Handbuch der Vermögensverwaltung



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Transkript:

Handbuch der Vermögensverwaltung von Dr. Peter Balzer, Maxi Eberhardt, Dr. Jürgen Ellenberger, Dr. Daniel J. Fischer, Andreas Otto Kühne, Dr. Volker Lang, Hartmut Renz, Ulrich Rieck, Julia-Christine Rippel, Prof. Dr. Frank A. Schäfer, Dr. Ulrike A. Schäfer, Prof. Dr. Rolf Sethe, Prof. Dr. Andreas Söffing, Dr. Katrin Thoma 1. Auflage Handbuch der Vermögensverwaltung Balzer / Eberhardt / Ellenberger / et al. schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Bank- und Börsenrecht Verlag C.H. Beck München 2012 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 406 59680 3 Inhaltsverzeichnis: Handbuch der Vermögensverwaltung Balzer / Eberhardt / Ellenberger / et al.

beck-shop.de 4 Aufsichtsrecht der Vermögensverwaltung 248 250 4 zivilrechtliche Sanktionen auslösen. In der Praxis sind zwei Konstellationen häufig anzutreffen. (1) Erbringt der Vermögensverwalter seine Leistung ohne Zulassung, ergeben sich die oben Rn. 111, 114 ff. geschilderten Rechtsfolgen. (2) Verstößt der (mit Zulassung tätige) Vermögensverwalter gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben, stellt sich aus Sicht des geschädigten Anlegers die Frage, ob dieser Verstoß zur Nichtigkeit des Vertrags führt (Rn. 262 ff.), eine Vertragsverletzung darstellt (Rn. 266 ff.) oder eine deliktische Haftung auslöst (Rn. 269 ff.). Vor einer Beantwortung dieser Fragen ist zunächst das Verhältnis von Aufsichtsrecht zu Vertragsrecht zu klären (Rn. 248 ff.). b) Das Verhältnis von Aufsichtsrecht und Vertra gsrecht. aa) Überblick. Aufgrund des Geschäftsbesorgungsverhältnisses (dazu F. Schäfer/Lang, 1 Rn. 29 ff.) mit dem Kunden trifft den Vermögensverwalter eine Pflicht zur Wahrung der Kundeninteressen. Aus dem vertraglichen Verhältnis folgt zudem die Pflicht zur sorgfältigen Ausführung der Geschäfte sowie zur anlage- und anlegergerechten Information. Die Informations-, Sorgfalts- und Interes sen wah rungs pflichten im Bereich der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen hat die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen als vertragliche oder vorvertragliche Pflichten anerkannt und inhaltlich konkretisiert. 1 Die Haftungsgrundlage stellte eine Verletzung des konkreten Geschäftsbesorgungsvertrags 2 dar. Der Inhalt und die Reichweite der Verhaltenspflichten wurden durch Auslegung des Vertrags oder unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, eines Handelsbrauchs oder des Grundsatzes von Treu und Glauben gewonnen. Dabei legte die Rechtsprechung einheitliche berufsrechtliche Standards zugrunde. 3 Dies geschah teilweise unter Rückgriff auf Standards, die im Zusammenhang mit der im Streit befindlichen Leistung vom Gesetzgeber oder von berufsständischen Organisationen erlassen wurden. Gleichwohl sind die ordentlichen Gerichte bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen autonom und daher nicht an öffentlich-rechtliche Mindeststandards gebunden. Da die Entscheidungen einzelfallabhängig sind, war und ist es der Rechtsprechung deshalb nicht verwehrt, von diesen Standards abzuweichen und im Einzelfall erhöhte oder herabgesetzte Haftungsvoraussetzungen festzulegen. Der zivilrechtlichen Interessenwahrungs-, Sorgfalts- und Informatio nspflicht entsprechen parallele aufsichtsrechtliche Pflichten, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen zu beachten haben. Anders gewendet könnte man auch formulieren, dass die von den Richtlinien aufgestellten Verhaltenspflichten funktionell Zivilrecht darstellen, weil sie die vorvertraglichen und vertraglichen Leistungsund Verhaltenspflichten von Marktteilnehmern betreffen. 4 Das Verhältnis dieser beiden gleichgerichteten Pflichtenkataloge zueinander wird in der Literatur uneinheitlich umschrieben. Die Kontroverse um die Bestimmung des Verhältnisses war bislang eher akademischer Natur, da kein Fall bekannt wurde, in dem die BaFin eine vom Zivilrecht abweichende Praxis zu 31 WpHG vertreten hätte. 5 Seit der Umsetzung der MiFID gewinnt die Frage jedoch an Brisanz, denn die Durchführungsrichtlinie zur Mi- FID schreibt in ihrem Art. 4 eine Maximalharmonisierung der Wohlverhaltensregeln vor, um im grenzüberschreitenden Geschäft einheitliche Standards zu erreichen und eine Belastung der Institute vor unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Kundengeschäft zu schützen. Die Mitgliedstaaten dürfen keine strengeren Vorgaben machen als die Richtlinie sie vorsieht. Dabei unterscheidet die Richtlinie nicht zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht. Die im deutschen Recht bekannte Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen Pflichten der Institute einerseits und vertraglichen Pflichten gegenüber Kunden andererseits 248 249 250 1 Prominentestes Urteil ist sicherlich nach wie vor die Bond-Entscheidung, BGHZ 123, 126 ff. = WM 1993, 1455 ff. 2 Es wird auch die Verletzung eines allgemeinen Bankvertrags erwogen. Zur Diskussion um diese (vom BGH in BGHZ 152, 114 = WM 2002, 2281 zu Recht abgelehnte) Rechtsfigur Sethe, Anlegerschutz, S. 106 f. 3 Vgl. die ausführliche Analyse von K. Huber, FS v. Caemmerer, 1978, S. 359 ff. 4 So Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 43. 5 So auch die Einschätzung von Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 44. Sethe 139

251 beck-shop.de 4 251 Teil B Aufsichtsrecht scheint damit keine Rolle zu spielen. Da die Regelungen im WpHG nun die Pflichten gegenüber dem Kunden sehr detailliert regeln, ist das Konfliktpotential zwischen Zivil- und Aufsichtsrecht nun höher als zuvor. So stuft das Vertragsrecht der Vermögensverwaltung die Verhaltenspflichten und damit das Schutzniveau nicht nach Kundenklassen ab, wie es sie jetzt etwa die 31 Abs. 9, 33a Abs. 3 Satz 1 WpHG, 5 Abs. 2 WpDVerOV tun. Auch kennt das Zivilrecht kein 31d WpHG vergleichbares Verbot von Zuwendungen und ebenso keinen gesetzlichen Katalog von Ausnahmen. Welche Konsequenzen aus diesem Wechsel des Regelungskonzepts von der Mindest- zur Maximalharmonisierung abzuleiten sind, ist streitig. (1) Ein Teil des Schrifttums hält an der bislang herrschenden Ausstrahlungstheorie fest und verlangt, dass Aufsichtsrecht und Zivilrecht wechselseitig zur Auslegung der einschlägigen Normen herangezogen werden. 1 Innerhalb dieser Ansicht betrachten einige das Aufsichtsrecht als Konkretisierung des Zivilrechts; gehe es weiter als das Zivilrecht, sei dies bei der Auslegung des Zivilrechts zu berücksichtigen; 2 die Vertragsfreiheit bleibe aber unangetastet 3 (2) Ein Teil des Schrifttums sieht in 31 WpHG eine Doppelnorm, die auch das Zivilrecht regele. 4 (3) Eine dritte Ansicht meint, das Vertragsrecht sei durch die Vorgaben der Richtlinie auch harmonisiert, so dass es einen absoluten Gleichlauf von Aufsichtsrecht und Vertragsrecht gebe. 5 (4) Schließlich wird die These vertreten, das Zivilrecht setze sich immer gegenüber dem Aufsichtsrecht durch. 6 Dazu im Einzelnen: bb) Gleichlauf von Zivilrecht und Aufsichtsrecht. Die Vertreter der Theorie vom zwingenden Gleichla uf beider Rechtsregeln ordnen die 31 ff. WpHG als aufsichtsrechtliche Konkretisierung der ohnehin aus dem Vertragsverhältnis bestehenden Pflichten ein. Am Beispiel des 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG wird ausgeführt, dass die Sorgfalts- und die Interessenwahrungspflicht neben der vertragsrechtlichen eine weitere gesetzliche Grundlage erhalten habe, ohne dass sich aus ihrer Einführung inhaltliche Veränderungen im Pflichtenumfang ergäben. 7 Aufgrund dessen ließen sich die zum zivilrechtlichen Pflichtenstandard bei der Vermögensverwaltung entwickelten Grundsätze für die Auslegung des 31 Abs. 1 WpHG heranziehen. Für einen Gleichlauf wird auch der erwähnte Art. 4 der Durchführungsrichtlinie ins Feld geführt. Zudem wird auf eine Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses verwiesen, aus der sich ergebe, dass auch das Zivilrecht harmonisiert werden solle: Dieser Änderungsantrag [zur Regelung des Kundenbegriffs] ist notwendig, um deutlich zu machen, dass der neue EU-weite Rahmen an die Stelle der bisher bestehenden traditionellen zivilrechtlichen Haftung tritt. Ohne eine solche Klarstellung könnten Wertpapierhäuser in Ländern wie Deutschland zwei Regelungsschichten unterliegen, wobei die alten, auf Fällen basierenden Regelungen die Unterscheidung unterminieren, die in der 1 Köndgen, FS Canaris, Band II, 2007, S. 183, 204 ff.; Koch, in: Schwark/Zimmer, 31a WpHG Rn. 58 ff.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, Vor 31 Rn. 3 ff.; Brandl/Klausberger, WAG, 2. Aufl. 2010, 38 Rn. 7 ff.; Seyfried, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.90. 2 Ekkenga, in: MünchKommHGB, Band V, Effektengeschäft, Rn. 75 f., 128 f., 269, 298, 348, 449; Rothenhöfer, in: Baum/Hellgardt/Fleckner/Roth, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, S. 55, 70 ff., 73 ff., 83; Schwark, in: Schwark/Zimmer, Vor 31 ff. WpHG Rn. 16 f. 3 Einsele, JZ 2008, 477, 481; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG Vor 31 Rn. 5; s. a. Ekkenga, in: MünchKommHGB, Band V, Effektengeschäft, Rn. 75 f., Rothenhöfer, in: Baum/Hellgardt/Fleckner/ Roth, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, S. 55, 75; wohl auch Kumpan, in: Baum/Hellgardt/ Fleckner/Roth, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2008, S. 33, 51 f. 4 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 457 ff., 486; Gruber, Die Wohlverhaltensregeln, in: Braunmüller/Ennöcke/Gruber/Raschauer, Von der MiFID zum WAG 2007, 2008, S. 153 f.; Lang, Doppelnormen im Recht der Finanzdienstleistungen, ZBB 2004, 289, 294; Möllers, in: KölnKomm. WpHG, 2007, 31 Rn. 9, 317; wohl auch Nikolaus/d Oleire, WM 2007, 2129, 2134. 5 Mülbert, WM 2007, 1149, 1157; Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183 f.; vor Umsetzung der MiFID in der Sache ebenso bereits Balzer, Vermögensverwaltung, S. 100; Kümpel, WM 1993, 2025, 2026 f.; Knobl, ÖBA 1997, 783 f. (für das österreichische Recht), die in 31 WpHG eine aufsichtsrechtliche Konkretisierung der ohnehin aus dem Vertragsverhältnis bestehenden Pflichten sehen; a. A. Clouth, in: Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rn. 1062 Fn. 1249; Köndgen, FS Canaris, Band II, 2007, S. 183, 207; Veil, ZBB 2008, 34, 41 f. 6 Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 53. 7 Gaßner/Escher, WM 1997, 93, 100. 140 Sethe

beck-shop.de 4 Aufsichtsrecht der Vermögensverwaltung 252 253 4 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern getroffen wird. 1 Noch deutlicher ist die folgende Stellungnahme: In einigen Mitgliedstaaten wie z. B. in Deutschland wird Anlegerschutz in großem Maße über zivilrechtliche Haftungsverfahren vor Gericht geltend gemacht. Mit der Festschreibung von Anlegerschutz in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie sollte deutlich gemacht werden, dass der neue EUweite Rahmen an die Stelle der bisher bestehenden traditionellen zivilrechtlichen Haftung tritt. Ohne eine solche Klarstellung könnten Wertpapierfirmen in Deutschland einer doppelten Regelung unterliegen, wobei die alten Regelungen die Unterscheidung unterminieren, die in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern getroffen wird. 2 Nähme man diese beiden Stellungnahmen wörtlich, bestünde das Ziel der MiFID in der Abschaffung des Haftungsrechts. Das kann erkennbar nicht gewollt sein. Sie belegen nur den Wunsch, dass die Regelungen der MiFID nicht konterkariert werden, indem man die zum früheren Recht vorhandene Rechtsprechung einfach fortschreibt, ohne zu sehen, dass das Aufsichtsrecht inzwischen detaillierter geworden ist. Sie belegen insbesondere nicht, dass das Ziel der MiFID darin bestand, auch das Vertragsrecht zu ändern (was die Folge der Theorie vom zwingenden Gleichlauf wäre). Für eine solche weitreichende Änderung fehlt die Kompetenz, denn die MiFID und damit auch die Durchführungsrichtlinie wurden auf Art. 47 Abs. 2 EGV (= Art. 53 Abs. 2 AEUV) gestützt, der lediglich eine Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeiten erlaubt. Diese Ermächtigungsgrundlage erstreckt sich nur auf die Zulassung und das Verhalten der Berufsträger in Ausübung ihrer Tätigkeit; es stellt aber keine ausreichende Rechtfertigung dar, auch die Vertragsfreiheit einzuschränken oder gar Vorgaben in Bezug auf die Vertragsfreiheit des Kunden zu machen. 3 Die MiFID regelt damit einseitig das Verhalten der Berufsträger am Markt. Sie dürfen aus berufsrechtlichen Gründen bestimmte Verhaltensweisen nicht (mehr) an den Tag legen. Tun sie es trotzdem, greifen die aufsichtsrechtlichen Sanktionen ein. Über die zivilrechtliche Wirksamkeit oder die zivilrechtlichen Sanktionen in solchen Fällen sagt die Richtlinie nichts aus. Mithin wird man die Stellungnahmen des Ausschusses nur so deuten können, dass die Gerichte bei der Frage, welches Verhalten sie den Finanzdienstleistern zivilrechtlich abverlangen, beachten sollen, dass diesen bestimmte Verhaltensweisen aufsichtsrechtlich verboten sind. Für die Festschreibung eines Gleichlaufs dagegen fehlt die Kompetenz. Neben diese europarechtlichen Einwände treten solche des nationalen Rechts: Legt man einen Gleichlauf zugrunde, wäre die BaFin an eine Fortentwicklung der Interessenwahrungspflicht durch den Bundesgerichtshof inhaltlich gebunden. Einen solchen Gleichlauf unterstellt, könnte man sogar noch einen Schritt weitergehen und auch umgekehrt eine Bindung des Bundesgerichtshofs an die von der BaFin entwickelte aufsichtsrechtliche Praxis annehmen. Der Bundesgerichtshof müsste stets und unabhängig vom Einzelfall die von der Bundesanstalt erlassenen Richtlinien und Rundschreiben zur Auslegung der 31 ff. WpHG beachten. Eine solche gegenseitige oder auch nur einseitige Bindungswirkung ist dem deutschen Recht fremd und wird auch nicht vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung gefordert. Im Gegenteil: es sprechen schwere rechtsstaatliche Bedenken gegen eine solche teilweise Aushöhlung des Grundsatzes der Gewaltenteilung. 4 Von wenigen Ausnahmen (z. B. 31 Abs. 1 BVerfGG, vgl. auch 16 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes) abgesehen, sind die Zivilgerichte bei der Entscheidung zivilrechtlicher Fragen unabhängig von Entscheidungen anderer Gerichtszweige (vgl. 1 GVG) oder gar öffentlicher Behörden. Umgekehrt unterliegt die BaFin 1 Begründung zu Änderungsantrag Nr. 23 des Berichts des Ausschlusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vom 4. 9. 2003, A5-0287/2003. 2 Begründung zu Änderungsantrag Nr. 139 des Berichts des Ausschlusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vom 4. 9. 2003, A5-0287/2003. 3 Kritisch deshalb auch Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 49. 4 Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 47. Sethe 141 252 253

254 beck-shop.de 4 254 Teil B Aufsichtsrecht nicht einer gerichtlichen Kontrolle durch Zivilgerichte, sondern nur durch Verwaltungsgerichte. Im Ergebnis ist ein zwingender und gleichsam absoluter Gleichlauf der Pflichten aus 31 ff. WpHG und der Pflichten aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag abzulehnen. Daher sind die 31 ff. WpHG nicht als Konkretisierung vertraglicher Pflichten zu begreifen, zumal dies ihre europarechtliche Komponente verdecken würde. cc) Doppelnorm. Ein Teil des Schrifttums ordnet einige aufsichtsrechtliche Normen als sog. Doppelnormen ein. Dabei wird letztlich die Frage nach der Bindungswirkung mit der Frage nach der dogmatischen Einordnung der 31 37 WpHG vermengt. Im Mittelpunkt steht die Diskussion um die Einordnung des 31 WpHG, während die Organisations-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der 33 ff. WpHG mittlerweile einhellig als öffentlich-rechtliche Aufsichtsnormen begriffen werden. Die herrschende Meinung begreift auch 31 WpHG als rein öffentlich-rechtliche Norm. 1 Würde man der Vorschrift dagegen eine rein zivilrechtliche Natur 2 oder eine Doppelnatur zumessen 3, entfaltete sie damit eine unmittelbare Geltung für das vertragliche Verhältnis. Ohne dass es einer ausführlichen theoretischen Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht bedürfte 4, lässt sich feststellen, dass das deutsche Aufsichtsrecht für Versicherungen, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute insgesamt öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit 31 WpHG eine Norm mit Doppelnatur oder privatrechtlicher Natur habe erlassen wollen. 5 Die Norm zielt von ihrer Formulierung her gerade nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kunden. Vielmehr setzt sie ein solches nur voraus und legt für eine Vertragspartei fest, welche Pflichten diese beim Vertragsschluss und bei der Erfüllung zu beachten hat. Diese objektiven Verhaltensstandards kann die BaFin durchsetzen. 6 Schon diese Argumente sprechen gegen die Theorie von der Doppelnorm. Viel gravierender sind jedoch die mit der Doppelnormtheorie verbundenen rechtsstaatlichen Bedenken, denn auch hier gilt wie bei der Theorie vom zwingenden Gleichlauf, dass die BaFin keine Kompetenz 1 Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 102 ff.; Schäfer, in: Schäfer, WpHG, Vor 31 Rn. 8 m.w. N.; Schäfer, in: Bankrecht 1998, S. 27, 33; Horn, ZBB 1997, 139, 149; Köndgen, ZBB 1996, 361; Schwark, Bankrechtstag 1995, 109, 119 f.; unklar Balzer, Vermögensverwaltung, S. 152 f.; Balzer, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute nach dem Wertpapierhandelsgesetz bei der Verwaltung von Wertpapiervermögen, in: Hermann/Berger/Wackerbarth, Deutsches und internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 42 f.; Balzer, ZBB 1997, 260, 262, der die Auswirkungen der Verhaltenspflichten auf Haftungsansprüche untersucht, sie zwar nicht als zwingendes Privatrecht begreifen will, aber nie zu ihrer Rechtsnatur Stellung bezieht. 2 Waldeck, in: Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, S. 647, 651 f., der die 31 ff. WpHG als zwingendes Vertragsrecht einordnet; wohl auch Claussen, Bank- und Börsenrecht, 1. Aufl. 1996, 9 Rn. 108. Für das österreichische Recht: Knobl, ÖBA 1995, 741 und 752; nach einzelnen Pflichten differenzierend Knobl, ÖBA 1997, 3, 9 f. ( Konglomerat aus privat- und öffentlichrechtlichen Normen ). 3 Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 267 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 8.457; Reich, WM 1997, 1601, 1604; unklar Nobbe, in: Horn/Schimansky, Bankrecht 1998, 235, 249 ( in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur, hat aber auch verbraucherschützende Funktionen ). 4 Stattdessen kann auf die ausführliche Prüfung der einschlägigen Theorien bei Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 103 ff., verwiesen werden, der überzeugend zu dem Ergebnis kommt, dass die 31 37 WpHG dem öffentlich-rechtlichen Aufsichtsrecht zuzuordnen sind. 5 Vgl. die ausführliche Analyse der Gesetzgebungsmaterialien bei Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 110 ff., die hier nicht wiederholt zu werden braucht. 6 Ebenso Schwark, Bankrechtstag 1995, 109, 120. Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 109 f., meint, für eine öffentlich-rechtliche Qualifizierung der Verhaltensregeln spräche die richtlinienkonforme Auslegung. Er verweist auf die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses 89/C 298/03 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen vom 27. 9. 1989, ABl. EG Nr. C 298 vom 27. 11. 1989, S. 6 ff., die von einer hoheitlichen Überwachung ausgeht, die das Zivil recht unberührt lasse, sowie auf Art. 11 WDRL ( fortwährend einzuhalten, Durchführung und Überwachung unter mitgliedschaftlicher Regie ). Diese Argumente sprechen jedoch nicht gegen eine Doppelnatur der Verhaltenspflichten. Zudem bleibt es den nationalen Staaten überlassen, wie sie die Richtlinie umsetzen, so dass eine Umsetzung als gemischte Norm durchaus möglich wäre. Die richtlinienkonforme Auslegung kann daher allein nicht ausschlaggebend sein, sondern stützt nur das aus systematischen Erwägungen ohnehin schon gewonnene Ergebnis. 142 Sethe

beck-shop.de 4 Aufsichtsrecht der Vermögensverwaltung 255 257 4 besitzt, eine Vorschrift für den Zivilrichter bindend auszulegen. Ohne eine solche (abzulehnende) Bindungswirkung aber ergibt die Theorie von der Doppelnorm keinen Sinn, sondern entpuppt sich als reines Glasperlenspiel. dd) Ausstrahlungswirkung. Zutreffend ist daher die Ansicht, die von einer grundsätzlichen Selbstständigkeit der aufsichtsrechtlichen und der vertragsrechtlichen Pflichten ausgeht, aber betont, dass es durchaus über wei te Strecken zu einem Gleichlauf der Pflichten kommen könne und dies im Hinblick auf die Förderung des Vertrauens der Kapitalanleger auch wünschenswert sei. 1 Das Aufsichtsrecht kann Anhaltspunkt für den Zivilrichter bei der Auslegung vertraglicher Abreden sein, muss es aber nicht. Umgekehrt kann sich die BaFin bei der Auslegung des 31 WpHG an zivilrechtlichen Kategorien orientieren, ohne an sie gebunden zu sein. 2 Für eine solche nicht zwingende Bindung spricht ein weiterer Aspekt. Während die Aufsichtspflichten das Ziel einer präventiven und damit generell-abstrakten Verhaltenssteuerung verfolgen, werden die vertragsrechtlichen Regelungen im Zuge von Schadensersatzklagen einzelfallbezogen und im Wege einer ex-post-betrachtung ausgelegt. 3 Sehr oft spielen Beweislastfragen eine tragende Rolle. So könnten beispielsweise materielle Regelungen des Zivilrechts durchaus deshalb hinter den Verhaltensregeln zurückbleiben, weil dies durch eine Beweislastumkehr im Zivilprozess kompensiert wird. Vergleicht man in einem solchen Fall allein das materielle Zivilrecht und das Aufsichtsrecht, zeigen sich Diskrepanzen, die bei einer Gesamtschau unter Einbeziehung des Prozessrechts nicht aufträten. Schon aus diesem Grund erscheint es richtig, den Wohlverhaltensregeln und dem Zivilrecht nur eine gegenseitige Ausstrahlungswirkung zuzuerkennen 4 und eine Bindung abzulehnen. Verstößt ein Vermögensverwalter gegen das Aufsichtsrecht, muss dies also nicht zwingend auch eine Nichtigkeit der vertraglichen Abrede nach 134 BGB zur Folge haben. Dies mag folgendes Beispiel zu 31d WpHG verdeutlichen. Deckt ein Vermögensverwalter dem Kunden alle ihm versprochenen Retrozessionen ordnungsgemäß auf und haben diese Retrozessionen auch keine außergewöhnliche und damit Interessenkonflikte provozierende Höhe, verhält er sich zivilrechtlich rechtskonform. Er würde aber gegen den aufsichtsrechtlichen 31d WpHG verstoßen, wenn er diese Einnahmen nicht zur Qualitätserhaltung oder -steigerung seiner Leistung einsetzt. Eine zivilrechtliche Sanktion zieht dies nicht nach sich. Umgekehrt darf sich aber der Zivilrichter bei der Frage, in welcher Form der Kunde über die Retrozessionen aufzuklären ist, durchaus an den Vorgaben des 31d WpHG orientieren. Zur Klarstellung sei noch auf folgenden Fall hingewiesen: Vereinbart der Kunde mit dem Vermögensverwalter, dass dieser keinerlei Leistungen Dritter annehmen darf, führt ein Verstoß gegen diese Abrede nicht zu einer Verletzung des 31d WpHG, sondern nur zu zivilrechtlichen Ansprüchen. In dieser Konstellation kommt es zu keinerlei Ausstrahlungswirkung. Verstößt der Vermögensverwalter umgekehrt gegen vertragliche Abreden, muss dies nicht automatisch einen Verstoß gegen Aufsichtsrecht bedeuten. Hat also der Vermögensverwalter mit dem Kunden vereinbart, dass er ihm 14-tägig berichtet und tut er dies dann nicht, liegt weder ein Verstoß gegen 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 WpDVerOV noch ist die (mit 9 WpDVerOV nicht im Einklang stehende) zivilrechtliche Abrede über diese verkürzte Be- 255 256 257 1 Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 157 ff.; Horn, ZBB 1997, 139, 149 f.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, Vor 31 Rn. 3; Köndgen, ZBB 1996, 361 f.; Gebauer, in: Fischer/Klanten, Bankrecht, Rn. 11.148; Schäfer, FS Schimansky, 1999, S. 699, 705; Schäfer, in: Schäfer, WpHG, Vor 31 Rn. 8. In Bezug auf das Verhältnis von KWG und Zivilrecht zurückhaltender, da andere Pflichten betreffend, aber im Ergebnis ebenso Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 240 f. Die Ansicht von Schwark, in: Schwark/Zimmer, Vor 31 WpHG Rn. 16, wonach der Zivilrichter nicht von den Mindeststandards nach unten abweichen dürfe, geht bereits über die Theorie von der Ausstrahlungswirkung hinaus. 2 Ebenso Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 139, der auf die Entscheidung BGH NJW 1981, 2685 f., verweist, in der das Gericht die sachlich vergleichbare Frage des Verhältnisses vom Zivilrecht zur MaBV dahingehend entschied, dass sich aus der MaBV nicht in jedem Fall etwas Entscheidendes ableiten lasse. 3 Dies betont auch Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 160 f. 4 A. A. Lange, Informationspflichten, S. 302 ff., der recht kategorisch jede Relevanz der aufsichtsrechtlichen Pflichten für das Zivilrecht verneint und eine Ausstrahlung nicht prüft. Sethe 143

258 259 beck-shop.de 4 258 259 Teil B Aufsichtsrecht richtspflicht unwirksam. Die BaFin kann den Vermögensverwalter nicht zwingen, die Abrede einzuhalten, da ihr dazu die Kompetenz nach 9 WpDVerOV fehlt. Der Kunde ist darauf angewiesen, die zivilrechtliche Abrede einzuklagen. Ist diese Abrede in Bezug auf die Frage, wie zu berichten ist, unklar, darf sich jedoch der Zivilrichter ohne Weiteres an den Vorgaben des 9 WpDVerOV orientieren. Die BaFin ihrerseits darf sich bei der Frage, was wesentliche Informationen i. S. d. 9 Abs. 4 WpDVerOV sind, an den vertraglichen Vereinbarungen orientieren, denn aus diesen ergibt sich, was für die Parteien im Einzelfall oder typi scherweise wesentlich ist. ee) Zwingender Vorrang des Zivilrechts. Eine neuere Ansicht wirft der Theorie von der Ausstrahlungswirkung vor, sie führe zu keinen handhabbaren Ergebnissen und sei diffus. 1 Es sei vielmehr davon auszugehen, dass das Zivilrecht Vorrang vor widersprechendem Aufsichtsrecht habe. Wer sein en zivilrechtlichen Pflichten genüge, könne sich ohne gesetzliche Anpassung des Zivilrechts und solange diese nicht erfolgt sei, weder auf aufsichtsrechtliche Privilegierungen berufen noch könne er, bei strengerem Aufsichtsrecht, aufsichtsrechtlich belangt werden. Es könne aufsichtsrechtlich nicht rechts- und pflichtwidrig sein und mit Bußgeld oder anderen Sanktionen belegt werden, was zivilrechtlich zulässig und rechtmäßig sei. Dass die Theorie von der Ausstrahlungswirkung nicht diffus ist, sondern durchaus zu gut begründeten Ergebnissen führt, belegen die Beispiele in Rn. 256 f. Zudem sprechen auch zwei Argumente gegen die These vom Primat des Zivilrechts. (1) In ihrer Aussage, dass strengeres Zivilrecht stets Vorrang vor dem Aufsichtsrecht hat, schießt Assmann über das Ziel hinaus, denn nicht alles, was zivilrechtlich vereinbart werden darf, ist aufsichtsrechtlich auch erlaubt, wie das Beispiel des 31d WpHG belegt. 2 Und dass ein strengeres Aufsichtsrecht, das einer Partei eine bestimmte Handlung untersagt, dazu führen wird, dass man in der Praxis kein abweichendes Zivilrecht mehr finden wird, weil der Finanzdienstleister nicht seine Lizenz verlieren will, belegt, dass es eine Ausstrahlung des Aufsichtsrechts auf das Zivilrecht (i.s. einer faktischen Bindung) gibt. Nicht mehr (aber auch nicht weniger) besagt die Theorie von der Ausstrahlungswirkung. Es geht ihr gerade nicht wie Assmann meint um eine Lösung des Konflikts Aufsichtsrecht/Zivilrecht im Sinne eines Vorrangs oder einer entweder/oder-lösung. (2) Wenn vom Primat des Zivilrechts die Rede ist, muss geklärt werden, ob der Primat nur zwingendes Zivilrecht meint oder auch strengere vertragliche Abreden. Wenn auch vertragliche Abreden gemeint wären, würde diese These vom Vorrang des Zivilrechts dazu führen, dass man das Aufsichtsrecht abbedingen könnte. Das aber ist von dieser Ansicht wohl nicht gewollt. Es kann also nur um zwingendes Recht gehen. Aber auch in diesem Bereich ist der von Assmann beschriebene Übergriff der MiFID auf das Zivilrecht nicht zu erkennen: Nimmt man als Beispiel 31 Abs. 4 Satz 3 WpHG, müsste Assmann zu dem Ergebnis kommen, dass diese Vorschrift im Falle einer Anlageberatung ohne ausreichende Kundenangaben unbeachtlich ist, da sich das strengere Zivilrecht (also die Möglichkeit, auch ohne Kundenangaben einen Anlageberatungsvertrag zu schließen) durchsetzt. Die Vertreter der Ansicht von der Ausstrahlungswirkung nehmen hingegen an, dass der Vertrag wirksam ist, 3 aber die BaFin den Finanzdienstleister mit verwaltungsrechtlichen Mitteln sanktionieren darf. Er wird daher künftig ein solches Verhalten nicht mehr an den Tag legen. Die Theorie von der Ausstrahlungswirkung verursacht also gerade nicht den von Assmann 1 Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 53. 2 Wenn Assmann, FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 37, 54 f., meint, die Rechtsprechung ignoriere zu Recht die Regelung des 31d WpHG und entscheide die Fälle allein anhand zivilrechtlicher Kriterien, verkennt er, dass die bislang entschiedenen Fälle alle vor dem 1. 11. 2007 spielen und daher der BGH noch nicht gezwungen war, Stellung zu beziehen. 3 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 31 Rn. 207; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 31 Rn. 52; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer, 31 WpHG Rn. 291; Veil, WM 2007, 1821, 1826 jeweils m.w. N. Fuchs, Koller und Veil bejahen im Einzelfall einen Schadensersatzanspruch des Anlegers, wenn der Berater eine Anlageberatung auf der Grundlage unzureichender Informationen vornimmt. 144 Sethe

beck-shop.de 4 Aufsichtsrecht der Vermögensverwaltung 260 264 4 befürchteten Übergriff auf das Zivilrecht ohne ausreichende Kompetenz im AEUV, respektiert aber zugleich das Aufsichtsrecht. ff) Fazit. Somit kö nnen die kundenbezogenen Pflichten der 31 ff. WpHG durchaus auf das Vertragsrecht ausstrahlen und umgekehrt kann das Aufsichtsrecht als Hilfsmittel zur Auslegung zivilrechtlicher Abreden oder zivilrechtlicher Normen herangezogen werden. Eine gegenseitige Bindungswirkung oder ein Primat des einen über das andere Rechtsgebiet gibt es nicht. Zur Klarstellung sei betont, dass es im Hinblick auf die reinen Organisations-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der 33 ff. WpHG zu keiner Ausstrahlungswirkung kommt, denn diese beziehen sich gerade nicht auf die Rechtsbeziehung zwischen Institut und Kunden, sondern auf die interne Organisation und das Verhältnis des Instituts zur BaFin. 1 Teilt man das hier gefundene Ergebnis, wonach die 31 ff. WpHG rein aufsichtsrechtlichen Charakter haben, ist auch die Frage, ob die Normen durch individuelle Vereinbarung oder AGB abbedungen werden können, rasch beantwortet. Zwingendes Aufsichtsrecht unterliegt nicht der Parteidisposition. 2 c) Verhaltenspflichten als Verbot sgesetze. Anders als etwa das US-amerikanische Recht 3 enthalten die 31 ff. WpHG keine ausdrückliche Bestimmung, aus der sich die Nichtigkeit von Verträgen für den Fall ergibt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Leistungserbringung an einen Kunden gegen Verhaltenspflichten verstößt. Eine solche Rechtsfolge kann sich daher nur über die Anwendung allgemeiner Bestimmungen, d. h. aus 134 BGB, ergeben. Da die 31 ff. WpHG Gesetze im materiellen Sinne sind, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet (vgl. Art. 2 EGBGB). 4 Nach herrschender Meinung führt nicht jeder Verstoß gegen ein Verbot zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Maßgebend ist, ob Wortlaut, Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift die Nichtigkeit fordern. 5 Es wird danach unterschieden, ob ein Verbot nur die äußeren Umstände des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts (keine Nichtigkeit) oder dessen Regelungsgehalt (dann Nichtigkeit) betrifft. Entscheidend ist also, ob das Verbotsgesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Selbst der Umstand, dass eine Handlung unter Strafe gestellt oder als Ordnungswidrigkeit mit Buße bedroht ist, bewirkt nicht zwingend die Nichtigkeit des Vertrags. Das gilt vor allem dann, wenn das Verbot nur eine der vertragschließenden Parteien betrifft; in der Regel ist ein solcher Vertrag wirksam. Richtet sich das Verbot dagegen gegen beide Vertragspartner, so ist das Geschäft in der Regel nichtig. Eine für alle Beteiligten geltende Straf- oder Bußgeldandrohung gibt dabei einen gewichtigen Hinweis darauf, dass die Rechtsordnung einem Vertrag, der das Verbot missachtet, die Wirksamkeit versagen will. 6 Entscheidend ist damit die Auslegung des Verbotsgesetzes. Diese ergibt, dass ein Verstoß gegen die 31 ff. WpHG nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Die Vorschriften sollen das Verhalten nur einer der beiden Vertragsparteien regeln. Die in den Vorschriften enthaltenen Verbote richten sich gerade nicht an die Kunden, sondern ausschließlich an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Das Ziel der Verhaltenspflichten ist es, das Verhalten der Institute am Markt zu beeinflussen und einen bestimmten Standard beruflichen Verhaltens durchzusetzen. Die Pflichten wenden sich damit nicht gegen den Vertragsabschluss als solchen, sondern nur gegen bestimmte Verhaltensweisen des Instituts bei Vertragsschluss oder bei der Ausführung des Vertrags. Schon diese Zielsetzung 260 261 262 263 264 1 Schwark, Bankrechtstag 1995, 109, 121. 2 Statt vieler Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 34; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor 31 bis 37a Rn. 56. 3 Vgl. Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 8 ff., 143. 4 Bei einem Verstoß gegen eine nach 35 Abs. 4 WpHG erlassene Richtlinie kommt 134 BGB deshalb nicht in Betracht. 5 BGH WM 1996, 387, 389; Jauernig, in: Jauernig, BGB, 13. Aufl. 2009, 134 Rn. 8. 6 So ausdrücklich BGH NJW 1986, 1104; s. a. BGH WM 1991, 1724, 1725 f.; WM 1992, 1148, 1149; WM 1992, 1780, 1782; a. A. Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 54. Sethe 145

265 266 267 beck-shop.de 4 265 267 Teil B Aufsichtsrecht spricht gegen die Annahme einer Nichtigkeit. Die Nichtigkeitssanktion hätte im Übrigen zur Folge, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch einen Verstoß gegen die Verhaltenspflichten die vertragliche Grundlage beseitigen könnte und der Kunde auf bereicherungsrechtliche Ansprüche verwiesen würde. Die Bejahung der Nichtigkeitssanktion wäre kontraproduktiv, da die Verhaltenspflichten gerade den Schutz des Kunden bezwecken und dieser durch die Nichtigkeit alle vertraglichen Ansprüche einbüßen würde. Während die herrschende Meinung 134 BGB von vornherein eng auslegt, versteht eine im Schrifttum vertretene Ansicht die Vorschrift als Auslegungsregel, nach der die Nichtigkeit gesetzlich vermutet wird und nur im Einzelfall durch Bewertung der Ziele der Verbotsnorm und der Interessen der Parteien ein anderes Ergebnis gerechtfertigt sein kann. 1 Auch nach dieser Ansicht kommt man jedoch zweifellos zu dem Ergebnis, dass vorliegend nicht der Abschluss des Geschäfts verboten ist, sondern nur bestimmte Arten des Verhaltens einer Vertragspartei bei der Ausführung. 2 Gerade vor dem Hintergrund des Kundenschutzes wäre auch nach dieser Ansicht die Nichtigkeit kontraproduktiv. Gleichgültig, welcher Ansicht man folgt, ergibt sich bei einem Verstoß gegen die Verhaltenspflichten durch das Institut damit keine Nichtigkeit der vertraglichen Rechtsbeziehung zum Kunden. 3 Dieses Ergebnis deckt sich im Übrigen mit der Auslegung des 134 BGB, die Rechtsprechung und herrschende Meinung bei einer Verletzung der Pflichten nach dem Kreditwesengesetz oder 34c GewO vornehmen. 4 d) Vertraglicher Schutz bei Verletzung aufsichtsrechtlicher Verhaltenspflichten. Wie soeben festgestel lt, sind vertragliche und aufsichtsrechtliche Pflichten grundsätzlich zu trennen. Das Aufsichtsrecht strahlt zwar ins Zivilrecht aus, genauso wie umgekehrt der Standard der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten nicht unbeeinflusst von Einflüssen des Zivil rechts bleibt. Bei einzelnen Verhaltenspflichten kann es sogar einen Gleichlauf beider Pflichtenkreise geben, doch sind die aufsichtsrechtlichen Pflichten damit nicht automatisch Teil des Rechtsverhältnisses zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden. Einem geschädigten Anleger stehen daher vertragliche Schadensersatzansprüche nur wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten zu, nicht aber auch wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten. Der Zivilrichter muss daher in jedem Einzelfall prüfen, ob der vom Kunden eingeklagte Schadensersatz auf einer Verletzung vertraglicher Pflichten beruht. Da in weiten Teilen jedoch ein Gleichlauf von Aufsichtsrecht und Vertragsrecht besteht (s. o.), setzt der einzelne Kläger in diesen Bereichen mit einer Klage, die auf eine positive Forderungsverletzung des Vermögensverwaltungsvertrags ( 280 Abs. 1 BGB) gestützt ist, faktisch immer auch Aufsichtsrecht durch. Fallen das Aufsichtsrecht und das Vertragsrecht auseinan- 1 Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 15, 20 ff.; Ellenberger, in: Palandt, BGB 70. Aufl. 2011, 134 Rn. 7; Palm, in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, 134 Rn. 12; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., 134 Rn. 1 ( mehr als eine Auslegungsregel ); anders jetzt aber Armbrüster, in: Münch- KommBGB, 5. Aufl., 134 Rn. 1, 103. 2 Ausführlich Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 146 f.; in anderem Zusammenhang auch schon Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 55. 3 Ebenso Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 143 ff.; Fischer, in: Bankrechts-Handbuch 2, 128 Rn. 8. 4 BGHZ 76, 119, 126 f.; BGH WM 1996, 387, 389; Bähre/Schneider, KWG, 32 Anm. 8; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, (7) BankGesch Rn. A/5; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 6 Rn. 31; Haug, in: Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, 32 Rn. 21; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 240; Müller, in: Schäfer/Müller, Wertpapierdienstleistungen, Rn. 229 ff., jeweils zum KWG sowie Bliesener, Verhaltenspflichten, S. 146, zur GewO. Dieser weist auch darauf hin, dass das britische Recht zu dem gleichen Ergebnis gelangt, a. a.o., S. 148. Abweichend dagegen Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 42 ff., der meint, es sei ein Wertungswiderspruch, wenn Verträge zwischen Banken und Kunden für wirksam erachtet würden, weil die Banken die Verträge dann mit staatlicher Hilfe durchsetzen könnten, obwohl der Staat ihnen die Tätigkeit untersage. An dieser Stelle dahinstehen muss die Frage einer Anfechtung des Vermögensverwaltungsvertrags durch den Kunden nach 119 Abs. 2 BGB, da das Vorhandensein einer Zulassung eine persönliche Eigenschaft des Vermögensverwalters sein kann. In diesem Fall wäre die Vertragsbeziehung rückabzuwickeln. Fraglich ist, ob die Anfechtung des Vertrags mit dem Vermögensverwalter auf die ihm erteilte Vollmacht durchschlägt. In diesem Fall hätte die depotführende Bank ohne wirksame Kundenweisung gehandelt. Hier wird man die Depotbank durch Anwendung der Rechtscheingrundsätze nach 172 BGB schützen können. 146 Sethe