Die neue EU-Erbrechtsverordnung und ihre Auswirkungen Ein Blick aus deutscher Perspektive. von Werner Fuchs und Dr.

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Transkript:

Die neue EU-Erbrechtsverordnung und ihre Auswirkungen Ein Blick aus deutscher Perspektive von Werner Fuchs und Dr. Alexander Wirich Fachanwälte für Erbrecht 1

Einleitung: Beispielsfälle 2

Einleitung: Beispielsfall Beispielsfall 1 1 Der deutsche Staatsangehörige E hat Immobilien- und Geldvermögen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat E in Deutschland. E hat eine Frau und zwei Kinder und hat mit seiner Frau ein Gemeinschaftliches Testament (Berliner Testament) errichtet. Beide Ehegatten haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. 3

Beispielsfall 1 a) E verstirbt vor dem 17.08.2015 b) E verstirbt ab dem 17.08.2015 4

Lösung: Beispielsfall 1a) Bislang hat jedes europäische Land sein eigenes internationales Erbrecht. Das internationale Erbrecht regelt, welches nationale Erbrecht bei Erbfällen mit Auslandsbezug zur Anwendung kommt. 5

Lösung: Beispielsfall 1a) Dabei gilt gemäß den deutschen Vorschriften das sogenannte Staatsangehörigkeitsprinzip. D.h., dass sich das anwendbare Erbrecht immer nach der Staatsangehörigkeit richtet. Für einen deutschen Staatsangehörigen gilt also bisher unabhängig davon, wo er wohnt oder wo er Vermögen hat, immer deutsches Erbrecht. Dieses sog. Staatsangehörigkeitsprinzip gilt außer in Deutschland bspw. auch in Italien, Spanien, Österreich, Niederlande, Griechenland. 6

Lösung: Beispielsfall 1a) Eine Ausnahme gilt dabei aus deutscher Sicht nur für diejenigen Nachlassgegenstände, die sich im Ausland befinden, wenn die Rechtsordnung des ausländischen Staates für diese Nachlassgegenstände etwas anderes regelt. Dies gilt bspw. für Immobilien in Frankreich, Großbritannien oder den USA. Für diese Grundstücke gilt dann immer das Erbrecht am Lageort. 7

Lösung: Beispielsfall 1a) Dies führt dann dazu, dass in ein und demselben Erbfall sowohl deutsches als auch ausländisches Erbrecht gelten kann. Es kommt dann zu einer sog. Nachlassspaltung. Im Beispielsfall a) wird die Immobilie in Frankreich nämlich zwingend nach französischem Erbrecht vererbt, während alles andere, also die Immobilie in Deutschland, das Geldvermögen in Frankreich und alles sonstige Vermögen in Deutschland nach deutschen Erbrecht vererbt werden. 8

Lösung: Beispielsfall 1a) Eine Nachlassspaltung kann im Ergebnis die gesamte Erbschaftsplanung zunichte machen. Im Beispielsfall a) ist also zu überprüfen, welche Regelungen in Frankreich gelten. Entscheidend ist hierbei, dass in Frankreich (ebenso wie in vielen anderen Staaten weltweit) das Gemeinschaftliche Testament mit Bindungswirkung unwirksam ist. 9

Lösung: Beispielsfall 1a) Es bestehen somit gravierende Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen Erbrecht. Die Alleinerbeinsetzung des länger lebenden Ehegatten ist nach dem französischen Erbrecht nicht möglich, sofern Abkömmlinge oder Eltern vorhanden sind. 10

Lösung: Beispielsfall 1a) Bei Hinterlassung von Abkömmlingen steht dem länger lebenden Ehegatten nach Art. 757 CC lediglich nach seiner Wahl der Nießbrauch am gesamten Nachlass oder ein Viertel des Nachlasses zum Alleineigentum zu. Somit ist eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung gar nicht möglich. 11

Lösung: Beispielsfall 1a) Im Ergebnis vererbt sich folglich die Immobilie in Frankreich nach französischem Recht und alles sonstige Vermögen, also das gesamte Vermögen in Deutschland sowie das Geldvermögen in Frankreich nach deutschem Recht. 12

Lösung: Beispielsfall 1b) Ab dem 17.08.2015 gilt die Europäische Verordnung zum internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht (kurz: EuErbVO). Für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015 führt die neue Europäische Erbrechtsverordnung zu einer Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts in Europa. Die Verordnung regelt im Groben also nur, welches nationale Erbrecht zukünftig auf einen Erbfall Anwendung findet und die Gerichte welches Landes zuständig sind. 13

Lösung: Beispielsfall 1b) Wichtig: Die Verordnung regelt aber weder - das eigentliche nationale Erbrecht noch - das Erbschaftsteuerrecht. Jedes Land behält also auch zukünftig sein eigenes Erbrecht. 14

Lösung: Beispielsfall 1b) Die Verordnung gilt auch nicht für - das Ehe- und Güterrecht - das Gesellschaftsrecht - Lebensversicherungen und Verträge zugunsten Dritter, sondern ausschließlich auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen. 15

Lösung: Beispielsfall 1b) Die Verordnung gilt für alle EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien. Die Verordnung regelt für die teilnehmenden EU-Staaten das internationale Erbrecht weltweit, gilt also z.b. auch im Verhältnis zwischen Deutschland und nicht teilnehmenden Staaten, wie z.b. Schweiz, USA, Großbritannien, Dänemark, Irland, Australien usw. 16

Lösung: Beispielsfall 1b) Einer der zentralen Punkte der EuErbVO stellt Art. 21 dar: Zukünftig gilt für die gesamte Erbfolge das Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und nicht mehr das Erbrecht nach der Staatsangehörigkeit. 17

Lösung: Beispielsfall 1b) Es wird aber zukünftig auch möglich sein, unabhängig vom Aufenthaltsort das Erbrecht des Staates zu wählen, dessen Staatsangehörigkeit man besitzt. Dazu später mehr. 18

Lösung: Beispielsfall 1b) Die Auswirkungen der EuErbVO lassen sich deutlich am Beispielsfall erkennen. Tritt der Erbfall ab dem 17.08.2015 ein, gilt für die gesamte Erbfolge ausschließlich das Erbrecht am letzten Wohnsitz des Erblassers. 19

Lösung: Beispielsfall 1b) Da der Erblasser an seinem Wohnsitz in Deutschland verstorben ist, gilt für den gesamten Erbfall deutsches Recht, auch für die Immobilie in Frankreich. In diesem Fall ergibt sich also eine deutliche Vereinfachung des Erbrechts. 20

Lösung: Beispielsfall 1b) Durch die Anknüpfung des Erbrechts an den letzten Aufenthaltsort wird es aber in vielen Fällen zukünftig zu erheblichen Unsicherheiten kommen. Während die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit problemlos ist (ein Blick in den Pass genügt), ist die Anknüpfung an den Aufenthaltsort in vielen Fällen mit Unsicherheiten behaftet, wie z.b.: 21

Lösung: Beispielsfall 1b) Mallorca-Rentner, also Personen, die einen Teil des Jahres im Süden, einen Teil des Jahres im Heimatland verbringen Berufspendler und Global Players (also Personen, die in Unternehmen weltweit an verschiedenen Standorten tätig sind), z. B. Banker, die während der Woche am Finanzplatz London tätig sind, jedes Wochenende aber zurück nach Frankfurt fliegen, wo auch die Familie weiterhin wohnt 22

Lösung: Beispielsfall 1b) Grenzpendler, z.b. Deutsche, die aufgrund günstiger Immobilienpreise im Elsass wohnen, aber jeden Tag zur Arbeit nach Deutschland pendeln und auch in der Freizeit viel Zeit, z.b. bei Freunden und Verwandten, in Deutschland verbringen. Pflegebedürftige und geschäftsunfähige Personen, die im Ausland gepflegt oder behandelt werden oder im Ausland einen Unfall erlitten haben (z.b. Michael Schumacher). 23

Beispielsfall 2 Aufenthaltsort Zur Frage des Aufenthaltsortes : Der Gesellschafter A lebt die meiste Zeit über in seinem Haus in Nizza. Er kommt aber regelmäßig nach Deutschland zur Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen, zu Familienfeiern, Besuch bei Freunden etc. Das überwiegende Vermögen ist nach wie vor in Deutschland. Er stirbt in seiner Eigentumswohnung in München, wo er sich die letzten zwei Wochen vor dem Tode aufhielt. Welches Erbrecht gilt? 24

Lösung: Beispielsfall 2 Was unter dem gewöhnlichen Aufenthalt zu verstehen ist, ist in der EuErbVO nicht definiert. Es wird hierbei zukünftig in vielen Fällen zu erheblichen Unsicherheiten kommen. Letztlich haben dann die Gerichte in diesen Zweifelsfällen zu entscheiden, welches Erbrecht gilt. Auf dieser Basis ist aber eine vernünftige Planung der Vermögensnachfolge nicht möglich. 25

Lösung: Beispielsfall 2 Daher wird es zukünftig entscheidend auf Artikel 22 EuErbVO ankommen: Art. 22 Rechtswahl Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. 26

Lösung: Beispielsfall 2 Bei der Errichtung oder Überprüfung eines Testamentes sollte jetzt immer ausdrücklich geregelt werden, welches Erbrecht zur Anwendung kommen soll: Das Erbrecht am Aufenthaltsort oder Das Erbrecht der Staatsangehörigkeit 27

Lösung: Beispielsfall 2 Je nach Fall und Wünschen des Mandanten ist abzuklären, welches nationale Erbrecht am besten passt, im Hinblick auf folgende Rechtsfolgen: Bestehen von Pflichtteilsansprüchen und Noterbrechten, Höhe der Pflichtteilansprüche Zulässigkeit von Gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen 28

Lösung: Beispielsfall 2 Möglichkeiten der Enterbung und Pflichtteilsentziehung Anordnung von Vor- und Nacherbfolge und Nießbrauchsrechten Befugnisse des Testamentsvollstreckers Abwicklung des Nachlasses vor Ort Keine Rolle spielt hier ausnahmsweise das Steuerrecht, da dieses von der EuErbVO nicht erfasst ist. 29

Beispielsfall 3 Wohnsitzwechsel Die in der Regel ungewollten Auswirkungen eines Wohnsitzwechsel sollen anhand von Beispielsfall 3 dargestellt werden: Der deutsche Staatsangehörige E hat Immobilien- und Geldvermögen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat E im Ruhestand nach Frankreich verlegt. E hat eine Frau und zwei Kinder und hat mit seiner Frau ein Gemeinschaftliches Testament errichtet. Beide Ehegatten haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. 30

Beispielsfall 3 a) E verstirbt vor dem 17.08.2015 b) E verstirbt ab dem 17.08.2015 31

Lösung: Beispielsfall 3a) Aus französischer Sicht kommt für das bewegliche Vermögen, d.h. die Bankkonten, französisches Erbrecht zur Anwendung, ebenso für das Haus in Frankreich. Für das Haus in Deutschland gilt auch aus französischer Sicht deutsches Recht. Es kommt wieder zu einer Nachlassspaltung wie im ersten Beispielsfall. 32

Lösung: Beispielsfall 3a) Hier kommt noch dazu, dass aus deutscher Sicht für das Geldvermögen in Frankreich deutsches Erbrecht gilt. Es kommt somit zusätzlich noch zu widersprechenden Regelungen zwischen Deutschland und Frankreich, Streitigkeiten sind vorprogrammiert. 33

Lösung: Beispielsfall 3b) Gerade für solche Fälle will die EuErbVO Abhilfe schaffen. Für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015 gilt jetzt ein einheitliches Erbrecht. Es gilt das Prinzip der Nachlasseinheit. Im Beispielsfall 3 b gilt also für den gesamten Erbfall jetzt ausschließlich französisches Erbrecht, weil der Erblasser am Todestag seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte. 34

Lösung: Beispielsfall 3b) Dies kann dann allerdings gerade für deutsche Erblasser ganz neue Probleme bereiten. Denn wie bereits im Beispielsfall 1 dargestellt, sind gemeinschaftliche Testamente in Frankreich gar nicht möglich. Somit führt dies im Ergebnis dazu, dass im Beispielsfall 3b) die gesetzliche Erbfolge zum Tragen kommt. 35

Lösung: Beispielsfall 3b) Bei Hinterlassung von Abkömmlingen steht dem länger lebenden Ehegatten nach Art. 757 CC lediglich nach seiner Wahl der Nießbrauch am gesamten Nachlass oder ein Viertel des Nachlasses zum Alleineigentum zu. Somit ist die geplante gegenseitige Alleinerbeinsetzung hinfällig und nicht möglich. 36

Lösung: Beispielsfall 3b) Deswegen nochmals der wichtige Hinweis für solche Fälle: Unbedingt eine Rechtswahl im Testament treffen, für den deutschen Staatsbürger das deutsche Erbrecht. 37

Lösung: Beispielsfall 3b) Und zukünftig ebenfalls wichtig: Unbedingt bestehende Testamente überprüfen, welche Auswirkungen die EuErbVO auf das eigene Testament hat. 38

Beispielsfall 4: Berliner Testament In Deutschland ist nach wie vor das sog. Berliner Testament beliebt und in vielen Fällen auch sinnvoll. Auch hier gelten zukünftig Besonderheiten. Dazu der Beispielfall 4: Die Eheleute Müller mit zwei gemeinsamen Kindern haben ein Gemeinschaftliches Testament (Berliner Testament) errichtet. Beide Ehegatten haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, am Schluss sollen die beiden Kinder alles zu gleichen teilen erben. 39

Beispielsfall 4 Noch Beispielfall 4: Im Testament haben die Eheleute geregelt, dass das deutsche Erbrecht gelten soll. Nach dem Tod des Ehemannes zieht Frau Müller dauerhaft in die Ferienwohnung nach Spanien und heiratet wieder. Sie errichtet ein neues Testament und setzt ihren neuen Ehemann zum Alleinerben ein. Geht das und wie könnte dagegen Vorsorge getroffen werden? 40

Lösung: Beispielsfall 4 Im Beispielfall 4 ist zu klären, ob die länger lebende Ehefrau das Testament nochmals abändern durfte. Dieser Punkt ist dringend in einem gemeinschaftlichen Testament zu klären. Um spätere Änderungen oder Aufhebungen des Testamentes zu verhindern, sollte in jedem Testament klargestellt werden, ob der länger lebende Ehegatte das Testament nochmals abändern darf oder nicht. 41

Lösung: Beispielsfall 4 Diese sog. Bindungswirkung des Gemeinschaftlichen Testamentes muss sich dann ausdrücklich auch auf die Rechtswahl erstrecken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der länger lebende Ehegatte allein durch den Wechsel seines Wohnsitzes das gesamte Testament zunichte machen kann. 42

Lösung: Beispielsfall 4 Inwieweit eine solche Bindungswirkung sinnvoll ist, muss allerdings in jedem Einzelfall geklärt werden. Dies wird leider bei vielen Beratungen im Erbrecht vergessen. 43

Zuständigkeiten Nach Artikel 4 der Verordnung sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wenn also unser beispielhafter deutscher Staatsbürger mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich stirbt, gilt im Einklang mit dem anwendbaren Erbrecht, dass auch die französischen Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind. 44

Zuständigkeiten Das französische Nachlassgericht hat französisches Erbrecht anzuwenden, welches ihm vertraut ist. Damit gewährleistet die EU-Erbrechtsverordnung, dass das nach dem Landesrecht von Frankreich zuständige Gericht für den gesamten Nachlass zuständig wird, und zwar unabhängig davon, wo sich das Nachlassvermögen im Todeszeitpunkt befunden hat. 45

Zuständigkeiten Diese Zuständigkeit bezieht sich auch auf das Vermögen des Erblassers in einem anderen EU-Land, also auch auf das deutsche Vermögen, wie z.b. Unternehmensanteile, Bankvermögen und Immobilien in Deutschland. 46

Zuständigkeiten Um zu vermeiden, dass in diesem Fall das örtliche Nachlassgericht in Frankreich für den gesamten Nachlass und damit auch für das Vermögen in Deutschland zuständig wird, können nach Artikel 5 der Verordnung die betroffenen Erben vereinbaren, dass für Entscheidungen in dieser Erbsache ausschließlich ein Gericht dieses Mitgliedstaats, also hier von Deutschland zuständig sein soll. 47

Zuständigkeiten - Nach der zukünftigen Rechtslage könnte sich allerdings das zunächst zuständige Gericht in unserem Beispielsfall in Frankreich auch ohne eine solche Gerichtstandsvereinbarung der Erben für unzuständig erklären, wenn seines Erachtens die Gerichte des Mitgliedsstaats des gewählten Rechts in der Erbsache besser entscheiden können. - Hier wird sich für die deutschen Erben aber empfehlen, es auf diese eigene Unzuständigkeitserklärung nicht ankommen zu lassen, sondern aktiv eine Gerichtstandvereinbarung zu schließen. 48

Zuständigkeiten Sind mehrere Erben berufen und ist Nachlassvermögen in mehreren Staaten vorhanden, ist dringend zu empfehlen, dass neben der Wahl des deutschen Erbrechts im Testament auch eine Testamentsvollstreckung angeordnet wird. Der Testamentsvollstrecker kann dann aufgrund eines entsprechenden Zeugnisses des zuständigen Nachlassgerichts nicht nur in den EU-Staaten, sondern auch in Drittstaaten den Nachlass verwalten und verwerten. 49

ENZ und nationaler Erbausweis Europäisches Nachlasszeugnis (kurz: ENZ) kann nur bei grenzüberschreitendem Verhältnis beantragt werden (im Einzelnen: Art 62 EuErbVO); zusätzliche oder alternative Option für Antragsteller? es soll nicht an Stelle nationaler Erbausweise treten; somit in internationalen Erbrechtsfällen mindestens zwei (möglicherweise einander widersprechende) Erbausweise denkbar; zeitliche Beschränkung der Gültigkeitsdauer: grundsätzlich 6 Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung. 50 50

ENZ und nationaler Erbausweis Beweisfunktion; Art 69 Abs 2 Satz 1 EuErbVO Legitimationsfunktion; Art 69 Abs 2 Satz 2 EuErbVO Gutglaubenswirkung; Art 69 Abs 3 EuErbVO Lediglich grob fahrlässige Unkenntnis kann Legitimations- und Gutglaubenswirkung entfallen lassen (Art 69 Abs 3 und 4 EuErbVO). 51

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Empfehlungen Ordnen Sie auf jeden Fall in Ihrem Testament für Ihren Nachlass die Geltung deutschen Rechts an, unabhängig davon, ob Sie einen Umzug ins Ausland erwägen. Ordnen Sie bei vorhandenem Vermögen in mehreren Staaten Testamentsvollstreckung an. Sind Sie Erbe eines Vermögens geworden, von dem sich der wesentliche Teil in Deutschland und weiteres Vermögen im Ausland befindet, so suchen Sie eine Anknüpfung für eine Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts. 62

Vielen Dank.. für Ihre Aufmerksamkeit Werner Fuchs und Dr. Alexander Wirich Fachanwälte für Erbrecht der Kanzlei Schrade & Partner 63

Für weitere Fragen stehen Ihnen gerne zur Verfügung: Werner Fuchs und Dr. Alexander Wirich Fachanwälte für Erbrecht der Kanzlei Schrade und Partner Villingen-Schwenningen Tel.: 07721-20626 434 Fax: 07721 20626 500 werner.fuchs@schrade-partner.de alexander.wirich@schrade-partner.de 64