Nachteile von Schiedsverfahren



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BGH-Urteil vom

Transkript:

Garbe-Emden Nachteile von Schiedsverfahren Nachteile von Schiedsverfahren von Rechtsanwalt Joachim Garbe-Emden, Berlin Die Dauer gerichtlicher Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten wird seit Langem beklagt und ist der wichtigste Anlass für die Vereinbarung von Schieds- und Schiedsgerichtsverfahren. Insbesondere die Bauwirtschaft verfügt seit Jahren über Institutionen, die Schiedsverfahren fördern, Verfahrensordnungen und Schiedsrichter bereitstellen. 1 Hervorgehoben sei die SGO Bau, die Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen, zu der auch eine Kommentierung erschienen ist. 2 Der Anteil der Schiedsverfahren in baurechtlichen Auseinandersetzungen nimmt zu. Das ist statistisch belegbar und entspricht der praktischen Erfahrung. Die häufige Befassung mit Schieds- und Schiedsgerichtsverfahren bringt aber auch deren Nachteile im Vergleich zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zu Tage. Wenn diese Nachteile im Fokus der nachfolgenden Erörterung steht, dann möge das nicht als Gegenrede gegen Schiedsverfahren missverstanden werden. Vielmehr gilt es darum, Probleme frühzeitig zu erkennen und die Erfahrung für die Handhabung des Schiedsinstruments zu nutzen. A. Streit um die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen Gerichtlicher Rechtsschutz wird gewährt. Anders Schiedsvereinbarungen, die zunächst wirksam vereinbart werden müssen. Solche Vereinbarungen sind wie andere bauvertragliche Klausel auch von dem Risiko betroffen, nicht wirksam in den Bauvertrag einbezogen worden zu sein bzw. wegen inhaltlicher Mängel nichtig zu sein. I. Reichweite von Schiedsvereinbarungen Schiedsvereinbarungen müssen nicht umfassend sein. Die Parteien können sich darauf beschränken nur einzelne Rechtsansprüche oder sogar einzelne Tatbestandsvoraussetzungen eines Rechtsanspruches, wie z.b. das Bestehen eines Sachmangels einem Schiedsverfahren zuzuweisen. Je geringer die Reichweite der Schiedsvereinbarung ausfällt, desto schwieriger wird die Klärung der Befugnisse des Schiedsgerichts. Dies betrifft namentlich die kleinen Schiedsverfahren, das heißt die Schiedsgutachterverfahren. Beliebt sind Schiedsgutachtervereinbarungen, wonach ein notfalls von der örtlichen IHK zu benennender Schiedsgutachter verbindliche Feststellungen zu Baumängeln treffen soll. Für Fertighausverträge hat der BGH eine vergleichbare Klausel in AGB bereits als unangemessene Benachteiligung des Käufers bewertet. 3 Die Schiedsgutachterabrede sollte demgemäß entweder als gesonderte Vereinbarung (s.u.) gefasst oder im Bauträgervertrag notariell beurkundet werden. Ist der Schiedsgutachter, der zur Mängelfeststellung berufen ist und tätig wird, befugt, mit abschließender Wirkung die Ansprüche der Baubeteiligten wegen Baumängeln festzustellen? Nein, diese Befugnis hat nur das Gericht, sei es das ordentliche oder ein Schiedsgericht. Umfasst die Befugnis zur Mängelfeststellung auch die Wertung durch den Gutachter, ein Mangel sei wegen rügeloser Abnahme nicht zu berücksichtigen? Wohl nein, da es sich nicht um eine tatsächliche, sondern eine rechtliche Feststellung handelt. Umfasst die Befugnis zur Mängelfeststellung die Befugnis zur Feststellung des Bausolls, das heißt zur auch rechtlichen Würdigung der Vereinbarungen oder darf der Schiedsgutachter nur Abweichungen von der sach- und fachgerechten Ausführung feststellen? Eine rechtliche Würdigung des Bausolls ist dem Gutachter versagt. Streiten die Parteien über das Bausoll, kann der Gutachter nur den Ist-Zustand und die Abweichung von technischen Regeln feststellen. II. Formerfordernisse Da es hier immerhin um die Beschneidung des grundrechtlich geschützten Justizgewährungsanspruches geht, sollten strenge Formerfordernisse zu erwarten sein. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Für Schiedsverfahren lässt 1031 ZPO neben beiderseits gezeichneten Dokumenten auch Schriftverkehr, Fernkopie oder jede andere Form der Nachrichtenübermittlung zu, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellt, zu. Das Das ist für moderne Medien bewusst offen formuliert und dürfte auch E-Mail-Korrespondenz ausreichen las- 1 Siehe etwa www.arge-baurecht.de; www.arge-bauschlichtung.de; www.dekra.de; www.vd-bw.de; www.ihk.brandenburg.de. 2 Kommentar zur Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen, Edition Bauverlag, 2. Aufl. 2002. 3 BGH, Urteil v. 10.10.1991 VII ZR 2/91, NJW 1992, 433. BauR 7 2012 1035

Garbe-Emden Nachteile von Schiedsverfahren sen. 4 Lediglich für Verbraucher gelten gemäß 1031 Abs. 5 ZPO verschärfte Einbeziehungsbestimmungen. Sondert man, wie es die herrschende Meinung tut, Schiedsgutachterverfahren aus dem Bereich der eigentlichen Schiedsverfahren aus 5, entfielen insoweit sogar jegliche Formerfordernisse. Dies senkt die Schwelle zum Schiedsverfahren, befördert aber gleichzeitig Streit über den Vertragsinhalt. III. Verbraucherverträge Besondere Sorgfalt ist bei der Einbeziehung von Schiedsgerichtsverfahren in Verbraucherverträge geboten. Zunächst fordert 1031 Abs.5 ZPO eine gesonderte Urkunde oder eine notarielle Vereinbarung. Damit wird zunächst deutlich, dass Schiedsvereinbarungen in Verbraucherverträgen nicht generell unzulässig sind. 6 Der EuGH hatte schon mehrfach Gelegenheit sich mit Schiedsvereinbarungen in Verbraucherverträgen auseinanderzusetzen. 7 Dabei überlässt es der EuGH den nationalen Gerichten, festzustellen, ob eine für Verbraucher missbräuchliche Klausel im Sinne der (Verbraucher-) Klauselrichtlinie 93/13/EWG vorliegt. Der klassische Fall der missbräuchlichen Schiedsgutachterklausel ist die Einsetzung eines im Lager des Bauunternehmers stehenden Schiedsgutachters. 8 Verbraucherfreundlich, aber misslich im Sinne der Rechtssicherheit: Die etwaige verbraucherrechtliche Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ist auch ohne vorherige Rüge des Verbrauchers von AmtswegennochimnachfolgendenVollstreckbarkeitsverfahren zu prüfen. Auch eine Klausel, wonach das Schiedsgericht abschließend über seine Zuständigkeit befindet (sog. Kompetenz-Kompetenz-Klausel) schließt die ordentlichen Gerichte nicht davon aus, über die Schiedseinrede des Verbrauchersselbstzuentscheiden. 9 IV. Rüge der Unzuständigkeit Die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts muss abgesehen von Verbraucherverträgen spätestens mit der Klageerwiderung im Schiedsverfahren vorgebracht werden, 1040 Abs.2 ZPO. Bejaht das Schiedsgericht seine Zuständigkeit, soll es einen Zwischenbescheid erlassen, gegen den die gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann, 1040 Abs. 2 ZPO. Derweil darf das Schiedsverfahren weiter geführt werden, 1040 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Damit kann es bereits in der Anfangsphase dazu kommen, dass zwei Prozesse parallel geführt werden. 1036 Die Möglichkeit, das Schiedsverfahren während des anhängigen Verfahrens bei dem OLG weiterzuführen, beschleunigt die Verfahrenserledigung, bedeutet aber auch, dass der Schiedsspruch unwirksam wird, wenn das OLG eine gültige Schiedsvereinbarung verneint. Die Fortführung des Schiedsverfahrens macht daher nur bei recht eindeutiger Prognose Sinn. Verneint das Schiedsgericht seine Zuständigkeit, empfiehlt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes an Stelle des Zwischenbescheids die Zurückweisung der Schiedsklage als unzulässig, und zwar durch Prozessschiedsspruch 10.DieserProzessschiedsspruch wärenurbei einem schwerwiegenden Verfahrensverstoß anfechtbar, 1059 ZPO. Ein negativer Zwischenbescheid dürfte hingegen zur Fortsetzung des Schiedsverfahrens führen, wenn das OLG die Schiedsvereinbarung für gültig erklärt. 11 Gegen die Entscheidung des OLG zur Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist findet die Rechtsbeschwerde zum BGH statt, 1065 Abs. 1 ZPO. B. Verzögerungen bei Durchführung von Schiedsverfahren Nicht selten stößt die Einleitung eines Schiedsverfahrens bei der anderen Vertragspartei auf wenig Begeisterung, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen mag, sei es die Pflicht zur vollständigen Vergütung, sei es die vertragsgemäße Fertigstellung. Dieser Missmut findet gerne seinen Ausdruck in der verzögerten oder ausbleibenden Mitwirkung bei der Konstituierung des Schiedsgerichts. Auf Auswahlvorschläge für einen Schiedsrichter wird nicht geantwortet, der von der anderen Vertragspartei zu berufende Schiedsrichter nicht benannt oder der anteilige Kostenvorschuss nicht 4 MünchKomm.-Münch, Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, 1031 Rdnr.30. 5 MünchKomm.-Gottwald,BGB,5.Aufl.2007, 317BGB Rdnr.43. 6 A.A. Thode, DNotZ 2007, 404f. 7 EuGH Urteil v. 26.10.2006 C 168/05, NJW 2007, 135; Urteil v. 06.10.2009 C-40/08, EuZW 2009, 852. 8 Acker/Konopka, SchiedsgutachtenimBau-undAnlagenbauvertrag: Grenzen und Möglichkeiten, SchiedsVZ 2003, 256. 9 BGH, Urteil v. 13.01.2005 III ZR 265/03, DnotZ 2005, 666f. 10 BGH, Beschluss v. 06.06.2002 III ZB 44/01, NJW 2002, 3031; MünchKomm.-Münch, Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, 1040 Rdnr.29-30. 11 Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, 1040 Rdnr.10a. BauR 7 2012

Garbe-Emden Nachteile von Schiedsverfahren entrichtet. Ein anschauliches Bild der Obstruktionsmöglichkeiten bietet die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.11.2007. 12 Für die unterlassene Mitwirkung bei der Bestellung des Schiedsgerichts sehen die gebräuchlichen Schiedsordnungen passende Sanktionen vor, in der Regel den Verlust des Benennungsrechtes, so etwa 8 Abs. 4 SGO-Bau oder 12 Nr.1 SO-DIS.Die unterlassene Einzahlung einer Kostenbeteiligung bei Einleitung des Schiedsverfahren bleibt hingegen sanktionslos. Will der Schiedskläger vermeiden, dass das Verfahren mangels vollständiger Einzahlung des Kostenvorschusses nicht beginnt oder nicht fortgeführt wird, muss er in Vorlage treten. Eine titulierbare Einzahlungsverpflichtung wäre wünschenswert, ist aber in den gebräuchlichen Schiedsordnungen nicht vorgesehen. C. Parteiliche Schiedsrichter ein gerichtsbekanntes Phänomen Soweit Schiedsordnungen ein aus drei Mitgliedern bestehendes Gericht vorsehen, wird zumeist jeder Vertragsseite das Recht zur Benennung eines Schiedsrichters zugewiesen. Leider missverstehen so benannte Schiedsrichter mitunter ihre Aufgabe und verstehen sich als verlängerter Arm der Partei, diesiebenannthat,soderbghausdrücklich schon 1972. 13 Die Verzögerung durch den parteiischen Schiedsrichter beginnt mit der Fortsetzung der Taktik der verzögerten Mitwirkung im Schiedsverfahren selbst und findet seinen Abschluss in der fehlenden Bereitschaft, die rechtlich gebotene Entscheidung mitzutragen. sich der Betroffene nicht zufrieden geben. Er kann nach 1037 ZPO eine Überprüfung durch die das nach 1062 Abs.1 Nr.1 zuständige Oberlandesgericht herbeiführen. Das Schiedsverfahren kann derweil weiterlaufen, jedoch ist der Schiedsspruch nichtig, wenn das Befangenheitsgesuch durchdringt. Jenseits der Befangenheitsthematik obliegt es im Dreierkollegium, dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts für eine sachgerechte Leitung des Verfahrens zu sorgen (siehe etwa 13 Abs. 5-8 SGO-Bau). Er führt den Schriftverkehr, beraumt Termine an, lädt und setzt Fristen und trifft die zur Beschleunigung notwendigen Anordnungen. Die ausstehende Mitwirkung eines Beisitzers muss daher nachhaltige Verzögerungen nicht verursachen. Hier ist in besonderem Maße die Führungsqualität des Schiedsgerichtsvorsitzenden geboten. D. Keine Streitverkündung im Schiedsverfahren Ein schwerwiegendes Problem stellt die fehlende Möglichkeit zur Streitverkündung dar. Die zivilprozessualen Regeln der Streitverkündung finden auf das Schiedsgerichtsverfahren keine Anwendung. 17 Subunternehmer wie Bürgen bindet der Schiedsspruch nicht Dieses Problem kann nur gelöst werden, wenn bereits in der Phase der Vertragsanbahnung durch Abschluss von Schiedsvereinbarungen mit Subunternehmern und Bürgen gewährleistet wird, dass ein Schiedsspruch auch für diese Beteiligten wirkt. Bei den tief gestaffelten Leistungsverhältnissen bis hin zum Materiallieferanten ist aber die Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf alle Beteiligten unrealistisch. Zulässig ist die Streitverkündung allerdings auch gegenüber Vertragspartnern, mit denen eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wurde. Klagt also der Subunternehmer vor dem ordentlichen Gericht auf Vergütung, kann dem Hauptauftraggeber trotz Bestehens einer Schiedsvereinbarung mit diesem 12 Beschluss v. 15.11.2007 1 SchH 4/07, BeckRs 2009, 13147. 13 BGH, Urteil v. 28.02.1972 II ZR 151/69, NJW 1972, 827. Die Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Befangenheit ist auch im Schiedsgerichtsverfahren möglich,sieheetwa 9SGO-Bau,18SO-DIS. 9 SGO-Bau verpflichtet den benannten Schiedsrichter selbst, etwaige Umstände offen zu legen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können. Dabei sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Unparteilichkeit des Schiedsrichters keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die des gesetzli- Die aktuelle anwaltliche Tätigkeit für die benennende Seite begründet die Parteilichkeit. 15 Die frühere anwaltliche Tätigkeit soll dagegen nach einer Entscheidung des OLG Hamburg für sich genommen noch keine Befangenheit begründen. 16 Mit der Zurückweisung eines Befangenheitsantrages durch das Schiedsgericht muss chen Richters. 14 14 BGH, Urteil v. 28.02.1972 II ZR 151/69, NJW 1972, 827. 15 OLG Bremen, Beschluss v. 24.05.2006 2 Sch 2/06, NJW- RR 2007, 968. 16 HanseatischesOLGHamburg,Beschlussv.11.03.2003 6Sch H 03/02, SchiedsVZ 2003, 191. 17 Für viele: Elsing, Streitverkündung und Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2004, 88ff. BauR 7 2012 1037

Garbe-Emden Nachteile von Schiedsverfahren der Streit verkündet und die Nebeninterventionswirkung nach 68 ZPO herbeigeführt muss diese in einem späteren Schiedsgerichtsverfahren beachtet werden. 18 E. Beschränkung der Zeugenvernehmung im Schiedsverfahren Das Schiedsgericht entbehrt jeder Befugnis zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen gegenüber Dritten, seien es Zeugen oder Sachverständige. Für die Ladung der Zeugen sind alleine die Parteien zuständig. Das Erscheinen früherer Mitarbeiter, vertraglich nicht gebundener Dritter oder gar von Personen aus dem Lager der Gegenseite können sie nicht erzwingen. Was wenig bekannt ist: In Betracht kommt die Inanspruchnahme von Amtshilfe durch die ordentliche Gerichtsbarkeit, 1050 ZPO. Voraussetzung ist allein, dass zur Rechtsfindung eine Unterstützung bei der Beweisaufnahme oder die Vornahme einer sonstigen richterlichen Handlung geboten ist, zu der das Schiedsgericht nicht befugt ist. Kommt es also auf den Zeugen an und erscheint er freiwillig nicht, darf und muss spätestens auf Antrag der beweisbelasteten Partei das Schiedsgericht Amtshilfe durch das für den Wohnsitz des Zeugen gemäß 1062 Abs.4 ZPO örtlich zuständige Amtsgericht in Anspruch nehmen. 19 Mangels gesetzlicher Befugnisse können Schiedsgerichte auch keine Eide abnehmen. Denkbar ist allenfalls die freiwillige eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Zeugenaussage. Jenseits dessen stellt sich die Frage, obdenzeugenvordemschiedsgerichtüberhaupt eine Wahrheitspflicht trifft. Zwar steht die uneidliche Falschaussage als solche anders als im Zivilprozess nicht unter Strafe, gleichwohl ist die Falschaussage des Zeugen im Schiedsverfahren geeignet, ihn dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, insbesondere wegen Beihilfe zum Prozessbetrug. Darauf mag auch hingewiesen werden. Beantragt eine Partei die Vereidigung eines Zeugen, so kommt auch insoweit Amtshilfe in Betracht. 20 Möglicherweise hilft mitunter der Hinweis auf die zulässige Amtshilfe. F. Durchsetzung von Schiedssprüchen erfordert gesondertes Verfahren Schiedsgerichtsordnungen sehen keinen Instanzenweg vor. Doch der Schein trügt: 1059 ZPO lässt den Aufhebungsantrag vor dem Oberlandesgericht 1038 zu. Schiedssprüche können hiernach insbesondere aufgehoben werden, wenn der Anspruch auf rechtlichesgehörnichterfülltwurde,dasgerichtdie Grenzen seiner Befugnisse überschritten oder den ordre public verletzt hat. Schiedssprüche erlangen weiter nur im Wege der Vollstreckbarkeitserklärung durch ein ordentliches Gericht Titelkraft, 1060 ZPO. Diese gesonderten Verfahren sind ein Einfallstor für die Erhebung von Einwendungen des Unterlegenen, mit denen dieser schon im Schiedsverfahren nicht durchdringen konnte. Im Vordergrund steht der Einwand der unzureichendengewährungrechtlichengehörs.dasbirgtin der Tat Risikopotential, zumal Schiedsgerichte nicht immer über die den Prozessgerichten eignende Erfahrung mit der geordneten Verfahrensdurchführung verfügen. Auf den Nachweis der Zustellung prozessleitender Verfügungen wird nicht immer geachtet. Eine gewisse Kompensation erfährt dies durch die recht stringente Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit von Schiedssprüchen. Hier wird klar die Linie verfolgt, dass nur wirklich grobe Verfahrensfehler des Schiedsgerichts, die sich nachweislich auswirken, zur Unwirksamkeit des Schiedsspruches führen. 21 Das hindert Schiedsbeklagte aber nicht daran, im Anschluss an das Schiedsverfahren alle Instanzen des Zivilprozesses auszuschöpfen, um sich dem Schiedsspruch zu entziehen. G. Schiedsverfahren und Insolvenz Schiedsverfahren werden durch die Insolvenz einer Vertragspartei nicht unterbrochen. 22 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das Schiedsverfahren bedeutungslos ist. Liegt bereits eine Entscheidung des Schiedsgerichts vor, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat der Schiedsspruch die gleiche Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil. Die Rechte des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung setzen sich jedoch auch gegenüber der Schiedsvereinba- 18 OLG Hamburg, Beschluss v. 17.01.2002 6 Sch 7/01, LSK 2002, 280405; Bartels, TranspR 2002, 19. 19 Wirth/Hoffmann-Nowotny, Rechtshilfe deutscher Gerichte zugunsten ausländischer Schiedsgerichte bei der Beweisaufnahme ein Erfahrungsbericht, SchiedsVZ 2005, 66ff. 20 Sänger, in: Sänger, Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2011, ZPO 1050 Rdnr.1. 21 MünchKomm.-Münch, Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, Rdnr.33. 22 So schon RGZ 62, 24. BauR 7 2012

Uechtritz Seveso II im Baugenehmigungsverfahren: Herausforderungen rung durch. Dies hat der Bundesgerichtshof zuletzt 2011 klargestellt. 23 Der Insolvenzverwalter kann also insbesondere sein Anfechtungsrecht und das Sonderkündigungsrecht nach 103 InsO ausüben. Will er Forderungen einklagen, muss er die Schiedsvereinbarung beachten. Vorsicht kann geboten sein, wenn der Beklagte erkennbar mittellos ist (aber wer klagt dann noch?): Die im Prozess vor dem staatlichen Gericht erhobene Schiedseinrede des Beklagten ist nach Rechtsprechung des BGH unbegründet, wenn wegen Mittellosigkeit des Klägers feststeht, dass die Schiedsvereinbarung undurchführbar ist. 24 Der im ordentlichen wie im Schiedsgerichtsverfahren nicht seltene Vermögensverfall des Schiedsbekalgten stellt hingegen kein Grund dar, die Inanspruchnahme des Schiedsgerichts zu vereiteln. H. Zurück zum Zivilprozess? Die wirksame Schiedsvereinbarung entzieht den beteiligten Parteien die Möglichkeit, sich einseitig für die Abstandnahme vom Schiedsverfahren zu entscheiden. Für die einvernehmliche Aufhebung der Schiedsvereinbarung bestehen hingegen keine formellen Hindernisse. Namentlich derjenige, der die Unwirksamkeit oder Treuwidrigkeit der Schiedsvereinbarung rügt, kann sich dem Angebot auf Aufhebung der Schiedsvereinbarung schwerlich entziehen und sollte im nachfolgenden Prozess mit der Schiedseinrede nicht gehört werden. Umgekehrt ist die Berufung auf eine fehlende Schiedsvereinbarung treuwidrig, wenn sich die Partei vorprozessual auf eine Schiedsvereinbarung beruft und dadurch die Schiedsklage veranlasst. 25 I. Zusammenfassung Schiedsvereinbarungen erweisen sich dort als vorteilhaft, wo zwei Parteien ihren Streit zügigen beilegen wollen. Sind dagegen diverse Leistungsträger beteiligt und muss damit gerechnet werden, dass einzelne Beteiligte im Streitfall zu einer konstruktiven Klärung nicht bereit sind, kann die Entscheidung für ein Schiedsgericht Verzögerungen und Mehrkosten bewirken. Auf die eindeutige Einbeziehung der Schiedsvereinbarung ist besonders zu achten. Die Möglichkeit der Amtshilfe durch die ordentliche Gerichtsbarkeit sollte in Anspruch genommen werden. 23 BGH, Urteil v. 30.06.2011 III ZB 59/10, SchiedsVZ 2011, 281ff. 24 BGH, Urteil v. 14.09.2000 III ZR 33/00, NJW 2000, 3720. 25 BGH, WM 87, 1084. Seveso II im Baugenehmigungsverfahren: Herausforderungen für die Bauaufsichtsbehörden und die gerichtliche Kontrolle vonrechtsanwaltundfachanwaltfürverwaltungsrechtprof.dr.michaeluechtritz,stuttgart Art.12 Abs.1 der Richtlinie 96/82/EG, in der Änderung durch die Richtlinie 2003/105/EG, der so genannten Seveso II-Richtlinie, verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung sowie in den Verfahren für die Durchführung dieser Politiken langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass zwischen den unter die Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und zwischen bestimmten, in der Richtlinie genannten Schutzobjekten andererseits, ein angemessener Abstand gewahrt bleibt. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung öffentlich genutztergebäude(diezudenvondersevesoii- Richtlinie erfassten Schutzobjekten zählen) in der Nachbarschaft von Betrieben 1,diedenAnforderungen der Richtlinie unterfallen (im Folgenden: Störfallbetriebe ), bereitet Schwierigkeiten. Spä- 1 Betrieb ist nach Art.3 Nr.1 der Seveso II-Richtlinie der gesamte unter Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe in einer oder in mehreren Anlagen, einschließlich gemeinsamer und verbundener Infrastrukturen und Tätigkeiten verbunden sind; 3 Abs. 5a BImSchG verwendet den Begriff Betriebsbereich. In Deutschland gibt es ca. 2000 Betriebsbereiche in diesem Sinne. BauR 7 2012 1039