Speziellen Relativitätstheorie der Minkowski-Raum als ungekrümmte Raum-Zeit zugrunde liegt, verschwindet im Rahmen dieser Theorie der Riemann- Krümmungstensor: R ijkl =0. (4.1.1) Wie oben dargelegt, umfassen die Lorentz-Transformationen die im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie zulässigen raumzeitlichen Transformationen, mit denen wir uns im folgenden beschäftigen wollen. Im Minkowski-Raum mit der Signatur (1, 1, 1, 1) werden die Galilei-Koordinaten (x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z, x 4 = ct) benutzt. Das Quadrat des Linienelements hat die Gestalt (ds) 2 = g ij dx i dx j = η ij dx i dx j =(dx 1 ) 2 +(dx 2 ) 2 +(dx 3 ) 2 (dx 4 ) 2

4.1 Relativitätstheorie als Metatheorie 141 =(dx) 2 +(dy) 2 +(dz) 2 c 2 (dt) 2 =(dr) 2 c 2 (dt) 2, (4.1.2) wobei für den metrischen Tensor 1 0 0 0 a) (g ij )=(η ij )=(η ji )= 0 1 0 0 0 0 1 0 mit b) det(g ij) = 1 (4.1.3) 0 0 0 1 und 1 0 0 0 a) (g ij )=(η ij )=(η ji )= 0 1 0 0 0 0 1 0 mit b) det(gij )= 1 (4.1.4) 0 0 0 1 gilt. Die geometrisch-optische Lichtausbreitung wird durch den Lichtkegel a) η ij x i x j =0, b) x 2 + y 2 + z 2 (ct) 2 = 0 (4.1.5) beschrieben. A. Unterteilung der Lorentz-Transformationen Es liegt nun nahe, die Galilei-Koordinaten x i selbst als Tensoren bei homogenen Koordinatentransformationen anzusehen und sie gemäß dem tensoriellen Transformationsgesetz ( ) x i = L i jx j L i j = xi x j Lorentz-Transformationsmatrix (4.1.6) zu transformieren. Diese Transformationsformeln heißen homogene Lorentz-Transformationen. Man beachte, daß wir die Bezeichnung für die Transformationskoeffizienten, die wir Lorentz-Koeffizienten nennen wollen, geändert haben: A i j Li j. Die Umkehrtransformation zu (4.1.6) schreiben wir als ( x j = L j i xi L i j = xi x j inverse ). (4.1.7) Lorentz-Transformationsmatrix Schließlich notieren wir noch die einleuchtenden beiden Gleichungen a) L j il i k = δj k = δ j k, b) Lj i Li k = δ j k. (4.1.8) Man beachte, daß aufgrund der gleichartigen Lichtausbreitung (Lichtkegel im Vakuum) in verschiedenen Lorentz-Systemen (Michelson-Versuch u. a.) der speziell-relativistische metrische Tensor eine numerische Invariante bei Lorentz- Transformationen ist: η i j = η ij. (4.1.9)

142 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit Nun wenden wir die tensorielle Transformationsformel für einen 2-stufigen kontravarianten Tensor auf den speziell-relativistischen metrischen Tensor η ij an: x i x j x k x l η kl = η i j bzw. (4.1.10a) 4 kk xi x 4 j η x k x k = η kk L i kl j k = η i j η ij. (4.1.10b) k=1 k=1 Gehen wir zur zugeordneten Determinantengleichung über, so finden wir a) [ ( )] det L i 2 ( ) k = 1 b) det L i k = ±1, (4.1.11) da det ( η i j ) =det ( η kl ) = 1 ist. Das in (4.1.11b) auftretende doppelte Vorzeichen führt zur Unterteilung der Lorentz-Transformationen in eigentliche und uneigentliche Lorentz-Transformationen. In diesem Zusammenhang beachten wir, daß aus (4.1.10b) für i = j =4 die Gleichung ( L 4 4) 2 3 ( ) =1+ L 4 2 α (4.1.12) α=1 folgt, aus der sich L 4 4 1oderL 4 4 1 ergibt. Eigentliche Lorentz-Transformationen Diese werden definiert durch a) det(l i k)=1 mit b) L 4 4 > 1 (Orthochronität). (4.1.13) Während die erste Bedingung die kontinuierlichen Transformationen, die bei positiv-definiter Metrik bekanntlich Drehungen beschreiben und die in Verallgemeinerung dieser Begriffsbildung (trotz der Indefinitheit der Metrik hier) Lorentz- Drehungen heißen, aussondert, sorgt die zweite Bedingung dafür, daß die Zeitrichtung beibehalten wird. Uneigentliche (diskrete) Lorentz-Transformationen Man hat die folgenden Fälle zu unterscheiden: det(l i k)= 1, L 4 4 1 (Fall A), (4.1.14a) det(l i k)= 1, L 4 4 1 (Fall B), (4.1.14b) det(l i k)=1, L 4 4 1 (Fall C). (4.1.14c) Diese Fälle entsprechen der folgenden Unterteilung:

4.1 Relativitätstheorie als Metatheorie 143 Raumspiegelung (Fall A): Die Raumspiegelungen korrespondieren einer der folgenden Möglichkeiten: 1 0 0 0 x = x (L i k)= 0 1 0 0 y = y 0 0 1 0 bzw. z = z 0 0 0 1 t = t, (4.1.15a) 1 0 0 0 x = x (L i k)= 0 1 0 0 y = y 0 0 1 0 bzw. z = z 0 0 0 1 t = t, (4.1.15b) 1 0 0 0 x = x (L i k)= 0 1 0 0 y = y 0 0 1 0 bzw. z = z 0 0 0 1 t = t, (4.1.15c) 1 0 0 0 x = x (L i k)= 0 1 0 0 y = y 0 0 1 0 bzw. z = z 0 0 0 1 = t. (4.1.15d) Während die ersten drei Möglichkeiten nur eine räumliche Richtung umkehren, werden bei der letzten alle räumlichen Richtungen gespiegelt. Man beachte dabei, daß die Spiegelung von nur zwei räumlichen Richtungen keine uneigentliche Lorentz-Transformation ist. t Zeitumkehr (Fall B): 1 0 0 0 (L i k)= 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 bzw. x y z t = x = y = z = t. (4.1.16) Raum-Zeit-Spiegelung oder starke Spiegelung (Fall C): 1 0 0 0 x (L i k)= 0 1 0 0 y 0 0 1 0 bzw. z 0 0 0 1 t = x = y = z. (4.1.17) = t

144 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit Für diese letzte uneigentliche Lorentz-Transformation gilt zwar det(l i k)=1. Wegen der Indefinitheit der Metrik handelt es sich dabei aber um keine Lorentz- Drehung, denn im Gegensatz zu (4.1.13b) ist L 4 4 1. Der physikalische Grund für die Unmöglichkeit der Umkehr der Zeitrichtung liegt darin, daß es nicht möglich ist, durch Geschwindigkeitserhöhung eines Inertialsystems Überlichtgeschwindigkeit zu erreichen, da die Zeitrichtung an das Innere des Lichtkegels gebunden ist. B. Gruppeneigenschaft der Lorentz-Transformationen Führen wir gemäß (4.1.6) zwei Lorentz-Transformationen zwischen den Inertialsystemen Σ Σ und Σ Σ : ( ) a) x i = L i j x j und b) x k = L k i xi L k i = xk, (4.1.18) x i hintereinander aus, so gelangen wir zu der Transformation ( ) x k = L k i Li j x j = L k j x j L k j = xk x j, (4.1.19) aus der wir L k j = L k i Li j (4.1.20) ablesen. Da die beiden einzelnen Transformationen Lorentz-Transformationen sind, gelten für sie gemäß (4.1.10a) die Gleichungen a) L i ml j nη mn = η i j, b) L i m Lj n ηm n = η i j, (4.1.21) mit deren Hilfe wir die Beziehung L k pl l qη pq = L k i Li pl l j Lj qη pq = L k i Ll j ηi j = η k l (4.1.22) finden, die aussagt, daß die kombinierte Transformation wieder eine Lorentz- Transformation ist. Da die übrigen Gruppenpostulate (Einselement, Inverses, Assoziativität) offensichtlich sind, ist damit der Gruppencharakter der Lorentz- Transformationen bewiesen. Durch den Übergang zu den zugehörigen Determinanten resultiert aus (4.1.20) vermöge (4.1.11) det(l k j)=det(l k i )det(li j)=±1. (4.1.23) Daraus erkennen wir, daß die Hintereinanderausführung zweier uneigentlicher Lorentz-Transformationen eine eigentliche Lorentz-Transformation ergibt, sofern die Orthochronität gesichert ist.

4.1 Relativitätstheorie als Metatheorie 145 C. Eigentliche Lorentz-Transformation mit beliebiger Geschwindigkeitsrichtung, aber ohne Verdrehung der Dreibeine und Galilei-Transformation Das für viele praktische Anwendungen verfolgte Ziel besteht darin, die Lorentz- Koeffizienten L i j für den vereinfachten Fall ohne Verdrehung der zu den Inertialsystemen Σ und Σ gehörigen Dreibeine, d. h. L α β Ω α β = δ αβ, (4.1.24) explizit zu kennen. Ohne ins Detail gehen zu können, geben wir gleich die Lorentz-Transformationsmatrix 1+ v2 x v x v y v x v z (γ 1) v2 v 2 (γ 1) v 2 (γ 1) v x v y (L i j )= v 2 (γ 1) 1 + v2 y v y v z (γ 1) v2 v 2 (γ 1) γvα c v x v z v y v z v 2 (γ 1) v 2 (γ 1) 1 + v2 z (4.1.25) (γ 1) v2 γvβ γ c an, wobei für die Abkürzungen β und γ gilt: a) β = v c, b) γ = 1 1 v2 c 2 = 1 1 β 2. (4.1.26) Als eine für die speziell-relativistische Kinematik besonders charakteristische Größe tritt hier wie auch in anderen speziell-relativistischen Formeln die Wurzel 1 v2 c 2 auf. Wir erkennen, daß für den Fall v>c(v Relativgeschwindigkeit zwischen den beiden Bezugssystemen) die Koordinaten imaginäre, also unphysikalische Werte annehmen würden. Daraus schließen wir, daß die Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Bezugssystemen die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit nicht erreichen kann. Sehr interessant ist auch die Transformationsformel für die Zeit, deren Absolutheitseigenschaft durch diese aufgehoben wird. Die Umrechnung der Zeit hängt entscheidend von den Ortskoordinaten des betrachteten Raumpunktes ab. Nähern wir (4.1.25) für v 1, so erhalten wir als Näherung die der Newtonschen Physik zugrunde liegende Galilei-Transformation zwischen den Ortskoor- c dinaten und der Zeit beider Newtonscher Inertialsysteme: a) x = x v x t, b) y = y v y t, c) z = z v z t, d) t = t, (4.1.27) wobei vr c 2 1gültig bleiben muß. Vektoriell schreibt sich die letzte Gleichung in der Form a) r = r vt, b) t = t. (4.1.28)

146 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit Man beachte den aus den letzten Formeln ablesbaren Umstand, daß durch die eben angegebene Näherung die in der Speziellen Relativitätstheorie mittransformierte Zeit zu der (nicht mittransformierten) absoluten Zeit der Newtonschen Physik wird. Diesen Abschnitt abschießend, können wir feststellen, daß die allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation durch 6 freie Parameter festgelegt ist, also die Lorentz-Gruppe eine 6-parametrige Gruppe bildet: 3 Freiheitsgrade für die Drehung, 6 Freiheitsgrade 3 Freiheitsgrade für die geradlinig-gleichförmige Relativbewegung (der englischen Bezeichnung entsprechend oft kurz Boost genannt). D. Spezielle eigentliche Lorentz-Transformation In der historischen Entwicklung der Relativitätstheorie hatte man sich nicht gleich das Ziel einer Transformationsformel mit beliebiger Geschwindigkeitsrichtung gestellt. Vielmehr legte man die Richtung der Geschwindigkeit in x- Richtung (v x = v, v y =0, v z = 0). Man bekommt dann bei dieser Spezialisierung aus (4.1.25) die Matrix (L i j)= γ 0 0 βγ 0 1 0 0 0 0 1 0 βγ 0 0 γ (4.1.29) und weiter die spezielle eigentliche Lorentz-Transformation a) x = x vt t vx, b) y = y c) z = z, d) t = c 2. (4.1.30) 1 v2 c 2 1 v2 c 2 Anhand der Matrix (4.1.26) bestätigen wir die Formel (4.1.13a): 1 0 0 β det(l i j)=γ 2 0 1 0 0 0 0 1 0 = γ 2 0 1 0 1+β 0 0 1 =1. (4.1.31) β 0 0 1 β 0 0 Den Übergang zur Umkehrtransformation vollziehen wir in (4.1.30) durch die Ersetzung v v, da sich, vom Lorentz-System Σ aus gesehen, das Lorentz- System Σ mit der Geschwindigkeit v bewegt: a) x = x + vt t + vx, b) y = y c) z = z, d) t = c 2. (4.1.32) 1 v2 c 2 1 v2 c 2

4.1 Relativitätstheorie als Metatheorie 147 E. Inhomogene eigentliche Lorentz-Transformation (Poincaré- Transformation) Die in den vorigen Abschnitten behandelte eigentliche Lorentz-Transformation (mit ihrer Spezialisierung auf die Galilei-Transformation) war eine homogene lineare Transformationen. Das Attribut der Homogenität haben wir dabei zunächst nicht besonders betont. Durch die additive Hinzufügung eines konstanten Gliedes α j auf der rechten Seite der mit anderen Indizes geschriebenen Gleichung (4.1.6) entsteht daraus die inhomogene eigentliche Lorentz-Transformation (mit ihrer Spezialisierung auf die inhomogene Galilei-Transformation): x j = L j i x i + α j (α j Konstanten). (4.1.33) Da sich insbesondere Poincaré mit dieser Transformation und den Eigenschaften der zugeordneten Gruppe beschäftigt hat, nennt man sie oft auch Poincaré- Transformation. Das durch die beschriebene Addition erhaltene Zusatzglied umfaßt 4 konstante Parameter, von denen die 3 räumlichen einer konstanten räumlichen Translation und der zeitliche einer konstanten zeitlichen Translation entsprechen. Auf diese Weise kommen zu den oben erwähnten 6 Freiheitsgraden noch weitere 4 Freiheitsgrade, so daß die inhomogene eigentliche Lorentz-Transformation insgesamt 10 Freiheitsgrade anbietet: 3 für die Drehung, 3 für den Boost, 3 für die räumliche Translation und 1 für die zeitliche Translation. Besitzt die Metrik einer Raum-Zeit gegenüber der homogenen Lorentz-Transformation (Lorentz-Drehung) die numerische Invarianz η i j = η ij, sonenntman eine solche Raum-Zeit isotrop. Ist diese numerische Invarianz gegenüber der Translation erfüllt, so heißt eine solche Raum-Zeit homogen. Der Minkowski- Raum, der diesen beiden Invarianzen genügt, ist also eine isotrope und homogene Raum-Zeit. Die eben benutzte Begriffsbildung ist vom 3-dimensionalen Ortsraum auf die 4-dimensionale Raum-Zeit übertragen worden und ist in Verbindung mit der konkreten Vorstellung wegen der indefiniten Metrik der Raum-Zeit mit der gebührenden Vorsicht zu benutzen. F. Infinitesimale inhomogene Lorentz-Transformation Im Falle einer infinitesimalen homogenen Lorentz-Transformation wird L j i = δ j i + αj i, (4.1.34) wobei die Größen α j i infinitesimale Parameter sind, die die infinitesimale Abweichung der Lorentz-Koeffizienten vom Kronecker-Symbol (identische Transformation) beschreiben. Setzen wir (4.1.34) in (4.1.33) ein, so erhalten wir, wenn wir auch die endlichen Translationsparameter α j durch die diesen zuzuordnenden infinitesimalen Translationsparameter α j ersetzen (α j α j ), die infinitesimale inhomogene Lorentz-Transformation x j = x j + α j ix i + α j. (4.1.35)

148 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit Die zu (4.1.34) inverse Transformationsmatrix ist offensichtlich L i k = δi k αi k, (4.1.36) denn setzen wir (4.1.34) und (4.1.36) in (4.1.8a) ein, so können wir diese Inversitätsrelation befriedigen, wenn wir beachten, daß Größen 2. Ordnung vernachlässigt werden dürfen: L i jl j k =(δi j + α i j)(δ j k αj k)=δ i jδ j k + αi k α i k = δ i k. (4.1.37) Des weiteren erhalten wir, wenn wir mit (4.1.34) in (4.1.10b) eingehen: α m j η ij = α i k η km (η i j = η ij ). (4.1.38) Verabreden wir die Anwendung der tensoriellen Indexbewegungsregeln auch bei den Größen α m j,sokönnen wir wegen der Gültigkeit von g ij = η ij für Galilei- Koordinaten der Beziehung (4.1.38) die Form der Antisymmetrierelation a) α mi = α im bzw. b) α mi = α im bzw. c) α m i = α i m (4.1.39) geben. Daran erkennen wir noch einmal deutlich, daß in die Lorentz-Drehung 6 unabhängige Parameter eingehen, denn eine 4-dimensionale antisymmetrische Matrix besitzt 6 unabhängige Elemente. Die 10 voneinander unabhängigen Größen α 1 2,α 1 3,α 1 4,α 2 3,α 2 4,α 3 4,α 1,α 2,α 3,α 4 (4.1.40) heißen die infinitesimalen Parameter der inhomogenen Lorentz-Transformation. Diesen Abschnitt abschließend, halten wir fest: Die prinzipiellen Grenzen der Speziellen Relativitätstheorie liegen an zwei wesentlichen Stellen: Der Beobachter (Synonym für die Gesamtheit von Laboratorium mit messendem und auswertendem Physiker) ist auf Inertialsysteme festgelegt. Es existiert keine mit der Erfahrung verträgliche speziell-relativistische Gravitationstheorie. 4.1.3. Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie Den etwa acht Jahre dauernden, langwierigen Weg Einsteins von der Speziellen Relativitätstheorie zu seiner Allgemeinen Relativitätstheorie mit neuartiger geometrischer Gravitationstheorie (1915) haben wir in unserem Buch [12] ausführlich wiedergegeben. Hier fassen wir die wichtigsten historischen Fakten kurz zusammen. Abgesehen von der oben erwähnten, mehr philosophisch motivierten Kritik an dem Newtonschen Konzept eines absoluten Raumes, wiesen auch astrophysikalisch-kosmologische Erkenntnisse, unterstützt durch mathematische Untersuchungen, auf eine nicht volle Akzeptanz der Newtonschen Gravitationstheorie im Großen hin:

4.1 Relativitätstheorie als Metatheorie 149 P. S. Laplace beschäftigte sich mit der Frage einer gravitationellen Einwirkung eines Himmelskörpers auch auf die hypothetischen Lichtteilchen (1795, 1799). J. G. Soldner sprach sich klar für die These der Krümmung der Lichtstrahlen durch Himmelskörper aus (1801). Bereits um 1800 begann C. F. Gauß mit der Ausarbeitung seiner damals nicht veröffentlichten Geometrie 2-dimensionaler gekrümmter Flächen und erweiterte diese Thematik auf die Frage einer eventuellen Nichtgültigkeit der Euklidischen Geometrie in größeren räumlichen Bereichen auf unserer Erde durch eine denkbare Ausmessung der Winkelsumme in sideralen Dreiecken. Um 1830 arbeiteten gleichzeitig N. I. Lobatschewski und J. Bolyai unabhängig von Gauß und auch voneinander ein solches geometrisches Konzept weiter aus, worauf wir schon früher hingewiesen haben. Berühmt geworden ist das von H. Olbers (1826) formulierte Paradoxon, daß gemäß der Newtonschen Gravitationstheorie bei deren Extrapolation auf einen unendlich ausgedehnten Raum mit etwa homogener Sternbesetzung der Nachthimmel grell leuchten müßte. Früher haben wir auch schon herausgestellt, daß B. Riemann die geometrische Theorie gekrümmter Mannigfaltigkeiten auf höhere Dimensionen verallgemeinert und damit die mathematische Grundlage für die Krümmungstheorie der Raum-Zeit geschaffen hat (1854). In astrophysikalischer Hinsicht ist hier zu erwähnen, daß H. von Seeliger einen interessanten Abänderungsversuch der Newtonschen Gravitationstheorie unternahm, indem er die Newtonsche Feldgleichung für das Gravitationspotential durch ein lineares Zusatzglied ergänzte, wodurch für das Gravitationspotential in großer Entfernung ein exponentieller Abfall verursacht wird (1894). Übrigens hat Einstein später ein derartig strukturiertes Zusatzglied, bekannt unter dem Namen kosmologisches Glied auch in seiner Gravitations-Feldgleichung angebracht, aber bald wieder zurückgezogen. Heute hat dieses kosmologische Glied in der Quantenkosmologie erneut eine große Bedeutung erlangt. Beim Versuch der Weiterführung der Newtonsche Gravitationstheorie war es natürlich naheliegend, ein solches Konzept im Rahmen der bewährten Speziellen Relativitätstheorie aufzubauen. Der bedeutendste Ansatz dazu stammt wohl von G. Nordström (1913/14), der zwar eine konsistente speziell-relativistische Gravitationstheorie vorlegen konnte, die sich aber nicht im Einklang mit der astronomischen Beobachtung befand: Bekanntlich war den Astronomen seit Jahrhunderten aufgefallen, daß die Bewegung des Merkur eine nicht überzeugend erklärbare Störung in Gestalt einer Periheldrehung aufwies, für die U. Leverrier (1859) durch Auswertung weit zurückreichenden astronomischen Meßmaterials den Wert 42, 56 (Bogensekunden) angeben konnte. Einstein ging es auf dem Weg zu seiner Gravitationstheorie insbesondere um zwei Anliegen: Einerseits sollte eine solche neue Theorie so beschaffen sein, daß wie bei Newton das Äquivalenzprinzip von träger und schwerer Masse zu erfüllen wäre, also eine gleichartige Bewegung der Körper im Vakuum unabhängig von der Materialzusammensetzung der fallenden Körper vorliegen müßte. Dieses Prinzip entspricht in Weiterführung der Überlegungen inhaltlich dem (lokal gültigen) Äquivalenzprinzip von kinematischer Beschleunigung und gravitationeller

150 4: Klassische Grundgesetze der Physik in der Raum-Zeit Beschleunigung, denn die kinematische Beschleunigung schafft die Brücke zur trägen Masse und die gravitationelle Beschleunigung die Brücke zur schweren Masse. Die Vertiefung dieser physikalischen Situation gelang Einstein auf dem Weg über sein Gedankenexperiment zur lokalen Gleichartigkeit der Physik in einem im Gravitationsfeld fallenden Kasten und in einem im gravitationsfreien Raum korrespondierend beschleunigten Kasten. Andererseits brachte ihn die Anwendung der aus der Speziellen Relativitätstheorie folgenden Längenkontraktion auf das Verhältnis von Umfang zu Radius, betrachtet im Bezugssystem einer rotierenden kreisförmigen Scheibe, zu der Erkenntnis der Abweichung dieses Verhältnisses von der alternativen Situation, daß dieses Verhältnis bei einer in einem Inertialsystem ruhenden Scheibe, in dem die Gültigkeit der Euklidischen Geometrie unbestritten ist, ermittelt wird. Auf diese Weise bot sich für Einstein eine Gedankenbrücke zur Preisgabe der Euklidischen Geometrie beim Aufbau einer allgemeineren Gravitationstheorie an. Die damals bereits gut entwickelte Riemann-Geometrie, bei deren Ausbau insbesondere E. Christoffel, C. Ricci und T. Levi-Civita herausragend mitgewirkt hatten, war zwar der erste Schritt zu einer über die Euklidische Geometrie hinausgehenden höheren Geometrie, aber leider kannte Einstein diese mathematische Entwicklung nicht. Erst durch den sehr fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch mit M. Grossmann (1914), der als Mathematiker den der Riemann- Geometrie zugeordneten Ricci-Kalkül gut beherrschte, lernte Einstein in diesem Formalismus das mathematische Werkzeug kennen, mit dem sich seine kovariante Feldgleichung der Gravitation unter Benutzung von Krümmungsgrößen der 4-dimensionalen Raum-Zeit formulieren ließ (1915). In Verallgemeinerung des für die Spezielle Relativitätstheorie grundlegenden Speziellen Relativitätsprinzips gelangte Einstein zur Formulierung des Allgemeinen Relativitätsprinzips, das von ihm als das Fundament der Allgemeinen Relativitätstheorie angesehen wurde. Allgemeines Relativitätsprinzip (1915): Die Grundgesetze der Physik sind gegenüber kontinuierlich auseinander hervorgehenden beliebigen Koordinatentransformationen bei Wahrung der physikalisch erforderlichen Signatureigenschaften forminvariant (kovariant). Unter einer beliebigen Koordinatentransformation soll dabei eine Transformation der Art x j = x j (x i ) (4.1.41) verstanden werden. Einerseits war mit diesem Postulat die Bindung an Galilei-Koordinaten gelöst, also die gleichberechtigte Benutzung von krummlinigen Koordinaten freigegeben. Andererseits wurde damit das Tor zur Riemann-Geometrie für eine Raum-Zeit mit Krümmung, also der Weg zu einer völlig neuartigen Gravitationstheorie geöffnet. Hier sei angemerkt, daß Jahrzehnte lang über die physikalische Bedeutung des Allgemeinen Relativitätsprinzips gestritten wurde, bis hin zur These, daß es

4.2 Klassische allgemein-relativistische Basistheorien der Physik 151 physikalisch überflüssig sei. Auch wir waren an dieser Diskussion mit mehreren Publikationen beteiligt [1, 12], könnenaberhiernichtnäher darauf eingehen. Unsere Position entspricht der originären Einsteinschen Auffassungsweise, die wir auch hier beim obigen logischen Aufbau der Relativistischen Physik (wenn auch mit dem heutigen Erkenntnisstand angepaßten Einzelformulierungen) zugrunde gelegt haben. Neben der Einsteinschen Gravitationstheorie haben später auch die übrigen, bis damals bekannten klassisch-physikalischen Fundamentaltheorien ohne besondere Schwierigkeiten ihre allgemein-relativistische Formulierung erhalten: Elektromagnetik, Kontinuumsmechanik, Punktmechanik, Thermodynamik, Klein- Gordon-Theorie, Dirac-Theorie, Weyl-Theorie u. a.. Teilweise werden wir uns diesen Theorien im folgenden widmen. Schließlich merken wir noch an, daß in den Bereichen Astrophysik und Kosmologie weitgehend mit dem Gaußschen Maßsystem gearbeitet wird. Da dieses Buch zum empirischen Vergleich insbesondere die empirischen Daten dieser beiden Bereiche heranziehen wird, wollen wir uns hier auch auf das Gaußsche Maßsystem festlegen, um später unnötigen Komplikationen mit Umrechnungen aus dem Weg zu gehen. 4.2. Klassische allgemein-relativistische Basistheorien der Physik Im folgenden werden aus Platzgründen nur die maßgeblich reversiblen Basistheorien behandelt, bei denen allerdings in der Anwendung irreversible Bestandteile, die immanent in der realen Materie verankert sind, durch Zusatzglieder erfaßbar sind. Natürlich zählen die hier nicht wiedergegebenen, von Natur aus irreversiblen Theorien wie Thermodynamik und Statistik auch zum Basisbestand der Theoretischen Physik. Die konkrete Darstellung der behandelten Theorien folgt meist der Abhandlung dieser Gegenstände in unserer Monographie [1] 4.2.1. Allgemein-relativistische Einsteinsche Theorie der Gravitation Die Grundlage der Einsteinschen Gravitationstheorie bildet die Einsteinsche Gravitations-Feldgleichung mit kosmologischem Glied (λ c kosmologische Konstante): R ij 1 2 Rgij + λ c g ij = κ 0 T ij. (4.2.1) In ihr treten auf der linken Seite als geometrische Größen der metrische Tensor g ij, der Ricci-Tensor R ij (1.2.207) und die Krümmungsinvariante R (1.2.208) sowie das kosmologische Glied auf. Auf ihrer rechten Seite fungiert als Quellterm für die geometrische Struktur der Energietensor (Energie-Impuls-Tensor) der Materie T ij. Die Kopplungskonstante zwischen materieller Quelle und Geometrie

5. Projektive Einheitliche Feldtheorie im 5-dimensionalen Raum und ihre Projektion in die Raum-Zeit Modell für eine 5-dimensionale Physik 5.1. Programm für eine einheitliche Feldtheorie der Physik und seine Realisierungsversuche 5.1.1. Idee einer einheitlichen Feldtheorie der Physik Die Geschichte der Physik weist eine Entwicklung in diametralen Richtungen auf: Einerseits wird die unüberschaubare Vielfalt der Erscheinungen durch die Aufdeckung gemeinsamer gesetzmäßiger Wurzeln auf relativ wenige Grundgesetze zurückgeführt, wodurch der Prozeß zur Einheit der Physik in die Tiefe vorangetrieben wird. Gleichzeitig damit entwickelt sich andererseits die Physik durch die Entdeckung neuer Phänomene außerordentlich rasch in die Breite, die dann auf ihre theoretische Durchdringung wartet. Das an der Physik sehr gut zu beobachtende Wechselspiel von Tiefen- und Breitenforschung ist ein typisches Kennzeichen der Naturwissenschaften und wohl ein allgemeines Kennzeichen der Wissenschaft überhaupt. Es führt hier zu weit, die These von der Einheit der Natur, die natürlich weit über die These von der Einheit der Physik hinausgeht, philosophisch würdigen zu wollen. Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß sich insbesondere C. F. von Weizsäcker dieser Thematik über Jahrzehnte angenommen hat [18]. Auch der Autor dieses Buches war früher und ist genauso noch heute von der Einheit der Physik tief überzeugt. Er hat dieses Gedankengut über fast fünf Jahrzehnte verfolgt und in einem gewissen Bereich aktiv forschend weitergeführt. Das zu ergründen, was die Welt im Innersten zusammenhält, war auch stets sein eigenes Forschungsziel. Historisch gesehen, war es maßgeblich Einstein, der nach seinem großen Erfolg bei der Geometrisierung der Gravitation sich vorgenommen hatte, auch den neben der Gravitation damals in hoher Blüte stehenden Elektromagnetismus zu geometrisieren. Aber auch viele andere aus der relativistischen Forschung kommende Theoretische Physiker machten dieses Ziel zu ihrem wissenschaftlichen Herzensanliegen. Es entstand eine schwer überschaubare Menge an Publikatio-

202 5: Projektive Einheitliche Feldtheorie... nen. Trotz intensiver Beschäftigung mit diesem Gegenstand bis zur Gegenwart blieb dennoch ein allgemein überzeugender, durchschlagender Erfolg aus, so daß das Ziel an sich auch in Mißkredit geriet. W. Pauli, selbst über Jahre ein engagierter Forscher auf diesem Gebiet, gab auf und erklärte das Vorhaben zu einem Scheinproblem. In Umkehrung des Bibeltextes meinte er: Was Gott getrennt hat, soll der Mensch nicht zusammenfügen. Im folgenden soll die eingetretene Sachlage kurz skizziert werden, die sich dadurch auszeichnet, daß sich das auf eine einheitliche Feldtheorie orientierte Lager der Theoretischen Physiker in zwei Ideengruppen aufteilte, von denen die eine, insbesondere um Einstein, an der 4-dimensionalen Raum-Zeit festhielt, während die andere, initiiert durch Th. Kaluza (1921) und bald danach weitergeführt von O. Klein (1926), von einer 5-dimensionalen geometrischen Mannigfaltigkeit mit Riemann-Geometrie ausging [19]. Weitere Literaturhinweise zu dieser Thematik sind in unserer Monographie [1] sowie in anderen Publikationen zu finden [20]. 5.1.2. Einheitliche Feldtheorien auf der Basis einer 4-dimensionalen Raum-Zeit mit anderen Geometrien H. Weyl erweiterte ab 1917 die Riemann-Geometrie und baute sie zu der nach ihm benannten Weylschen Geometrie aus, die wir in einem früheren Abschnitt kurz charakterisiert haben (1.2.127). Auf die Erweiterung der Axiomatik der Riemann-Geometrie sind auch die Versuche von A. S. Eddington (1921) und V. Hlavaty (1952) gerichtet. Einen besonderen Platz in dieser Richtung nimmt eine Arbeit von E. Schrödinger (1954) ein, weil dieser außer der Gravitation nicht den Elektromagnetismus, sondern ein komplexes Mesonfeld im Auge hatte, also auf die Schaffung einer Verbindung zur Elementarteilchentheorie abzielte. Der Gedanke eines komplexen metrischen Feldes als Erweiterung des von Einstein benutzten reellen metrischen Feldes wurde von W. B. Bonnor (1951) expliziert. Einstein selbst verfolgte in seinem USA-Exil in der zweiten Hälfte seines Lebens bis zu seinem Tod mit kaum zu überbietender innerer Überzeugung von der rationalen Einheit der Physik tragischerweise in großer Isoliertheit von der heranwachsenden jüngeren Physikergeneration ein ganzes Spektrum von Ideen. Von den Einsteinschen Zielrichtungen wollen wir hier schlagwortartig nur zwei herausgreifen: Fernparallelismus (1929) sowie die Benutzung eines unsymmetrischen metrischen Tensors, der 16 Komponenten besitzt, wodurch mittels der 6 weiteren Komponenten gegenüber der Gravitation mehr Spielraum gewonnen werden sollte, um neben der Gravitation auch den Elektromagnetismus unterzubringen. In einer gemeinsamen Arbeit mit E. G. Strauß (1946) sind die Ergebnisse festgehalten. Die letzte und bekannteste Variante dieses Theorientyps von Einstein stammt aus dem Jahr 1949. In der Zeit bis 1953 gab er ihr die letzte Fassung und Interpretation. Es wird heute allgemein eingeschätzt, daß Einstein sein Endziel einer einheitlichen Feldtheorie nicht erreicht hat. Den Unterabschnitt über andere geometrische Strukturen der Raum-Zeit abschließend, weisen wir noch auf eine Idee von É. Cartan [21] aus den Jahren 1922/23 hin, der die Erweiterung der Riemann-Geometrie durch Einbeziehung

5.1 Programm für eine einheitliche Feldtheorie... 203 der Torsion (neben der Krümmung) in Erwägung zog. Nach Jahrzehnten wurde dieses Gedankengut von D. W. Sciama und T. W. B. Kibble (1961) aufgegriffen und zu einer Theorie ausgearbeitet, in der zur feldtheoretischen Berechnung der Torsion der Raum-Zeit der Spin der Materie als Quellterm fungiert [22]. Ab 1965 setzte dann durch F. Hehl und Mitarbeiter eine intensive Forschung ein, die in Fortführung der Krönerschen Erweiterung der Kontinuumsmechanik durch Einbeziehung der Torsion einige Gesichtspunkte aus der Richtung von Sciama und Kibble aufgriff und eine intensive Beschäftigung mit diesem Spin-Torsion-Konzept einleitete [23], zu dem auch A. Trautman (1972) beitrug. Wir erwähnen auch in diese Richtung zielende Arbeiten von V. de Sabbata und Mitarbeitern. Interessenten müssen wir auf die umfangreiche publizierte Literatur verweisen. 5.1.3. Feldtheorien vom Kaluza-Klein-Typ und andere Theorienvarianten Im Unterschied zu den oben skizzierten 4-dimensionalen Feldtheorien legte Th. Kaluza (1921) seinen Überlegungen einen 5-dimensionalen Raum mit Riemann-Geometrie zugrunde. Da der dabei auftretende 5-dimensionale symmetrische metrische Tensor 15 unabhängige Komponenten besitzt, schienen damit Kaluza genug Feldfunktionen zur Erfassung des Elektromagnetismus vorzuliegen, für die ein 4-dimensionaler Potentialvektor mit seinen 4 Komponenten auszureichen schien, so daß zusammen mit den 10 Komponenten für das Gravitationsfeld insgesamt 14 Komponenten belegt waren, mithin über eine überzählige freie Feldfunktion noch zu verfügen war. Aus diesem 5-dimensionalen Raum mußte die 4- dimensionale Raum-Zeit durch geeignete mathematische Aufspaltungsprozeduren herauspräpariert werden. Dabei spielte die sogenannte Zylinderbedingung eine große Rolle, gemäß der die 5-dimensionalen Feldfunktionen nicht von der 5. Koordinate abhängen sollten, zumal man mit der 5. Dimension sowieso nichts Konkretes anzufangen wußte. Die Kaluzasche Initiative wurde von O. Klein (1926) aufgegriffen und weiter ausgebaut, wobei schließlich insbesondere die überzählige 15. Feldfunktion im Sinne einer Normierungsbedingung später konstant gesetzt wurde. Nach dem Kaluza-Kleinschen Konzept ging es eigentlich nur um eine formale Zusammenfassung von Gravitation und Elektromagnetismus in einem übergeordneten 5- dimensionalen Raum, dem man wohl kaum eine reale physikalische Existenz zuschrieb. Diese Theorie, die auch nicht zu konkreten physikalischen Voraussagen führte, wurde zunächst nur wenig beachtet. Erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie, wie es scheint wohl in Unkenntnis voneinander, von Y. Thiry (1948), G. V. Jonsson (1951) und Yu. B. Rumer (1956) dadurch neu belebt, daß die oben erwähnte Normierungsbedingung fallen gelassen wurde, wodurch eine reelle skalare Feldfunktion gewonnen wurde, der man aber keinen klaren physikalischen Sinn zu geben vermochte. Ein Jahrzehnt später erfuhr die Kaluza-Klein-Theorie (in ihren inzwischen

204 5: Projektive Einheitliche Feldtheorie... vorliegenden unterschiedlichen Varianten) durch Erweiterung auf noch höhere Dimensionszahlen, insbesondere durch die Initiative von J. Rayski (1965), einen starken und mehr als zwei Jahrzehnte intensiv nachwirkenden Impuls seitens der Elementarteilchentheorie, die in eine gewisse Stagnation geraten war. Hunderte von Publikationen erschienen plötzlich in der Absicht, auf der Basis von Theorien vom Kaluza-Klein-Typ das Elementarteilchenproblem zu lösen. In bezug auf Arbeiten dieser Art sind vor allem auch die Namen von E. Witten [24] und Yu. Vladimirov [25] zu nennen. Die Liste der Akteure in diesem Bereich ist so groß, daß es unterbleiben muß, weiter ins Detail zu gehen. Die eben erwähnten Theorien sind in engem Zusammenhang mit einer Reihe von Theorienvarianten zu sehen, die durch dieses Gedankengut angeregt wurden. Wir erwähnen die Forschungsrichtungen: Eichfeldtheorien, insbesondere vom Yang-Mills-Typ; Supersymmetrietheorien (SUSY); Supergravitationstheorien; Große Unifikations-Theorien (GUT); Higgs-Theorien, Stringtheorien in einem 10-dimensionalen und neuerdings 11-dimensionalen Raum sowie Branetheorien (Membrantheorien) in etlichen Versionen. In diesem Kontext sollen auch die Induced-Matter-Theorie von P. S. Wesson und Mitarbeitern, insbesondere H. Liu, B. Mashhoon, J. Ponce de Leon u.a. [26], wie auch die Quintessenz-Theorie von I. Zlatev, L. Wang, P. J. Steinhardt u.a. genannt werden. Dabei handelt es sich zum Teil um spezifische Kaluza-Klein- Theorien mit vorwiegend kosmologischem Anwendungsziel. Im weiteren gehen wir noch kurz auf die Kompaktifizierungshypothese ein, die im Falle ihrer Verifizierung von großer physikalisch-philosophischer Tragweite wäre. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf einen 5-dimensionalen Raum und setzen die allgemein-relativistische (gekrümmte) Raum-Zeit als Unterraum voraus. Den Hintergrund dieser Hypothese bildet unter anderem die immer wieder gestellte Frage: Was ist eigentlich die 5. Dimension? Bekanntlich wird die Zeit als 4. Dimension inzwischen akzeptiert, aber man möchte, wenn möglich, auch mit der 5. Dimension eine in der Physik bekannte Größe verbinden. Versuche in dieser Richtung gibt es: Identifizierung mit der Wirkung von Yu. B. Rumer oder die Identifizierungsideen mit der Masse von P. S. Wesson. Unsere eigene Interpretation werden wir später vorstellen. Eine Variante der Kompaktifizierungshypothese geht davon aus, daß beim kosmologischen Urknall ursprünglich alle betrachteten 5 Dimensionen offene Dimensionen (analog den im Laufe der Weltexpansion offen gebliebenen Dimensionen von Raum und Zeit) waren, daß sich aber infolge der hochenergetischen Prozesse beim Urknall die 5. Dimension eingerollt (kompaktifiziert) hat, so daß sie uns heute verschlossen bleibt. Sie ist danach in einem Raum-Zeit-Punkt gewissermaßen als angeheftete kreisartige geschlossene Koordinatenlinie Repräsentant der 5. Dimension der Welt. Vertreter dieser Idee meinen, daß diese geschlossene 5. Dimension beim Einsatz von Riesenenergien eines Tages aufgebrochen werden könnte. Diesen Abschnitt abschließend, bleibt zu bemerken, daß die Aufspaltungsmethode im Kaluza-Klein-Formalismus mathematisch ziemlich schwerfällig zu handhaben ist, so daß ein echtes Bedürfnis bestand, einen eleganteren Aufspal-

5.1 Programm für eine einheitliche Feldtheorie... 205 tungsformalismus zu besitzen. Der anschließend zu erläuternde Projektionsformalismus ist das Ergebnis dieser Bemühungen. 5.1.4. Projektiv-relativistische Feldtheorien im 5-dimensionalen Projektiven Raum Die 5-dimensionalen projektiv-relativistischen Feldtheoricn in ihren ersten Fassungen Projektive Relativitätstheorien genannt knüpfen an die von Kaluza eingeführte Fünfdimensionalität an und sind deshalb trotz verschiedener Formalismen in weiten Bereichen, was die 4-dimensionalen mathematischen Projektionsergebnisse betrifft, auf korrespondierende Strukturen der Kaluza-Klein- Theorien abbildbar. Der Rahmen der projektiv-relativistischen Theorien ist aber einerseits axiomatisch durch seine Beschränkung auf nur 5 Dimensionen enger angelegt, andererseits überschreitet er in der von uns ausgearbeiteten Fassung das Instrumentarium der Riemann-Geometrie. Das mathematische Werkzeug der projektiven Theorien hat seinen Ursprung in der Benutzung homogener 5-dimensionaler Koordinaten. In erster Linie sind dabei O. Veblen und B. Hoffmann (1931) zu nennen. Eine leichter zu handhabende Methode ist der von Projektoren (als grundlegende geometrische Objekte) ausgehende Projektionsformalismus, der von J. A. Schouten und D. van Dantzig (1932) entwickelt wurde. Auch der Beitrag von W. Pauli, der insbesondere auf die Physiker stimulierend gewirkt hat, soll unterstrichen werden. Die um diese Zeit formulierten 5-dimensionalen Feldgleichungen waren, abgesehen von den Ansätzen zur Spinortheorie, im wesentlichen Vakuum-Feldgleichungen, ließen also die Einbeziehung von über den Elektromagnetismus hinausgehenden physikalischen Gegebenheiten außer Acht. Die Benutzung der in der Kaluza-Klein-Theorie bereits erwähnten Normierungsbedingung, die im projektiv-relativistischen Formalismus ihr Pendant besitzt, führte darüber hinaus auch noch zu mathematischen Inkonsistenzen. Insgesamt gesehen war diese Art von Theorien physikalisch steril geworden und dadurch in Mißkredit geraten. Wird aber diese bis dahin als selbstverständlich angenommene Normierungsbedingung fallen gelassen, so resultiert daraus, wie wir bereits oben ausgeführt haben, die Existenz eines reellen skalaren Feldes, das ganz organisch in dem Theoriengebäude involviert ist. Für dieses Feld entsteht dann aus einer 5-dimensionalen Feldgleichung durch Projektion in die Raum-Zeit zwangsläufig eine 4-dimensionale Feldgleichung, die man, wie es leider meist gemacht wurde, einfach unberücksichtigt ließ. Einen neuen Aufschwung erlebte die projektiv-relativistische Theorie 1945 auf diesem nicht klar ausgesprochenen Hintergrund durch P. Jordan [27]. Er wurde dazu durch die 1937 von P. A. M. Dirac (aufgrund kosmologischer Überlegungen zu extrem großen Zahlen) aufgestellte Hypothese angeregt, die Newtonsche Gravitationskonstante sei in Wirklichkeit keine Konstante, sondern verkleinere sich im Laufe der Zeit. Es war deshalb für Jordan naheliegend, das sich anbietende skalare Feld, für dessen Mitnahme er gegenüber Thiry die Priorität besitzt, mit einem variablen Gravitationsparameter (anstelle der Newtonschen Gravi-

206 5: Projektive Einheitliche Feldtheorie... tationskonstanten) in Verbindung zu bringen. Durch die Nachkriegswirren sind allerdings die Jordanschen Arbeiten kaum bekannt geworden. Später zeigte sich, daß bereits kurz vor dem Krieg P. G. Bergmann, damals Mitarbeiter von Einstein in Princeton, eine ähnliche Erweiterung der Theorie erwogen hat, ihm aber Einstein von einer Weiterverfolgung dieser Arbeitsrichtung abriet (mündliche Mitteilung von Bergmann an den Autor). Auf Jordan zurückkommend, muß nun allerdings gesagt werden, daß er nach Diskussionen einsah, daß er offensichtlich nicht die richtigen Feldgleichungen gefunden hat. Er zog später seinen Vorschlag zurück und riet 1961 seinen Schülern ab, in dieser Richtung weiterzuarbeiten [28]. Die Arbeiten zur Projektiven Relativitätstheorie sind nach den Jordanschen Aktivitäten abgeklungen. Das lag vor allem auch daran, daß die damalige Meßgenauigkeit zur Verifikation einer eventuellen Variation der Gravitationskonstanten nicht ausreichte. Schließlich ist aber in diesem Zusammenhang auch noch festzuhalten, daß G. Ludwig, Jordans Richtung folgend, eine Schrift zur projektiven Relativitätstheorie unter Einbeziehung von Ausführungen zur Spinortheorie verfaßt hat [29]. Unter andersartigen Aspekten befaßte sich der Autor ab 1955 mit dem Themenkreis einer einheitlichen Feldtheorie der Physik [30]. Nach dem Studium der verschiedenen 4-dimensionalen Varianten, das ihm Unbehagen gebracht hatte, entschied er sich, überzeugt durch ihm einleuchtende Argumente, im Sinne eines Versuches für den Standpunkt einer real existierenden 5-dimensionalen Welt mit einer noch zu ergründenden 5-dimensionalen Physik. Dabei sollte es für ihn nicht um eine formale Zusammenfassung von anerkannten Bausteinen der 4-dimensionalen Physik ohne Neuerkenntnis gehen, sondern für ihn wog die Einheit der Physik so stark, daß er es für möglich hielt, daß daraus auch neue physikalische und philosophische Einsichten über unsere Welt zu erwarten sein müßten. Der vom Autor in vier Jahrzehnten erarbeiteten projektiv-relativistischen Theorie gab er wegen ihrer Besonderheiten den Namen Projektive Einheitliche Feldtheorie (Projective Unified Field Theory, abgekürzt PUFT). Die Entwicklung dieser Theorie erfolgte in drei Stufen (1957, 1980, 1995), wobei es neben mathematischen Fragen vor allem um die intrinsische Konsistenz und um das Auffinden physikalisch zufriedenstellender Feldgleichungen ging. Die letzte Fassung ist als umfassender Review-Artikel erschienen [15]. Die empirische Verifikation einer Theorie dieser Art ist wegen der Kleinheit der im terrestrischen Bereich zu erwartenden Effekte heutzutage kaum möglich. Deshalb wurde als Testgebiet die Kosmologie, Kosmogonie und Astrophysik wegen der auf diese Gebiete zutreffenden extrem großen Zeiträume von Milliarden Jahre ausgewählt. In den späteren Teilen dieses Buches wird das physikalische Konzept dieser Theorie mit zugehöriger Anwendung im Detail ausgearbeitet.

3. Physik in der 4-dimensionalen Raum-Zeit 3.1. Grundlagen der Raum-Zeit 3.1.1. Gekrümmte Raum-Zeit, Koordinatensysteme und Lichtkegel Die beiden ersten Kapitel dieses Buches haben physikorientierten mathematischen Inhalt, der so gestaltet ist, daß wegen der Zugrundelegung eines n-dimensionalen Raumes seine Anwendbarkeit multidimensional ist. In den nächsten beiden Kapiteln geht es um die 4-dimensionale Raum-Zeit, also um die Spezialisierung dieser allgemeinen Theorie auf die Dimensionszahl n = 4. Dabei erinnern wir an unsere frühere Verabredung, daß kleine lateinische Indizes von a bis h die Zahlen 1, 2, 3 des 3-dimensionalen Ortsraumes und kleine lateinische Indizes ab i die Zahlen 1, 2, 3, 4 der 4-dimensionalen Raum-Zeit durchlaufen. Daran erkennen wir die Aufspaltung der Raum-Zeit in den Ortsraum mit seiner 3-Dimensionalität und in die Zeit mit ihrer 1-Dimensionalität. Demnach sind die 3 Koordinaten {x a } = x 1,x 2,x 3 als räumliche Koordinaten und x 4 als zeitliche Koordinate desselben Punktes der Raum-Zeit zu interpretieren. Wie diese Aufspaltung im einzelnen physikalisch sinnvoll zu vollziehen ist, werden wir später konkret darlegen. Bis zu Einsteins grundlegenden Erkenntnissen über die Struktur von Raum und Zeit hatten die Physiker etwa folgende Konzeption von diesen beiden fundamentalen Begriffen der Physik: Unter dem physikalischen Raum verstand man eine 3-dimensionale geometrische Mannigfaltigkeit mit der Eigenschaft Euklidischer Geometrie. Aufgrund der Euklidizität wurde dieser Raum bis in jede beliebige Entfernung als monoton strukturiert angesehen. Für einen gedachten Weltraumfahrer gab es kein Ende, keine Barriere, d. h., der Raum wurde als ohne Ende, also als unendlich betrachtet. Das Volumen dieses so verstandenen Raumes mußte deshalb wegen der vorausgesetzten Euklidizität unendlich groß sein. In diesem Raum, dessen Begriffsbildung durch Abstraktion und Extrapolation der geometrischen Verhältnisse des irdischen Lebens gewonnen worden war, sollten die materiellen Vorgänge ablaufen, ohne daß an eine Wechselwirkung zwischen der in diesem Raum befindlichen Materie und der Raumstruktur selbst gedacht war. Sehr prägnant hat I. Newton diese Raumkonzeption formuliert: Newtonsche Raumdefinition: Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.

118 3: Physik in der 4-dimensionalen Raum-Zeit Ohne die Einführung des Begriffes der Zeit bedeutet die rein räumliche Fixierung gegenseitiger Lagebeziehungen materieller Gegebenheiten Statik. Nur in einigen technischen Disziplinen, in denen die zeitliche Veränderung der betrachteten Objekte vernachlässigt werden kann, ist die statische Betrachtungsweise gerechtfertigt. In Wirklichkeit sind aber alle materiellen Prozesse zeitlichen Veränderungen unterworfen, also dynamischer Natur. Um eine quantitative Beschreibungsweise der dynamischen Vorgänge zu ermöglichen, wurde der Zeitbegriff in der Physik mittels Uhren definiert. Es zeigte sich dabei, daß es ausreichte, durch eine einzige Zeitskala Ordnung in die ablaufenden Prozesse zu bringen, d. h. der Zeit einen einzigen Freiheitsgrad (Dimension) zuzuschreiben, sie also als eindimensional zu konzipieren, im Unterschied zur Dreidimensionalität des Raumes. Dieses Erkenntnis war keineswegs trivial. Durch die Angabe von vier Koordinaten, drei räumlichen und einer zeitlichen, war es damit möglich, ein Ereignis im Weltgeschehen zu fixieren. Bis zu Einsteins Analyse des Zeitbegriffes ging man von der Vorstellung aus, daß die Zeit im gesamten unendlichen Raum in gleicher, monotoner Weise abläuft, also auch keine Wechselbeziehung zur sich bewegenden Materie besteht. Mithin konnte man sich für den ganzen Weltraum eine verbindliche Normaluhr vorstellen, die eine für alle Bereiche der Welt maßgebliche Zeitskala aufweisen sollte. Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse in verschiedenen Raumpunkten war als unproblematisch angesehen worden, da für beide Ereignisse dieselbe Weltuhr zuständig war. Wiederum war es Newton, der diesen Standpunkt treffend in seiner Zeitdefinition festgehalten hat: Newtonsche Zeitdefinition: Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand. Der Newtonschen Konzeption von Raum und Zeit hängen erkenntnistheoretische Mängel an, denn Raum und Zeit werden als absolute, d. h. von der Materie losgelöste Kategorien aufgefaßt. Sie stellen ein Passivum dar, dessen Struktur in keinerlei Zusammenhang mit der sich in Raum und Zeit bewegenden Materie steht. Außerdem sind Raum und Zeit auch noch zwei voneinander isolierte Kategorien. Ohne die riesigen Erfolge der Newtonschen Physik schmälern zu wollen, müssen wir dennoch feststellen, daß ihre Überschätzung und Verabsolutierung zum Mechanizismus führte und damit zu einem Hemmnis für die weitere Entwicklung der Physik wurde. Seinem tiefgründigen und rastlosen Nachdenken über das Raum-Zeit-Materie- Problem ist es zu verdanken, daß Einstein einen Ausweg aus der metaphysischen mechanistischen Erstarrung der Begriffe von Raum und Zeit fand und zu einer quantitativen Formulierung des Verhältnisses dieser Begriffe zueinander vorstoßen konnte. In ihrer Quintessenz kann man die relativistische Konzipierung von Raum und Zeit thesenartig folgendermaßen in Worte fassen: 1. Raum und Zeit bilden in gegenseitiger Wechselbeziehung ein vierdimensionales einheitliches Ganzes, das Raum-Zeit (Raum-Zeit-Kontinuum) genannt wird.