Grundlagen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Historische Entwicklung Am 25.03.1958 unterzeichneten Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlanden die sogenannten Römischen Verträge, die zum 01.01.1958 in Kraft traten. Bestandteil dieser Verträge war der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag). Dieser Vertrag hatten u.a. die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten zum Ziel (Artikel 2 EWG-Vertrag 1 ). Dies beinhaltete somit auch die in Artikel 3 genannten Tätigkeiten der EWG wie die Einführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft (später noch ergänzt durch die Fischerei). 2 3 Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde später auch bedingt durch den Beitritt weiterer Mitgliedsstaaten - durch die folgenden Verträge geändert: - Vertrag von Brüssel, so genannter Fusionsvertrag" (1965): Zusammenschluss von EWG, EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) und Euratom (Europäische Atomgemeinschaft) und zur EG (Europäische Gemeinschaft) - Vertrag zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften (1970): u.a. führt dieser Vertrag einen gemeinsamen Haushalt für die Gemeinschaften ein - Vertrag zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften (1975): Bildung eines gemeinsamen Rechnungshofes als Organ für Rechnungsprüfung und Finanzverwaltung - Grönland-Vertrag (1984): regelt Beziehungen zwischen der EG und Grönland - Einheitliche Europäische Akte (1986): stellt die erste große Reform der Verträge dar, bewirkt die Ausweitung der Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat, die Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments (Verfahren der Zusammenarbeit) und die Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen. Sie sieht das Ziel der Verwirklichung des Binnenmarktes bis zum Jahr 1992 vor. - Vertrag über die Europäische Union, sog. Vertrag von Maastricht" (1992): Zusammenfassung der EG und der politischen Zusammenarbeit in den Bereichen Außenpolitik, Verteidigung, Polizei und Justiz unter dem Dach der Europäischen Union, Umbenennung der EWG in EG (Europäische Gemeinschaft). Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion, Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments (Mitentscheidungsverfahren) - Vertrag von Amsterdam (1997): Erweiterung der Zuständigkeiten der EG 1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 http://www.hdg.de/lemo/html/dokumente/diezuspitzungdeskaltenkrieges_vertragewgvertrag/ 2 Ebenda 3 EG-Vertrag (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) in der Fassung vom 02.10.1997 http://dejure.org/gesetze/eg/3.html
- Vertrag von Nizza (2001): dient hauptsächlich der Regelung derjenigen mit der Erweiterung verbundenen institutionellen Fragen, die 1997 im Vertrag von Amsterdam noch offen gelassen wurden, wie die Zusammensetzung der Kommission, um die Stimmengewichtung im Rat usw. - Vertrag von Lissabon (2007): enthält umfangreiche Reformen; beendet die Europäische Gemeinschaft; Neuverteilung der Befugnisse zwischen der EU und den Mitgliedstaaten; Änderung der Arbeitsweise der europäischen Organe und des Beschlussfassungsverfahrens zur Verbesserung der Entscheidungsfindung in einer EU mit nunmehr 27 Mitgliedstaaten angewachsenen Union zu verbessern 4 Bis zur Unterzeichnung dieser Verträge hatten die einzelnen Länder für sich nationale Interventionsregelungen, die mit Inkrafttreten des Vertrages zum 01.01.1958 aufgehoben und durch Interventionsmechanismen auf der Ebene der Mitgliedsländer ersetzt wurden. Dies war die somit die Grundlage und Ursache für die Entstehung einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Ursache für die Schaffung von Interventionsmechanismen war, dass der Staat bwz. nach Unterzeichnung der Römischen Verträge die EWG, Möglichkeiten zur Regulierung der Agrarmärkte und zur Stützung der Einkommen der Erzeuger schaffen wollte. Diese entstand aufgrund folgender sektorspezifischer Besonderheiten: - Die Landwirtschaft ist in hohem Maße von klimatischen und geografischen Gegebenheiten abhängig, wodurch es zu entsprechenden Angebots- und Nachfrageungleichgewichten kommt. - Die Lebensmittelnachfrage ist unelastisch, das heißt, sie reagiert demnach kaum auf Preisänderungen. - Das weltweite Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist aufgrund der Dauer der Produktionszyklen und der relativen Unveränderlichkeit der Produktionsfaktoren sehr starr. - Ein reichliches Angebot führt demnach zu einem Preisabfall, während ein geringes Angebot zu einem starken Preisanstieg führt. Diese Elemente laufen auf eine dauerhafte Instabilität der Märkte hinaus. Ziel war es, stabile Märkte zu schaffen, um die starke Preis- und Einkommensvolatilität in der Landwirtschaft abzuschwächen. 5 Die Grundlagen der Gemeinsamen Agrarpolitik sind seit dem Vertrag von Rom unverändert geblieben. Die Ziele und die Methodik der GAP sind aktuell in Artikel 39 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt. 6 Der "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" hieß bis zum 30.11.2009 "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" und hatte eine abweichende Artikelabfolge. Die aktuelle Fassung beruht auf dem Lissabon-Vertrag. Die Ziele der GAP sind nach o.g. Artikel 39: 4 http://europa.eu/legislation_summaries/institutional_affairs/treaties/treaties_eec_de.htm 5 http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayftu.html?ftuid=ftu_5.2.1.html 6 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union http://dejure.org/gesetze/aeuv/39.html
- die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts und durch bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte; - die Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards für die landwirtschaftliche Bevölkerung; - die Stabilisierung der Märkte; - die Sicherstellung der Versorgung; - die Sicherstellung angemessener Preise für die Verbraucher. Die Ziele der GAP können nicht alle gleichzeitig und vollständig erfüllt werden. Die EU verfügt über einen großen Ermessensspielraum, was die Wahl der Instrumente und der Reichweite der Reformen angeht, und kann diese der Entwicklung der Märkte und den jeweils aktuell von den europäischen Organen festgelegten Prioritäten anpassen. Über die in Artikel 39 AEUV festgelegten spezifischen Ziele der GAP hinaus wurden weitere Ziele ergänzt, die für die gesamten politischen Strategien und Maßnahmen der EU gelten: - die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus (Artikel 9), 7 - der Umweltschutz zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung (Artikel 11), 8 - der Verbraucherschutz (Artikel 12), 9 - die Anforderungen in Bezug auf das Wohlergehen der Tiere (Artikel 13), 10 - der Schutz der öffentlichen Gesundheit (Artikel 168 Absatz 1) 11 - oder der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt (Artikel 175) 12 - die Grundsätze der gemeinsamen Handelspolitik, die für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen gelten (Artikel 207) 13 Schließlich gilt für die Grundsätze der Wettbewerbspolitik im Bereich der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und des Handels mit diesen aufgrund der strukturellen Besonderheiten des Primärsektors eine Ausnahmeregelung (Artikel 42). 14 Die Instrumente der GAP Die Gemeinsame Agrarpolitik war im Laufe der Zeit Gegenstand von fünf wichtigen Reformen. 15 1. Die Reform von 1992 7 http://dejure.org/gesetze/aeuv/9.html 8 http://dejure.org/gesetze/aeuv/11.html 9 http://dejure.org/gesetze/aeuv/12.html 10 http://dejure.org/gesetze/aeuv/13.html 11 http://dejure.org/gesetze/aeuv/168.html 12 http://dejure.org/gesetze/aeuv/175.html 13 http://dejure.org/gesetze/aeuv/207.html 14 http://dejure.org/gesetze/aeuv/42.html 15 http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayftu.html?ftuid=ftu_5.2.3.html
Ziel der GAP war die Gewährleistung einer sicheren Nahrungsmittelversorgung. Das Mittel dazu war eine Stützung der Preise (durch Intervention, Import- und Exportabschöpfung), die jedoch vergleichsweise hoch zu den Weltmarktpreisen war. Des Weiteren entstanden Produktionsüberschüsse aufgrund einer unbeschränkten Abnahmegarantie. Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage vergrößerte sich zunehmend. Die Marktordnungskosten in der EU wurden ebenfalls untragbar hoch und erzeugten zunehmend Kritik auch vom Steuerzahler. Auf der anderen Seite blieb das Einkommen der Landwirte teilweise nach wie vor unbefriedigend. Aus diesen Gründen wurde das bestehende System der Einkommensstützung durch garantierte Preise abgeschafft und alternativ dazu ein System ergänzender Einkommensbeihilfen eingeführt. Im Ackerbau wurden hektarbezogene Direktbeihilfen gezahlt und in der Tierproduktion wurden bestandsabhängige Ausgleichszahlungen eingeführt. Beispielsweise erhielt 1 ha Weizen 1993 eine Prämie von 330 DM. Zur Marktentlastung mussten Landwirte, die mehr als ca. 15 ha Fläche bewirtschafteten, etwa 15 % der Anbaufläche stilllegen. Im tierischen Sektor wurde, neben Bullenprämien, u.a. Mutterkuhprämien und Mutterschafprämien gewährt. 2. Die AGENDA 2000 Ziel der Reform sollte eine multifunktionale, nachhaltige, wettbewerbsfähige Landwirtschaft im gesamten europäischen Raum sein. Die Reform umfasste u.a. folgende Punkte: - erneute Angleichung der Binnenmarktpreise an die Weltmarktpreise und Teilausgleich dieser Angleichung durch Direktbeihilfen für die Erzeuger; - Einführung einer Bindung der Beihilfegewährung an Umweltauflagen (Cross-Compliance) und Einführung der Möglichkeit, die Beihilfen zu kürzen, um Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum zu finanzieren (Modulation), durch die Staaten auf freiwilliger Basis; - Einführung der sogenannten zweiten Säule der GAP (Verstärkung der geltenden strukturellen Maßnahmen, insbesondere der Agrarumweltmaßnahmen) 3. Die Reform vom Juni 2003 Im Jahr 2002 erfolgte eine Halbzeitüberprüfung der jüngsten GAP-Reform. Im Ergebnis wurden vier Hauptziele formuliert: - eine stärkere Anbindung der europäischen Landwirtschaft an die globalen Märkte, - die Vorbereitung der Erweiterung der EU, - eine stärkere Anpassung an die neuen gesellschaftlichen Bedürfnisse in Sachen Umweltschutz und Produktqualität sowie - die bessere Vereinbarkeit der GAP mit den Bedürfnissen von Drittländern. Am 26. Juni 2003 einigten sich die Landwirtschaftsminister der EU auf die Einführung einer Reihe neuer Grundsätze bzw. Mechanismen: - Entkopplung der Beihilfen von den Produktionsmengen, Zahlung einer einheitlichen, auf die Stabilität der Einkommen ausgerichteten Betriebsprämie gewährt; - der Grundsatz der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen ( Cross-Compliance ), - der Grundsatz der Vereinbarkeit mit der WTO,
- der Grundsatz der staatlichen Umverteilung von Zahlungsansprüchen anhand der Modulation - der Grundsatz der Flexibilität bei der Verwaltung (ermöglicht den Mitgliedstaaten, eine Reihe von Parametern der neuen GAP in differenzierter Form anzuwenden); - der Grundsatz der Haushaltsdisziplin, - zusätzlich wurde 2007 eine einheitliche gemeinsame Marktorganisation ins Leben gerufen. 4. Der Gesundheitscheck 2009 Durch den am 20. November 2008 vom Rat verabschiedeten Gesundheitscheck wurden eine Vielzahl von Maßnahmen revidiert, die im Anschluss an die GAP-Reform von 2003 durchgeführt worden waren. Dabei ging es um - die Förderung einer vollständigen Entkopplung der Beihilfen, - die Übertragung eines Teils der Mittel der ersten Säule zugunsten von Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung durch Erhöhung der Modulationsrate der Direktbeihilfen; - eine flexiblere Handhabung der Regeln für öffentliche Intervention und Angebotssteuerung, damit die Fähigkeit der Landwirte, auf Marktsignale zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird. 5. GAP bis 2020 Diese Reform von 2013 stellt die letzte Etappe dieses offenen und noch nicht abgeschlossenen Reformprozesses dar. Rechtliche Grundlagen bilden die Verordnungen: (EU) Nr. 1303 bis 1308/2013. 161718192021 Zentrale Bestandteile der GAP für den Zeitraum 2014-2020 sind: - Die Umwandlung der entkoppelten Beihilfen in ein System von verschiedenen Stützungsmaßnahmen (=Neuregelung der Betriebsprämie). - Die Verstärkung der Instrumente der einheitlichen GMO, die nur bei Preiskrisen und Marktstörungen zum Einsatz kommen. Das bedeutet zudem auch, dass sämtliche 16 Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung http://www.esf.de/portal/generator/20914/property=data/verordnung 1303 2013.pdf 17 Verordnung (EU) Nr. 1304/2013 über den Europäischen Sozialfonds und zur Aufhebung http://www.esf.de/portal/generator/20912/property=data/verordnung 1304 2013.pdf 18 Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2013:347:0487:0548:de:pdf 19 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2013:347:0549:0607:de:pdf 20 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2013:347:0608:0670:de:pdf 21 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2013:347:0671:0854:de:pdf
Maßnahmen zur Angebotskontrolle abgeschafft werden. Das betrifft u.a. folgende Maßnahmen: a) die Quotenregelung für Zucker läuft im Jahr 2017 aus b) die Rechte zur Anpflanzung von Rebstöcken werden im Jahr 2020 vollständig durch ein Genehmigungssystem ersetzt c) die Milchquotenregelung läuft im Jahr 2015 aus - Eine integriertere, gezieltere und stärker gebietsbezogene Strategie für die Entwicklung des ländlichen Raums. Durch diese Reformen konnten und können die eingesetzten Mechanismen, um die im Vertrag verankerten Ziele zu erreichen, Schritt für Schritt angepasst sowie neue Ziele festgelegt werden. Dazu gehören: - wirtschaftliche Ziele (Gewährleistung der Ernährungssicherheit durch eine tragfähige landwirtschaftliche Erzeugung, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Wertschöpfung innerhalb der Lebensmittelkette); - umweltpolitische Ziele (nachhaltiger Einsatz der natürlichen Ressourcen und Bekämpfung des Klimawandels) und - territoriale Ziele (Gewährleistung der wirtschaftlichen und sozialen Dynamik ländlicher Gebiete). Juni 2014