Rechtsanwälte Dr. Konstantin Leondarakis, LL.M. & Kollegen: Stellungnahme zur möglichen Tierschutzwidrigkeit der Robbenrichtlinie



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Transkript:

Rechtsanwälte Dr. Konstantin Leondarakis, LL.M. & Kollegen: Stellungnahme zur möglichen Tierschutzwidrigkeit der Robbenrichtlinie Maßgeblich für die bestehende Problematik der Verhaltensweisen beim Auffinden von Robben ist die Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben 1 und die auf dieser Grundlage herausgegeben Merkblätter des Ministeriums 2 für die Öffentlichkeit. Es soll dazu Stellung genommen werden, ob und inwieweit sich die Richtlinie und die dazugehörigen Merkblätter als tierschutzwidrig darstellen. Dazu sollen zunächst die rechtlichen Grundlagen genannt und im Anschluss eine Stellungnahme zur Tierschutzwidrigkeit abgegeben werden. A. Rechtliche Grundlagen Die Problematik der Verhaltensweise beim Auffinden von erkrankten, geschwächten oder verlassenen Robben ist anhand einer Vielzahl von gesetzlichen Grundlagen zu bewerten. 1. Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben 3 Im Kern ist zunächst die Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben zu nennen. 4 Durch die Richtlinie soll die Pflege und Wiederauswilderung von Robben geregelt werden. 5 Dies soll nach Ziffer 1.1 der Richtlinie dadurch erreicht werden, dass die Entnahme der Tiere so gering wie möglich gehalten wird. 6 In der Richtlinie wird davon ausgegangen, dass eine Entnahme der Tiere zum Erhalt der Population nicht erforderlich sei. Auch sei die Entnahme mit Risiken verbunden, wie die mögliche Einschleppung von Krankheitserregern sowie die auf die gegen die natürliche Selektion gerichtete Wirkung/Verschlechterung des Allgemeinzustandes und der Widerstandskraft der Populationen. 7 1 Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben, Gl.-Nr.: 7921.2, Fundstelle: Amtsbl. Schl.-H. 1997, S. 500, Bekanntmachung des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 14. Oktober 1997 X 310a 5327.8852. 2 Merkblatt des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume, der Obersten Jagdbehörde und der Nationalparkverwaltung, Kiel/Tönning, Mai 2012: Rechtslage beim Fund von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Seehunden und Merkblatt des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume, der Obersten Jagdbehörde und der Nationalparkverwaltung, Kile/Tönning, Mai 2012: Rechtslage beim Fund von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Kegelrobben. 3 Richtlinie zur Behandlung von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Robben, Gl.-Nr.: 7921.2, Fundstelle: Amtsbl. Schl.-H. 1997, S. 500, Bekanntmachung des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 14. Oktober 1997 X 310a 5327.8852. 4 5 6 7 1

Daher sind gemäß Ziff. 1.2 grundsätzlich erkrankte, geschwächte und verlassene Tiere am Fundort zu belassen und den zuständigen staatlich bestellten Personen oder Institutionen oder der nächsten Polizeidienststelle zu melden. 8 Nach Ziff. 1.4 der Richtlinie dürfen die Tiere nur dann in Pflege und ggf. Aufzucht genommen werden, wenn ihr Gesundheitszustand erwarten lässt, dass sie nach angemessener Zeit ohne Gefährdung der Wildpopulation wieder ausgesetzt werden können. 9 Nach Ziff. 1.5 der Richtlinie müssen die Tiere gewisse Kriterien erfüllen, um wiederausgesetzt werden zu können. 10 Unter Ziff. 2 der Richtlinie ist die Vorgehensweise beim Auffinden der Tiere vorgegeben. So sind nach Ziff. 2.1 adulte schwerkranke Seehunde, sofern sie nicht überlebensfähig sind, entsprechend 22a Abs. 1 S. 2 Bundesjagdgesetz (BJagdG) tierschutzgerecht zu töten. 11 Andere schwerkranke Robben sollen dagegen sich selbst überlassen bleiben. Diese können getötet werden, sofern eine Ausnahmegenehmigung nach 20 f Abs. 1 i. V. m. 20 g Abs. 6 Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom Tötungsverbot erteilt wird. 12 Verlassene Jungtiere von Seehunden, die überlebensfähig sind, sollen in der Regel an ihrem Fundort belassen werden bzw. auf eine nahe gelegene Mutterbank zurückgebracht werden. Bei jungen Kegelrobben soll entsprechend verfahren werden. 13 Nicht transport- und überlebensfähige junge Seehunde können gemäß 22 a Abs. 1 S. 2 BJagdG tierschutzgerecht getötet werden. 14 2. Merkblätter des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume, der Obersten Jagdbehörde und der Nationalparkverwaltung, Mai 2012 15 Die bereits seit mehreren Jahren, immer wieder aktualisiert herausgegebenen Merkblätter stellen die Rechtslage beim Fund von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Seehunden und Kegelrobben nach Auffassung des Ministeriums dar. 16 Das Ministerium unterscheidet zwischen dem Auffinden von Seehunden und dem Auffinden von Kegelrobben. a) Rechtslage beim Auffinden von Seehunden Das Merkblatt stellt zunächst klar, dass Seehunde dem Jagdrecht und damit den Regelungen des Bundesjagdgesetzes unterliegen. 17 Danach läge das alleinige Aneignungsrecht beim 8 9 10 11 12 13 14 15 Merkblatt des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume, der Obersten Jagdbehörde und der Nationalparkverwaltung, Kiel/Tönning, Mai 2012: Rechtslage beim Fund von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Seehunden und Merkblatt des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume, der Obersten Jagdbehörde und der Nationalparkverwaltung, Kile/Tönning, Mai 2012: Rechtslage beim Fund von erkrankt, geschwächt oder verlassen aufgefundenen Kegelrobben. 16 17 2

Jagdausübungsberechtigten, hier beim Land Schleswig-Holstein, welches dieses Recht aber auf die staatlich bestellten Seehundjäger übertragen habe. 18 Das Merkblatt gibt darüber hinaus vor, dass ausschließlich die amtlich bestellten Seehundjäger über das Schicksal der Tiere zu entscheiden hätten. Andere Personen müssen nach den Angaben in dem Merkblatt unverzüglich einen Seehundjäger im Falle eines Fundes benachrichtigen. 19 Explizit wird in dem Merkblatt auch ausgeführt, dass auch Tierärzte/innen die Pflicht haben, unverzüglich einen Seehundjäger zu benachrichtigen und dem Tier nur dann helfen dürfen, wenn dies vor Ort umgehend erforderlich ist. 20 Wird der Seehund, was ebenfalls nur im Ausnahmefall zulässig sein soll, in eine Tierarztpraxis verbracht, so muss ohne Verzögerung innerhalb von 24 Stunden das Tier an die Seehundstation Friedrichskoog weitergegeben werden. 21 Ein Seehundjäger kann nach den Angaben des Ministeriums die Herausgabe des Tieres verlangen, wobei er unmittelbaren Zwang nicht anwenden darf. 22 b) Rechtslage beim Auffinden von Kegelrobben Kegelrobben unterliegen nicht dem Bundesjagdgesetz. Daher gelten abweichende Vorschriften. Kegelrobben stellen indes eine besonders geschützte Art dar und unterliegen damit den besonderen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes. 23 In seinem Merkblatt weist das zuständige Ministerium darauf hin, dass es gemäß 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG grundsätzlich verboten sei, Kegelrobben in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen. 24 Verletzte, hilflose oder kranke Tiere dürfen aufgenommen werden, um sie gesund zu pflegen, sofern die spezielle artgerechte Pflege gewährleistet ist. 25 In dem Merkblatt weist das Ministerium weiter darauf hin, dass aufgrund der Geltung der oben genannten Richtlinie Seehundjäger auch für Kegelrobben zuständig sind und dass die Seehundstation Friedrichskoog Kegelrobben aufnehmen darf. 26 3. Bundesjagdgesetz Dem Bundesjagdgesetz unterliegt zunächst ausschließlich die Situation des Auffindens von Seehunden, denn nur bei diesen handelt es sich um eine Tierart, die gemäß 2 BJagdG dem Jagdrecht überhaupt unterliegt. 18 19 20 21 22 23 24 25 26 3

Das Recht zur Aneignung des Tieres unterliegt nach 1 Abs. 1, Abs. 5 BJagdG ausschließlich dem Inhaber des Jagdrechts. Nach Abs. 5 des 1 BJagdG umfasst das Jagdrecht auch die ausschließliche Befugnis, sich krankes oder verendetes Wild anzueignen. Seehunde dürfen nach dem Bundesjagdgesetz ausschließlich dann getötet werden, wenn diese schwerkrank und nicht überlebensfähig sind, 22a Abs. 1 BJagdG. 4. Bundesnaturschutzgesetz Bezüglich der Behandlung von aufgefundenen Kegelrobben ist das Bundesnaturschutzgesetz die maßgebliche Vorschrift. Nach 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, besonders geschützte Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen. 45 Abs. 5 BNatSchG normiert abweichend dazu, dass es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften zulässig ist, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbstständig erhalten können. Da die Kegelrobben dem Jagdrecht nicht unterliegen, können Kegelrobben daher nach unserer Auffassung vorrübergehend aufgenommen werden. B. Betrachtung der Richtlinie und den Merkblättern unter dem geltenden Tierschutzgesetz Verschiedene Regelungen der Richtlinie und insbesondere die auferlegten Verhaltensweisen in den Merkblättern dürften nach unserer Auffassung tierschutzwidrig sein. Hier kollidieren die Vorgaben des Tierschutzgesetzes mit den Vorgaben aus Jagd- und Naturschutzrecht. Grundsätzlich beziehen sich die Vorgaben aus der hier untersuchten Richtlinie und den auf der Richtlinie basierenden Merkblättern an den oben genannten gesetzlichen Vorgaben aus dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesjagdgesetz. Bei der Richtlinie handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die allein als Auslegungs-, Ermessens- und Anwendungsrichtlinie für die Behörden und Dienststellen der Länder dient. Dies ist auch der Präambel der Richtlinie zu entnehmen. Diese Richtlinie entfaltet daher keine unmittelbare Außenwirkung. Es handelt sich vielmehr um eine Handlungsanweisung an die von der Problematik betroffenen Behörden und Dienststellen. Diese Anweisungen betreffen daher nicht unmittelbar die Auffang- und Pflegestationen. Über die herausgegebenen Merkblätter ist im Ergebnis die Öffentlichkeit zur Einhaltung der Richtlinie aufgefordert. 4

Allerdings beziehen die Ausführungen des Ministeriums insbesondere auch unter Berücksichtigung des Art. 20a GG die Vorgaben des Tierschutzgesetzes nicht ausreichend bzw. überhaupt nicht ein. Nach 1 des Tierschutzgesetzes ist jedes einzelne Tier um seiner selbst willen zu schützen. 27 1 des Tierschutzgesetzes normiert weiter in Satz 2, dass niemand ein Tier ohne vernünftigen Grund töten darf. Nach 17 TierSchG wird darüber hinaus bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet. Die Tötung eines Tieres kann durch spezielle Gesetze gerechtfertigt sein. Solche speziellen Gesetze sind unter anderem das auch bei dieser Problematik einschlägige Naturschutzgesetz und auch das Jagdrecht. 28 Spätestens seit der Einführung des Staatszieles Tierschutz in Art. 20a GG müssen diese Gesetze nunmehr verfassungsgemäß im Sinne des Tierschutzes ausgelegt werden. Bei derartigen Konflikten, wie sie dieser Stellungnahme zugrunde liegen, muss daher eine Abwägung und ein gerechter Ausgleich zwischen den Belangen des Tierschutzes und den menschlichen Interessen erfolgen. 29 Die Tötung eines Tieres darf nur dann erfolgen, soweit höherrangige Belange dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen, mithin geeignet, erforderlich und angemessen sind. 30 Die Vorschriften des Tierschutzgesetzes werden nicht durch das Bundesjagdgesetz überlagert. Dies ergibt sich auch bereits aus 44a BJagdG. Eine Tötung darf daher nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und unter einer den oben genannten Vorgaben entsprechenden Abwägung erfolgen. Verstößt der nach Jagdrecht Handelnde gegen eine im Lichte des Art. 20a GG ausgelegte Vorschrift des Bundesjagdgesetzes, fehlt es an einem vernünftigen Grund i. S. d. Tierschutzgesetzes. Seehunde sind auch nicht jagbar, denn sie befinden sich ganzjährig in Schonzeit. Eine Tötung des Tieres darf daher nur aus einem wichtigen Grund erfolgen, der allein darin gesehen werden kann, dass das Tier unter keinen Umständen, auch mit menschlicher, insbesondere tierärztlicher Hilfe, nicht überlebensfähig ist. Die Tötung von Kegelrobben nach dem Bundesnaturschutzgesetz wäre nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. 27 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 1, Rn. 2. 28 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 17, Rn. 5. 29 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 17, Rn. 5. 30 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 1, Rn. 35. 5

Diese liegen nach unserer Auffassung eindeutig nicht vor, sodass eine Tötung der Tiere, sofern die Möglichkeit besteht, dass diese durch eine Behandlung überlebensfähig wären, nach unserer Auffassung nicht in Betracht kommen dürfte. Soweit die Richtlinie unter Ziff. 1.2 ausführt, dass erkrankte, geschwächte und verlassene Robben am Fundort zu belassen sind, so dürfte dies nach unserer Auffassung ebenfalls ein tierschutzwidriges Verhalten darstellen, das auch weder durch das Bundesjagdgesetz noch durch das Bundesnaturschutzgesetz gerechtfertigt sein dürfte. Nach 1 S. 2 des Tierschutzgesetzes darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Insbesondere dürfte dies im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sich zumindest als nicht erforderlich darstellen. Den meisten Tieren können durch eine tierärztliche Versorgung Schmerzen und Leiden erspart werden. Dies kann letztlich, was jedoch in jedem Einzelfall zu betrachten ist, als Töten durch Unterlassen i. S. d. 17 TierSchG qualifiziert werden. Nach dem Bundesjagdgesetz unterliegt der Jäger bzw. der Jagdberechtigte grundsätzlich einer Garantenpflicht. Dies ergibt sich aus 22 a Abs. 1 BJagdG für den Jäger bzw. den Jagdberechtigten. Unmittelbar regelt diese Vorschrift ausschließlich, dass schwerkrankes Wild zu erlegen ist, es sei denn, dass es genügt, es zu fangen und zu versorgen. Zum notwendigen Unterlassen zählt auch das Nichteinschalten eines Tierarztes, sofern dies erforderlich ist. 31 Im Einzelfall kann ein Belassen der Tiere am Fundort nach unserer Auffassung als strafrechtlich relevantes Unterlassen gewertet werden. Insgesamt könnte daher unter Betrachtung des Tierschutzgesetzes, insbesondere im Licht des Art. 20a GG, die Richtlinie und die Merkblätter nach unserer Auffassung insoweit als tierschutzwidrig bezeichnet werden, als dass dort aufgegeben wird, die Tiere am Fundort zu belassen. Insbesondere ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass selbst im Fall einer unverzüglichen Benachrichtigung ein Seehundjäger sich nicht immer direkt auf den Weg zum Tier begeben kann. Darüber hinaus dürften nach unserer Auffassung auch die weiteren Regelungen der Merkblätter insoweit tierschutzwidrig sein, als dass Tierärzten dort auferlegt wird, einen Seehund ohne Verzögerung innerhalb von 24 Stunden an die zuständige Einrichtung abzugeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tiere ggf. innerhalb von 24 Stunden keinesfalls transportfähig sind oder auch die erlaubte Erstversorgung der Tiere noch andauert. 31 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 17, Rn. 3. 6

Eine so starr festgelegte Grenze ist nicht tierschutzgerecht. Die in der Richtlinie und in den dazugehörigen Merkblättern festgelegten Verhaltensvorschriften sind daher an die aktuelle tierschutzrechtliche Situation anzupassen. Bereits im Jahr 2004 wurden verschiedene konkrete Verbesserungsvorschläge für die Richtlinie dem Landesamt für den Nationalpark zugeleitet. So wurde unter anderem vorgeschlagen, bereits die Grundsätze in der Präambel dahingehend zu ändern, dass die Maßnahmen nicht nur auf den Erhalt der Population, sondern darüber hinaus vor allem auf den Schutz des einzelnen Tieres gerichtet sein müssen. Die Maßnahme, eine Entnahme von erkrankten Tieren so gering wie möglich zu halten, entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben des Tierschutzgesetzes und ist damit nach unserer Auffassung tierschutzwidrig. Weiter wurde vorgeschlagen, die Tiere, die ohne menschliche Hilfe versterben würden, unverzüglich in Pflege und tierärztliche Behandlung aufzunehmen. Allein ein solches Verhalten dürfte nach unserer Auffassung tierschutzgerecht sein. Im Ergebnis sind die Richtlinie und die dazugehörigen Merkblätter nach unserer Auffassung nicht mit den Regelungen des Tierschutzgesetzes in Einklang zu bringen und damit teilweise tierschutzwidrig. 7