Sicherheit bei Demenz



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Transkript:

Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) - Sektion Alter(n) und Gesellschaft - Herbsttagung am 6./7. September 2013 in München Lebenslagen und alltägliche Lebensführung im Alter Sicherheit bei Demenz Forschungsfelder, Deutungen der Pflege und praktisches Alltagshandeln von Dirk H. Medebach, M.A. Justus-Liebig-Universität Gießen

Einleitung Sicherheit als expandierendes (Diskurs-)Thema, auch in Bezug auf Alter(n) Demenz offensichtlich von Unsicherheiten, Ohnmacht und Orientierungslosigkeit geprägt Wandlungen: Gesellschaft, Diskurse und Semantik Erkenntnisinteresse: Relevanz, Forschungsfelder und Deutungen von Sicherheit bei Demenz Literaturrecherche und Inhaltsanalyse zum Themenbereich Sicherheit und Demenz 2

Gliederung 1. Einleitung 2. Literatur- und Inhaltsanalyse a) Überblick und Analyse der Literaturtitel dt. Kataloge WISO/Solis b) Analyse der Literaturtitel Cluster Kategorien Konkretisierung und Fokussierung c) Spezielle Literaturtitel d) Literaturauswahl und Inhaltsanalysen e) Zwischenergebnis der Analysen 3. Historische Dynamik von Sicherheit 4. Interpretation und theoretische Verortung 5. Fazit 6. Literatur 3

Überblick und Analyse der Literaturtitel (dt. Kataloge) Sicherheit & Demenz: 85 Titel Sicherheit & Alzheimer: 7 Titel Krankheiten Depression Medizin Psychologie Psychiatrie Recht Demenz/en Familie Alzheimer Pflege-/ Sozialversicherung Alter/n Beruf Reform (geistige) Behinderung/ behinderte Menschen Bindung Prävention Gesundheit Versorgung Pflege Betreuung Selbstbestimmung Selbstständigkeit Gewalt Sicherheit Gegenstände Palliative Care Sterbehilfe Ernährung Technik Bauen Verkehr Mobilität Wohnen Haus/ Zuhause/ häuslich (Pflege-/ Alten-) Heim Orte Heimat Garten Natur Therapien Foto Film Kultur 4 Angehörige Biographie Fixierung Kommunikation

Überblick und Analyse der Literaturtitel (WISO/Solis) Risiko (-berichterstattung) Hilfe Ruhe Schutz Gefahr Kontrolle/ Aufpassen Gewohnheit/ Routine Kriminalität Raum Sicherheit & Demenz: 41 Titel Sicherheit & Alzheimer: 3 Titel 5 Netz(-werk) Bürgerschaftliches Engagement Nähe Kontakt Lebensqualität Ethik Intimität/ Sexualität Intervention Fortschritt/ Innovation Fahrtüchtigkeit

Analyse der Literaturtitel: Cluster 6 Krankheiten Depression Medizin Psychologie Psychiatrie Recht Demenz/en Alzheimer Pflege-/ Sozialversicherung Netz(-werk) Familie Bürgerschaftliches Engagement Angehörige Prävention Risiko (-berichterstattung) Gesundheit Beruf Alter/n (geistige) Behinderung/ behinderte Menschen Ethik Reform Nähe Kontakt Pflege Gegenstände Betreuung Sterbehilfe Ernährung Gewohnheit/ Lebensqualität Routine Fortschritt/ Selbstbestimmung Innovation Bindung Intimität/ Sexualität Biographie Ruhe Versorgung Hilfe Selbstständigkeit Kriminalität Fixierung Gefahr Gewalt Schutz Kontrolle/ Aufpassen Palliative Care Sicherheit Technik Verkehr Intervention Mobilität Raum Fahrtüchtigkeit Haus/ Zuhause/ häuslich Wohnen Bauen (Pflege-/ Alten-) Heim Orte Heimat Garten Natur Therapien Foto Film Kultur Kommunikation

Analyse der Literaturtitel: Kategorien 7 Krankheiten/ Demenz Forschungs -richtung/ Disziplinen Selbst/ Handlungsfähigkeit Sozialversicherung/ Recht Akteure Bindung/ Kontakt Schutz/ Kontrolle Pflege/ Betreuung/ Hilfe Gefahr/ Gewalt Sterben Technik Verkehr/ Mobilität Raum/ Orte Therapien/ Medien

Analyse der Literaturtitel: Konkretisierung und Fokussierung (1) Krankheitskontext z.b. Depression, geistige Behinderung Forschungsrichtung/ Disziplinen Geriatrie (Medizin, Psychiatrie) Psychologie Pflege-/Sozialversicherung & Recht Ethik Akteure/ soziale Beziehung Betroffene soziales Umfeld (insb. Familie, auch Pflegende) Bindung, Kontakt, Interaktion und Kommunikation 8 Raum/ Orte Wohnen (Heimat, Zuhause, stationär) Bauliche Maßnahmen/ Gestaltung

9 Analyse der Literaturtitel: Konkretisierung und Fokussierung (2) Verkehr/ Mobilität (Un-)Sicherheit vs. Freiheit (Sicherheitsthemen i.e.s.) Gefahr/ Prävention Gewalt/ Kriminalität Schutz/ Kontrolle Intervention Pflege/ Hilfe/ Therapien Pflege/ Betreuung Palliative Care/ Sterbebegleitung Therapien (Medien, Kultur, Kreativität, besondere Orte etc.) Technik Lebensqualität Handlungsfähigkeit/ Selbstständigkeit/ -bestimmung

Spezielle Literaturtitel Verkehr/ Mobilität Füsgen (Hg.) (2012): Verkehrssicherheit und Demenz. Zeman (2009): Fahrtüchtigkeit im Alter. Schäufele et al. (2012): Können Mobilität und Sicherheit bei Menschen mit Demenz im Pflegeheim gefördert werden? 10 Forschungsrichtung/ Disziplinen (Geriatrie, SozV-Recht) Weyerer/Häfner (Hg.) (1990): Prävalenz und Verlauf von Depression und Demenz bei Altenheimbewohnern. Zachhuber et al. (1997): Histopathologische Untersuchungen bei Demenz. Waldenfels (2012): Die Bedeutung des Pyroglutamat-Abeta- Oligomer-Blutplasmaspiegels und des Apolipoprotein-E- Genotyps bei der Alzheimer-Krankheit. Stolz (2008): Betreuungsrecht und Pflegemanagement. Fuchs (2007): Die Einzelheiten des Pflegekompromisses. Paquet (2011): Bundesregierung verabschiedet Skizzen eines Reförmchens - riesiger Handlungsdruck bleibt.

Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (1) Schroll (2004): Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Inhalt (elektrische) Pflegebetten Sicherheitsmängel Dokumentation Zitate In den Einrichtungen muss daher neben der technischen Sicherheit auch die Dokumentation verbessert werden. [ ] Die neuen Modelle von Pflegebetten orientieren sich an der für Medizinprodukte geltenden Forderung nach integrierter Sicherheit. (S. 26) 11 Analyse Technik Gefahren(-abwehr), Kontrolle (Dokumentation) (technische) Pflege/ Betreuung Räumliches Umfeld

Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (2a) Rutenkröger/Kuhn (2008): Das Konzept tut den Bewohnern gut Inhalt Pflegeoase Holle Kontakte (Häufigkeiten, Zeiten), Nähe, Beziehung Ernährung Aufmerksamkeit, Verhalten Kommunikation Raum(gestaltung), Umwelt, Mobilität Medikamente 12 Zitate Die Präsenz der Mitarbeiter gibt den Bewohnern Sicherheit [ ] Bindung wird als wichtige Grundlage für die innere und äußere Sicherheit in der psychosozialen Entwicklung eines Menschen angesehen, [ ]. Bindung erfüllt dabei zwei wesentliche Funktionen: Schutz und Entspannung bei Angst und Gefahr und die Förderung der Umweltaneignung. (S. 21)

13 Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (2b) Fortsetzung: Rutenkröger/Kuhn (2008): Das Konzept tut den Bewohnern gut Analyse Pflege, Betreuung Kontakte, Beziehung, Bindung; Handeln, Kommunikation Entspannung, Schutz; Gefahr, Angst Orte, Raum(gestaltung) Medikamente, Ernährung

Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (3) Auner (2001): Zwischen Technik und Ethik Inhalt Sicherheitstechnologien (z.b. Notruf-/Alarmsysteme, Nachtlicht- und Gewichtssensor), Entwicklungen, Innovation Pflegezukunft (wenig Personal), Hilfe, Betreuung, Versorgung Aktivitäten (Kochen, Schlafen, Spazierengehen) Richterliche Genehmigung, freiheitsentziehende Maßnahmen Zitate Gerade in stationären Einrichtungen stellt die Nutzung moderner Technologie im Bereich der Sicherheit (gemeint im Sinne von Schutz) eine große Chance dar. (S. 29) 14 Analyse Technik (Innovation) Schutz, Kontrolle/ Überwachung (Sicherheit) vs. Freiheit Raum, Mobilität Recht

15 Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (4a) Entzian/Hamborg (2002): Nicht durchgreifen, sondern deeskalieren Inhalt (De-)Eskalation bei (emotionalen) Kettenreaktionen Stress, Entspannung Pflegemaßnahmen, Therapiekonzepte Gegenwart, Subjektive Welt; Vergangenheit, Biografie Angehörige, Pflegende (Pflegeprofis) Räume, Milieugestaltung, Orientierung Zitate Pflegeprofis brauchen diese Sicherheit [Handwerkszeug] ganz besonders im Umgang mit Demenzkranken und deren Angehörigen. (S. 26) Die [subjektive Welt] muss deshalb von außen, zum Beispiel durch eine Sicherheit und Orientierung vermittelnde Milieugestaltung und durch eine biografie-bezogene pflegerische Begleitung ersetzt werden. [ ] Der Demenzkranke muss Vertrauen und Sicherheit verspüren, [ ]. (S. 28)

16 Literaturauswahl und Inhaltsanalysen (4b) Fortsetzung: Entzian/Hamborg (2002): Nicht durchgreifen, sondern deeskalieren Analyse Emotionalität vs. Professionalität Realitäten, Zeitlichkeit (Gegenwart, Vergangenheit) Stress, Vertrauen, Entspannung Pflegemaßnahmen, Therapiekonzepte Angehörige, Pflegende (Pflegeprofis) Räume, Milieugestaltung, Orientierung

Zwischenergebnis der Analysen Raum Verkehr Sicherheitsthemen Interaktion/ Beziehung Sicherheit & Demenz Technik Zeit Geriatrie/ Recht Pflegethemen 17

18 Historische Dynamik von Sicherheit Semantik und Thematisierung Sicherheit als altes, tradiertes Konzept politischer Rhetorik (seit Neuzeit mit Ursprüngen in Antike) von äußerer Sicherheit (Staatssicherheit) zu innerer Sicherheit (Rechtssicherheit) soziale Sicherheit (wohlfahrtsstaatlicher Leitbegriff seit 1933, US-Präsident Roosevelt, Epstein) soziale Sicherheit (normativ), Sicherung (institutionell) Sicherheit ersetzt Gewissheit : kein verlässliches Wissen bzw. unveränderliche Wahrheit (Ende 19./20. Jh.) Risiko -Diskurs verdrängt Sicherheit (1970/80er Jahre) durch Globalisierung, Krisen, Konflikte und Anomie neue Relevanz der Sicherheit (ab Ende 20. Jh.)

Interpretation und theoretische Verortung (1) Sicherheit und Modernisierung Gesellschaftliche Entbettung von Wissen, Raum und Zeit von wahrnehmbaren Interaktionszusammenhängen (Giddens) Systemvertrauen in komplexe Strukturen nötig (Luhmann) Unsicherheit durch Verlust klarer Orientierungsmuster und Gewohnheiten, wenngleich weniger konkrete Gefahren begriffliche Unschärfen, aber Verankerung im Alltagswissen 19 Allgemeine Expansion der Sicherheitssemantik und des Sicherheitsdiskurses, z.b. Finanzen Politik Gewalt, Kriminalität, Terrorismus, Konflikte, Kriege Internet, Neue Medien, Datenschutz Recht Arbeits- und Betriebssicherheit Medizin, Krankheiten

Interpretation und theoretische Verortung (2) Akteurs-/subjekt- und handlungsorientierte Perspektive primär: Menschen mit Demenz, sekundär: Pflegende soziale, räumliche Umwelt praktische, alltägliche bzw. lebensweltliche Kontexte Diskurse und Normalität spezieller Demenz-(Sicherheits-)Diskurs nicht analog zu allgemeinem Sicherheitsdiskurs Sicherheits-Wissen/-Diskurs und Macht (Foucault) Unsicherheitsgefühl und Sicherheitsrhetorik als Normalität deshalb: Wissen vs. habituelle Prägung und Internalisierung (Elias, Bourdieu) 20 Nichtwissen/ Ungewissheit bei Demenz Unsicherheit Ursachen und Betroffenheit von Demenz (Risiko) Biographie (Vergangenheit) geeignete Therapien und Interventionen (Pflege)

21 Fazit (1) Einbettung in allgemeine Sicherheitssemantik, z.b. Gewalt und Recht soziale Sicherheit/ Sicherung Transformation allgemeiner Sicherheitssemantik, z.b. äußere Sicherheit: Staat und Territorium (Makroebene) Wohnumfeld und Raumgestaltung (Mikroebene) Orientierung (Raum Wissen) Einbettung in Alter(n)sforschung, z.b. Technik Verkehr, Mobilität Spezielle Themen und Kontexte, z.b. Therapie, Pflege und Betreuung: Bindung und Biographie Geriatrie und Alzheimerforschung

Fazit (2) Sicherheitsthematisierung als (machtstabilisierende) Reaktion auf Unsicherheiten (Versicherheitlichung) Sicherheit nicht Demenz-Diskurs-leitend, sekundär geringe politische Bedeutung (nur z.b. soziale und finanzielle Sicherheit durch Pflegereform) geringe Bedeutung in Forschung/ Wissenschaft (geringe naturwissenschaftliche Forschungserfolge) aber: reale, praktische Bedeutung, z.b. (stationäre) Demenz-Pflege Risiken und Krisen Technik Wirtschaft Sozialer Wandel und biographische Unsicherheit 22 Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit!

Literatur Conze, Werner (1984): Sicherheit, Schutz. In: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. BD. 5. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 831-862. Daase, Christopher (2010): Wandel der Sicherheitskultur. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 50, S. 9-16. Janich, Nina/ Simmerling, Anne (2013): "Nüchterne Forscher träumen..." Nichtwissen im Klimadiskurs unter deskriptiver und kritischer diskursanalytischer Betrachtung. In: Ulrike Meinhof, Martin Reisigl, Ingo H. Warnke (Hg.): Diskurslinguistik im Spannungsfeld von Deskription und Kritik. Berlin: Akademie Verlag, S. 65-99 Kajetzke, Laura (2008): Wissen im Diskurs. Ein Theorienvergleich von Bourdieu und Foucault. Wiesbaden: VS. Kaufmann, Franz-Xaver (2003): Sicherheit. Das Leitbild beherrschbarer Komplexität. In: Stephan Lessenich (Hg.): Wohlfahrtsstaatliche Grundbegriffe. Historische und aktuelle Diskurse. Frankfurt/New York: Campus, S. 73-104. Pelizäus-Hoffmeister, Helga (2006): Biographische Sicherheit im Wandel. Eine historisch vergleichende Analyse von Künstlerbiographien. Wiesbaden: DUV. 23 Plaschke, Jürgen (1983): Gesellschaftliche Sicherheit alter Menschen. Zustandsbeschreibung, Perspektiven und Alternativen. Stuttgart: Kohlhammer.