Process Sourcing bei Banken: Die nächste Vernetzungsstufe



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Transkript:

Process Sourcing bei Banken: Die nächste Vernetzungsstufe Von Professor Rainer Alt und Thomas Zerndt Das Kompetenzzentrum «Sourcing in der Finanzindustrie» an der Universität St. Gallen erarbeitet mit zwölf Unternehmen prinzipielle Sourcing-Modelle, die sich mittels eines Metrikenkatalogs beurteilen lassen. Seit verhältnismässig kurzer Zeit ist das Schlagwort Sourcing im Bankenbereich in aller Munde. Es bezeichnet eine strategische Diskussion rund um neue Geschäftsmodelle wie etwa In- und Outsourcing ebenso wie die technische Diskussion zur Einführung von Standardsoftware, zum Beispiel von Avaloq, Finnova, SAP oder anderen. Als Motiv vieler Banken gilt die Verbesserung der Cost-Income-Ratios, sei es durch Kostenreduktion oder Umsatzsteigerung. Ebenso wie die Fertigungstiefe werden die strategischen und technischen Sourcing-Optionen häufig wenig systematisch ermittelt. Berichte zu erfolglosen Transaktionsbank- oder Outsourcing-Projekten zeigen die Komplexität der Gestaltung dieser Sourcing-Modelle. Sie führen zur Frage, welche prinzipiellen Sourcing-Modelle denn eigentlich existieren und welche Eignungsprofile diese bezogen auf die Erschliessung von Potenzialen in einer Bank besitzen. Neue Modelle im Bankenbereich In Anlehnung an die direkte Übersetzung (Sourcing=Beschaffung) bezeichnet Sourcing sämtliche Massnahmen zur Gestaltung der Wertschöpfungskette auf der Beschaffungsseite. Die Logistikliteratur spricht hier auch von allen «flussaufwärts» beziehungsweise «upstream» liegenden Aktivitäten, also dem gesamten Lieferantennetzwerk. Gegenüber Wertschöpfungsketten in der fertigenden Industrie unterscheiden sich jene der Banken durch zwei Charakteristika: Aufgrund des immateriellen Charakters von Finanzprodukten haben sich Banken bereits frühzeitig mit überbetrieblichen Organisationen (zum Beispiel Telekurs, AGI, RBA, RTC, SIS) und Informationssystemen (etwa SWIFT, SIC, Financial

EDI) befasst. Gegenüber anderen Branchen besteht hier ein deutlicher Vorsprung, weshalb hier die Finanzindustrie auch häufig als «Successful Practice» angeführt wird. Zur umfassenden Abdeckung von Kundenbedürfnissen haben insbesondere Universalbanken zahlreiche Geschäftsprozesse (Handel, Abwicklung, Produkt und Supportprozesse) vertikal integriert. Bei allen Bedenken gegenüber der Messung von Wertschöpfungstiefen, liegt der Bankenbereich hier mit 50-80 Prozent deutlich über der Elektronik- oder Automobilindustrie (ca. 15-25 Prozent). Angesichts zunehmend deregulierter Märkte (zum Beispiel. Schwächung des Bankgeheimnisses), des sich verändernden Kundenverhaltens (etwa steigendes Kostenbewusstsein bei hohen Qualitätsanforderungen) und einer fortschreitenden Margenerosion (beispielsweise verstärkter internationaler Wettbewerb) erhöht sich der Druck zur Verbesserung der Cost-Income-Ratio sowie der Identifikation und der nachhaltigen Positionierung im Markt. Darüber können auch die gegenwärtigen hohen Gewinne der Banken nicht hinwegtäuschen. Das Schlagwort Sourcing fasst sämtliche Massnahmen zusammen, welche die internen Wertschöpfungsaktivitäten der Banken auf Partner verteilen. Während im Bereich Betrieb und Wartung von IT-Systemen sowie Applikationsentwicklung und betrieb schon längere Erfahrungen bestehen, konzentrieren sich Vernetzungen im Bereich Prozess auf die genannten Lösungen z.b. im Interbankenbereich. Dagegen besteht bei den typischen Bankprozessen wie etwa Vertrieb, Portfoliomanagement, Zahlungsverkehr-, Wertpapier- und Kreditabwicklung heute noch eine sehr hohe Fertigungstiefe. Entgegen der häufig undifferenziert getroffenen Aussagen zu vertikal integrierten Banken, identifiziert die in Tabelle 1 genannte Studie einen hohen Nachholbedarf vor allem im Bereich des Business Process Outsourcing (BPO) und weniger im Bereich der Infrastrukturleistungen oder Applikationsentwicklung und betrieb. Hier stellt sie auch ein hohes Interesse der Banken an neuen Sourcing-Modellen fest. Kern der meisten Sourcing-Modelle ist die Nutzung von Spezialisierungsvorteilen, das heisst die Verteilung von Stückkosten auf eine grössere Menge sowie die gezielte Entwicklung bestimmter Kernkompetenzen. Zu den erfolgreichen Beispielen zählen sicherlich die zentralisierten Prozesse im Kreditkartenbereich (zum Beispiel VISA, Mastercard), Finanzinformationen (etwa Telekurs, Reuters) oder im Interbankenbe-

reich (beispielsweise SIC, SWIFT). Seit längerem wird auch das Konzept der Transaktionsbanken in der Schweiz diskutiert, das auf der Zentralisierung nationaler oder gar internationaler Volumina im Wertpapier- und/oder Zahlungsverkehrsbereich beruht. Beispiele in jüngerer Zeit zeigen neben dem Gründen gemeinsamer (Abwicklungs-)Unternehmen, auch Insourcing-Strategien, das heisst Banken führen eine Vorwärts- oder Rückwärtsintegration in der Wertschöpfungskette durch und agieren als Dienstleister für andere Banken. Dies kann Produkte (Bank Vontobel bietet Fondsprodukte für Raiffeisen), gesamte Prozesse (Deutsche Postbank übernimmt Zahlungsverkehr für Deutsche und Dresdner Bank) oder auch Prozessteile (PostFinance übernimmt das Scanning und die Nachbearbeitung von beleggebundenen Zahlungsaufträgen für UBS) betreffen. Sourcing von Kernprozessen Mit der zunehmend differenzierten Anbieterstruktur im Bankenbereich entsteht die Voraussetzung, Zulieferketten über mehrere Wertschöpfungsstufen zu bilden. Dies verändert das Bild der klassischen Bank, die im Bereich der Geschäftsprozesse noch primär Eigenfertiger ist, hin zu einem vernetzten Unternehmen. Zwar werden insbesondere Retail- und Privatbanken auch weiterhin dem Kunden Leistungen aus einer Hand anbieten, jedoch setzen die Banken dabei auf verschiedene Partner, die dem Kunden nicht transparent sind oder sein müssen, sofern dies durch regulatorische Vorgaben nicht verlangt wird. Drei Beispiele illustrieren die Transformation zur Netzwerkbank: Die Migrosbank setzt zur Abwicklung von Wertpapieraufträgen an den verschiedenen Börsenplätzen einen Trading- und Custodian-Service der UBS ein. Statt der Pflege eines umfassenden eigenen Brokernetzes besteht seit 2002 nur eine Beziehung (UBS), über die zudem eine höhere Anzahl Börsenplätze angebunden ist. Die Zuger Kantonalbank hat seit 2003 den Wertpapierabwicklungsprozess an die Zürcher Privatbank Maerki Baumann übergeben und versucht damit neben dem Outsourcing von Abwicklungsaufgaben, die eigene Marktposition durch die ausgewiesene Wertschriftenkompetenz von Maerki Baumann zu verbessern.

Die Hamburger Netbank wurde 1998 von sieben Sparda-Banken gegründet und konzentriert sich weitgehend auf die Steuerung und Kontrolle eines Partnernetzwerks. Das Partnernetzwerk umfasst die Bereiche Produkte (zum Beispiel Fonds, Versicherungen, Bausparen, Kursinformationen, Kreditkarten), Abwicklung (unter anderem Zahlungsverkehr- und Kreditabwicklung bei Sparda-Bank Hamburg, Wertpapierabwicklung durch etb und Output-Management bei einem Print-on- Demand-Dienstleister) sowie Call-Center- und Stabsfunktionen (etwa Revision, Rechnungswesen, Recht). Die Beispiele zeigen zunächst verschiedene Realisierungsmöglichkeiten steigender Vernetzung. Und sie unterstreichen, dass die Transformation auch sukzessive oder in kleinen Schritten realisierbar ist. Grundlage ist jedoch die Klarheit bezüglich der strategischen Ausrichtung und damit der Kernkompetenz der eigenen Bank. Zählen dazu die umfassende Kundenbetreuung, die Entwicklung und Pflege eigener Produkte oder gar die Abwicklung standardisierter Zahlungs-, Wertpapier- und Kredittransaktionen? In jedem Falle werden sich die Institute künftig klarer in den Dimensionen Vertrieb, Produkt oder Transaktionsabwicklung positionieren. Interessante Entwicklungen gibt es vor allem, wenn sich in jedem dieser Segmente Netzwerke etablieren, also analog der Zuliefererhierarchisierung in der Automobilindustrie ein Anbieter sein eigenes Partnernetzwerk organisiert. Beispielsweise greift ein Anbieter für die Zahlungsverkehrsabwicklung auf verschiedene Dienstleister mit der Spezialisierung Scanning oder Complianceprüfung zurück. Statt viele bilaterale Beziehungen aufzubauen, können Vertriebsbanken dann mit der Kooperation zu wenigen Partnern ihre eigene Wertschöpfungstiefe «virtualisieren». Transformation in Netzwerken ist systematisch zu gestalten In der Praxis werden Sourcing-Modelle längst nicht systematisch gestaltet. Beispiele sind «strategische Bauchentscheide» oder das Gleichsetzen von Sourcing mit der Wahl einer neuen Software. Auch belegen gescheiterte Sourcing-Projekte wie die Transaktionsbank für Wertschriften in der Schweiz oder die Verzögerungen beim Transfer des Zahlungsverkehrs zur Deutschen Postbank die organisatorische, politische und technische Komplexität von Sourcing-Projekten. Zahlreiche Gespräche mit Bankenvertretern haben ergeben, dass bezüglich der systematischen Planung und

Umsetzung sowie einer fundierten Analyse der Wirtschaftlichkeit heute ein klarer Bedarf bei Banken besteht. Ein Mitte 2004 am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St.Gallen gemeinsam mit zwölf Unternehmen gegründetes Forschungsprojekt zielt mit seinen Ergebnissen auf die Unterstützung einer systematischen Transformation. Die wichtigsten Bestandteile sind: Ein Gestaltungs-/Architekturmodell, das eine durchgängige Betrachtung von Sourcing-Modellen von der Strategie bis zu den Informationssystemen ermöglicht. Üblicherweise werden heute zur Geschäfts-, Prozess- und Systemmodellierung isolierte, nicht oder nur ungenügend aufeinander abgestimmte Techniken eingesetzt. Damit wird ein Referenzmodell für Sourcing-Modelle mit Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre erstellt. Zur Abstraktion von heutigen Lösungen wird eine prozessorientierte Betrachtungsweise gewählt, da sich Prozesse als Bindeglied zwischen Strategie und Technologie bewährt haben. Im Kompetenzzentrum wurden für den Zahlungsverkehr drei generische Sourcing-Modelle definiert, an realen Beispielen verifiziert und verglichen. Das Modell wird sukzessive auf weitere Bankprozesse, insbesondere die Wertschriften- und Kreditabwicklung sowie das Sourcing übergreifender Services wie Konto- und Depotführung ausgeweitet. Ein Bewertungsmodell soll mit einem Metrikenkatalog, der auf die Architekturebenen abgestimmt ist, den systematischen Vergleich von Sourcing-Modellen erlauben und deren ökonomische Sinnhaftigkeit ermitteln. Es geht über heutige Bewertungsverfahren hinaus, wie etwa die einfache Kostenvergleichsrechnung, Transaktionskosten- und Nutzwertanalysen oder den TCO-Ansatz (Total Cost of Ownership). Mit seiner Durchgängigkeit (abgestimmte Metriken von Strategie bis System) und der Verbindung quantitativer und qualitativer Aspekte ist er diesen Methoden klar überlegen. Das Verfahren will einseitige Betrachtungen wie etwa die reine Kostenreduktion vermeiden und Aspekte, wie beispielsweise die Stärkung von Kernkompetenz, die Positionierung am Markt oder die Projektkomplexität, mit berücksichtigen. Das integrierte IT-gestützte Gestaltungs- und Bewertungsmodell soll Banken und Provider bei der Realisierung von netzwerkorientierter Sourcing-Strategien unterstützen. Damit entsteht eine fundierte Ergänzung des bereits zitierten «Bauchgefühls» bei Sourcing-Entscheidungen, welches auf Vertrauen beruht und die Basis einer

Partnerschaft bildet. Schliesslich werden nur mit kooperationswilligen und fähigen Mitarbeiter erfolgreiche gemeinsame Strategien, Prozesse und Systeme entstehen. Längerfristig werden diese zu neuen Kombinationen der Aktivitäten bei den Finanzdienstleistern führen, die heute anerkannte Abläufe grundsätzlich in Frage stellen. Der Zusammenschluss ehemals eigenständig organisierter Abwicklungsaktivitäten in gemeinsamen Unternehmen für den Zahlungsverkehr oder die Wertpapierabwicklung zeigt ähnliche Richtungen auf wie sie auch bei den Reorganisationen der Chemieund Pharmaunternehmen in den vergangenen Jahren zu beobachten waren. Das Kompetenzzentrum «Sourcing in der Finanzindustrie» Partnerunternehmen des CC Sourcing sind seit Juli 2004: AIG Private Bank, Basellandschaftliche Kantonalbank, Boss Lab, Credit Suisse, CSC, DZ Bank, MigrosBank, PostFinance, RBA Service, St.Galler Kantonalbank, Swisscom IT Services, UBS Ergebnisse des CC Sourcing: 1. Regelmässige Workshops mit allen Partnerunternehmen zur Erarbeitung und Abstimmung der (Zwischen-)Ergebnisse, 2. Bilaterale Projekte mit den Partnerunternehmen zur Anwendung der Ergebnisse auf unternehmensspezifische Problemstellungen, 3. Handbuch und Toolunterstützung für ein integriertes Gestaltungs- und Bewertungsmodell, 4. Fallstudien-Datenbank mit laufend durchgeführten Fallstudien sowie Analysen zu informationstechnologischen Entwicklungen (Tools, Standards) Literatur: Teske, P. M., Das System "NetBank AG", in: Effert, D., Köhler, V. (Hrsg.), Wettbewerb der Vertriebssysteme - Strategien und Lösungen für das Privatkundengeschäft der Banken, Gabler, Wiesbaden, S. 227-242 Lamberti, H.-J., Marlière, A., Pöhler, A. (Hrsg.), Management von Transaktionsbanken, Springer, Berlin etc. 2004 IMG, Sourcing-Markt Schweiz: Situation heute und zukünftige Entwicklungen, The Information Management Group (IMG), St.Gallen, 2004 Tabelle 1: Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie Autoren Professor Dr. Rainer Alt, Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St.Gallen

Thomas Zerndt, The Information Management Group (IMG)