Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen
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- Emilia Böhler
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1 mathe online Skripten Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen Franz Embacher Fakultät für Mathematik der Universität Wien WWW: In diesem Skriptum werden Betragsgleichungen behandelt. Besonders wichtig für diesen Typ Gleichungen ist die Methode der Fallunterscheidung, die ausführlich besprochen wird. 1 Was ist eine Betragsgleichung? Als Betragsgleichung wird eine Gleichung bezeichnet, in der der (Absolut-)Betrag 1 eines oder mehrerer Terme vorkommt. Der Begriff ist ein bisschen unscharf, wenn nicht genau dazu gesagt wird, um welche Arten von Termen es sich dabei handelt. Wir wollen uns hier darauf beschränken, dass (außer den Betragsstrichen) nur Polynome (niedigen Grades) und (in einem Fall) Brüche auftreten. Ein Beispiel für eine Betragsgleichung dieses Typs (in der Variablen x) ist x 5 =. (1.1) Sie stellt die Frage dar, ob es eine oder mehrere reelle Zahlen x gibt, für die die Aussage (1.1) wahr ist, und, falls ja, um welche Zahl(en) es sich dabei handelt. Um eine solche Gleichung lösen zu können, müssen wir uns erinnern, was der Absolutbetrag einer reellen Zahl ist. Der Betrag von 8 ist gleich 8 (also 8 = 8), und der Betrag von 8 ist ebenfalls 8 (also 8 = 8). Der Betrag von 0 ist 0 (also 0 = 0). Den Betrag einer negativen Zahl erhalten wir, indem wir das Minuszeichen weglassen. So weit, so klar. Wie hilft uns das, eine Gleichung wie (1.1) zu lösen? Das Problem ist, dass wir zunächst nicht wissen, ob x 5 eine positive oder eine negative Zahl oder 0 ist. Aber eines wissen wir sicher: Ist x eine 1 Eigentlich sollte man Absolutbetrag sagen, aber wenn klar ist, was gemeint ist, verkürzen wir dieses Wort wie vielfach üblich zu Betrag.
2 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen Lösung von (1.1), so ist der Betrag von x 5 gleich, denn genau das ist ja die Ausage von (1.1). Daher bleibt x 5 nichts anderes übrig, als entweder oder zu sein! Gehen wir diese beiden Möglichkeiten durch: Ist x 5 =, so folgt x = 7. Ist 7 eine Lösung? Machen wir die Probe: Mit x = 7 wird die linke Seite von (1.1) zu 7 5 = =, was gleich der rechten Seite ist. Daher: Ja, 7 ist eine Lösung! Ist x 5 =, so folgt x = 3. Ist 3 eine Lösung? Machen wir die Probe: Mit x = 3 wird die linke Seite von (1.1) zu 3 5 = =, was gleich der rechten Seite ist. Daher: Ja, auch 3 ist eine Lösung! Gleichung (1.1) besitzt also zwei Lösungen. Ihre Lösungsmenge ist L = {3, 7}. Damit haben wir unsere erste Betragsgleichung gelöst! Die Methode der Fallunterscheidungen Was wurde bei der gerade durchgeführten Lösungsmethode eigentlich gemacht? Wir haben zwei Möglichkeiten (in der Mathematik nennen wir sie Fälle ) betrachtet, und jede der beiden Möglichkeiten hat uns zu einer Lösung geführt. Diese Methode kann systematisiert werden, so dass sie auch auf kompliziertere Betragsgleichungen anwendbar ist. Betrachten wir als Beispiel die Gleichung x 5 = x 11. (.1) Jetzt funktioniert die oben angewandte Methode nicht mehr in der gleichen Weise, denn nun kennen wir x 5 nicht (da die Variable ja auch auf der rechten Seite aufscheint). Es gibt aber etwas anderes, das wir ganz sicher wissen: Ist x eine Lösung von (.1), so ist x 5 entweder eine positive Zahl oder 0 oder eine negative Zahl! Eine vierte Möglichkeit gibt es nicht. Ist x 5 positiv oder gleich 0, so ist x 5 gleich x 5, denn dann muss kein Minuszeichen weggelassen werden. Ist x 5 hingegen negativ, so muss das Minuszeichen weggelassen werden, was bedeutet, dass x 5 dann gleich (x 5) ist! Erinnern Sie sich an die mathematisch schöne Definition des Betrags : Für jede reelle Zahl u gilt u = { u wenn u 0 u wenn u < 0. (.) Da das für jede reelle Zahl u gilt, gilt es auch für x 5, wobei nun x eine beliebige reelle Zahl ist. Mit anderen Worten: Wir benutzen (.), indem wir u = x 5 einsetzen. Es gilt also, die beiden Möglichkeiten ( Fälle ) x 5 0 und x 5 < 0 in Betracht zu ziehen. Die Methode, diese beiden Möglichkeiten hintereinander zu betrachten, nennen wir eine Fallunterscheidung. Gehen wie die beiden Fälle im Detail durch: 1. Fall x 5 0 Wir nehmen also zunächst an, x sei eine Zahl, für die x 5 0 ist und Siehe dazu das Skriptum über den Absolutbetrag. Dort haben wir den Betrag einer reellen Zahl in der Form (.) eingeführt, wobei wir den Buchstaben x verwendet haben, wo jetzt u steht. Das hat den Grund, dass wir (.) im Folgenden für beliebige Terme (in denen wiederum die Variable x steht) anwenden.
3 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 3 fragen, ob wir unter dieser Voraussetzung (d.h. unter allen Zahlen, die die Bedingung x 5 0 erfüllen) eine Lösung von (.1) finden. Ist x 5 0, so sagt uns (.) mit u = x 5, dass x 5 = x 5 ist. Die Gleichung (.1) nimmt in diesem Fall die Form an. Wir lösen sie: x 5 = x 11 (.3) x 5 = x 11 x = x linke und rechte Seite vertauschen x = 6 (.4) Sie besitzt nur eine Lösung, und zwar x = 6. Das bedeutet nicht automatisch, dass damit eine Lösung von (.1) gefunden ist, denn es muss ja noch unsere Voraussetzung x 5 0 erfüllt sein! Aber die ist erfüllt, da ist. Dieser Fall hat also eine Lösung von (.1) erbracht, nämlich 6. Wir notieren die Lösungsmenge, die sich hier ergeben hat, in der Form L 1 = {6}.. Fall x 5 < 0 Nun nehmen wir an, x sei eine Zahl, für die x 5 < 0 ist und fragen, ob wir unter dieser Voraussetzung (d.h. unter allen Zahlen, die die Bedingung x 5 < 0 erfüllen) eine Lösung von (.1) finden. Ist x 5 < 0, so sagt uns (.) mit u = x 5, dass x 5 = (x 5) ist. Die Gleichung (.1) nimmt in diesem Fall die Form (x 5) = x 11 (.5) an. Wir lösen sie: (x 5) = x 11 linke Seite ausmultiplizieren x + 5 = x 11 +x = 3 x : 3 16 = x linke und rechte Seite vertauschen 3 x = 16 3 (.6) Sie besitzt nur eine Lösung, und zwar x = 16. Auch jetzt bedeutet das nicht 3 automatisch, dass damit eine Lösung von (.1) gefunden ist, denn es muss ja noch unsere Voraussetzung x 5 < 0 erfüllt sein! Und die ist nun nicht erfüllt, denn 16 5 = 1 ist nicht negativ! Daher liefert dieser Fall keine 3 3 Lösung von (.1). Wir notieren die Lösungsmenge, die sich hier ergeben hat, in der Form L = { }. Jetzt setzen wir unsere Ergebisse zusammen: Unter allen Zahlen x, die x 5 0 erfüllen, gibt es (genau) eine Lösung von (.1). Unter allen Zahlen x, die x 5 < 0 erfüllen, gibt es keine Lösung von (.1). Die Menge aller Lösungen von (.1) ist daher die Vereinigungsmenge 3 der Lösungsmengen, die in den beiden Fällen aufgetreten sind: L = L 1 L = {6}. Damit ist (.1) gelöst. 3 Die Vereinigungsmenge zweier Mengen A und B ist definiert als A B = {x x A oder x B}. Sie umfasst alle Elemente, die entweder in A oder in B (oder in beiden) liegen.
4 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 4 Das soeben durchgeführte Lösungsverfahren, die Fallunterscheidung, ist in der Mathematik sehr wichtig, und daher sollten Sie die ihm zugrunde liegende Logik gut verstehen! Ähnliche Verfahren werden auch in anderen mathematischen Problemen genutzt, beispielsweise beim Lösen von Ungleichungen. Fallunterscheidungen helfen immer dann, wenn es für einen bestimmten Sachverhalt mehrere Möglichkeiten ( Fälle ) gibt, und wenn die Untersuchung jeder dieser Möglichkeiten leichter fällt als eine Untersuchung des Sachverhalts allgemein. Im obigen Beispiel hat die durchgeführte Fallunterscheidung den Vorteil, dass in beiden Fällen (also sowohl im Fall x 5 0 als auch im Fall x 5 < 0) die Betragsstriche verschwinden! Im ersten Fall konnten wir x 5 durch x 5 ersetzen, im zweiten durch (x 5). Die jeweils danach aufgetretenen Gleichungen konnten wir leicht lösen, mussten aber in jedem Fall noch überprüfen, ob die Voraussetzung, die dem jeweiligen Fall zugrunde lag (also x 5 0 bzw. x 5 < 0) für diese Lösungen auch tatsächlich erfüllt sind. Zuletzt wurden alle gefundenen Lösungen (im betrachteten Beispiel war es nur eine) zur gesamten Lösungsmenge zusammengefasst. Da es außer den Fällen x 5 0 und x 5 < 0 keine andere Möglichkeit gibt, ist sichergestellt, dass damit auch wirklich alle Lösungen der Gleichung (.1) gefunden wurden. Anmerkung: Die Aussage x 5 0 ist gleichbedeutend mit x 5, und die Aussage x 5 < 0 ist gleichbedeutend mit x < 5. Wenn Sie wollen, können Sie an jeder Stelle des oben vorgeführten Lösungswegs auch diese einfacheren Formulierungen verwenden. Wir haben das nicht gemacht, da die Umformung von x 5 0 zu x 5 und von x 5 < 0 zu x < 5 eigentlich in das Kapitel Ungleichungen fällt, von dem wir hier keine Kenntnisse voraussetzen wollen. Wenn Sie sich jetzt nicht ganz sicher sind, ob Sie die Logik des Verfahrens gut verstanden haben, lesen Sie diesen Abschnitt noch einmal durch! 3 Fallunterscheidungen allgemein skizziert Weil Fallunterscheidungen so wichtig sind, skizzieren wir noch einmal hier ihre allgemeine Struktur, wie sie beim Lösen einer Gleichung 4 auftritt: Wir stoßen auf einen Sachverhalt (wie den Betrag eines Terms in einer Gleichung) und bemerken, dass sich dieser Sachverhalt unter bestimmten Voraussetzungen einfacher darstellt als in seiner allgemeinen Form. Können wir mehrere derartige Voraussetzungen treffen, die insgesamt alle Möglichkeiten ausschöpfen (z.b. dass eine Zahl 0 oder < 0 ist, oder dass eine Zahl > 0, = 0 oder < 0 ist), so können wir eine Fallunterscheidung durchführen. Üblicherweise schließen die einzelnen Fälle einander aus (so kann etwa eine Zahl nicht gleichzeitig 0 und < 0 sein), aber das ist streng genommen nicht notwendig. Der Übersicht halber nummerieren wir diese Fälle durch. Jeder einzelne Fall ist durch eine Bedingung charakterisiert, die jeweils als Voraussetzung für die nachfolgende Berechnung angenommen wird. Für jeden Fall wird das vereinfachte Problem gelöst, wobei von jeder so erhaltenen Lösung aber noch geprüft werden muss, ob sie die getroffene Voraussetzung auch wirklich erfüllt. Ist das der Fall, so ist sie auch eine Lösung des ursprünglichen Problems. 4 Das folgende Schema kann genausogut beim Lösen von Ungleichungen verwendet werden.
5 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 5 Die auf diese Art in den einzelnen Fällen gefundenen Lösungsmengen nummerieren wir durch (also L 1 für den ersten Fall, L für den zweiten usw). Sind alle Fälle abgearbeitet, so fassen wir alle gefundenen Teil-Lösungsmengen zusammen, indem wir ihre Vereinigungsmenge bilden. Haben wir es etwa mit einer Unterscheidung von drei Fällen zu tun, so sieht das allgemeine Schema so aus: 1. Fall B 1 B 1 ist die Bedingung, die den ersten Fall charakterisiert. Sie wird nun als Voraussetzung angenommen. Unter der Voraussetzung B 1 wird das Problem (die Gleichung) vereinfacht. Das vereinfachte Problem (die vereinfachte Gleichung) wird gelöst. Falls Lösungen des vereinfachten Problems gefunden werden, muss überprüft werden, ob sie die Voraussetzung B 1 erfüllen. Nur die Lösungen, die B 1 erfüllen, sind Lösungen des ursprünglich gestellten Problems. Wir fassen alle auf diese Weise gefundenen Lösungen des ursprünglichen Problems zur ersten Teil-Lösungsmenge L 1 zusammen.. Fall B B ist die Bedingung, die den zweiten Fall charakterisiert. Sie wird nun als Voraussetzung angenommen. Unter der Voraussetzung B wird das Problem (die Gleichung) vereinfacht. Das vereinfachte Problem (die vereinfachte Gleichung) wird gelöst. Falls Lösungen des vereinfachten Problems gefunden werden, muss überprüft werden, ob sie die Voraussetzung B erfüllen. Nur die Lösungen, die B erfüllen, sind Lösungen des ursprünglich gestellten Problems. Wir fassen alle auf diese Weise gefundenen Lösungen des ursprünglichen Problems zur zweiten Teil-Lösungsmenge L zusammen. 3. Fall B 3 B 3 ist die Bedingung, die den dritten Fall charakterisiert. Sie wird nun als Voraussetzung angenommen. Unter der Voraussetzung B 3 wird das Problem (die Gleichung) vereinfacht. Das vereinfachte Problem (die vereinfachte Gleichung) wird gelöst. Falls Lösungen des vereinfachten Problems gefunden werden, muss überprüft werden, ob sie die Voraussetzung B 3 erfüllen. Nur die Lösungen, die B 3 erfüllen, sind Lösungen des ursprünglich gestellten Problems. Wir fassen alle auf diese Weise gefundenen Lösungen des ursprünglichen Problems zur dritten Teil-Lösungsmenge L 3 zusammen. Zuletzt fassen wir alle gefundenen Lösungen zur Gesamt-Lösungsmenge zusammen: L = L 1 L L 3.
6 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 6 Welche Fälle betrachtet werden, ergibt sich aus der konkreten Form des gestellten Problems, also etwa aus den in einer Betragsgleichung vorkommenden Termen. Haben wir es beispielsweise mit der Gleichung x 5 + x = x 7 (3.1) zu tun, so stören uns vor allem die Betragsstriche. Um sie loszuwerden, können wir die Fälle 1. Fall x 5 0. Fall x 5 < 0 betrachten. Für jeden dieser zwei Fälle reduziert sich (3.1) auf eine (ganz gewöhnliche) quadratische Gleichung. Geht es um die Gleichung 3 x 5 + x = 3 x 7, (3.) so kann x 5 entweder 0 oder < 0 sein, und es kann 3 x 7 entweder 0 oder < 0 sein. Wenn wir also die vier Fälle 1. Fall x 5 0 und 3 x 7 0. Fall x 5 0 und 3 x 7 < 0 3. Fall x 5 < 0 und 3 x Fall x 5 < 0 und 3 x 7 < 0 betrachten (eine fünfte Möglichkeit gibt es nicht!), so verschwinden in jedem einzelnen Fall die Betragsstriche! Für jeden dieser vier Fälle reduziert sich (3.) auf eine (ganz gewöhnliche) quadratische Gleichung. (Der zweite Fall kann übrigens nie eintreten! Überlegen Sie, warum!) Anmerkung: Wenn Sie ein bisschen über Ungleichungen wissen, können Sie sie die Bedingung x 5 0 in x 5 und die Bedingung x 5 < 0 in x < 5 übersetzen. Auch die Bedingungen 3 x 7 0 und 3 x 7 < 0 können in ähnlicher Form dargestellt werden, aber all das haben wir oben nicht gemacht, da wir hier keine Kenntnisse über Ungleichungen voraussetzen wollen. Am Ende dieses allgemeinen Abschnitts wollen wir noch erwähnen, dass bei der Auswahl der konkreten Fälle, die bei einer Fallunterscheidung betrachtet werden, eine gewisse Freiheit besteht. Anstelle der zwei für Gleichung (3.1) angegebenen Fälle könnte man genausogut die drei Fälle 1. Fall x 5 > 0. Fall x 5 = 0 3. Fall x 5 < 0 nacheinander betrachten. Das hätte hier keinen Vorteil (da die ersten beiden Fälle bequem zum einzigen Fall x 5 0 zusammengefasst werden können), ist aber natürlich auch möglich.
7 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 7 4 Noch ein (einfaches) Beispiel Wir führen die Methode der Fallunterscheidung noch anhand des einfachen Beispiels 3 x + 5 = x 1 (4.1) vor. Diesmal schreiben wir den Lösungsweg in knapperer Form an als zuvor, ähnlich wie Sie es auf dem Papier auch tun sollten. Wir entscheiden uns für die Unterscheidung der Fälle x 1 0 und x 1 < Fall x 1 0 In diesem Fall gilt x 1 = x 1. 3 x + 5 = (x 1) rechte Seite ausmultiplizieren 3 x + 5 = x + + x 5 5 x = 3 : 5 x = 3 5 (4.) Überprüfen, ob die Bedingung x 1 0 erfüllt ist: Mit x = 3 ist x 1 = 3 1 = 8, und das ist nicht ist keine Lösung von (4.1)! 5 Teil-Lösungsmenge für diesen Fall: L 1 = { }.. Fall x 1 0 In diesem Fall gilt x 1 = (x 1). 3 x + 5 = (x 1) rechte Seite ausmultiplizieren 3 x + 5 = x x 5 x = 7 (4.3) Überprüfen, ob die Bedingung x 1 < 0 erfüllt ist: Mit x = 7 ist x 1 = 7 1 = 8 < 0 7 ist Lösung von (4.1)! Teil-Lösungsmenge für diesen Fall: L = { 7}. Gesamt-Lösungsmenge: L = L 1 L = { 7}. 5 Fallunterscheidung mit vier Fällen Ein Beispiel einer Betragsungleichung, zu deren Lösung wir vier Fälle unterscheiden, ist x 1 x = 3. (5.1) Der Lösungsweg, wieder in knapper Form notiert (wobei wir keine ausführlichen Protokolle zur Lösung der auftretenden linearen Gleichungen anschreiben), sieht so aus:
8 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 8 1. Fall x 1 0 und x 0 In diesem Fall lautet die Gleichung x 1 x = 3. Ihre (einzige) Lösung ist x =. Sie erfüllt die Bedingungen x 1 0 und x > 0 und ist daher eine Lösung von (5.1): L 1 = { }.. Fall x 1 0 und x < 0 Dieser Fall tritt nie ein, da keine reelle Zahl x die zwei Bedingungen x 1 0 (also x 1) und x < 0 gleichzeitig erfüllt! Aber es ist kein Malheur, wenn man das nicht gleich bemerkt: In diesem Fall lautet die Gleichung x 1+ x = 3. Ihre (einzige) Lösung ist x =. Sie erfüllt die Bedingung x nicht und ist daher keine Lösung von (5.1): L = { }. 3. Fall x 1 < 0 und x 0 In diesem Fall lautet die Gleichung x + 1 x = 3. Ihre (einzige) Lösung ist x = 4. Sie erfüllt die Bedingung x 1 < 0 nicht und ist daher keine 3 Lösung von (5.1): L 3 = { }. 4. Fall x 1 < 0 und x < 0 In diesem Fall lautet die Gleichung x x = 3. Ihre (einzige) Lösung ist x = 4. Sie erfüllt die Bedingungen x 1 < 0 und x < 0 und ist daher eine Lösung von (5.1): L 4 = { 4}. Daher ist die Gesamt-Lösungsmenge L = L 1 L L 3 L 4 = { 4, }. 6 Ein komplexeres Beispiel Wir wollen nun als letztes Beispiel für die Methode der Fallunterscheidungen die etwas kompliziertere Gleichung x + 1 x 3 = x + (6.1) lösen. In ihr tritt ein Bruch auf, so dass wir zunächst sicherstellen müssen, dass der Nenner auf der linken Seite, x 3, immer 0 ist. Er ist gleich 0, wenn x 3 = 0, d.h. wenn x = 3 ist. Daher legen wir als Definitionsmenge 5 D = R\{ 3 } fest. Für jede reelle Zahl x, die ungleich 3 ist, sind beide Seiten von (6.1) wohldefiniert und können miteinander verglichen werden. Wann immer wir in der folgenden Berechnung einen Lösungskandidaten finden, müssen wir überprüfen, ob er ein Element von D ist, d.h. ob er ungleich 3 ist. Nur dann akzeptieren wir ihn als Lösung. Nun die Fallunterscheidung. Mit Hilfe einer Unterscheidung der zwei Fälle x 3 0 und x 3 < 0 können wir uns (getrennt in jedem dieser beiden Fälle) der Betragsstriche entledigen. Gehen Sie den folgenden wieder in knapper Form angeschriebenen Lösungsweg genau durch und versuchen Sie (am besten auf dem Papier), ihn nachzuvollziehen: 5 Zur Definitionsmenge siehe das Skriptum über Bruchgleichungen.
9 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 9 1. Fall x 3 0 In diesem Fall gilt x 3 = x 3. x+1 = x + ( x 3) x 3 x + 1 = (x + ) ( x 3) rechte Seite ausmultiplizieren x + 1 = x + x 6 x 1 0 = x 7 : 0 = x 7 quadratische Gleichung, deren Lösungen wir sofort hinschreiben können 7 x 1, = ± (6.) Überprüfen, ob die Bedingung x 3 0 erfüllt ist: 7 Für x 1 = = 3... ist nicht 0 x 1 ist keine Lösung von (6.1)! 7 Für x = 7 3 = x ist Lösung von (6.1)! Teil-Lösungsmenge für diesen Fall: L 1 = { (Anmerkung: Um zu überprüfen, ob ist, haben wir uns erlaubt, einen mit dem Taschenrechner ermittelten Näherungswert zu benutzen.). Fall x 3 < 0 In diesem Fall gilt x 3 = ( x 3). x+1 = x + ( x 3) x 3 (x + 1) = (x + ) ( x 3) alles ausmultiplizieren x 1 = x + x 6 +x = x + x 5 quadratische Gleichung lösen (z.b. mit großer Lösungsformel) x 3,4 = 1± 11 D (6.3) Überprüfen, ob die Bedingung x 3 < 0 erfüllt ist: 7 }. Für x 3 = 1 11 : x 3 3 = = 4 11 < 0 x 3 ist Lösung von (6.1)! Für x 4 = : x 4 3 = = < 0 x 3 ist Lösung von (6.1)! Teil-Lösungsmenge für diesen Fall: L = { 1 11, 1+ 11}. (Anmerkung: Auch hier haben wir uns zur Überprüfung, ob x 3 die Voraussetzung für diesen Fall erfüllt, die Verwendung eines Näherungswerts erlaubt.) Gesamt-Lösungsmenge: L = L 1 L = { 1 11, 1+ 11, 7 }. Nachbemerkung: An zwei Stellen dieses Lösungswegs haben wir bei der Überprüfung, ob die gefundenen Lösungskandidaten die Voraussetzung für den jeweiligen Fall erfüllen, auf
10 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 10 Näherungswerte zurückgegriffen, wie wir sie leicht mit dem Taschenrechner ermitteln können. Das können wir tun, weil wir dem Taschenrechner vertrauen. Es wäre aber auch ohne gegangen: Um zu überprüfen, welches Vorzeichen 14 3 hat, überlegen wir: Da 14 größer als 9 ist, ist 14 größer als 9 (also 3). Folglich ist 14 > 3. Daher ist 14 3 > 0 (und erst recht ). Um zu überprüfen, dass < 0 ist, überlegen wir: Da 16 größer als 11 ist, ist 16 (also 4) größer als 11. Folglich ist 11 < 4. In = 11 4 wird also die größere Zahl von der kleineren abgezogen, und daher gilt < 0. Wie Sie anhand dieses Beispiels erkennen können, muss man bei der Methode der Fallunterscheidungen an viele Dinge denken und den Überblick bewahren. Es handelt sich nicht um eine Rechnung, sondern um mehrere Argumentationsschritte und Berechnungen, die in einem bestimmten logischen Verhältnis zueinander stehen: Die zu betrachtenden Fälle bestimmen. Jeden einzelnen Fall behandeln. Dabei die (vereinfachte) Gleichung lösen, checken, ob die Lösungskandidaten Elemente der Definitionsmenge sind, checken, ob die Lösungskandidaten die Voraussetzung für den jeweiligen Fall erfüllen, und alle Lösungskandidaten, die diese beiden Prüfungen bestanden haben, zu einer Teil-Lösungsmenge zusammenfassen. Am Ende alle Teil-Lösungsmengen zu einer Gesamt-Lösungsmenge zusammenfassen. Es ist also enscheidend, dass Sie die einer Fallunterscheidung zugrunde liegende Argumentationsstruktur kennen und verstehen! 7 Betrag als Abstand auf der Zahlengeraden Manche (einfachen) Betragsgleichungen können wir ganz ohne Fallunterscheidungen lösen. Dazu müssen wir uns erinnern, dass der Betrag einer reellen Zahl als Abstand von 0 (vom Nullpunkt) auf der Zahlengeraden gedeutet werden kann. Für zwei reelle Zahlen a und b kann a b als Abstand zwischen a und b auf der Zahlengeraden gedeutet werden 6. Nehmen wir als Beispiel die bereits oben gelöste Gleichung (1.1) x 5 =. (7.1) Ihre Aussage kann geometrisch in dieser Form gedeutet werden: Der Abstand zwischen x und 5 auf der Zahlengeraden ist gleich. Welche Zahlen haben von 5 den Abstand? Das sind natürlich die Zahlen 3 und 7. Wir können uns das unmittelbar vorstellen die Rechnung, die wir dabei in unserem Kopf ausführen (ohne, dass uns das bewusst werden muss) sind 5 = 3 und 5 + = 7. So betrachtet, können wir die Lösungen auch in der Form 5 ± 6 Siehe dazu das Skriptum über den Absolutbetrag.
11 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 11 anschreiben. Damit ist die Gleichung gelöst (und die Lösungsmenge stimmt natürlich mit der früher gefundenen überein)! Als zweites Beispiel betrachten wir die Gleichung 3 x 7 = 4. (7.) Sie besagt: Der Abstand zwischen 3 x und 7 auf der Zahlengeraden ist gleich 4. Ist x eine Lösung, so müssen wir, um auf der Zahlengeraden zu 3 x zu gelangen, von 7 aus entweder 4 nach links oder 4 nach rechts gehen. Das bedeutet, dass 3 x entweder gleich 7 4 (also 3) oder gleich (also 11) ist. Wir erhalten daher die zwei Gleichungen 3 x = 3 und 3 x = 11, und jede Lösung (zumindest) einer dieser Gleichungen ist eine Lösung von (7.). Sehen wir sie uns beide an: Die Lösungen der Gleichung 3 x = 3 sind x = ±1. Die Lösungen der Gleichung 3 x 11 = 11 sind x = ± Gleichung (7.) besitzt also vier Lösungen. Die Lösungsmenge ist L = {, 1, 1, 11 }. 3 3 Bei Gleichungen wie (.1) ist diese geometrische Methode ebenfalls anwendbar, die Argumentation ist aber etwas aufwändiger. Sie sieht so aus: Gleichung (.1), also x 5 = x 11, (7.3) besagt, dass der Abstand auf der Zahlengeraden zwischen x und 5 gleich x 11 ist. Das kann aber nur klappen, wenn x 1 einen Abstand darstellen kann, d.h. wenn x 1 0 ist. Ist das der Fall, und ist x eine Lösung, so müssen wir, um auf der Zahlengeraden zu x zu gelangen, von 5 aus entweder x 11 nach links oder x 11 nach rechts gehen. Das bedeutet, dass x entweder gleich 5 ( x 11) (also 16 x) oder gleich 5 + ( x 11) (also x 6) ist. Wir erhalten daher die zwei Gleichungen x = 16 x und x = x 6, und jede Lösung (zumindest) einer dieser Gleichungen ist eine Lösung von (7.3). Sehen wir sie uns beide an: Die Gleichung x = 16 x besitzt genau eine Lösung, nämlich x = Die Gleichung x = x 6 besitzt genau eine Lösung, nämlich x = 6. Die Bedingung x 11 ist für die erste nicht erfüllt (da = 1 < 0), für die zweite 3 3 aber schon (da 6 11 = 1 0). Daher besitzt (7.3) nur eine einzige Lösung, nämlich 6, in Übereinstimmung mit der bereits früher ermittelten Lösungsmenge. Wenn Sie genau hinschauen, wird Ihnen auffallen, dass wir hier dieselben Gleichungen wie bei der Methode der Fallunterscheidungen erhalten haben (nur etwas anders angeschrieben und in einem leicht unterschiedlichen logischen Kontext). Je komplizierter eine Betragsgleichung ist, umso schwieriger ist die geometrische Argumentation. Treten in einer Betragsgleichung zwei Beträge auf, wie beispielsweise in (3.) oder (5.1), so ist diese Methode nur mehr mit großer Mühe anwendbar. Die Methode der Fallunterscheidungen ist unter dem Strich mächtiger, und da sie überdies auch bei anderen mathematischen Problemen (wie der Behandlung von Ungleichungen) zum Einsatz kommt, haben wir ihr in diesem Skriptum ein entsprechend großes Gewicht verliehen.
12 Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen 1 8 Übungsaufgaben Hier eine Auswahl von Übungsaufgaben, die Sie mit Hilfe des in diesem Skriptum Gesagten bewältigen können sollten: Lösen Sie die folgende Gleichung: x 1 = 3 Lösung: Die Lösungsmenge ist L = { 1, }. Lösen Sie die folgende Gleichung: x 1 = 3 x + 1 Lösung: Die Lösungsmenge ist L = {0}. Lösen Sie die folgende Gleichung: x + 1 = x 1 Lösung: Die Lösungsmenge ist L = { 1, }. Lösen Sie die Gleichungen (3.1) und (3.) mit den im Text angegebenen Methoden! Lösung: Die Lösungsmenge von (3.1) ist L = { 4, 3+ 17}. Die Lösungsmenge von (3.) ist L = { 11, }. 3 Lösen Sie die Gleichung x 1 = 3 mit der geometrischen Methode (Betrag als Abstand auf der Zahlengeraden)! Lösung: Die Lösungsmenge ist L = {, }. Dieses Skriptum wurde erstellt im Juni 014 im Rahmen des Projekts Entwicklung und Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in Brückenkursen ( einer Kooperation von mathe online ( mit der Fachhochschule Technikum Wien ( Die Skripten-Seite finden Sie unter
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