Mit einem Bein im Knast!? Aufsicht, Haftung, Versicherung in der Kinder- und Jugendarbeit
Der junge Bundesbürger ab Geburt: ab 6. Lebensjahr: ab 7. Lebensjahr: ab 12. Lebensjahr: ab 14. Lebensjahr: ab 16. Lebensjahr: -Rechts- & Parteifähigkeit -allgemeine Schulpflicht -beschränkte Geschäftsfähigkeit -beschränkte zivilrechtliche Deliktfähigkeit -beschränkte Religionsmündigkeit -beschränkte strafrechtliche Deliktfähigkeit -Pflicht zum Besitz eines Personalausweises ab 18. Lebensjahr: ab 21. Lebensjahr -Volljährigkeit -Ehemündigkeit -volle Geschäftsfähigkeit -volle zivil- & strafrechtliche Deliktfähigkeit -Abgrenzung von Heranwachsenden und Erwachsenen im Strafrecht
Exkurs vorweg - Begriffe Geschäftsf ftsfähigkeit ist die Fähigkeit, rechtlich bindende Willenserklärungen abzugeben, z.b. Verträge zu schließen. Beschränkt geschäftsfähig sind Minderjährige vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ( 106 BGB). Deliktfähigkeit bedeutet, für einen angerichteten Schaden in Folge unerlaubter Handlung (Delikt) verantwortlich gemacht zu werden ( 827/8 BGB); sie setzt Erkenntnis der Verantwortung voraus. Kinder bis 7/14 Jahre sind deliktunfähig, ab 14 bzw. bis 18 beschränkt deliktfähig. (In Zivil- und Strafrecht gelten unterschiedliche Altersgrenzen!) Deliktfähigkeit behandelt im Zivilrecht Rechtsbeziehungen natürlicher Personen (der Mensch) sowie juristischer Personen (Verein, Körperschaft, Gesellschaften,...) im Strafrecht Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre,...)
Aufsicht Notwendigkeit & Selbstverständlichkeit
Rechtliche Grundlage Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) haben die Erziehungsberechtigten das sog. Personensorgerecht: 1. Vermögenssorge (finanzielle und materielle Guthaben) 2. Aufenthaltsbestimmungsrecht (wann, wo, mit wem) Wird die Aufenthaltsbestimmung Dritten (z.b. Kinder- und Jugendleiter) übertragen, sind diese zur FÜHRUNG DER AUFSICHT verpflichtet. ( Erziehungsbeauftragte )
Entstehen der Aufsichtspflicht Aufsichtspflicht über Minderjährige (bis 18 Jahre) entsteht durch: VERTRAG (schriftlich oder mündlich geschlossen, aber auch durch Duldung) GESETZ (z.b. bei Eltern und Pädagogen) In der Regel entsteht ein Vertrag zwischen den Eltern und dem Träger/ Verein. Der Träger kann die Aufsichtspflicht an die Betreuer insbes. Kinder- und Jugendleiter delegieren.
Notwendigkeit Das Gesetz will Kinder und Jugendliche schützen vor: - körperlichen Gefahren - geistigen Gefahren - seelischen Gefahren
Notwendigkeit Aufsichtspflichtige haben dafür zu sorgen, dass nicht zu Schaden kommen: -die ihnen zur Aufsicht Anvertrauten -keine anderen Personen (Dritte) -die Aufsichtführenden selbst
Aufsichtsführung hrung Selbstverständlichkeit mit Konsequenzen
Voraussetzungen zur Führung F der Aufsicht VERNUNFT SACHVERSTAND ERFAHRUNG Aufsichtsführende sollte i.d.r. gut geschult und nicht minderjährig sein. Anderenfalls bedarf es: 1. der Zustimmung der Erziehungsberechtigten, 2. der Begrenzung auf einen kurzen Zeitraum.
Inhalte der Aufsichtsführung hrung Informieren - insbes. persönliche und örtliche Gegebenheiten Belehren - über allgemeine (alltägliche), vor allem aber bes. Gefahren (z.b. im Zeltlager, bei Wander- oder Kanutouren) sowie entsprechende Verhaltensweisen UND Konsequenzen Kontrollieren - nicht unablässig, aber regelmäßig das Verhalten der Kinder und Jugendlichen persönlich in Augenschein nehmen und ggf. Ermahnen, Warnen, Intervenieren Sanktionieren - nur was im Vorfeld angekündigt sowie rechtlich und organisatorisch durchführbar ist
Umfang der Aufsichtsführung hrung!pflicht zur umfassenden Information!Pflicht zur Vermeidung / Beseitigung von Gefahrenquellen!Pflicht zu Hinweisen und Warnungen im Umgang mit Gefahren: Belehrung!Pflicht zum Eingreifen in gefährlichen Situationen
Informationspflicht Aufsichtführende Personen müssen sich informieren über: Persönliche Umstände!Behinderungen, Krankheiten, Allergien, Medikamente!Schwimmer/ Nichtschwimmer!Sportliche Fähigkeiten, Belastbarkeit Besonderheiten der örtlichen Umgebung!Sicherheit von Gebäude, des Geländes!Sicherheit von Spielgeräten, Werkzeugen!Notrufmöglichkeiten/ Infrastruktur
Maß der Aufsichtsführung hrung Es gibt keine allgemeingültigen Regeln, aber Kriterien wie:!alter der Aufsichtsbedürftigen!Größe der Gruppe!Art der Aktivitäten (objektive Gefährlichkeit)!örtliche Verhältnisse!Anzahl & Beherrschbarkeit der Gefahrenquellen!Anzahl der Mitbetreuer
Sanktionen in der Aufsichtsführung hrung zulässige und sinnvolle Sanktionen:!Ermahnungen!Wegnahme gefährlicher Gegenstände!Ausschluss eines Teilnehmers / Heimschicken!Abbruch eins Spiels / der Veranstaltung!Information der Eltern Nicht sinnvoll / zulässig sind Kollektivstrafen, Geldstrafen, körperliche Züchtigung, Freiheitsentzug, Demütigung u.ä.!
Folgen einer Aufsichtspflichtverletzung zivilrechtliche Folgen:!Schadensersatz!Schmerzensgeld strafrechtliche Folgen:!Verurteilung zu Bußgeldern oder Sozialstunden!Freiheitsentzug arbeitsrechtliche Folgen:! Abmahnung oder gar Kündigung
Haftung Aufsicht geführt trotzdem Schaden entstanden
Wer haftet für f r was? Die Erziehungsberechtigten, zuvorderst die Eltern, haften für alle Schäden, die ihre Kinder verursachen! Gleiche Verantwortung übernehmen auch Kinder- und Jugendleiter Trainer Reiseleiter usw.
Wenn ein Schaden entsteht......wird zur Bewertung von Schadensersatzansprüchen die Schadensentstehung unterteilt in! fahrlässig! grob fahrlässig! vorsätzlich (auch: billigend) Liegt als Schadensursache eine grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung vor, greift im Regelfall keinerlei Versicherungsschutz!
Gesetzliche Grundlagen Zivilrechtlich! 823, 828 BGB Allgemeine Haftungsnorm, einschlägig, wenn Teilnehmer der Maßnahme zu Schaden kommt! 832 BGB Haftung für Schädigung eines Dritten durch einen Teilnehmer der Maßnahme Strafrechtlich! 171 StGB: Vernachlässigung der Fürsorge- und Erziehungspflicht; Schutzbefohlene in Gefahr bringen! 222, 223, 230 StGB: (fahrlässige) Körperverletzung, Tötung auch: Verkehrsordnung, Jugendschutz, Betäubungsmittel, Waffenbesitz,...
mögliche Probleme in der Praxis! Aufsichtsführenden wird immer Aufsichtspflichtverletzung unterstellt; sie sind beweispflichtig! entstandene Schäden müssen immer ersetzt werden - durch den verursachenden Teilnehmer bzw. seiner privaten Versicherung, die u.u. nicht vorhanden ist! nicht selten entstehen Ansprüche Ehrenamtlicher ggü. Träger, weil z.b. Privateigentum (KFZ, DigiCam etc.) eingesetzt wurde! der Haftungspflicht des Trägers für seinen Tätigen ( 278 BGB) kann dieser sich als Geschäftsherr leicht entziehen ( 831 BGB). Beachte: Bei Aktivitäten in anderen Ländern gelten andere Gesetze!!!
Versicherungen Vor dem Schaden klug sein
Es passiert immer mal was! Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe haben i.d.r.:! für die ganz normalen Aktivitäten: - Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung - KFZ-Versicherung (sofern der Träger KFZ-Halter ist)! für Ferienfreizeiten, Lager oder internationale Begegnungen: -(Auslands)Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung - Reisekranken- und Reisegepäckversicherung - Sachversicherung (insbes. bei Nutzung von Miet- und Leihartikeln)
Versicherungsarten Die Unfallversicherung bietet Schutz gegen unvorhersehbare Verletzungen und Schädigungen am Körper während oder in Folge des Ehrenamtes sowie auf dem direkten Hin- & Rückweg. Sie ist eine Zwangsversicherung ; greift primär vor einer privaten Versicherung. Die Haftpflichtversicherung bietet Schutz gegen schwerwiegend materielle Folgen bei Personen, Sach- oder Vermögensschäden. Sie ist keine Zwangsversicherung; greift subsidiär nach Privathaftpflicht. Die Rechtsschutzversicherung sorgt im Bedarfsfall für die rechtliche Interessenvertretung und übernimmt die aus einem Rechtsstreit entstehende Kosten (nicht Bußgelder).
Versicherungsarten Die Reisekrankenversicherung bietet Schutz bei medizinisch notwendigen Heilbehandlungen wegen akut eintretender Krankheit/ Unfallfolge während der Reise. Kosten müssen zunächst persönlich bzw. durch private Krankenversicherung übernommen werden. Die Reisegepäckversicherung schützt und ersetzt alle Gegenstände des persönlichen Reisebedarfs, die am Körper/ in der Kleidung getragen werden. Sie begrenzt sich auf den direkten Reisebedarf, konkret bspw.: Ausweispapiere JA, aber Geld oder Fahrkarten NEIN. Zusatzversicherungen bzw. Versicherungszusätze sind für annähernd jedes Risiko/ Wagnis möglich.
Wer ist wie versichert? Zwangsläufigen Versicherungsschutz per Gesetz bietet ausschließlich die Unfallversicherung auch allen! Ehrenamtlich Tätigen, denn sie handeln im Auftrag eines Hauptamtlichen, handeln regelmäßig, geplant, tlw. vertraglich! spontan bzw. (aus)helfend Tätigen, wenn sie im Auftrag handeln Nicht versichert sind Nicht-Mitglieder wie Eltern, Freunde usw., die eine Aktivität unterstützen oder besuchen!
Wer ist wie versichert? Weiterführenden Versicherungsschutz wie Haftpflicht oder Rechtsschutz werden bei Verbänden und Vereinen i.d.r. im Paket mit der Unfallversicherung abgeschlossen für alle, die! Mitgliedsstatus haben (Mitgliedsausweis besitzen, Beitrag gezahlt)! im Auftrag handeln Mindestens privater Haftpflichtschutz empfiehlt sich für jeden ehrenamtlich Tätigen, zumal es sich hier um eine subsidiäre Versicherungsart handelt!
Wer ist wie versichert? Zusätzlicher Versicherungsschutz gegen Erkrankungen, Verletzungen, Sachbeschädigungen usw. ist veranstaltungsbezogen abzuschließen für! Veranstaltungsnutzer (meist namentliche Nennung nötig; mind. aber Nennung der Anzahl)! Zeitraum und Ort/ Reiseziel der Veranstaltung
Zu guter Letzt: Kinder- & Jugendarbeit ist nicht so gefährlich, wie es oft scheint, denn! es kann beinahe jedes Wagnis/ Risiko versichert werden und ergänzt! überlegtes, verantwortungsbewusstes Handeln! Dennoch informiere dich vorab bei den Verantwortlichen, denn 1. besteht kaum Versicherungspflicht 2. herrscht viel Unkenntnis vor 3. ist der Versicherungsmarkt sehr undurchschaubar
Mit einem Bein im Knast!? Aufsicht, Haftung, Versicherung in der Kinder- und Jugendarbeit