Carola Frank/Margarete Jooß-Weinbach/Steffen Loick Molina/Gabriel Schoyerer Was passiert in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege? Alltag und Interaktion in Auf einen Blick Im Frühjahr 2018 ist die Broschüre Was passiert in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege? (175 Seiten) erschienen. Die Broschüre enthält die Ergebnisse eines Projekts des Deutschen Jugendinstituts, in dem der Alltag und die Interaktionen der pädagogischen Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen in den Betreuungsformen beobachtet und beschrieben wurden. Im Fokus stehen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Praxis, die sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen bei gleichen Zielvorgaben gezeigt haben. Inhalt 1. Ausgangslage und Forschungsfrage... 2 2. Ethnografie als Forschungsansatz... 3 3. Ergebnisbroschüre: Was passiert in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege?... 5 Literaturhinweise... 7 Carola Frank (M.A., Pädagogik), Dr. Margarete Jooß-Weinbach (M.A., Erziehungswissenschaft) und Steffen Loick Molina (M.A., Soziologie) sind wissenschaftliche Referent_innen am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. Gabriel Schoyerer ist Professor für Pädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München und war bis 2017 als wissenschaftlicher Referent am DJI beschäftigt. C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer/1
1. Ausgangslage und Forschungsfrage Von Januar 2015 bis Dezember 2017 wurde am Deutschen Jugendinstitut e.v. in München das ethnografische Forschungsprojekt Profile der Kindertagesbetreuung (ProKi) Alltag und Interaktion in durchgeführt. Ausgangspunkt der Studie war die Beobachtung, dass Angebote der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren zwar mit einer großen Zahl an konzeptionellen Vorschlägen und normativen Umsetzungsaufträgen für ihre Praxis konfrontiert werden, hingegen relativ wenig darüber bekannt ist, wie dort Alltag praktisch gestaltet wird. Förderauftrag: Erziehung, Bildung und Betreuung Der Auftrag zur öffentlichen Förderung der Kindertagesbetreuung richtet sich formalrechtlich sowohl an Kindertagespflege als auch an Kindertageseinrichtungen. Damit kommt die Intention des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) (2005) zum Ausdruck, das ein integriertes System der Kindertagesbetreuung mit rechtlich gleichrangingen, aber inhaltlich unterschiedlichen Angeboten anstrebt. Somit sollen verschiedene Formen der Kindertagesbetreuung (Kindertagespflege, Großtagespflege, Kindertageseinrichtungen) die gleichen Aufgaben der Förderung erfüllen, obgleich sie unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen unterliegen. Der Förderauftrag umfasst dabei mit Erziehung, Bildung und Betreuung eine Trias, deren Verhältnis in der praktischen Realisierung offengehalten wird. Wie in welchem Setting 1 Erziehung, Bildung und Betreuung praktisch erzeugt wird und wie sich dabei die Settings der Kindertagesbetreuung als gemeinsam, different oder spezifisch konstituieren, ist in empirischer und theoretischer Hinsicht weitgehend ungeklärt. Wichtig: Zu berücksichtigen ist, dass sich Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege selbst in eine Vielzahl von Settings mit verschiedenen konzeptionellen Schwerpunktsetzungen ausdifferenzieren. Hinzu kommt, dass Kindertagesbetreuung aufgrund gesellschaftlicher Erwartungen von normativ hoch aufgeladenen Tätigkeiten (Erziehung und Bildung) durchzogen ist. Wenn schließlich Angebote der Kindertagesbetreuung zunehmend als Bildungsorte positioniert werden, verändert sich auch der gesellschaftliche Blick auf die dort erbrachten Leistungen und zwar als professionelle Leistungen. Frage nach der Alltagsgestaltung Mit diesem Themenfeld setzte sich das Projekt Profile der Kindertagesbetreuung (ProKi) auseinander. Es ging aus einer vergleichenden Perspektive um die Frage, wie der Alltag in den verschiedenen Settings der Kindertagesbetreuung gestaltet wird und welche Leistungen die pädagogischen Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen hierbei erbringen. Das ist eine zentrale Voraussetzung für das Verständnis und die Weiterentwicklung von Praxis im Sinne von verschiedenen Profilen der Kindertagesbetreuung. 1 Der Begriff Setting nimmt auf den konkreten Ort der Betreuung und die materiellen Gegebenheiten wie z. B. vorhandene Räumlichkeiten, die Ausstattung oder die Anzahl an Mitarbeitenden Bezug. /2 C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer
Vor dem skizzierten Hintergrund fragt die Studie danach, wie Alltag und Interaktion in unterschiedlichen Settings der Kindertagesbetreuung als professionelle Leistungen praktisch hergestellt werden, welche Gemeinsamkeiten und welche Spezifika die drei untersuchten Betreuungsformen Kita, Kindertagespflege und Großtagespflege aufweisen. Abb. 1: Fragestellung der Studie (Quelle: eigene Darstellung) 2. Ethnografie als Forschungsansatz Um entlang der genannten Fragestellungen zu beschreiben, wie die pädagogischen Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen Alltag und Interaktion im Feld der Kindertagesbetreuung professionell herstellen, wurde die Ethnografie als Forschungsansatz gewählt. Sie zielt darauf ab, die Praktiken in den verschiedenen Settings vor ihrem jeweiligen institutionellen Kontext zu beobachten. Längere Aufenthalte in den Settings ermöglichten es, diese Praktiken detailliert zu beobachten und zu beschreiben. Die teilnehmende Beobachtung stellt ein zentrales Mittel ethnografischer Studien dar, um sich dem Forschungsgegenstand zu nähern und wichtige Erkenntnisse über die Praxis generieren zu können (vgl. Hirschauer 2001, S. 431). Teilnehmende Beobachtung Im Rahmen des Forschungsprojekts konnten insgesamt zehn Fälle in mehreren Beobachtungsphasen ethnografisch erschlossen werden. Die Fallauswahl erfolgte entlang dem theoretischen Sampling (Strauss/Corbin 1990, S. 176), indem die Betreuungssettings theoretisch-kontrastiv und gestaffelt ausgewählt wurden (Mey/ Mruck 2007; Strauss 1994). Dabei wurde z. B. auf das Konzept und die Größe der Kindertageseinrichtungen geachtet oder auf die Anzahl der betreuten Kinder bei der Kindertagespflegeperson (in unserem Fall jeweils fünf). Ebenso wurden bei der Auswahl der Kindertagespflegestellen der Umfang der angebotenen Betreuungsstunden und die für die Betreuung zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten berücksichtigt. C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer/3
Abb. 2: Forschungsverlauf (Quelle: eigene Darstellung) Im Vordergrund der durchgeführten Datenerhebung standen die Praktiken der Kindertagespflegepersonen und der Fachkräfte. Um beobachten zu können, wie sie ihren professionellen Alltag gestalten, wurden sie in ihrem Betreuungsalltag begleitet und die Beobachtung ihrer alltäglichen Praktiken fallbezogen protokolliert. Die Aufenthalte fanden in unterschiedlichen Feldphasen über einen längeren Zeitraum statt, damit sowohl tägliche Praktiken und Routinen als auch Veränderungen über die Zeit beobachtet werden konnten. Ethnografische Interviews Neben teilnehmenden Beobachtungen wurden auch ethnografische Interviews (mit Fachkräften, Kindertagespflegepersonen, Kita-Leitungen) geführt und in der Beobachtung oder den Interviews als relevant markierte Dokumente (z. B. Konzepte, Plakate, Listen) gesammelt. Im Zuge der methodenpluralen Auswertungen wurden die unterschiedlichen Datentypen in mehreren Schritten aufeinander bezogen. Das als systematischer Fallvergleich angelegte Design der Studie ermöglichte es zudem, Bezüge über unterschiedliche Betreuungsformen hinweg sichtbar zu machen und Differenzen ebenso wie Gemeinsamkeiten der Settings herauszuarbeiten. /4 C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer
Eine Erzieherin beobachtet Kinder beim Spielen (Quelle: Fotolia) 3. Ergebnisbroschüre: Was passiert in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege? Die Publikation Was passiert in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege? Phänomene professionellen Handelns in der Kindertagesbetreuung Ergebnisse aus dem ethnografischen Forschungsprojekt Profile der Kindertagesbetreuung (ProKi) (Schoyerer/Frank/Jooss-Weinbach/Loick Molina 2018) gibt ausgewählte Einblicke in die Ergebnisse des Forschungsprojekts und stellt aus der Fülle der Ergebnisse einige, aus Sicht der Autor_innen bedeutsame Blickschneisen vor. Beispiel: So konnte beispielsweise herausgearbeitet werden, wie Teams in Kindertageseinrichtungen ihre tägliche Organisation von Zuständigkeiten durchführen und welche Praxislogik (z. B. die Berufshierarchie oder die spontane kooperative Aushandlung) handlungsleitend ist. Für die Kindertagespflege erwies sich die tägliche Auseinandersetzung mit der Grenzziehung zwischen dem eigenen privaten Raum und seiner täglichen Umdeutung als Raum für öffentliche Betreuung als besonders bedeutsam. Dabei ließen sich unterschiedliche Strategien der Abgrenzung oder Öffnung dieses Raums identifizieren, etwa Möbelbarrieren oder auch eine situative Bestimmung gegenüber den Kindern. Grenze zwischen öffentlich und privat C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer/5
] In der Summe leistet die Studie einen empirischen Beitrag zu den verschiedenen Profilen von Angeboten der Kindertagesbetreuung hinsichtlich der dort erbrachten professionellen Leistungen und ihrer praktischen Bedingungen. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, den Fokus in den Diskussionen über Potenziale von Angeboten der Kindertagesbetreuung stärker darauf zu richten, was in der Praxis passiert, welchen Bedingungen und Logiken sie unterliegt und wie sie weiterentwickelt werden kann. Die Publikation steht unter www.dji.de/proki kostenlos zum Download zur Verfügung. /6 C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer
Literaturhinweise Hirschauer, S. (2001): Ethnografisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen. Zu einer Methodologie der Beschreibung. In: Zeitschrift für Soziologie, 30. Jg., H. 6, S. 429 451. Mey, G./Mruck, K. (2007): Grounded Theory Methodologie Bemerkungen zu einem prominenten Forschungsstil. In: Historical Social Research (HSR), H. 19, S. 11 39. Verfügbar unter: www. ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/28861/ssoar-hsrsupp-2007-no_19-mey_et_ al-grounded_theory_methodologie_-_bemerkungen.pdf?sequence=1 [Stand: 02.05.2018] Strauss, A./Corbin, J. M. (1990): Basics of qualitative research. Techniques and procedures for developing grounded theory. Los Angeles u. a.: SAGE Publications. Strauss, A. L. (1994): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. München: Fink Verlag. C. Frank/M. Jooß-Weinbach/S. Loick Molina/G. Schoyerer/7