Was sind PBL und POL? Übersicht zu Projektorientiertem Lernen



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Was sind PBL und POL? Übersicht zu Projektorientiertem Lernen Hochschuldidaktiktag 2013, Fachhochschule Münster Prof. Dr. Marco Winzker Theorie Zielsetzung Begriffsbestimmung und Merkmale Möglichkeiten Einbindung in das Curriculum Projekte in der Studieneingangsphase Beispiele für Projektorientierte Lehre Umsetzung Prüfung projektorientierter Lehre Erfahrungen aus Evaluationen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 1

Projektorientiertes Lernen: Erfahrungen, Erwartungen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 2

Shift from Teaching to Learning The Instruction Paradigm The Learning Paradigm - Provide/deliver instruction - Produce learning - Transfer knowledge from faculty - Elicit students discovery and to students construction of knowledge - Offer courses and programs - Create learning environments - Improve the quality of instruction - Improve the quality of learning - Knowledge exists "out there - Knowledge exists in each person's mind and is shaped by individual experience Knowledge comes in chunks and bits; delivered by instructors and gotten by students - Knowledge is constructed, created - Faculty are primarily lecturers - Faculty are primarily designers of learning methods and environments [Barr, Tagg, gekürzt] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 3

Zielsetzung projektorientierter Lehrformen Paradigmenwechsel in der Hochschullehre Studierendenzentrierung statt Lehrendenzentrierung Bezug zum Konstruktivismus Wissen wird nicht transferiert Lernen ist ein konstruktiver Akt Wissen entsteht (in jedem einzelnen) durch Zusammenfügen von Informationen und Erfahrung Die Lernenden suchen sich Informationen selbst, um damit Probleme zu lösen Aufgabe der Schaffen von Lernumgebungen Gemeinschaft von Lernenden Dozenten als Facilitator M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 4

Begriffsbestimmung Kompetenzen Professionalität Kompetenz + Verantwortung Einstellung + Angemessenheit Können + Bewertung Wissen + Anwendung Information + Vernetzung Stufenmodell der professionellen Kompetenz [Wildt] Ähnliche Modelle Taxonomie von Bloom Kompetenzbegriff nach North M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 5

Begriffsbestimmung Aktives Lernen Forschendes Lernen Fallorientiertes Lernen + Theorie Projektorientiertes + Empirie Lernen + Kontext Problemorientiertes Lernen + Relevanz Handl.-orient. Lernen + Methode Entdeckendes Lernen + Planung Erfahrungslernen + Selbstorganisation Konzepte des aktiven Lernens [Wildt, eigene Hervorhebung] (Auch Varianten des Modells werden genannt) M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 6

PBL, POL Gleiche Abkürzungen für zwei Lehrformen Project-based Learning (PBL), Projektorientiertes Lernen (POL) Aufgabe aus Berufsfeld Eigenständige Bearbeitung durch Projektgruppe Im Projekt wird oft Wissen aus verschiedenen Bereichen verknüpft Problem-based Learning (PBL), Problemorientiertes Lernen (POL) Eigenständige Wissensaneignung (auch Grundlagenwissen) in Gruppe Begleitung durch Dozenten als Lerncoach Einführung für Medizinstudium an McMaster University, Kanada (1969) sowie Maastricht, Niederlande (1974) Für verschiedene Studienrichtungen, u.a. Ingenieurwissenschaften an Aalborg University, Dänemark (1974) Keine Lehrform ist besser oder höherwertig M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 7

Vergleich Projekt-/Problemorientierter Lehre Problem Lernsituation Rolle Dozent/in Fokus Arbeitsplatz Fachlich Student/in Produkt Ausgangspunkt Lernprozess Ergebnis Fachgebiet Seminar Didaktisch Dozent/in Kompetenz Projekt-BL Problem-BL Vergleichen Sie Projekt- und Problemorientierte Lehre M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 8

Vergleich Projekt-/ Problemorientierter Lehre Lernen durch Handeln Problem Projekt-BL Problem-BL Lernsituation Rolle Dozent/in Fokus Arbeitsplatz Projekt-BL Fachlich Projekt-BL Student/in Projekt-BL Problem-BL Produkt Projekt-BL Ausgangspunkt Lernprozess Ergebnis Fachgebiet Problem-BL Seminar Problem-BL Didaktisch Dozent/in Problem-BL Kompetenz Lernen durch Instruktion [De Graaff] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 9

Übersicht Theorie Zielsetzung Begriffsbestimmung und Merkmale Möglichkeiten Einbindung in das Curriculum Projekte in der Studieneingangsphase Beispiele für Projektorientierte Lehre Umsetzung Prüfung projektorientierter Lehre Erfahrungen aus Evaluationen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 10

Einbindung in das Curriculum Vollcurriculare Umsetzung Ganzer Studiengang wird auf neues Studienmodell umgestellt McMaster, Maastricht, Aalborg Passt für problemorientiertes Lernen Studierende erlernen Methode und wenden sie stets neu an Auch andere Konzepte vollcurricular möglich SRH Heidelberg: Thematische Fünf-Wochen-Blöcke Teilcurriculare Umsetzung Kombination neuer Lehrformen mit klassischer Lehre Anpassung vorhandener Studiengänge möglich ( Evolution ) Einzelne Praktika in Projektform Einzelne Module problemorientiert oder als Projekt Einführungsprojekte M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 11

Projekte in der Studieneingangsphase Gründe für Studienabbruch Leistungsprobleme Unzureichende akademische Integration Motivation Finanzielle Gründe Insbesondere in Ingenieurwissenschaften viel Mathematik und praxisferne Grundlagen im ersten Studienjahr Projekte in der Studieneingangsphase können Motivation und Ankommen im Studiengang fördern Teilweise unterschiedliche Erwartungen, z.b. Reine Motivation für Studienfach Ausgleich zu anspruchsvollen Fächern (Mathematik) Vertiefen von Grundlagen Aufzeigen von Zusammenhängen überfachlich fachlich M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 12

Beispiel Blockwochen oder 4-1-4-1-4-1-Modell Seit 2007 im Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau, Technikjournalismus der Neue Semesterstruktur mit Zeitphasen zum Selbstlernen und für Projekte Gemeinsames Zeitfenster für Mitglieder einer Arbeitsgruppe Arbeitsphasen dürfen nicht zu kurz sein, zum Einstieg in Thematik, Flow 15 Semesterwochen werden in 4-1-4-1-4-1 Raster aufgeteilt Je 4 Wochen reguläre Lehrveranstaltungen (Vorlesung, Übung, Praktikum) Je 1 Woche Blockwoche mit Projekten (ab 3. Semester) Semester vorlesungsfreie Zeit, Klausuren 4 Vorlesungswochen Blockwoche 4 Vorlesungswochen Blockwoche 4 Vorlesungswochen Blockwoche vorlesungsfreie Zeit, Klausuren Vorlesungszeit im Semester: 15 Wochen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 13

Beispiel für Aufgabenstellung Entwurf einer Interface-Platine zum Anschluss an den USB-Port eines PCs PC kann LEDs ansteuern und Stellung von Schaltern abfragen Teilaufgaben Recherche und Auswahl eines Controller-ICs Entwicklung einer Platine Ansteuerung durch PC programmieren Projektmanagement, Dokumentation Aufgabe Lösung USB-Kabel Controller PC Platine M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 14

Projektablauf Sicht der Studierenden 1. Woche: Auswahl eines Controller-ICs Entwicklung der Platine 4 Wochen Zeit für Bestellung von Platine und Bauelemente 2. Woche Inbetriebnahme, Fehlersuche PC Programmierung Teilweise Redesign der Platine 4 Wochen Zeit für weitere Bestellungen 3. Woche Fertigstellung, Dokumentation Abschlusspräsentation Alle Gruppen erreichten Mindestziel M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 15

Projektablauf Sicht der Lehrenden Montag Morgens: Wochenstart Nachmittags: Beratung Klären der Vorgehensweise Dienstag, Mittwoch 1 oder 2 Termine: Beratung Klären auftretender Probleme Donnerstag Einzelgespräche mit allen Studierenden: Was haben Sie diese Woche gemacht? Welche Probleme sind aufgetreten? Was ist Ihnen aufgefallen Freitag Abschlusspräsentationen Anwesenheit an 4 von 5 Tagen sinnvoll Unterstützung von WissMit hilfreich M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 16

Organisatorische Umsetzung Projekte sind als Module (5 ECTS) im Curriculum enthalten Workload ergibt sich aus 3 Wochen á 40 Stunden Lehrende erhalten 2,4 SWS Lehrdeputat Module in Vorlesungswochen haben in Gegenzug Faktor 0,8 Veranstaltung in 12 von 15 Wochen Modul mit 2V + 2 2Ü ergeben also 6 SWS 0,8 = 4,8 SWS Lehrende können Projekte aus Ihrem Arbeitsgebiet anbieten Motivation für Beteiligung Lehrende haben gewisse Freiheit wie sie ihr Deputat erfüllen möchten Abstimmung erforderlich Studierende wählen mit Prioritäten ein Projekt Meist kann 1. oder 2. Wahl zugeteilt werden Einige Studierende erhalten jedoch auch 3. oder 4. Wahl Beliebtheit der Projekte bestimmt zukünftiges Angebot M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 17

Beispiel Matlab und Lego-Mindstorms Verpflichtendes Erstsemesterprojekt an der RWTH Aachen Studiengang Elektrotechnik, Informationstechnik, Technische Informatik Ergänzung zu Vorlesung Mathematische Methoden der Elektrotechnik Lego-Roboter wird mit Matlab programmiert Vertiefung technischer Inhalte Blockveranstaltung an mehreren Tagen Betreuung durch alle Lehrstühle der Fakultät [Quelle: Behrens] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 18

[Quelle: Linke] Beispiel Erstsemesterprojekt GPEK Modul Grundlagen des Planens, Entwerfens und Konstruierens (GPEK) an der TU Darmstadt Pflichtveranstaltung in der Studieneingangsphase verschiedener Bachelor- Studiengänge des Fachbereichs Bauingenieurwesen und Geodäsie Bauingenieurwesen und Geodäsie Wirtschaftsingenieurwesen, Fachrichtung Bauingenieurwesen Umweltingenieurwissenschaften Studierende bearbeiten in verschiedenen Fachrollen ein Projekt Raumplanung Verkehrsplanung Landmanagement Siedlungswasserwirtschaft Energie- und Ressourcen- Management Projektsteuerung Fiktives Projekt im WS 08/09: Siedlungserweiterung in Dieburg M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 19

[Bild: Linke] Wechsel zwischen Fachrolle und Projekt Studierende erhalten 1 der 6 Fachrollen Fachwissen für jede Fachrolle wird separat vermittelt ( Facharbeitstreffen ) Projekte bestehen aus 10-15 Studierenden + Tutor Je Projekt etwa 2 Studierenden je Fachrollen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 20

[Bilder: Linke] Wochenablauf Klare Strukturierung der studentischen Arbeit Semesterablauf M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 21

Organisation der Lehrveranstaltung Umfang ca. 500 Studierende ca. 35 Projektgruppen mit 13~14 Studierenden 4 Professoren, 4 wiss. Mitarbeiter/innen ca. 30 stud. Hilfskräfte (Tutoren, 2 Obertutoren) Organisation Dreitägiges Vorbereitungsseminar (Profs, WissMits, Tutoren) außerhalb der zur Vorbereitung der jeweiligen Lehrveranstaltung Wöchentlich stattfindende Tutorensitzungen Semesternachbereitung Bewerbergespräche, Mitarbeitergespräche M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 22

Beispiel Problemorientiertes Lernen Eine Gruppe (6-12 Studierende) erarbeitet sich in ca. 1 Woche ein Themengebiet Auch für Fächer in denen Vollständigkeit des Wissen erwartet wird Die spezielle Vorgehensweise, wird den Studierenden eigens erläutert Fallbeispiel aus der Physik Ein warmer Sommertag Es ist ein warmer und schwüler Sommertag. Wenn man genau hinschaut, sieht man unzählige aufsteigende Staubteilchen in der Luft. Am frühen Nachmittag bilden sich dunkle Wolken, und es wird noch schwüler. Plötzlich zuckt in der Ferne ein Blitz, gefolgt von Donner. Es regnet heftig. Ein Gewitter. [Fallbeispiel: Moust et.al., zitiert nach Scholkmann] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 23

Sieben Schritte im Problemorientiertem Lernen 1. Lesen des Falls, unklare Terminologie klären 2. Gemeinsame Beschreibung der Problemstellung 3. Brainstorming zu Hypothesen und Ideen der Problemlösung 4. Systematische Ordnung der Ideen 5. Formulierung von Lernfragen 6. Erarbeitung der Lerninhalte 7. Informationen austauschen Erste Problemanalyse Phase der Wissensaneignung Vertiefte Problemanalyse [Weber, zitiert nach Scholkmann] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 24

Vergleich der Umsetzungen Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beispiele? Wo sehen Sie Vorteile und Nachteile? Kennen Sie weitere Beispiele? M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 25

Übersicht Theorie Zielsetzung Begriffsbestimmung und Merkmale Möglichkeiten Einbindung in das Curriculum Projekte in der Studieneingangsphase Beispiele für Projektorientierte Lehre Umsetzung Prüfung projektorientierter Lehre Erfahrungen aus Evaluationen M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 26

Prüfungen bei Problemorientierter Lehre Constructive Alignment Studierende richten ihr Lernen an der Prüfung aus Problemorientierte Lehre lässt sich schwer durch eine Klausur prüfen nicht abgestimmt abgestimmt Lernziele Dozent/in Lernaktivität Studierende Lernziele Dozent/in Lernaktivität Studierende - erklären - beweisen - anwenden - wissen - beschreiben Prüfungsintelligenz - erklären - beweisen - anwenden - erklären - beweisen - anwenden Prüfung Prüfung - wissen - beschreiben - erklären - beweisen - anwenden [vgl. Biggs sowie Brabrand, Andersen] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 27

Kategorisierung von Prüfungen Zeitpunkt der Prüfung Summative Prüfung prüft Ergebnis der Lernprozesses am Ende eines Moduls Klausur, mündliche Prüfung Bei Projekten: Arbeitsergebnis, Produkt, Dokumentation Formative Prüfung ist lernbegleitend und lenkt damit den Lernprozess Semesterbegleitende Prüfung, z.b. oft bei Sprachmodulen Bei Projekten: Konzept, Arbeitsverhalten, Kommunikation im Projekt, Arbeitsergebnis Form der Bewertung benotet unbenotet Identifikation der Leistung Einzelbewertung Gruppenbewertung M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 28

Prüfungen Beurteilung des Projektergebnisses Ausarbeitung und Erörterung am Ende des Moduls Studierende legen Projektergebnis vor Werkstück Dokumentation Vortrag, Gespräch Identifikation der Einzelleistungen Nennung, wer Teilaufgaben und Teile der Dokumentation bearbeitet hat Dozent kennt Studierende aus Projektbetreuung Differenzierung im Prüfungsgespräch möglich, aber nur kurze Prüfungszeit Studierende erhalten meist einheitliche Note für Projekt Abwertung für einzelnen Studierenden bei Problemen Aufwertung für einzelnen Studierenden bei besonderen Leistungen Meist gute Noten, da Projekt bis zur Fertigstellung bearbeitet wird Studierende investieren teilweise viel Zeit in Projekt (lernen dann aber auch viel) M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 29

Prüfungen Bachelor-Projekte HS Begrenzte Zeit (3 Wochen) für Bearbeitung Studierende sollen auch Fehler in der Projektbearbeitung machen dürfen Kleine Entscheidungen können zu unterschiedlichem Erfolg führen Studierende sollen Möglichkeit zum Sammeln von Erfahrung haben Bei Benotung wird sicherer Weg gewählt Bewertung als unbenoteter Leistungsnachweis Kontrolle der aktiven Beteiligung nötig M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 30

Prüfungen Bachelor-Projekte HS (II) Kontrolle der aktiven Beteiligung Laufzettel mit Foto für jeden Studierenden Überblick über Teilnehmer Regelmäßiger Besuch im Projektraum Einzelbesprechungen in jeder Woche 5 ~ 10 Minuten: Welche Aufgabe haben Sie im Projekt? Was haben Sie diese Woche geschafft? Gelbe Karte bei Problemen angekündigt Bisher nicht eingesetzt Vorträge am Ende jeder Blockwoche Jede Woche jeweils anderer Student M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 31

Prüfungen Advanced Design Project TU Darmstadt Bewertung mit Rubrics Beurteilungsraster mit Kriterien für Bewertung Hier: Bewertung mit 0 bis 4 Punkten (0: schlecht; 4: gut) Gehört nicht zum oben genannten Erstsemesterprojekt! Punkte Schriftliche Ausarbeitung: Struktur 0 Struktur der Arbeit nicht erkennbar bzw. nicht nachvollziehbar; Umfang viel zu lang; Detailergebnisse im Text; ohne Anhang 2 Struktur vorhanden und mit Einschränkungen erkennbar; Umfang der Arbeit vertretbar; Anhang vorhanden 4 sorgfältige, überzeugende Gliederung, die Verständnis fördert und Lesen erleichtert; Konzentration auf das Wesentliche im Textteil; gut strukturierter Anhang mit Verweisen Einsatz im Master mit Gruppen zu 4-7 Studierende Bewertung kombiniert Gruppenbewertung (~70%) und Einzelbewertung (~30%) Gruppenbewertung didaktisch notwendig, denn nur dadurch entstehen die gewollten Gruppenprozesse [vgl. Glathe] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 32

[vgl. Glathe] Beurteilungsraster für Projekt Kategorie Gewicht Gruppen-/ Einzelbewertung Inhaltliche Bearbeitung 20% G Qualität der Arbeitsergebnisse 10% G Arbeitsstil 20% G / E Kooperation 10% G / E Bewertung der Reflexion 10% E Schriftliche Ausarbeitung 10% G Kolloquium / Vortrag 20% E / G Jede Kategorie hat wieder 3-6 Unterpunkte Unterkategorie Arbeitsstil Gewicht G / E Methodisches Vorgehen 4% G Einsatz von Projektmanagementmethoden 4% G Motivation für das Projekt 4% E Selbstständigkeit 4% E Zeitmanagement 4% G M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 33

Bewertung mit Rubrics Vorteile für Lehrende Gezieltes Feedback, wo noch Entwicklungsbedarf besteht Formative Prüfung Bewertung objektiver und konsistenter Prüfung durch mehrere Personen / über mehrere Semester Geringerer Zeitbedarf Vorteile für Studierende Durch Orientierung an klaren Beurteilungskriterien ist Verbesserung der Leistung möglich Studierende können sich untereinander Feedback geben. M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 34

Evaluation Bachelor-Projekte HS Befragung im 6. Semester Bewertung der Projekte aus 3., 4. und 6. Semester Ich habe sinnvolles Fachwissen gelernt 25 20 15 10 2 Jahrgänge, 63 Antworten 5 Ergebnisse (auch aus Freitextantworten) Projekte werden positiv eingeschätzt Ich habe meine Soft-Skills verbessert 0 30 25 20 15 ja teils/teils nein Teilweise Unzufriedenheit mit 10 5 Projektangebot Projektzuteilung Heterogene Bewertung, d.h. gute und schlechte Erfahrungen Mein Gesamteindruck der Projekte ist 0 35 30 25 20 15 10 ja teils/teils nein 5 0 sehr gut mittel schlecht M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 35

Evaluation Erstsemesterprojekt TU Darmstadt Lehrveranstaltung wird jedes Semester durch Studierende evaluiert Evaluationsergebnisse fliesen jeweils in die Vorbereitung des kommenden Semesters ein Die Absolventen behalten Projekt erfahrungsgemäß in guter Erinnerung und erkennen den Praxisbezug Große Bewerberzahl auf Tutorenjobs Langjährige Bewährung 1974 Modellversuch Studieneingangsprojekt PEK 1984 Pflichtveranstaltung für 1. oder 2. Semester 1989 Von Kultusministerkonferenz als vorbildlich herausgestellt 2007 Einbeziehung der Wirtschaftsingenieur-Studiengänge 2012 Einbeziehung von Humanwissenschaften 2012 Lehrpreis der TU Darmstadt für gute Lehre [Quelle: Linke] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 36

Evaluation Problemorientierte Lehre Wirksamkeitsforschung Mehrere Vergleiche von PBL-Gruppen mit Kontrollgruppen traditioneller Lehre Erwerb von Fachwissen Oft weder Überlegenheit für PBL noch für vorlesungsbasierte Lehre nachweisbar Handlungskompetenzerwerb Karriere-Entwicklung bei Mediziner/innen Höhere Selbsteinschätzungen bei den PBL-Studierenden Kein Effekt für Karriere-Entwicklung zwischen den beiden Gruppen Curriculare Effekte des Selbststudienanteils Positiver Einfluss auf Abschlusszahlen Negativer Einfluss auf Studiendauer Vorläufiges Fazit Nutzen von PBL nicht deutlich nachweisbar; PBL aber auch nicht schlechter Weitere Forschung nötig [Quelle: Scholkmann] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 37

Einführung neuer Lehrformen Acht Schritte für erfolgreiche Organisationsentwicklung 1. Richtiger Zeitpunkt Dringlichkeit durch Reakkreditierung, externe Förderung und/oder Probleme in Studiengang 2. Koalition für Entwicklung bilden 3. Ziele und Vision definieren 4. Ziele und Vision kommunizieren 5. Neue Ideen fördern 6. Erste Erfolge erzielen und kommunizieren 7. Erfolge verstetigen und weitere Entwicklungen befördern 8. Neue Ansätze institutionalisieren Berücksichtigung in Curriculum und Ordnungen [Quelle: Kotter, siehe auch Kolmos] M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 38

Fazit Definition und Unterscheidung von Projektorientierte Lehre Problemorientierte Lehre Beispiele der Umsetzung Projektorientierte Lehre ist als Weiterentwicklung vorhandener Studiengänge geeignet ( Evolution ) Zur Umsetzung Ziele herausstellen und Mitstreiter gewinnen Externe Anlässe (Reakkreditierung, Förderprogramme) können hilfreich sein Projektorientierte Lehre motiviert vermittelt Zusammenhänge und Praxisbezug macht Lernenden und Lehrenden Spaß M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 39

Literatur R. Barr, J. Tagg From teaching to learning A New Paradigm for Undergraduate Education, Change, 1995. A. Behrens et.al, MATLAB Meets LEGO Mindstorms [...], IEEE Trans. On Education, 2010. sowie: http://mindstorms.lfb.rwth-aachen.de/ J. Biggs, What the Student Does: Teaching for Enhanced Learning, Higher Education Research & Dev., 1999 C. Braband, J. Andersen, Teaching Teaching & Understanding Understanding, Kurzfilm, 2006. http://www.daimi.au.dk/~brabrand/short-film/ E. De Graaff, Problem-versus Project-Based Learning in Engineering: Antagonist or Complementary Pedagogical Approaches, VDI-Workshop, 2012. W. Derboven, G. Winker, Tausend Formeln und dahinter keine Welt [ ], Beiträge zur Hochschulforschung, 2010. A. Glathe, Die Verwendung von Rubrics zur Bewertung von Lernergebnissen, VDI-Workshop, 2012. U. Heublein, et.al. Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkömmlichen Studiengängen [ ], HIS, 2010. J. Kotter, Why transformation efforts fail, Harvard Business Review, March-April 1995. A. Kolmos, E. de Graaff, Process of changing to PBL, in: Management of Change, Sense Publishers, 2007. H.J. Linke, Tradition und Weiterentwicklung projektorientierten Studierens, VDI-Workshop, 2012. J.H.C. Moust et.al.: Problemorientiertes Lernen. Wiesbaden: UllsteinMedical, 1999. A. Scholkmann, Forschung zum Problembasierten Lernen (PBL) Empirische Befunde im internationalen Vergleich, dghd Jahrestagung, 2012. J. Wildt, Kompetenzorientiertes Prüfen - eine hochschuldidaktische Sicht, HRK-Tagung Kompetenzorientiertes Prüfen in den Ingenieurwissenschaften und in der Informatik, 2011. M. Winzker, A. Schümchen, Zeitliche Freiräume für Selbstlernphasen und Projekte, Die Neue, 2009. M. Winzker, "Semester Structure with Time Slots for Self-Learning and Project-Based Learning," IEEE EDUCON, 2012. M. Winzker, Projektorientierte Lehre Folie 40