Grenzüberschreitendes Deutsch-Französisches Projekt: Mobile Übungsanlage zur Gefahrenabwehr auf Binnenwasserstraßen (MÜB): Durch den gemeinsamen Bau und Betrieb einer Übungsanlage zur Schulung für Feuerwehrangehörige aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz bei Einsätzen auf Binnenschiffen wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Feuerwehren am Oberrhein weiter verbessert. Erstmalig ergeben sich für die Feuerwehrangehörigen aus dieser Region realistische Übungsmöglichkeiten auf einem umgebauten Tankmotorschiff. Durch den mobilen Charakter der Anlage erhalten Feuerwehren am Oberrhein die Möglichkeit, sich auf einer modernen Übungseinrichtung aus- und fortzubilden. Rheinschifffahrt Zahlen und Fakten Der Rhein bildet eine natürliche Grenze zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz und zählt zu einer der am stärksten frequentierten Binnenwasserstraßen Europas. Neben einem erheblichen Frachtaufkommen von verschiedenen Rohstoffen bis hin zu fertigen Produkten sowie Gefahrgütern zählt insbesondere die Passagierschifffahrt zu einem wichtigen Wirtschaftszweig auf dem Rhein. Eine zunehmende Nachfrage von Reiseangeboten auf dem Wasser zeigt sich einerseits an der hohen Auslastung der Passagierschiffe und andererseits an der wachsenden Anzahl an Hotelschiffen. An den Ufern beiderseits der Grenzen sind zahlreiche Unternehmen niedergelassen, darunter auch einige sog. SEVESO-Betriebe, d.h. Betriebe, die gewisse Mengen an gefährlich eigenstuften Stoffen lagern bzw. verarbeiten. Bislang sind die Kapazitäten des Stroms nur zu etwa 65 % ausgelastet, mit einem weiteren Anstieg des Verkehrsaufkommens ist zu rechnen. Der Rhein ist somit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die gesamte Region Oberrhein. Historische Entwicklungen Bereits im Jahr 2003 hat die Oberrheinkonferenz (als institutioneller Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Oberrheingebiet) den Beschluss gefasst, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Gefahrenabwehr auf dem Rhein zu intensivieren und gemeinsame Gefahrenabwehrkonzepte zu entwickeln. Hieraus entstanden schließlich zwei konkrete Kooperationsprojekte. Das erste Projekt war der Bau und Betrieb des deutsch-französischen Feuerlöschbootes EUROPA 1 in Straßburg/Kehl, als Ergänzung zu den Feuerlöschbooten in Basel und Mannheim. Die deutschfranzösische Besatzung kommt von der Feuerwehr Kehl und dem SDIS 67 (Service
- 2 - Départemental d'incendie et de Secours du Bas-Rhin) mit Sitz in Straßburg. Die EUROPA 1 ist seit 2007 erfolgreich in Betrieb. Als zweites Projekt wurde der Bau und Betrieb einer grenzüberschreitenden Einrichtung zur Ausbildung der Feuerwehrangehörigen beiderseits des Rheins ins Auge gefasst. Risiken auf dem Rhein Durch die unterschiedliche Nutzung des Rheins, die Verschiedenheit der transportierten Güter, die Dichte des Verkehrsaufkommens, den ausgedehnten Passagierverkehr sowie die Nähe zahlreicher SEVESO-Betriebe entlang des Oberrheins ergeben sich auch eine Vielzahl möglicher Schadensereignisse, die ein Eingreifen der Gefahrenabwehrbehörden und Organisationen, insbesondere der Feuerwehr erforderlich machen. Zu diesen Ereignissen zählen beispielsweise Schiffsbrände und Explosionen, Brände in Ufernähe, Austritt von wassergefährdenden Stoffen, Havarien mit der Gefahr des Ertrinkens der Passagiere sowie Kollisionen mit anderen Schiffen, Brückenpfeilern oder Schleusentoren. In der Vergangenheit ist es bereits zu zahlreichen Schadensereignissen gekommen. Die bedeutendsten Unfälle in den letzten Jahren waren der Großbrand bei der schweizerischen Firma Sandoz im Jahr 1986, bei dem große Mengen giftiger Substanzen zu einer starken Verschmutzung des Rheins führten, der Schiffsunfall des Frachtschiffes Excelsior bei Köln im Jahr 2007 bei dem zahlreiche Container über Bord gingen und die Rheinschifffahrt in diesem Bereich mehrere Tage unterbrochen werden musste sowie der Unfall des Chemietankers TMS Waldhof, bei St. Goarshausen im Jahr 2011 bei dem große Mengen Schwefelsäure austraten. Abgesehen von den Schäden für Mensch und Umwelt, können Unfälle auf dem Rhein sehr schnell erhebliche wirtschaftliche Schäden hervorrufen. Mobile Übungsanlage zur Gefahrenabwehr auf Binnenwasserstraßen (MÜB) Bei einem Einsatz ist eine Vielzahl von Einsatzkräften aus der unmittelbaren Nähe des Ereignisses gefordert. Dabei dürfen Gemeinde-, Kreis-, Bezirks-, Landes- und auch internationale Staatsgrenzen keine Rolle spielen. Nur durch einen schnellen und effizienten Einsatz aller Beteiligten kann man eine Lage zügig in den Griff bekommen und damit zur Schadensminimierung beitragen. Der zu erwartende Erfolg dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit setzt jedoch auch ein hohes Maß an Spezialausbildung und Training voraus.
- 3 - Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit - und insbesondere die Sicherheit der Einsatzkräfte- im Rahmen der Gefahrenabwehr auf dem Rhein weiter zu verbessern, wurde durch den SDIS 67, die Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und weitere Partner der Bau einer Übungsanlage zur Bekämpfung der Gefahren auf Binnengewässern beschlossen. Dieses Projekt stellt damit neben dem Feuerlöschboot EUROPA 1 die zweite Kooperationsachse der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen der ORK dar. Finanziell unterstützt wird das Projekt durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union (INTERREG IV A). Derzeit gibt es im gesamten Oberrheingebiet keine vergleichbare Einrichtung. Mit dieser Übungsanlage erhalten die Anrainerfeuerwehren erstmalig die Gelegenheit eine praktische Ausbildung zur Schiffsbrandbekämpfung sowie andere Einsatztaktiken und techniken auf Binnenschiffen zu trainieren. Projektbeschreibung und Betrieb Die MÜB soll in erster Linie als Anlage zur Aus- und Weiterbildung für deutsche, französische und schweizerische Feuerwehrangehörige dienen. Neben den Trainingsmöglichkeiten, welche sich im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr auf Binnengewässern ergeben, wird die Anlage auch Übungsmöglichkeiten zur Technischen Hilfeleistung, Wohnungsbrandbekämpfung und klassischen Atemschutzausbildung enthalten. Hierzu werden auf dem Übungsschiff (ein umgebautes ehemaliges Binnentankmotorschiff mit rund 100 Metern Länge und neun Metern Breite) zahlreiche Übungssimulatoren aufgebaut, wobei der Gesamtcharakter eines echten Binnenschiffes erhalten bleibt. Im Einzelnen werden folgende Simulatoren installiert: - Atemschutzübungsanlage - Gasbefeuerte Heißausbildungsanlage zum Trainieren von Schiffs- und Gebäudebrandbekämpfung sowie zum Absuchen von Räumen - Gefahrstoffübungsanlage zum Trainieren von Gefahrstoffeinsätzen auf Schiffen (beispielsweise Abdichten von Leckagen an Rohrleitungen (Gas und Flüssigkeiten)
- 4 - - instabiler Seecontainer zum Trainieren von Abstützmaßnahmen im Rahmen von Technischen Hilfeleistungseinsätzen - Übungsbecken zum Trainieren der Situation Feuerwehrangehöriger über Bord (inklusive Atemschutzausrüstung und PSA) - Übungsanlage für Abdichtungsmaßnahmen bei Schiffsleckagen - Nachbildung eines Passagierschiffes zum Trainieren der Brandbekämpfung und Räumung Neben diesen Übungssimulatoren stehen den Nutzern auf dem Schiff, Schulungs- und Aufenthaltsräume, eine Küche sowie Büro- und Verwaltungsräume zur Verfügung. Auch das Schiff als solches bietet quasi unbegrenzte Möglichkeiten an realitätsnahen Übungsmöglichkeiten, wie z.b. das Trainieren des Übersteigens von einem Mehrzweckboot auf einen Havaristen. Auswahl der Liegeplätze und Nutzer der Anlage Damit möglichst das gesamte Oberrheingebiet abgedeckt werden kann, wurden drei Liegeplätze festgelegt, an denen die MÜB verteilt über das Jahr stationiert ist. Der Fahrplan der Übungseinrichtung wird so gestaltet, dass die verschiedenen Liegeplätze zu unterschiedlichen Jahreszeit angelaufen werden. Der südlichste Liegeplatz liegt im Hafen von Mulhouse (F) in unmittelbarer Nähe des Dreiländerecks Deutschland-Frankreich- Schweiz, der nördlichste Liegeplatz ist der Hafen von Mannheim. Der Hafen von Straßburg (F) in der Mitte des Oberrheins ist der dritte Liegeplatz und gleichzeitig der Heimathafen des Schiffes. Alle Liegeplätze bieten die notwendigen Erschließungen mit Strom und Trinkwasser sowie ausreichende Parkflächen für Großfahrzeuge. Es ist zunächst geplant, dass Feuerwehren im Umkreis von ca. einer Stunde Fahrzeit um den jeweiligen Standort auf dem Schiff üben können. Damit wird einer großen Anzahl von Feuerwehrangehörigen beiderseits des Rheins die Möglichkeit gewährt die Übungsanlage zu nutzen. Für die baden-württembergische Seite bezieht sich dies insbesondere auf die Stadt- und Landkreise Lörrach, Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Ortenaukreis, Baden-Baden, Rastatt, Karlsruhe, Rhein-Neckar, Heidelberg und Mannheim. Auch am Neckar liegende Feuerwehren können das Übungsschiff nutzen. Ausbildungsinhalte
- 5 - Neben einer für das Gesamtprojekt verantwortlichen Arbeitsgruppe, bestehend aus Experten aus Frankreich, der Schweiz, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg, wurden in einer grenzüberschreitend besetzten Unterarbeitsgruppe Aus- und Fortbildungsmodule erarbeitet. Ziel war es, gemeinsame Einsatztaktiken unter Beachtung der länderspezifischen Besonderheiten und unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu erarbeiten und somit erstmals gemeinsame Einsatzstandards zu definieren. So soll ein mehrtägiges Grundmodul rund um das Thema Gefahrenabwehr auf Binnenschiffen, ein Modul Heißausbildung und Atemschutzstrecke sowie ein Modul Führung und ein Modul Stationsausbildung angeboten werden. Diese Ausbildungsmodule richten sich an Besatzungsmitglieder von Feuerlöschbooten und Feuerwehren mit Mehrzweckbooten entlang des Oberrheins und Neckars. Das Schiff ist aber auch zur Durchführung einer klassischen Heißausbildung bzw. Atemschutzausbildung geeignet. Ausbildungsbetrieb Eigentümer und Betreiber der MÜB ist der SDIS 67 in Straßburg. Von dort aus wird der Betrieb der Anlage zentral für Frankreich, Deutschland und der Schweiz koordiniert und insbesondere der Fahrplan der MÜB, d.h. die Standzeiten an den jeweiligen Häfen, im Einvernehmen mit den Projektpartnern, festgelegt. Der SDIS 67 fertigt ebenfalls für jeden Standort einen Belegungsplan für die Feuerwehren aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz an. Die Nutzung der MÜB ist für baden-württembergische Feuerwehren an allen drei Standorten gleichermaßen möglich. Ansprechpartner ist die Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg. Die Ausbildung wird nach Landesvorgaben (Feuerwehr- Dienstvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften etc.) und in deutscher Sprache durchgeführt. Zurzeit befindet sich das Schiff im Umbau bei einer niederländischen Werft. Mit den ersten Tests kann nach der Auslieferung voraussichtlich im Spätsommer 2014 begonnen werden. Der Beginn des planmäßigen Ausbildungsbetriebes der MÜB ist für Anfang 2015 vorgesehen. Weitere Informationen zu den Ausbildungsangeboten werden in einer der nächsten Ausgaben der Brandhilfe bzw. auf der Homepage der Landesfeuerwehrschule Baden- Württemberg unter www.lfs-bw.de veröffentlicht.
- 6 - Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie auch auf der Homepage der Deutsch- Französisch-Schweizerischen Oberrheinkonferenz unter: http://www.oberrheinkonferenz.org/de/katastrophenhilfe/mobile-uebungsanlagebinnengewaesser.html oder auf der Homepage des SDIS 67 in französischer Sprache: www.sdis67.com/fr/crerf/projet-europeen-le-crerf Verfasser: Dipl.-Ing. Thomas Finis (Bezirksbrandmeister Regierungsbezirk Freiburg) Thomas Hosp (Mitarbeiter im Referat 16 zuständig u.a. für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit) Fotodokumentation Umbau des ehemaligen Tankmotorschiffes Altharen bei einer Werft in Maasbracht (NL) Abbildung 1: Tankmotorschiff Altharen vor dem Umbau
- 7 - Abbildung 2: Umbau des Steuerhauses Abbildung 3: Ansicht Bug
- 8 - Abbildung 4: Ansicht Heck Abbildung 5: Darstellung der Übungssimulatoren
Abbildung 6: Innenansicht - 9 -