Bericht von Transparency International Deutschland zur Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken Der Berliner Senat hat in einem Rundschreiben vom September 1998 über die Richtlinien zur Korruptionsprävention unterrichtet. Die Empfehlungen haben sich in erster Linie an die Berliner Haupt- und Bezirksverwaltungen gewandt. Sie sind mit dem 31. Dezember 2006 ausgelaufen. Der Senat hat mit dem Rundschreiben vom 1. März 2007 die überarbeiteten Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung in Kraft gesetzt und bekannt gemacht. Transparency International Deutschland hat diese Richtlinie als Basis genommen für Gespräche mit den Antikorruptionsbeauftragten der 12 Berliner Bezirke. Die Gespräche wurden im Zeitraum von Juli 2005 bis Juli 2007 geführt. Jedes Gespräch dauerte etwa 1½ Stunden. Ziel der Gespräche war es, etwas über die Umsetzung der Senatsempfehlungen in den einzelnen Bezirken zu erfahren. Das Maß der Umsetzung und die Aufmerksamkeit, die der Korruptionsprävention in den Berliner Bezirken gewidmet wurde, sind im Wesentlichen das Ergebnis des politischen Willens der Parteien, der Bürgermeister/-innen sowie der Stadträtinnen und Stadträte. Transparency International Deutschland dankt den Antikorruptionsbeauftragten der 12 Berliner Bezirke, mit denen sehr unkompliziert offene und sachbezogene Gespräche geführt werden konnten. Transparency International Deutschland hat den zusammenfassenden Bericht aus den Gesprächen dem Rat der Bürgermeister, der Justizsenatorin und dem Leiter der Zentralstelle Korruptionsbekämpfung in Berlin übermittelt. Der Leiter der Zentralstelle, leitender Oberstaatsanwalt Hans Jürgen Fätkinhäuer, hat Transparency International Deutschland zu einer Stellungnahme am 30. Januar 2008 vor der behördenübergreifenden Anti-Korruptions-Arbeitsgruppe eingeladen. Die schriftliche Stellungnahme der Bezirke, die leider erst an diesem Tag vorlag, wurde, soweit sich Veränderungen der Korruptionsprävention in den einzelnen Bezirken ergeben haben, eingearbeitet. 1
Antikorruptionsbeauftragte Alle Bezirke haben eine/-n Antikorruptionsbeauftragte/-n. Jede/-r von ihnen ist direkt dem/der jeweiligen Bürgermeister/-in unterstellt. Einzige Ausnahme ist Steglitz-Zehlendorf. Hier ist der Antikorruptionsbeauftragte der Dezernentin für Wirtschaft unterstellt. In Lichtenberg, Pankow und Treptow-Köpenick wurde diese Aufgabe als Hauptamt einem/einer Mitarbeiter/-in übertragen. In allen anderen Bezirken wurden entweder die Leiter des Rechtsamtes oder des Steuerungsdienstes zusätzlich mit dieser Aufgabe betraut. Lediglich in Tempelhof-Schöneberg wurde der Leiter der Serviceeinheit Finanzen und Personal dafür ausersehen. In Steglitz- Zehlendorf ist der Antikorruptionsbeauftragte gleichzeitig Datenschutz- und EU-Beauftragter. Prüfgruppen und Innenrevisionen Ganz unterschiedlich wurde die Aufgabe, Prüfgruppen bzw. Innenrevisionen einzurichten, von den Bezirken gehandhabt. Der Senat hat für die Abteilungen Jugend und Soziales spezielle Innenrevisionen vorgeschrieben. Sie sind in allen Bezirken installiert. Der Senat hat für die Bauabteilungen eine solche Vorschrift nicht erlassen, obwohl gerade die Baubereiche mit ihren Vergaben besonders korruptionsgefährdet sind. Ein Kernpunkt der Richtlinie ist die Empfehlung, zentrale Prüfgruppen einzurichten. In vier von zwölf Berliner Bezirken fehlen zentrale Prüfgruppen. Das bedeutet gleichzeitig, dass es in drei Bezirken keine nichtanlassbezogenen Prüfungen gibt. In einem weiteren Bezirk werden sie nur auf Wunsch des jeweiligen Dezernenten durchgeführt. Bezirke ohne zentrale Prüfgruppen: In Reinickendorf gibt es neben den beiden vom Senat vorgeschriebenen Innenrevisionen keine Prüfgruppen. Eine zentrale Prüfgruppe ist politisch nicht gewünscht. Das heißt, es gibt für vier Abteilungen einschließlich der Bauabteilung keine Routineüberprüfungen und Kontrollen. Anlassbezogene Prüfungen werden vom Rechtsamt wahrgenommen. Belange der Korruptionsprävention werden in den zweimonatlichen Sitzungen der Amtsleiter/-innen besprochen. 2
Im Bezirk Mitte gibt es in den Bereichen Soziales, Jugend sowie Gebäude- und Dienstleistungs-Management jeweils eine Innenrevision; ob die Abteilung Stadtentwicklung über eine Innenrevision verfügt, war dem Antikorruptionsbeauftragten nicht bekannt. Im Bezirk werden weder anlassbezogene Prüfungen noch nichtanlassbezogene Prüfungen durchgeführt. Alle Hinweise werden der Staatsanwaltschaft übergeben. Dem Arbeitskreis Antikorruption gehören die Leiter des Rechtsamtes, des Steuerungsdienstes und des Haushaltsamtes an. In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es neben den beiden vorgeschriebenen Innenrevisionen eine Revision der Bauabteilung. Drei Abteilungen bleiben gänzlich ungeprüft. Einen Antikorruptionsarbeitskreis gibt es nicht. Eine zentrale Prüfgruppe gibt es ebenfalls nicht. Der Bezirk hat als einziger keine Stellungnahme zu unserem Papier abgegeben. Es ergibt sich der Eindruck, dass der Korruptionsprävention im Bezirk keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. In Steglitz-Zehlendorf gibt es jeweils eine Planstelle für Innenrevisionen in den Abteilungen Bau, Soziales, Jugend und Finanzen. Eine offizielle Zusammenarbeit der einzelnen Revisionsmitarbeiter gibt es nicht, auch kein offizielles Treffen. Bei Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten in den einzelnen Abteilungen wird der Antikorruptionsbeauftragte informiert. Anlassbezogene Prüfungen führt der Antikorruptionsbeauftragte mit dem jeweils für die Revision zuständigen Mitarbeiter bzw. den nötigen Fachleuten selbst durch. Die Ergebnisse erfährt der Dezernent in einem Bericht. Ist der Dezernent gegen eine Prüfung, dann wird ein Beschluss des Bezirksamtes zur Prüfung herbeigeführt. In den Abteilungen Wirtschaft und Bildung/Kultur gibt es keine Innenrevision. Nichtanlassbezogene Prüfungen werden nur auf Wunsch des jeweiligen Dezernenten durchgeführt. Es hat solche Prüfungen schon gegeben, wenn auch sehr selten. Sonderstellung: In Tempelhof-Schöneberg gibt es in den vier Abteilungen Finanzen und Personal, Bauwesen, Jugend mit Familie und Sport sowie Gesundheit und Soziales je eine/-n Innenrevisor/-in. Sie nehmen anlass- und nichtanlassbezogene Prüfungen in ihren Abteilungen vor. Für zwei Abteilungen gibt es keine Routineprüfungen. In diesen Abteilungen sind eigene Antikorruptionsbeauftragte Ansprechpartner für den Antikorruptionsbeauftragten des Bezirks. Sie nehmen teil an den vierteljährlichen Besprechungen des Arbeitskreises Antikorruption, dem u. a. alle Revisoren und Revisorinnen angehören. 3
Bezirke mit zentralen Prüfgruppen: Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Pankow, Spandau und Treptow-Köpenick. In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Marzahn- Hellersdorf und Treptow-Köpenick gibt es jeweils eine zentrale Innenrevision. Diese Innenrevisionen nehmen mit Ausnahme von Lichtenberg anlassbezogene Prüfungen in allen Abteilungen vor. In Friedrichshain-Kreuzberg ist die zentrale Innenrevision nur mit einem Mitarbeiter besetzt. Hier gibt es neben dem Innenrevisor einen Arbeitskreis Antikorruption, der sich in unregelmäßigen Abständen trifft. Im Augenblick wird an einem Leitbild gearbeitet. In den Bezirken Lichtenberg, Mahrzahn-Hellersdorf und Treptow- Köpenick entspricht die Prüfgruppe Antikorruption auch dem Antikorruptionsarbeitskreis. In Neukölln soll im Frühjahr 2008 eine zentrale Prüfgruppe eingerichtet werden. Bisher ist in allen Abteilungen die Planstelle eines Innenrevisors vorgesehen. Nichtanlassbezogene Prüfungen waren bisher abteilungsübergreifend nicht möglich; sie waren politisch nicht erwünscht. Durch die neue zentrale Prüfgruppe wird sich das vermutlich ändern. Pro Abteilung gibt es eine/-n Antikorruptionsbeauftragte/-n, der/die anlassbezogene Überprüfungen vornimmt. Die Antikorruptionsbeauftragen der Abteilungen bilden den Arbeitskreis Antikorruption, der jährlich ein- bis zweimal tagt. In den Bezirken Pankow und Spandau gibt es jeweils eine Prüfgruppe. Sie besteht aus Beamten und Beamtinnen, die in der Regel mit anderen Aufgaben betraut sind und für regelmäßige nichtanlassbezogene und anlassbezogene Prüfungen freigestellt werden. Spandau hat sich 2005 am Internationalen Speyerer Qualitätswettbewerb zur Korruptionsprävention in Kommunen beteiligt. Der Bezirk Spandau hat sich mit seinem Modell gegen 95 Mitbewerber durchgesetzt und diesen Qualitätswettbewerb gewonnen. In allen Bezirken mit zentralen Prüfgruppen wird in den jeweiligen Antikorruptionsarbeitskreisen ein Prüfplan erstellt. Die Ergebnisse der Prüfungen werden in Prüfberichten festgehalten, die mit den betroffenen Abteilungen diskutiert werden; erkannte Mängel sollen abgestellt werden. Die Berichte gehen auch an die Bürgermeister/-innen. 4
Geschenke-Verordnung Die Geschenke-Verordnung ist in allen Bezirksämtern bekannt und wird nach Aussagen der Antikorruptionsbeauftragten auch durchgängig angewandt. Vergaben In neun Bezirken wurden zentrale Vergabestellen eingeführt. In Lichtenberg gehört die Beratung bei Vergaben durch den Antikorruptionsbeauftragten zu den wesentlichen Aufgaben. Die technische Vergabe im Baubereich wird von einer Mitarbeiterin vorbereitet. Für die Vergabe von Leistungen gibt es eine eigene Vergabestelle. In Mahrzahn-Hellersdorf wird bei Bedarf der Fachabteilungen die Vergabe von Aufträgen von der Ausschreibung bis zur Vertragsgestaltung durch die Mitarbeit der zentralen Innenrevision mit Empfehlungen begleitet.. Der Bezirk Pankow prüft zurzeit die Einführung einer zentralen Vergabestelle. In Spandau gibt es zwar keine zentrale Vergabestelle, aber eine eigene Vergabejuristin, die bei Auftragsvergaben berät und überprüft. In Steglitz-Zehlendorf wird zurzeit eine zentrale Vergabestelle eingerichtet. In allen Bezirken liegt die freihändige Vergabe bei den jeweiligen Bauleitern. Gefährdungsatlanten Gefährdungsatlanten fehlen in den Bezirken Charlottenburg- Wilmersdorf, Mitte und Reinickendorf. In diesen drei Bezirken fehlen auch zentrale Prüfgruppen. 5
Sponsoringrichtlinien Sponsoringrichtlinien gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg, Mahrzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg. In Mahrzahn-Hellersdorf wurde darüber hinaus die Führung eines Zuwendungsregisters beschlossen. In Friedrichshain-Kreuzberg wurde die im Jahr 2000 von der behördenübergreifenden Anti-Korruptions-Arbeitsgruppe entwickelte, aber nicht erlassene, Sponsoring-Richtlinie von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verabschiedet. In Lichtenberg und Spandau wird die Verwaltungsvorschrift des Innensenators zum Sponsoring angewandt. In Charlottenburg-Wilmersdorf erhält die BVV einen jährlichen Bericht über Sponsoring. In Pankow, Treptow-Köpenick und Spandau wird zusammen an einer neuen Sponsoring-Richtlinie gearbeitet, an der auch Reinickendorf Interesse zeigt. Anonyme Hinweise Spandau verfügt über einen externen Ombudsmann. Er ist Rechtsanwalt und nimmt anonyme Hinweise auf Korruption und andere Unregelmäßigkeiten entgegen. Charlottenburg-Wilmersdorf hat ein eigenes elektronisches Hinweisgebersystem, das allerdings Anonymität nur wahrt, wenn man sich damit aus einem Internetcafé einloggt. Das Hinweisgebersystem ist in der Baurevision angesiedelt. Eine Reihe von Bezirken wartet auf die Einführung des Business- Keeper-Monitoring-Systems (BKMS) durch den Senat. Lichtenberg sieht keine Notwendigkeit, das elektronische Hinweisgebersystem (BKMS) im Bezirk einzusetzen. Pankow ist bereit, in der Pilotphase die Funktion eines Pilotbezirks zu übernehmen. 6
Schlussfolgerungen In jedem Bezirk sollte es einen Arbeitskreis Antikorruption geben, dessen Aufgaben die Beratung bei der Korruptionsprävention und dem Monitoring der Prüfgruppe sein sollten. Jeder Bezirk sollte über eine zentrale Prüfgruppe verfügen, in die die einzelnen Innenrevisionen der Abteilungen zumindest lose eingebunden sind. Die zentrale Prüfgruppe sowie die einzelnen Revisionen sollten dem Antikorruptionsbeauftragten unterstellt sein, der seinerseits nur dem Bürgermeister verantwortlich sein sollte. Es sollte einen jährlichen Bericht des Bürgermeisters vor der BVV geben, um gerade im Bereich der Korruptionsbekämpfung Prävention, Transparenz und Verantwortung zu unterstreichen. Erforderlich ist die Einrichtung von zentralen Vergabestellen, um eine Trennung von Planungs-, Ausschreibungs-, Vergabe-, Bauleitungs- und Abrechnungsfunktionen zu erreichen. Es sollte in jedem Bezirk einen Gefährdungsatlas geben, um Gefährdungen und Risiken besser abschätzen zu können. Auf besonders korruptionsgefährdeten Stellen sollte spätestens nach fünf Jahren ein Personalwechsel vorgenommen werden. Es sollte in jedem Bezirk eine Sponsoring-Richtlinie geben, die Sponsoring in Bereichen mit hoheitlichem Handeln ausschließt und Transparenz herstellt, wer zu welchem Zweck welche Mittel zur Verfügung stellt und worin die Gegenleistung besteht. Die Einrichtung eines Zuwendungsregisters ist wünschenswert. Wichtig ist die Einführung eines Hinweisgebersystems oder eines Ombudsmannes mit entsprechenden Hinweisen auf den Homepages der Bezirke. In einer Reihe von Bezirken ist man um eine wirksame Korruptionsprävention bemüht und versucht die in der Richtlinie ausformulierten Maßnahmen auch umzusetzen. Das Bemühen und die erfolgreiche Präventionsarbeit verdient jede Unterstützung und sollte weiter gefördert werden. 7
Es gibt aber auch Bezirke, in denen die Maßnahmen zur Korruptionsprävention bei weitem nicht ausreichen. Da in diesen Bezirken auch nach zehn Jahren wesentliche Empfehlungen zur Korruptionsprävention nicht umgesetzt wurden, erscheint es unerlässlich, Mindeststandards für die Korruptionsbekämpfung durch den Senat verpflichtend festzuschreiben. Kontakt: Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer Transparency International Deutschland e.v. Tel: 030 / 54 98 98-0 Stand: März 2008 8