Analyse des dynamischen Verhaltens von Schwerlast-Regalbediengeräten



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Analyse des dynamischen Verhaltens von Schwerlast-Regalbediengeräten Dipl.-Ing. Thomas Kuczera, Dipl.-Ing. Iljo Nikic, Dipl.-Ing. Christian Vorwerk Universität Stuttgart Institut für Fördertechnik und Logistik Abstract: Im Rahmen eines seitens der AiF geförderten Forschungsvorhabens wurde zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit von Schwerlast- Regalbediengeräten das dynamische Verhalten dieser Systeme analysiert. Dazu wurde eine umfangreiche experimentelle Schwingungsanalyse an einem bestehenden Regalbediengerät durchgeführt. Anschließend wurde ein Ersatzmodell als Mehrkörpersimulations-Modell von diesem System erstellt und damit Untersuchungen zur dynamischen Beurteilung durchgeführt, in dem beispielsweise die Last, Hubhöhe und Geschwindigkeit erhöht wurden. 1 Einleitung Schwerlast-Regalbediengeräte (RBG) werden überwiegend bei Stahlerzeugern, im Stahlhandel und im Maschinenbau eingesetzt. Dort werden sie in Wabenlagersystemen zur wirtschaftlichen Lagerung mittlerer bis größerer Mengen von Langgütern mit einer Länge von 2,5 bis 10m für stangenförmiges Material, Bau- und Fassadenprofilen, Beschlägen und auch Blechen eingesetzt. Wabenlager können derzeit eine Höhe von 20m, eine Länge bis 100m und eine Breite von 30m oder mehr erreichen, um pro Lagergut möglichst günstige Platzkosten zu erzielen. Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Regalbediengeräten ist die Anzahl der Materialzugriffe (Spiele) pro Zeiteinheit. Dies führt zu der Forderung nach einer hohen Dynamik der Fahr- und Hubbewegung des Regalbediengeräts. Die Dynamik und damit die Leistung eines Regalbediengeräts werden durch dessen Auslegung für schwere Nutzlasten, die mitfahrenden Totlasten, die Bauhöhe und das Nachschwingen des Regalbediengeräts begrenzt. Um die Platzkosten in einem derartigen Wabenlager weiter zu senken, verlangt der Stahlhandel zunehmend nach höheren Lagern. Zudem werden bei Stahlerzeugern und beim Handel die Gewichte der einzulagernden Güter wie Blechplatten, große Trägerprofile, andere Lagergüter wie Boote u. ä. immer höher. Deshalb müssen die bestehenden Baureihen um diese Anforderungen an Höhe, Geschwindigkeit, Gewicht erweitert werden. Zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit von Schwerlast-Regalbediengeräten wurde im Rahmen eines seitens der AiF geförderten Forschungsvorhabens das dynamische Verhalten eines Schwerlast-Regalbediengerätes analysiert. Dazu wurde zunächst eine umfangreiche Analyse eines bestehenden RBGs durchgeführt. Neben der Analyse der Konstruktion wurden experimentelle Schwingungsun- 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 1

tersuchungen an einem RBG durchgeführt. Dabei wurde das Schwingungsverhalten bei beispielsweise unterschiedlichen Beladungszuständen, Geschwindigkeiten, Hubhöhen und Positionen der Last auf dem RBG ermittelt. Diese Untersuchungen dienen sowohl zur Beurteilung der Ist-Situation als auch später zur Kalibrierung des Mehrkörpersimulations-Modells (MKS-Modell). Anschließend wurde ein MKS-Modell des vorhandenen RBGs erstellt und mit den messtechnischen Untersuchungen am vorhandenen RBG kalibriert und verifiziert. Das dabei erstellte MKS-Modell enthält alle relevanten Bauteile und Freiheitsgrade des RBGs. Die Hauptträger sind dabei als flexible Elemente (FE-Netz) ausgeführt und erlauben so eine realistische Simulation der Durchbiegung des Masts unter der Einwirkung von dynamischen Kräften. Mit diesem Modell wurden Untersuchungen zur dynamischen Beurteilung des RBGs durchgeführt, in dem beispielsweise die Last, Hubhöhe und Geschwindigkeit erhöht wurden. 2 Schwerlast-Regalbediengeräte Schwerlast-Regalbediengeräte bestehen im Wesentlichen aus den drei folgenden Funktionsbaugruppen: Fahrrahmen inkl. der Mastkonstruktion, Fahrwerk und Hubwerk. Die Funktionseinheit Fahrrahmen beinhaltet das tragende Gerüst des RBG. Ihr kommt besondere funktionelle und statische Bedeutung zu. Die Funktionseinheit Fahrwerk umfasst sämtliche Antriebskomponenten, die primär für das Verfahren des RBG erforderlich sind. Dies sind z. B. Laufräder und Drehstromgetriebemotoren. Die Funktionseinheit Fahrwerk kann in die folgenden Teilfunktionen unterteilen werden: Laufradausführung, Angetriebene Bauteile, Getriebene Bauteile, Laufradaufhängung, Fahrschiene und Antriebsanordnung. Unter die Funktionseinheit Hubwerk fallen sämtliche Antriebskomponenten und Bauteile, die für das Heben der Hubtraverse mit oder ohne Nutzlast benötigt werden. Dies sind z. B. Seil- oder Kettentriebe mit Getriebemotoren. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 2

Abbildung 1 zeigt ein Beispiel eines Wabenlagersystems mit einem Schwerlast- Regalbediengerät. Abbildung 1: Beispiel eines Wabenlagersystems mit Schwerlast-Regalbediengerät 3 Experimentelle Feldversuche Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde eine umfangreiche Analyse von bestehenden RBGs durchgeführt, in dem sowohl die Konstruktion (Mechanik) betrachtet, als auch eine experimentelle Schwingungsuntersuchung durchgeführt wurde. Zur Beurteilung der Ist-Situation und zur Kalibrierung des Mehrkörpersimulations- Modells (MKS-Modell), das in der zweiten Projektphase erstellt wurde, wurden Messungen an einem Regalbediengerät für Wabenlagersysteme mit einer Hubhöhe von 14m und einer max. Traglast von 2x5t durchgeführt. Dabei wurde das Schwingungsverhalten bei beispielsweise unterschiedlichen Beladungszuständen, Geschwindigkeiten, Hubhöhen und Positionen der Last auf dem RBG ermittelt, in dem die Beschleunigungen und Wege des RBGs an verschiedenen Stellen aufgenommen wurden. Die Beschleunigungssensoren wurden dabei auf dem Fahrrahmen, am Mast (oben) und auf der Traverse angebracht. Zur Bestimmung der Position und Geschwindigkeit des RBGs bzw. der Traverse bei einer Hubbewegung wurde mit Hilfe eines Lasersensors der Weg des RBGs in x-richtung (Fahrtrichtung) und z-richtung (Hubrichtung) aufgenommen (vgl. Abbildung 2). Es wurden insgesamt 16 Messreihen mit Variation der Hubhöhe, Hublast, Fahrrichtung und Traversenhub durchgeführt. Bei den Fahrten in x-richtung (Fahrrichtung) wurden die Beschleunigungen am Fahrrahmen (x, y, z-richtung), am Mast oben (x, y-richtung), parallel am Mast links und rechts (x-richtung) und der Traverse (x, z- Richtung) aufgenommen. Beim Traversenhub wurden die Beschleunigungen in x- und z-richtung bestimmt. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 3

z x y Sensorenposition Mast oben (x, y) Sensorenposition Traverse (x, z) Sensorenposition Fahrrahmen (x, y, z) Lasersensor (x bzw. z) Abbildung 2: Anordnung der Beschleunigungssensoren und des Lasersensors Aus den aufgenommenen Beschleunigungswerten wurden Fahrgeschwindigkeit und Fahrweg des RBGs berechnet. Für eine spätere Verifizierung des MKS-Modells wurden zusätzlich Schwingfrequenzen und amplituden an den Messstellen ermittelt. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Auswertung für eine Messfahrt, bei der sich die unbeladene Traverse in der obersten Position befindet und das RBG eine Fahrt vorund rückwärts durchführt. Dabei werden die aufgenommene Beschleunigung in Fahrtrichtung am Fahrrahmen und die daraus abgeleiteten Werte für die Geschwindigkeit und den Weg dargestellt. Zum Vergleich der Messwerte aus den Beschleunigungssensoren (insbesondere der Werte des Weges aus der zweiten Ableitung) werden zusätzlich die Werte für den Weg aus der Lasermessung abgebildet. Der aus der Beschleunigung abgeleitete Weg liefert mit den Wegmessungen des Lasers eine sehr gute Übereinstimmung, so dass eine Berechnung des relativen Weges über die aufgenommene Beschleunigung auch für Raumrichtungen ohne Lasermessung möglich ist. Insgesamt konnten mit den durchgeführten Messungen sehr gute Ergebnisse und Erkenntnisse zum Schwingungsverhalten des bestehenden RBGs gewonnen werden, so dass diese für einen Vergleich und eine Verifizierung des MKS-Modells verwendet werden konnten. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 4

1,5 12 Geschwindigkeit [m/s] und Beschleunigung [m/s²] 1 0,5 0-0,5-1 10 8 6 4 2 Weg [m] -1,5 0 10 20 30 40 50 Zeit [s] 0 Beschleunigung am Fahrrahmen in Fahrtrichtung Geschwindigkeit (Integration Beschleunigung) Weg (zweifache Integration Beschleunigung) Weg in Fahrtrichtung (Lasermessung) Abbildung 3: Beispiel Auswertung einer Messreihe 4 Numerisches Simulationsmodell Zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Schwerlast-Regalbediengeräten wurde ein Mehrkörpersimulations-Modell des messtechnisch erfassten RBGs erstellt. Es wurde folgende Vorgehensweise zur Erstellung des MKS-Modells angewendet: Erstellung des CAD-Modells Erstellung von Konzepten für das MKS-Ersatzmodell Modellierung des MKS-Modells Durchführung von Simulationen Vergleich mit Messergebnissen Kalibrierung des MKS-Modells Aufbau des MKS-Modells 4.1 Modellaufbau Ausgehend von den CAD-Daten wurden verschiedene Konzepte für das MKS-Modell erstellt. Aus diesen Konzepten wurde zunächst ein MKS-Grundmodell erstellt, das dann stufenweise mit Modellverfeinerungen optimiert wurde, bis es eine gute Übereinstimmung mit den Messdaten lieferte. Das erstellte MKS-Modell enthält alle relevanten Bauteile und Freiheitsgrade des realen RBGs. Diese bestehen im Modell aus starren und flexiblen Körpern, die über Bindungs- und Koppelelemente verbunden sind (vgl. Abbildung 4). Alle für das Schwingungsverhalten wesentlichen Komponenten wie Mast, Fahrrahmen, Querträ- 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 5

ger und Zugstangen sind als flexible Körper (FE-Netz) aufgebaut und erlauben somit eine realistische Simulation der Durchbiegung des Masts unter der Einwirkung von dynamischen Kräften. Die für das Schwingungsverhalten unwesentlichen Komponenten (ermittelt im Kalibrierungsprozess) werden als starre Elemente ausgeführt. Flexible Elemente (FE-Netz): -Mast(2x) - Querträger (1x) - Fahrrahmen (gesamt) Flexible Elemente (Beams): - Zugstangen (6x) - Querträger (3x) - Kette Starre Elemente: - Traverse - Last - Schaltschrank - Motoren -Rollen - Hallenboden - Schiene Abbildung 4: Mehrkörpersimulationsmodell des RBG Der Antrieb des RBGs erfolgt wie bei dem realen System über eine Drehbewegung an den hinteren Fahrrollen. Dabei wird an den Antriebsrollen eine Drehbeschleunigung entsprechend der realen Fahrkurve aufgebracht. Für den Kettentrieb wurde ein Ersatzmodell erstellt, welches für Fahrten des RBGs ohne Hubbewegungen der Traverse geeignet ist. Es besteht aus elastischen Balkenelementen mit den physikalischen Eigenschaften der realen Kette (Biegesteifigkeit, E-Modul, Masse, Dämpfung), so dass die Schwingung der Traverse in der Hubrichtung nachgebildet werden kann. 4.2 Verifizierung des MKS-Modells Entsprechend der durchgeführten Messfahrten wurden zur Verifizierung des MKS- Modells die gleichen Fahrten simuliert. Dabei wurden in erster Linie folgende Fahrten 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 6

unter Variation von Hubhöhe und Last (vgl. Abbildung 5) sowie Fahrrichtung durchgeführt: Traverse oben mit Last (vorwärts + rückwärts Fahrt) Traverse oben ohne Last (vorwärts Fahrt) Traverse unten mit Last (vorwärts Fahrt) Traverse unten ohne Last (vorwärts Fahrt) Hubtraverse oben Hubtraverse unten mit Last ohne Last mit Last ohne Last Abbildung 5: Variation von Hubhöhe und Last (analog Messung) Für die Durchführung der Simulationen wurde die gleiche Fahrkurve wie bei den realen Messfahrten angewendet (vgl. Abbildung 6). Das System wird mit einer Beschleunigung von 0,2m/s² auf eine Geschwindigkeit von 1,5m/s beschleunigt und anschließend sofort mit einer Verzögerung von 0,14m/s² wieder zum Stillstand abgebremst. Anschließend folgt eine Ausschwingphase von ca. 8s. Da aufgrund des komplexen Aufbaus des MKS-Modells für dieses nur unter sehr hohem Aufwand ein statisches Gleichgewicht gefunden werden kann, wird vor Beginn der Simulationsfahrt eine Ruhezeit von 4s zum Ausschwingen des Systems angesetzt. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 7

Abbildung 6: Fahrkurve für Simulationen Zur Verifizierung des MKS-Modells wurden die im Modell ermittelten Werte mit denen aus den Messfahrten verglichen. Abbildung 7 zeigt beispielhaft einen Vergleich zwischen der gemessenen Beschleunigung am Mast (oben) in Fahrrichtung (Traverse oben mit Last) für eine Fahrt von ca. 30s und den in der Simulation ermittelten Beschleunigungen. Dabei konnten während der Verzögerungs- und Ausschwingphase gute Übereinstimmungen der Schwingungsfrequenzen zwischen Simulation und Messung erreicht werden. Aufgrund der Vereinfachungen in der Modellierung beispielsweise des Ersatzmodelles Rad-Schiene zeigt sich eine Differenz zwischen der berechneten und simulierten Schwingungsfrequenz in der Beschleunigungsphase. Abbildung 7: Vergleich der Messwerte (Frequenzen) mit den Simulationsergebnisse (Beispiel Traverse beladen und in oberer Position) 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 8

Mit der Modellierung eines bestehenden RBGs konnten für die zweite Projektphase Erkenntnisse in Hinblick auf die Modellierung von Neukonstruktionen von RGBs mit größeren Hubhöhen, Lasten und Geschwindigkeiten gewonnen werden. Dabei konnte das Verhältnis zwischen Rechenaufwand zu Modellkomplexität optimal gestaltet werden. Beispielsweise wurde die Art und Anzahl der als flexibel auszuführenden Elemente in der Simulation ermittelt, die zur Abbildung des Schwingungsverhaltens notwendig sind. Dies sind Mast, Fahrrahmen, Querträger und Zugstangen. Ferner wurden die Kontakteigenschaften zwischen einzelnen Elementen und die Dämpfungsparameter der flexibel gestalteten Bauteile ermittelt. In Abbildung 8 ist beispielhaft ein Vergleich der Schwingwege während einer Gesamtfahrt für die durchgeführten Standardsimulationen (analog der durchgeführten Messungen; Traverse voll/leer und oben/unten) dargestellt. Die Kenntnis über die Schwingwege des Mastes dient zum einen zur Kalibrierung der Simulationsmodelle und zum anderen zur Optimierung der Eigenschaften der Träger hinsichtlich der Positionierzeiten bei Ein- und Auslagerung der Lastkassetten. Hier konnte eine sehr gute Übereinstimmung mit den Messergebnissen getroffen werden. Abbildung 8: Schwingwege des Mastes für die Messfahrten im Modell Abbildung 9 zeigt einen Vergleich zwischen den 4 Radaufstandskräften auf den Führungsschienen am Hallenboden in Abhängigkeit der unterschiedlichen Phasen einer Gesamtfahrt (Fahrt mit Traverse voll und oben). Die Angaben der Radlasten sind beispielsweise für die Dimensionierung der Räder des RBGs notwendig. Durch die Simulation kann der Einfluss der Beschleunigung bzw. der Verzögerung, sowie der Einfluss einer unsymmetrischen Anordnung der Last auf die Radlasten eindeutig gezeigt werden. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 9

rv rh Last lv v lh Abbildung 9: Radkräfte während der Gesamtfahrt 4.3 Schwingungsuntersuchung am Modell Mit dem erstellten MKS-Modell wurden umfangreiche Untersuchungen zur dynamischen Beurteilung des RBGs bei Leistungssteigerungen in Form von höheren: Lasten (0t bis 10t), Hubhöhen (Traverse unten und oben), Geschwindigkeiten (1,5m/s bis 4m/s), Beschleunigungen / Verzögerungen (0,2m/s² bis 0,7m/s²) und unterschiedlichen Fahrrichtungen (vorwärts / rückwärts) durchgeführt. Abbildung 10 zeigt beispielhaft eine Untersuchung des Schwingungsverhaltens des Mastes bei unterschiedlichen Beschleunigungen des Fahrantriebs. Der Schwingweg nimmt hier nahezu linear mit der Beschleunigung zu. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 10

Abbildung 10: Einfluss der Beschleunigung auf den Schwingweg des Mastes 5 Zusammenfassung Im Rahmen eines seitens der AiF geförderten Forschungsvorhabens wurde zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit von Schwerlast-Regalbediengeräten das dynamische Verhalten dieser Systeme analysiert. Dazu wurde eine umfangreiche experimentelle Schwingungsanalyse an einem bestehenden Regalbediengerät durchgeführt. Anschließend wurde ein Ersatzmodell als Mehrkörpersimulations- Modell von diesem System erstellt und damit Untersuchungen zur dynamischen Beurteilung, in dem beispielsweise die Last, Hubhöhe und Geschwindigkeit erhöht wurden, durchgeführt. Für die Konstruktion wurde hiermit ein Werkzeug geschaffen, mit dem die Variation der zukünftigen Fahrzeugstruktur und Maßnahmen zur Optimierung des Schwingungsverhaltens bereits im Vorfeld an einem virtuellen Prototyp simuliert werden kann, um damit den Zeit- und Kostenaufwand sowie die Risiken der Entwicklung von neuen Baureihen und Baureihenerweiterungen deutlich zu reduzieren. Mit dem MKS-Modell können ebenfalls mit geringem Aufwand steuerungs- und regelungstechnische Konzepte für die Fahrantriebe implementiert und untersucht werden, so dass ein optimaler Schwingungszustand des RBGs erreicht werden kann. 2010 Logistics Journal : Proceedings ISSN 2192-9084 11