INFOPORT Ausgabe 4/2007, 14. Juni 2007



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Transkript:

INFOPORT Ausgabe 4/2007, 14. Juni 2007 Das Bankensystem in Deutschland mit den heutigen Strukturen zukunftsfähig? Ostdeutsche Sparkassen im Spiegel ihrer Bilanzen des Jahres 2005 Aktuelle Veränderungen in den Sparkassen nichts bleibt, wie es war Die Verbandssicht kurz und bündig: Banken-Ranking: 1995 waren 3 private Großbanken und die WestLB unter den Top 12 in Europa, dicht gefolgt von anderen Landesbanken und der DG Bank, 2005 nur noch ein einziges deutsches Institut unter Top 12, WestLB Platz 33; Vormarsch ausländischer Banken auf die Spitzenplätze belegt Strukturschwäche des deutschen Bankensystems. Relevanz für Ostdeutschland: Entwicklung vor Ort unmittelbar von internationaler Marktposition der deutschen Kreditwirtschaft betroffen, weil sich der immer intensiver werdende Wettbewerb auch hier auswirkt (z.b. Veränderung der Vertriebsstrukturen, auch durch Marktauftritt der Direktbanken, Internet-Banking etc.). Kreditwirtschaft Sicherung der volkswirtschaftlichen Schlüsselrolle Zukunftsfähiges Bankensystem nur mit sektorübergreifendem Strukturwandel möglich Dominierende Vorstellung in der Politik: Erhalt der 3-Säulen-Struktur zukunftsfähig; Sparkassen als Garanten für die Bereitstellung von Krediten und Helfer in der Not hoch verschuldeter Kommunen durch Förderung von Kultur, Sport bzw. sozialer Anliegen. Durchschnittsbilanz der 76 ostdeutschen Sparkassen für das Jahr 2005: Kredite nur 36%, Anlagen am Kapitalmarkt dagegen 45% Anteil an der Bilanzsumme; Eigenkapital je Sparkasse 56 Mio. ; 3 Mio. Jahresüberschuss; 27 Sparkassen leisteten Ausschüttungen an ihre kommunalen Eigentümer (entspricht Eigenkapitalrendite von durchschnittlich knapp über 1%); Rendite der übrigen kommunalen Eigentümer aus Sponsoring in der Regel unter 1% des Eigenkapitals. Bisherige Reaktionen der Sparkassen auf wachsenden Wettbewerbsdruck: Fusionen zu überregionalen Instituten, Zentralisierungen etc.; Übernahmen privater Banken durch Landesbanken belegen, dass zukunftsfähige Marktpositionierung durch ausschließliche Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Bankensektor nicht für möglich gehalten wird. Politischer Handlungsbedarf: Aufgrund der Schlüsselrolle, die die Kreditwirtschaft volkswirtschaftlich einnimmt, muss für alle Institute eine sektorübergreifende Neupositionierung möglich werden. An die Stelle der drei getrennten Bankensektoren müssen in einem marktgesteuerten Suchprozess sektorübergreifend viele stabile Pfeiler des deutschen Bankensystems treten deshalb: Weichen für einen zukunftsfähigen Strukturwandel alsbald stellen!

Wettbewerbsfähigkeit des Bankensystems auch regional relevantes Thema Der Finanzmarkt ist in Bewegung. Dabei verschärft sich die Wettbewerbssituation stetig. Ausländische Kreditinstitute befinden sich international auf dem Vormarsch und halten in Rankinglisten Spitzenplätze. Diese Entwicklung, aber auch weitere Veränderungen des Wettbewerbs (Direktbanken, wachsende Nutzung des Internet-Bankings etc.) bewirken bei allen Anbietern von Finanzprodukten einen tief greifenden Wandel. Bezogen auf die Marktposition der Sparkassen dominiert in der Politik die Vorstellung, zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Hierbei wird die Sparkasse vor Ort als Garantin für die Bereitstellung von Krediten gesehen, insbesondere für den Mittelstand. Angesichts hoher Verschuldung der Städte und Gemeinden gilt sie auch als Helferin in der Not, wenn die Kulturarbeit, der Sport oder diverse soziale Anliegen zu unterstützen sind. Schon der Umbau der traditionellen Filialstrukturen hin zum Produktvertrieb in Form eines Rund-um-die-Uhr -Angebots belegt anschaulich, dass der intensiver werdende Wettbewerb Auswirkungen bis tief in das Bankgeschäft in den regionalen Märkten hat. Deshalb ist die Zukunftsfähigkeit des deutschen Bankensystems ein durchaus auch regional relevantes Thema. Doch welchen konkreten Ertrag erwirtschaften die Sparkassen? Welchen Nutzen haben deren kommunale Eigentümer? Wie wird der Wettbewerbsdruck aufgegriffen? Welche Strukturveränderungen vollziehen sich daher auch bereits im Sparkassensektor? Reichen diese Änderungen oder ist die bisherige Struktur im deutschen Bankenmarkt mit seinen drei getrennten Sektoren doch nicht zukunftsfähig? Ostdeutsche Sparkassen im Spiegel ihrer Bilanzen des Jahres 2005 Zum immer wieder betonten regionalen Nutzen ergibt sich aus den für 2005 veröffentlichten Jahresabschlüssen der 76 ostdeutschen Sparkassen folgendes Bild: Regionales Geschäftsengagement Kredite sind nicht der Geschäftsschwerpunkt Kredite an Kunden: 36% der Bilanzsumme Ergebnis des schwachen Wirtschaftswachstums,... Entgegen einer weit verbreiteten Annahme bilden die Kredite an Kunden in der durchschnittlichen Jahresbilanz 2005 der ostdeutschen Sparkassen (s. Grafik) nicht den Geschäftsschwerpunkt. Vielmehr haben sie an der Bilanzsumme einen Anteil von 36%. 2 Ostdeutscher Bankenverband e.v. INFOPORT 4/2007

Setzt man zu diesen gewährten Krediten die Kundeneinlagen in Relation, zeigt sich, dass jedem Euro Kundengeld aus der Region nur 48 Cent Kredite in die Region gegenüberstehen. 30% der insgesamt rund 550 Mio. Kredite (Vorjahr: 560 Mio. ) sind grundpfandrechtlich gesicherte Kredite. Weitere 20% sind Darlehen an Kommunen. Auch nach den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Kreditdaten sind die Kreditbestände der Sparkassen für die letzten Jahre und auch aktuell noch rückläufig bzw. stagnierend. 2005 wurde gegenüber 2004 bei den Krediten an Unternehmen ein Minus um 4,1% und bei den Krediten an Selbstständige, also an Einzelkaufleute, Handwerker und Freiberufler, ein Minus von 5,3% verzeichnet. 2006 betrug das Minus gegenüber dem Vorjahr 0,8% (Unternehmen) bzw. 3,6% (Selbstständige). Diese Daten zeigen, dass auch Sparkassen nicht jedes Risiko eingehen, denn sie unterliegen denselben bankaufsichtlichen Regularien und konjunkturellen Einflüssen wie die anderen Institutsgruppen. Die verzeichneten Kreditrückgänge sind hier das Spiegelbild der in den letzten Jahren schwachen Wirtschaftsentwicklung, die sich in hohen Insolvenzzahlen und damit auch in Wertberichtigungen der Kredite niederschlug., denn: auch Sparkassen können nicht jedes Kreditrisiko eingehen! Kapitalmarktanlagen wichtiger Geschäftszweig Da nur knapp die Hälfte der Kundeneinlagen wieder als Kredite ausgereicht werden, stellt sich die Frage, wie die Sparkassen im Übrigen ihre verfügbaren Mittel anlegen. Die Durchschnittsbilanz zeigt, dass 2005 umfassende Mittel am Kapitalmarkt in Schuldverschreibungen, Aktien und anderen Wertpapieren angelegt wurden. Diese Wertpapierbestände machen 45% der Bilanzsumme aus und bilden damit einen wichtigen Geschäftszweig. Kapitalmarktanlagen 45% der Bilanzsumme Ertrags und Aufwandsstruktur Angesichts dieser Bilanzstruktur kann nicht verwundern, dass im Durchschnitt 36% aller Sparkassenerträge aus Kapitalmarktanlagen resultieren (s. Grafik). Der Anteil variiert allerdings erheblich. Belaufen sich diese Erträge z.b. bei der Sparkasse Parchim-Lübz auf 13,4% (dabei Anteil aus Aktien und nicht festverzinslichen Wertpapieren 0,02%), sind dies bei der Sparkasse Muldental 59,1% (Anteil Aktien etc. 4,3%). Die Kreissparkasse Aschersleben-Staßfurt hat mit 28,0% den höchsten Ertragsanteil aus Aktien und nicht festverzinslichen Wertpapieren. Auf der Aufwandsseite ergibt sich ebenfalls ein sehr differenziertes Bild (s. Grafik). 36% der Erträge resultieren aus Kapitalmarktanlagen INFOPORT 4/2007 Ostdeutscher Bankenverband e.v. 3

Vom Gesamtertrag verbleiben im Schnitt 3 Mio. als Jahresüberschuss,... So war 2005 die Kreissparkasse Weißenfels diejenige mit dem geringsten Anteil der Wertberichtigungen auf Kreditforderungen bzw. der Vorsorge für allgemeine Bankrisiken (3,3%). Bei der Kreissparkasse Bitterfeld betrug dieser Anteil 36,7%, gefolgt von den Kreissparkassen Rügen bzw. Aschersleben-Staßfurt mit jeweils 22,7%. Im Durchschnitt wurden 14,1 % der Erträge durch diese Positionen verbraucht (s. Grafik S. 3). Nach Abzug aller Aufwendungen von allen Erträgen verblieben 2005 im Durchschnitt 3,6% der Erträge als Jahresüberschuss (s. Grafik S. 3). Von diesen 2,92 Mio. wurden vorab durchschnittlich 0,66 Mio. in die sog. Sicherheitsrücklage (= Eigenkapital) eingestellt. Die als Bilanzgewinn ausgewiesenen 2,26 Mio. wurden überwiegend im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses ebenfalls der Sicherheitsrücklage zugeführt. Sponsoring statt Ausschüttungen gute Rendite für die Träger?, die überwiegend nicht ausgeschüttet werden Verzicht auf angemessene Gewinnausschüttungen finanzpolitisch weder sinnvoll noch nachvollziehbar Zusammen haben die 76 ostdeutschen Sparkassen für das Jahr 2005 Eigenkapital in Höhe von mehr als 4 Mrd. ausgewiesen, je Sparkasse 56,6 Mio.. Nach den im Bundesanzeiger veröffentlichten Gewinnverwendungsbeschlüssen leisteten 27 Sparkassen an ihre kommunalen Eigentümer Ausschüttungen, und zwar in einer Höhe von 49,8 Mio.. Der regionale Schwerpunkt liegt hier in Sachsen. Die Einzelbeträge reichen von 44.000,- in Dessau bis über 9 Mio. in Dresden. Im Durchschnitt entsprechen die geleisteten Ausschüttungen bezogen auf das Eigenkapital einer Rendite von knapp über einem Prozent. Aufwendungen erspart bleiben. Dieser Nutzen ist jedoch gemessen am Eigenkapital (unter 1%) und in Relation zu den tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen minimal (s. Grafik). Aus Sicht eines Bürgers vor Ort ist zweierlei zu hinterfragen: So ist finanzpolitisch nicht nachvollziehbar, dass trotz angespannter Finanzlage der Kommunen auf eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals verzichtet wird. Zudem erfolgt über die konkrete Verwendung der Sponsoring-Mittel in aller Regel auch keine Entscheidung durch die direkt gewählten Vertreter der Kommunalparlamente. Entscheidung über Mittelverwendung besser in Kommunalparlamenten Für die überwiegende Zahl der kommunalen Eigentümer bildet jedoch ausschließlich das Sponsoring in den Bereichen Kultur, Sport etc. die Rendite, als ihnen insoweit eigene Durch die Zuführungen der Bilanzgewinne zu den Sicherheitsrücklagen stieg das durchschnittliche Eigenkapital der 76 ostdeutschen Sparkassen im Jahre 2005 auf 58,9 Mio. an (s. die Durchschnittsbilanz auf S. 2). Dies bedeutet je Sparkasse eine Erhöhung um knapp 2,3 Mio., und zwar nachdem bereits Wertberichtigungen, weitere Vorsorgebeträge unter der Position Fonds für allgemeine Bankrisiken und die Sponsoring-Beträge als Aufwand in Abzug gebracht wurden. Für das Kreditgeschäft wird dieses Eigenkapital, wie der 36%- Anteil der Kredite an der Bilanzsumme zeigt, nicht benötigt. Der Nutzen der kommunalen Eigentümer könnte also durchaus größer sein. Aktuelle Veränderungen in den Sparkassen nichts bleibt, wie es war In der Politik wird ungeachtet dieser Kennziffern angestrebt, viele kleine Sparkassen als lokal verwurzelte Institute zu erhalten. Doch: Angesichts des international deutlich gewachsenen Wettbewerbsdrucks haben Sparkassen und Landesbanken erhebliche Verän- 4 Ostdeutscher Bankenverband e.v. INFOPORT 4/2007

derungsprozesse in Gang gebracht, mit der Folge, dass dieses Idealbild der Politik schon heute immer weniger der Realität entspricht. Durch Fusionen entstehen immer größere Sparkassen, deren lokale Verankerung abnimmt. Z.B. umfasst das Geschäftsgebiet der Mittelbrandenburgischen Sparkasse die Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel sowie fünf Landkreise. Hier wohnen über 43 % aller Brandenburger. Die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig erfasst Leipzig und drei Landkreise und damit 20 % der Einwohner Sachsens. Weitere 22 % der sächsischen Bevölkerung deckt die Ostsächsische Sparkasse Dresden in Dresden, Hoyerswerda und drei Landkreisen ab. Die Sparkasse Mittelthüringen schließt Erfurt, Weimar und zwei Landkreise ein, was 19 % der Einwohner Thüringens entspricht. Durch die Bündelung von Funktionen bei externen Gesellschaften erfolgt eine indirekte Zentralisierung. Ein Beispiel ist die Auslagerung der Kreditbearbeitung sowie weiterer Folgetätigkeiten ostdeutscher Sparkassen in die Sparkassen-Transaktionsgesellschaft STG in Pirna (Stichwort: Kreditfabrik ). Dies ist kein Einzelfall. Auch weitere Sparkassen lagern zunehmend wesentliche Bereiche wie Kreditbearbeitung, Konto-Services oder Zahlungsverkehrsdienstleistungen aus. Hinzukommt der Erwerb privater Banken durch die eng mit den Sparkassen verzahnten Landesbanken. Die WestLB übernahm die Weberbank und die ABC Privatkunden-Bank. Die LBBW integrierte die Baden-Württembergische Bank. Auf der LBBW-Internetseite heißt es wörtlich: In Stuttgart erfüllt die BW- Bank für die LBBW die Aufgaben einer Sparkasse. Der Name Sparkasse wird hier freilich nicht verwendet. Diese Entwicklungen zeigen, dass im Sektor der Sparkassen und Landesbanken nichts bleibt, wie es war. Die Übernahmen privater Banken durch Landesbanken belegen, dass von den Erwerberinstituten eine zukunftsfähige Marktpositionierung durch ausschließliche Veränderungen und Anpassungen in ihrem Sektor nicht für möglich gehalten wird. Vielmehr wird zunehmend als Ergebnis von Markt und Wettbewerbsanalysen ein sektorübergreifender Weg gewählt. Ziel der Politik: Erhalt vieler kleiner und lokal verwurzelter Sparkassen, aber... Realität schon heute: Trend zu überregionalen Sparkassen, Zentralisierung... und Erwerb privater Banken unter Verzicht auf den Namen Sparkasse etc. Kreditwirtschaft Sicherung der volkswirtschaftlichen Schlüsselrolle Und in der Tat: Die Frage der zukunftsfähigen Marktpositionierung hat im Wettbewerb entscheidende Bedeutung, wie das Ranking der größten Banken in Europa im Vergleich der letzten 10 Jahre zeigt (s. Grafik). Waren 1995 aus Deutschland noch drei private Großbanken 1995 2000 2005 INFOPORT 4/2007 Ostdeutscher Bankenverband e.v. 5

Zukunftsfähige Positionierung im Wettbewerb entscheidend, aber... Bruttowertschöpfung in Mrd. EURO sche Banken zu länderübergreifenden Finanzkonzernen entwickelten und heute führende Positionen einnehmen. Dieser Bedeutungsverlust hat private Banken und Landesbanken gleichermaßen getroffen, das klare Ergebnis eines Strukturproblems. nicht nur als einzelnes Institut, sondern als gesamte Schlüsselbranche Ostdeutscher Bankenverband e.v. (Quelle: Statistisches Bundesamt - Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen) und die WestLB unter den Top 12, dicht gefolgt von Bayerischer Landesbank, DG Bank etc., ist heute nur noch eine einzige deutsche Bank unter diesen 12 größten Banken. Trotz gewachsener Bilanzsummen trat ein Bedeutungsverlust ein, weil sich zahlreiche ausländi- Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung dieses Themas darf nicht unterschätzt werden. Die Bruttowertschöpfung der Kreditwirtschaft entspricht der im Fahrzeugbau, Maschinenbau oder in der Chemischen Industrie (s. Grafik). Als Schlüsselbranche gibt die Kreditwirtschaft vielfältige Impulse an andere Branchen weiter. Z.B benötigt die immer stärker exportorientierte Wirtschaft als Begleiter in ausländische Märkte international wettbewerbsfähige Kreditinstitute. Deshalb ist die Politik gefordert, das gesamte deutsche Bankensystem wieder für den internationalen Wettbewerb zu stärken. Zukunftsfähiges Bankensystem nur mit sektorübergreifendem Strukturwandel möglich Bislang bestehen in der Politik allerdings große Vorbehalte, einen grundlegenden Wandel der Bankenmarktstrukturen einzuleiten, wie dieser in anderen europäischen Ländern seit den 1990er Jahren erfolgte. Während dort der Wandel befördert wurde, hält die deutsche Politik bislang am Bild eines öffentlichen Auftrages fest, um mit staatlichen Kreditinstituten in den Bankenmarkt einzugreifen. Öffentlicher Auftrag obsolet Deutscher Bankenmarkt: höchster Staatsanteil im internationalen Vergleich In keinem anderen Wirtschaftsbereich greift der Staat mit eigenen Unternehmen als Wettbewerber in das Marktgeschehen so stark ein, wie dies im Bankenmarkt durch den Verbund von Sparkassen und Landesbanken geschieht. In der Berliner Erklärung der S-Finanzgruppe vom 7.11.2005 heißt es: Sparkassen und Landesbanken sind heute zusammen betrachtet die größte Kreditinstitutsgruppe der Welt. In der Tat: Deutschland hat mit einem Staatsanteil von deutlich über 40 % am Bankenmarkt eine in der EU inzwischen einmalige Struktur. Denn in allen EU-Staaten, in denen es einen staatlichen Bankensektor gab, wurden in den letzten Jahren vielfältige Strukturveränderungen eingeleitet bzw. vollzogen. Ist das Festhalten an einem umfassenden staatlichen Engagement im Bankenbereich in einem marktwirtschaftlich orientierten Industrieland richtig und zukunftsfähig? Immer wieder wird darauf verwiesen, dass Sparkassen und Landesbanken einen öffentlichen Auftrag hätten, die Einteilung des deutschen Bankensystems in drei voneinander getrennte Bankensektoren sich bewährt habe und im Interesse des Schutzes des Wettbewerbs erhalten werden müsse. Tatsächlich entstand der öffentliche Auftrag und damit das Sparkassenwesen unter Geltung von Rahmenbedingungen, die sich seither grundlegend gewandelt haben (s. Grafik). 6 Ostdeutscher Bankenverband e.v. INFOPORT 4/2007

457 Leitvorstellung der Politik: viele kleine, lokal verwurzelte Sparkassen Realität: schon heute anders Die Gründung der Sparkassen als Geldsammelstellen für die finanzielle Vorsorge der breiten Bevölkerung erfolgte zu einer Zeit, als es noch keine sozialen Sicherungssysteme gab. Während der Staat zu einem umfassenden Sozialstaat ausgebaut wurde, entwickelten sich die Sparkassen zu Universalwettbewerbern. Dies hat mit dem ursprünglichen öffentlichen Auftrag nichts mehr zu tun. In der marktwirtschaftlichen Ordnung muss es die Ausnahme bilden, dass der Staat mit eigenen Unternehmen in Märkten agiert. Der Schutz des Wettbewerbs muss anders gewährleistet werden. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen muss und kann auch im Bankenmarkt durch das Wettbewerbsrecht ein funktionierender Wettbewerb sichergestellt werden. Für einen öffentlichen Auftrag gibt es heute keine Rechtfertigung mehr Lösung: marktgesteuerter Suchprozess Nochmals: der staatliche Bankensektor vollzieht bereits eine sektorübergreifende Neupositionierung, indem private Banken zugekauft werden. Der umgekehrte Weg ist bislang ausgeschlossen. Der anhaltende internationale Bedeutungsverlust aller deutschen Institute zeigt indes nur allzu deutlich: Es kommt immer drängender darauf an, die Weichen für einen grundlegenden Strukturwandel alsbald richtig zu stellen. Damit sich in alle Richtungen sektorübergreifend stärkere Institute herausbilden können, muss ein marktgesteuerter Suchprozess ermöglicht werden. Der Schlüssel zur Einleitung einer solchen Entwicklung liegt allerdings bei der Politik. So ist es erforderlich, durch Änderung der Sparkassengesetze den kommunalen Eigentümern die Entscheidungsfreiheit zur Nutzung der vielfältigen Handlungsoptionen im Markt einzuräumen. Eine Kommune muss frei entscheiden können, ihre Sparkasse teilweise oder sogar insgesamt zu veräußern. Den Erlös könnte sie zur Tilgung von Schulden einsetzen und/oder langfristig mit einer im Vergleich zu den heute in aller Regel relativ geringen Rückflüssen deutlich höheren Rendite anlegen. Dies wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich dann in alle Richtungen sektorübergreifend schrittweise eine Vielzahl von Instituten mit unterschiedlicher Geschäftsausrichtung, Strategie und Struktur herausbilden würde. Neben national und international tätigen Banken würden viele Banken mit regionalen und lokalen Schwerpunkten arbeiten. Universalbanken wären ebenso vertreten wie Spezialinstitute. Letztlich würde so ein Bankensystem entstehen, das nicht mehr auf drei getrennte Säulen, sondern auf viele stabile Pfeiler gestützt wäre. Es gilt, in Deutschland den andernorts schon begonnenen bzw. vollzogenen Strukturwandel alsbald einzuleiten. Statt 3 Säulen viele stabile Pfeiler notwendig Wandel alsbald einleiten! INFOPORT 4/2007 Ostdeutscher Bankenverband e.v. 7

Ostdeutscher Bankenverband e.v. Der Ostdeutsche Bankenverband vertritt die privaten Banken in den ostdeutschen Flächenländern und Berlin. Zu seinen derzeit 46 Mitgliedsbanken zählen Großbanken, Regional und Spezialbanken sowie Privatbankiers. Zu deren Kreditgeschäft in Ostdeutschland (ohne Berlin) im Überblick (Kreditbestände der ostdeutschen Filialen am 31.12.2006): Kredite an Unternehmen: private Banken 19,9 Mrd. (Marktanteil 48%, damit nach wie vor Marktführer) 716 Mio. mehr als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: Sparkassen minus 66 Mio.. Kredite an Selbstständige (Einzelkaufleute, Handwerker, Freiberufler etc.): 31% Marktanteil, das entspricht 6,8 Mrd. (1,3% weniger als am Jahresende 2005 zum Vergleich: Sparkassen minus 3,6%; Kreditgenossenschaften minus 3,4%). Kredite an Privathaushalte: 21,7 Mrd. (mit 41%-Marktanteil auch hier marktführend) gegenüber Vorjahr plus 6,6%. Zum Vergleich: Sparkassen minus 0,8% und Kreditgenossenschaften minus 3,4%. IMPRESSUM Ostdeutscher Bankenverband e.v. Berliner Str. 44 10713 Berlin Tel.: Fax: Email: Internet: 030/8877788-0 030/8877788-8 info@ostbv.de www.ostbv.de Verantwortlich: Klaus Wagner-Wieduwilt Fotoquelle: vario images 8 INFOPORT 4/2007