13/2005 Volkswirtschaftsdepartement. Umplatzieren eines Fahrzeuges; Ersatzvornahme; Kostenüberbindung



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Transkript:

13 / 2005 Umplatzieren eines Fahrzeuges; Ersatzvornahme; Kostenüberbindung - Art. 4 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK: Verhältniss von exekutorischen verwaltungsrechtlichen Sanktionen zum Strafrecht. (E.2.1.4) - Das Abschleppen eines vorschriftswidrig abgestellten Fahrzeuges ist eine Ersatzvornahme und rechtfertigt die Kostenauferlegung (E.2.2.3 und E.2.2.5) 1. Ausgangslage 1.1. Feststellungen Am 14. Januar 2005 stellte eine Fahrzeuglenkerin ihr Fahrzeug (Personenwagen Marke Audi) auf dem privaten, vom F. gemieteten Parkplatz ab. Da F. folglich seinen Lieferwagen nicht auf seinem Parkplatz abstellen konnte, stellte er sein Fahrzeug auf der öffentlichen Strasse ab und blockierte damit die Wegfahrt des Audis. Als die Audi-Lenkerin am Abend heimfahren wollte, sah sie ihr Fahrzeug eingeklemmt, worauf sie um 19.10 Uhr über die Alarmzentrale der Kantonspolizei Solothurn Hilfe anforderte. Die aufgebotene Polizeipatrouille versuchte in der Folge vergeblich, den Halter des Lieferwagens zu erreichen. Nach 1 ½ Stunden Wartezeit wurde durch die Polizei ein Abschleppdienst aufgeboten, der den Lieferwagen wegzog und der Lenkerin des Audis die Ausfahrt aus dem Parkplatz auf die öffentliche Strasse ermöglichte. Mit Rechnung vom 4. Februar 2004 wurde F. Fr. 397.50 für die Umplatzierung eines Fahrzeuges in Rechnung gestellt. Mit Schreiben vom 31. Januar 2004 erhob F. Beschwerde gegen diese Rechnung. Als Begründung führte er an, dass er sein Fahrzeug vor seinem ordentlich gemieteten Parklatz am Abend ordnungsgemäss so abgestellt habe, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer auf der Strasse behinderte. Er sähe deshalb keinen Anlass für eine Verschiebung dieses Wagens sowie für dessen Bezahlung. Mit Beschluss vom 11. Mai 2005 verfügte die Beschwerdekommission der Stadt Solothurn folgendes: 1. Die Beschwerde von F. wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens (inkl. Entscheidgebühr) von Fr. 500.00 zu bezahlen. Diese werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 70

Volkswirtschaftsdepartement 13/2005 Zur Begründung wird ausgeführt, dass nach Art. 19 Abs. 2 lit. g Verkehrsregelverordnung vom 13. November 1962 (SR 741.11; VRV) i.vm. Art. 37 Abs. 2 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01; SVG) das Parkieren vor Zufahren zu fremden Gebäuden und Grundstücken untersagt sei. Daran ändere auch nichts, dass eine unberechtigte Person ihr Fahrzeug auf seinem Parkplatz abgestellt habe, da ein Fahrzeug auf öffentlichem Grund grundsätzlich nicht so abgestellt werden dürfe, dass es private Ein- und Ausfahrten behindere. Bei dieser Sachlage sei die Polizei berechtigt gewesen, das Fahrzeug zu verschieben, nach dem es unmöglich gewesen sei, den Beschwerdeführer zu erreichen. Damit habe Herr F. die Ursache für eine Dienstleistung gesetzt, für welche er, gestützt auf 35, 5 Abs. 2 und 17 lit. c des Gebührentarifes der Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn vom 28. Juni 1994 (SRS 61; GTS) auch deren Kosten zu bezahlen habe. 1.2. Beschwerde Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 erhob F. Beschwerde gegen den Beschluss der Beschwerdekommission der Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn und beantragte sinngemäss, dessen Aufhebung, sowie die Übernahme der Umplatzierungskosten durch die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn. Zur Begründung wird vorgebracht, dass er seinen Lieferwagen ohnehin nie auf seinem eigenen Parkplatz abstelle, sondern auf der Zufahrt zu seinem Parklatz seitlich an der öffentlichen Strasse parkiere. Aufgrund der am 4. Februar 2004 zur Tatzeit vorherrschenden Dunkelheit, sei es nicht möglich gewesen, zu erkennen, ob ein fremdes Fahrzeug auf seinem Parkplatz stehe und durch sein Parkverhalten behindert werden könnte. Bisher hätten noch keine anderen Falschparkierer seinen eigenen Parkplatz benützt, sondern vielmehr sei er selber bereit des öfteren durch Fahrzeuge, die auf der Zufahrt zu seinem Parkplatz abgestellt worden sind, behindert worden. 2. Erwägungen 2.1. Eintreten Nach 199 des Gemeindegesetzes vom 16. Februar 1992 (BGS 131.1; GG) kann, wer stimmberechtigt ist oder wer von einem Beschluss berührt wird und ein schutzwürdiges eigenes Interesse hat, beim Regierungsrat gegen die Beschlüsse der Gemeindebehörden mit selbständiger und letztinstanzlicher Entscheidungsbefugnis Beschwerde erheben. 71

2.1.1. Legitimation 2.1.2. Beschwerdefrist 2.1.3. Überprüfungsbefugnis 2.1.4. Grundsätzliches zum vorliegenden Verwaltungsverfahren Der Beschwerdeschrift ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer offensichtlich nicht ganz über die verschiedenen Funktionen des Strafbzw. des Verwaltungsverfahrens im klaren ist. Zur besseren Verständlichkeit sei insofern noch folgendes dazu bemerkt: Gemäss Art. 4 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 22. November 1984 (SR 0.101.7) gilt im Strafrecht der Grundsatz ne bis in idem, der es untersagt, ein verpöntes Verhalten mehrfach zu sanktionieren (vgl. auch BGE 115 Ib 156). Zwischen exekutorischen verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Strafrecht gilt dieser der Grundsatz jedoch nicht, wenn Strafe und Massnahme verschiedene Zwecke verfolgen, wie dies vorliegend der Fall ist. Strafe und exekutorische Sanktion (Abschleppen eines vorschriftswidrig parkierten Fahrzeugs) können somit kumulativ ausgefällt werden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren steht somit einzig die Rechtmässigkeit der vorgenommenen exekutorischen Sanktion und deren Kostenfolge zur Überprüfung an. 2.2. Inhaltliches 2.2.1. Sanktionen bei Verletzung von Parkierungsvorschriften Die massgebenden Parkierungsvorschriften ergeben sich einerseits aus den generell-abstrakten Verkehrsregeln des Strassenverkehrsrechts des Bundes (Art. 37 Abs. 2 SVG i.v.m. Art. 19 f. VRV) und anderseits aus den lokalen (generell-konkreten) Verkehrsanordnungen gemäss Art. 48 der Signalisationsverordnung vom 05. September 1979 (SR 741.21; SSV). Die Verletzung der Vorschriften über das Parkieren -- der Verkehrsregeln im ruhenden Verkehr -- stellt eine Übertretung dar, die mit Haft oder Busse bestraft wird (Art. 90 Ziff. 1 SVG). Mittels dieser repressiven Sanktion 72

Volkswirtschaftsdepartement 13/2005 soll der Fahrzeuglenker für sein fehlbares Verhalten bestraft und von künftigen Pflichtverletzungen abgehalten werden. Über das Abschleppen vorschriftswidrig parkierter Fahrzeuge hat der Bund keine Vorschriften erlassen. Soweit parkierte Fahrzeuge den Verkehr gefährden oder behindern, lässt sich deren Entfernung auf Art. 37 Abs. 2 SVG abstützen. Diese Bestimmung enthält ein allgemeines Verbot des Parkierens von Fahrzeugen an Orten, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden könnten. Hieraus folgt die Befugnis der Polizei zum Abschleppen von solchen Fahrzeugen. Wo möglich, sind Fahrzeuge auf Parkplätzen abzustellen. Art. 19 Abs. 4 VRV hält konkretisierend fest, dass platzsparend zu parkieren sei, wobei die Wegfahrt anderer Fahrzeuge nicht behindert werden darf. Die Kompetenz der Polizei, verkehrsgefährdend oder -behindernd parkierte Fahrzeuge abzuschleppen, kann aber auch auf die allgemeine Polizeigeneralklausel zurückgeführt werden. Die entsprechende Massnahme dient der Gefahrenabwehr, das heisst dem Schutz der öffentlichen Sicherheit (Jaag / Rüssli, Das Abschleppen vorschriftswidrig parkierter Fahrzeuge am Beispiel der Stadt Zürich, AJP/PJA 2001, S. 1381). Davon zu unterscheiden ist das Abschleppen von Fahrzeugen, die zwar nicht an Orten parkiert sind, wo sie den Verkehr erheblich gefährden oder behindern, die aber gleichwohl vorschriftswidrig abgestellt sind. Das Abschleppen dient in diesem Fall der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands. Das Fahrzeug wird entfernt, um die ordnungsgemässe Benutzung des öffentlichen Grundes durch andere parkplatzsuchende Automobilisten wieder zu ermöglichen. Die Befugnis zur Ergreifung derartiger Massnahmen folgt aus der Herrschaft der Kantone und Gemeinden über die öffentlichen Strassen im Gemeingebrauch (Strassenhoheit) (ibid, S. 1382.). 2.2.2. Öffentliche Strasse Nach Art. 1 SVG ordnet dieses Gesetz den Verkehr auf öffentlichen Strassen, sowie die Haftung und die Versicherung für Schäden, die durch Motorfahrzeuge und Fahrräder verursacht werden. Bei dieser Ausgangslage ist zu prüfen, wieweit sich das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers überhaupt auf öffentlichem Strassenareal abgespielt hat: Unter den Begriff der öffentlichen Strasse fallen sämtliche Verkehrsflächen (Plätze, Wege, Brücken etc.), die nicht ausschliesslich dem privaten Gebrauch dienen (Art. 1 Abs. 1 und 2 VRV). Über den öffentlichen oder privaten Charakter einer Verkehrsfläche entscheidet somit nicht die im Grundbuch ausgewiesenen Eigentumsverhältnisse, sondern ausschliesslich die Art und Weise der faktischen Benutzungsmöglichkeit (BGE 104 IV 108). Strassen sind somit dann öffentlich, wenn sie einem unbestimmten Benützerkreis offen stehen, unbenommen, ob sie allen oder nur von bestimmten Kategorien von Verkehrsteilnehmern oder nur zu bestimmten Zwecken benützt werden können. Dies gilt auch für den Vorplatz einer Firma sogar während den Nichtbetriebszeiten, sofern dessen privater Charakter nicht durch ein Benützungsverbot oder eine Abschrankung signalisiert ist (BGE 86 IV 29 ff.). 73

Obschon das Bundesgericht davon ausgeht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht an die Erkenntnisse einer Strafbehörde gebunden ist, müssen die Erkenntnisse anderer mit der Sache befasster Behörden im Rahmen einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zur Kenntnis genommen werden (BGE 103 Ib 106). Mit Urteil vom 18. Juni 2004 hat der Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern festgestellt, dass der Parkplatz zwar privates Firmenareal darstellt, jedoch aufgrund des Fehlens eines Benützungsverbotes oder von Abschrankungen, dem öffentlichen Strassenareal zuzurechnen sei. Es ist denn auch kein Grund ersichtlich, an dieser Darstellung des Strafrichters zu zweifeln, womit auch im vorliegenden Verfahren von der Anwendbarkeit des SVG und der VRV ausgegangen werden kann. 2.2.3. Das Abschleppen von Fahrzeugen als Ersatzvornahme Das Abschleppen eines Fahrzeugs gilt als Ersatzvornahme. Ersatzvornahme bedeutet, dass die Behörde eine vertretbare Handlung, die vom Verpflichteten nicht vorgenommen wird, durch eine amtliche Stelle oder durch einen Dritten auf Kosten des Pflichtigen verrichten lässt (Häfelin /Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. A., Zürich 1998, N 927). Das Abschleppen des Fahrzeugs durch die Polizei ist dadurch bedingt, dass der Lenker sein Fahrzeug nach Ablauf der Parkzeit nicht selber versetzt bzw. sein Fahrzeug an einem Ort parkiert hat, wo es den Verkehr behindert oder gefährdet. Bei der Ersatzvornahme handelt es sich um ein exekutorisches Zwangsmittel. Die exekutorischen Sanktionen bezwecken unmittelbar die Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Pflichten (Imboden /Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 1 Bd., 5./6. A., Basel usw. 1976/1986, N. 52 B I). Nach Lehre und Rechtsprechung ist eine Ersatzvornahme nur nach vorheriger Androhung und Einräumung einer angemessenen Frist zulässig. Der Bürger muss die Möglichkeit haben, seine Pflicht selbst zu erfüllen, bevor der Staat an seiner Stelle und auf seine Kosten handelt. Auf die Androhung darf nur verzichtet werden, wenn Gefahr im Verzug ist, d.h. bei unmittelbar bestehender oder drohender Gefahr für die Sicherheit, oder wenn feststeht, dass der Pflichtige das Gebotene innert vernünftiger Frist nicht selbst vornehmen kann (Imboden / Rhinow / Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, N. 52 B III, IV). In diesem Fall erfolgt eine unmittelbare oder antizipierte Ersatzvornahme. Auf die Androhung des Abschleppens kann dementsprechend bei verkehrsgefährdend oder -behindernd parkierten Fahrzeugen verzichtet werden (Jaag / Rüssli, AJP/PJA 2001, S. 1382 mit weiteren Hinweisen). Gemäss Ziff. 6.2. der Vereinbarung über die Zusammenarbeit und die Kompetenzabgrenzung zwischen der Polizei Kanton Solothurn und den Stadtpolizeien Grenchen, Olten und Solothurn vom 14. August 2001 (BGS 511.155.1) i.v.m. 23 Abs. 2 des Gesetzes über die Kantonspolizei vom 23. September 1990 (BGS 511.11; PolG) handelt die Stadtpolizei Solothurn im Vollzug der Strassenverkehrsgesetzgebung selbständig und ist primär zuständig. Gemäss 20 der Polizeiordnung der Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn vom 30. Juni 1992 (SRS 31) können vorschriftswidrig abgestellte Fahrzeuge von der Polizei auf Kosten und Gefahr der verantwortlichen Fahrzeugführer oder Halter von ihrem Standort entfernt werden, so- 74

Volkswirtschaftsdepartement 13/2005 fern die Verantortlichen nicht innert nützlicher Frist erreichbar sind oder sich weigern, die Fahrzeuge wegzuschaffen. Art. 37 Abs. 2 SVG bestimmt, wo Fahrzeuge nicht angehalten oder aufgestellt werden dürfen. Das Aufstellen und Anhalten von Fahrzeugen ist nicht nur verboten, wo der Verkehr konkret behindert oder gefährdet wird, sondern auch dort, wo nur die Möglichkeit besteht, dass dadurch eine Behinderung oder Gefährdung anderer Strassenbenützer eintreten könnte. Nach BGE 77 IV 117 behindert ein solches Fahrzeug nur, wenn es für den gehinderten Fahrzeuglenker ein erhebliches Hindernis bildet, das trotz der den anderen Strassenbenützern zuzumutenden Aufmerksamkeit zu Unfällen Anlass geben kann oder in besonderem Masse behindert, ihren Weg fortzusetzen. Den Akten und dem Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Solothurn-Lebern ist zu entnehmen, dass durch das Fahrzeug des Beschwerdeführers die Ausfahrt aus dem Parkplatzareal blockiert und damit die Wegfahrt der Audifahrerin auf die Strasse verunmöglicht worden ist, womit eine Behinderung des Verkehrs im Sinne des SVG festgestellt werden kann. Die Stadtpolizei Solothurn versuchte den Beschwerdeführer vergeblich, zu erreichen, weshalb eine Entfernung des verkehrsbehindernden Fahrzeuges ohne vorgängige Androhung grundsätzlich zulässig gewesen ist. 2.2.4. Verhältnissmässigkeit Das Abschleppen muss auf jeden Fall verhältnismässig sein. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass die getroffene Massnahme zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet ist. Darüber hinaus muss sie notwendig sein. Der Eingriff hat zu unterbleiben, wenn der verfolgte Zweck auch mit einer weniger einschneidenden Massnahme erreicht werden könnte. Ausserdem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln stehen (BGE 124 I 40 und 117 Ia 472, je mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid 2P.129/2000 das Entfernen eines Fahrzeuges nach 45 Minuten als verhältnismässig erachtet, welches auf einem mit einem mobilen Halteverbotssignal versehenen Parkfeld abgestellt war, das ein Anwohner für seinen Wohnungsumzug kostenpflichtig hatte reservieren lassen. Bei diesem Entscheid ist zu beachten, dass es sich insofern um einen Sonderfall handelte, als für die fragliche Parkfläche eine individuelle, zeitlich fixierte Bewilligung zum gesteigerten Gemeingebrauch zu Gunsten eines Dritten ausgestellt worden war. Wie bereits unter Ziff. 2.2.3. festgestellt, ist vom Fahrzeug des Beschwerdeführers eine Behinderung im Sinne des SVG und der VRV ausgegangenen, welche nicht anders als durch die Entfernung bzw. Verschiebung beseitigt werden konnte. Nachdem die Stadtpolizei Solothurn, den Beschwerdeführer vergeblich telefonisch zu erreichen versuchte und ca. 1½ Stunden mit der Avisierung des Abschleppdienstes zugewartet hatte, kann die getroffene Massnahme demnach nicht als unverhältnismässig erachtet werden. 75

2.2.5. Kostenauflage Das Abschleppen eines Fahrzeugs dient unmittelbar der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands. Die Kosten der Ersatzvornahme (Abschleppen des Fahrzeugs) können dem säumigen Privaten nach Lehre und Praxis auch dann auferlegt werden, wenn es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlt (Imboden/Rhinow, Nr. 52 B V). Durch die Ersatzvornahme tritt an die Stelle der Pflicht zur Erbringung einer Realleistung die Pflicht zur Bezahlung der Kosten, die dem Gemeinwesen durch die Ersatzvornahme entstehen. Wie bereits unter Ziff. 2.2.3 dargelegt, können vorschriftswidrig abgestellt Fahrzeuge von der Stadtpolizei Solothurn auf Kosten und Gefahr der verantwortlichen Fahrzeugführer oder Halter von ihrem Standort entfernt werden, sofern die verantortlichen nicht innert nützlicher Frist erreichbar sind oder sich weigern, die Fahrzeuge wegzuschaffen ( 20 Polizeiordnung). Gemäss. 35 i.v.m. 5 Abs. 2 und 17 lit. c GTS hat der Fahrzeugführer oder Halter für die Kosten der Wegschaffung aufzukommen und eine Gebühr zu entrichten. Voraussetzung für deren Rechtmässigkeit ist allerdings, dass das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip beachtet werden (Häfelin/Müller, N. 2102 f.). Solange jedoch die Abschleppgebühren marktkonform sind und die entstandenen Kosten nach Aufwand verrechnet werden, ist das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzip gewahrt. Der Gebührentarif der Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn für das Abschleppen von Fahrzeugen erweist sich somit ohne weiteres als zulässig ( vgl. auch Jaag / Rüssli, AJP/PJA 2001, S. 1385 f. mit weiteren Hinweisen). Es sind vorliegend keine Indizien ersichtlich, die auf eine überhöhte Gebühr schliessen liesse. Die Kosten für das Abschleppen und die Aufwendungen der Stadtpolizei Solothurn in der Höhe von Fr. 397.50 sind damit dem Beschwerdeführer zu Recht auferlegt worden. 3. Schlussfolgerung Die Beschwerdegegnerin hat weder gegen geltendes Gemeinderecht noch andere Rechtserlasse verstossen. Es liegt auch keine Rechtsverzögerung, Rechtsverweigerung oder Willkür vor. Die Beschwerde ist daher abzuweisen. (Regierungsratsbeschluss vom 12. Dezember 2005) 76