Psychologische Grundlagen des Lernens mit neuen Medien



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Transkript:

Psychologische Grundlagen des Lernens mit neuen Medien Steffi Zander Anja Hawlitschek Tina Seufert Roland Brünken Detlev Leutner WISSENSCHAFTLICHE WEITERBILDUNG

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Vorwort...5 1 Einleitung...7 2 Begriffsbestimmung...9 2.1 Lernen mit Multimedia Lernen mit multiplen Repräsentationen... 10 2.2 Interaktivität... 12 2.3 Adaptivität... 14 3 Entwicklung Lerntheoretischer Ansätze Entwicklung mediengestützten Lernens...17 3.1 Behaviorismus... 17 3.2 Kognitivismus... 20 3.3 Konstruktivismus... 22 3.4 Entwicklung mediengestützten Lernens... 24 4 Prozesse der Informationsverarbeitung...29 4.1 Allgemeine Informationsverarbeitungsmodelle... 29 4.1.1 Sensorische Register... 29 4.1.2 Kurzzeitgedächtnis... 30 4.1.3 Arbeitsgedächtnis... 30 4.1.4 Langzeitgedächtnis... 33 4.2 Verarbeitungsprozesse beim Lernen mit multiplen Repräsentationen... 38 4.2.1 Die Cognitive Theory of Multimedia Learning... 39 4.2.2 Die Cognitive-Affective Theory of Learning with Media... 41 5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen...49 5.1 Cognitive Load Theory... 49 5.1.1 Intrinsic cognitive load... 49 5.1.2 Extraneous cognitive load... 49 5.1.3 Germane cognitive load... 50 5.1.4 Neuere Entwicklungen... 51 5.2 Konsequenzen für die Mediengestaltung... 51 5.2.1 Optimierung des intrinsic load... 52 III

Inhaltsverzeichnis 5.2.2 Reduzierung des extraneous cognitive load...53 5.2.3 Aktivierung der Lernenden...68 5.2.4 Förderung der Motivation - Das ARCS-Modell...73 6 Lernen mit Simulationen und digitalen Lernspielen...81 6.1 Gestaltung von Simulationen...81 6.2 Gestaltung von digitalen Lernspielen...85 Literaturverzeichnis...93 Abbildungsverzeichnis...107 Tabellenverzeichnis...109 IV

5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen 5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen Ein zentrales Anliegen kognitionspsychologischer Forschungsarbeiten ist es, das Lernen mit medialen Lernumgebungen effektiver zu gestalten. Die Cognitive Load Theory (SWELLER, 1988; SWELLER, 2005a) hat in den letzten Jahrzehnten einen entscheidenden Anteil zur Erforschung von instruktionalen Gestaltungsprinzipien auf der Grundlage von Erkenntnissen über die menschliche Informationsverarbeitung geleistet (vgl. PLASS et al., 2010; SWELLER et al., 2011). 5.1 Cognitive Load Theory Basierend auf der Annahme, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses begrenzt ist, soll erreicht werden, dass die verfügbaren kognitiven Ressourcen der Lernenden optimal für lernrelevante Verarbeitungsprozesse genutzt werden. Zugleich muss eine kognitive Überlastung des Lernenden verhindert werden. Angelehnt an die Arbeiten von SWELLER (einen Überblick liefert SWELLER, 2005a) wird dabei zwischen drei unterschiedlichen Quellen kognitiver Belastung unterschieden. Cognitive Load Theory 5.1.1 Intrinsic cognitive load Diese Form der kognitiven Belastung entsteht durch die Komplexität bzw. den Schwierigkeitsgrad des zu lernenden Sachverhalts. Ein Maß für die Komplexität ist die Element-Interaktivität. Sind die einzelnen Begriffe oder Elemente des Sachverhalts stark vernetzt, kann der Lernende sie nicht sequentiell und isoliert verarbeiten, sondern muss sie gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis behalten, um sie zu verknüpfen. Je größer die Element-Interaktivität, desto höher ist die kognitive Belastung. Diese Form der Belastung ist nicht nur abhängig vom Lerninhalt, sondern auch vom Vorwissen der Lernenden. Ein Experte wird die Komplexität als weniger belastend einschätzen als ein Novize. Der Vorteil des Experten liegt vor allem darin, dass er einzelne Elemente zu größeren Sinneinheiten (chunks) verknüpfen kann und somit das Arbeitsgedächtnis effizienter nutzen kann. Intrinsic cognitive load 5.1.2 Extraneous cognitive load Neben der Beanspruchung der kognitiven Kapazität durch den Sachverhalt selbst, tragen auch instruktionale Bedingungen zur kognitiven Belastung des Lernenden bei. Werden dem Lernenden die Informationen so dargeboten, dass er die gestellten Aufgaben sehr leicht erfüllen kann, Extraneous cognitive load 49

5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen dann ist der extraneous load gering. Ist die Darstellung der Informationen jedoch verwirrend, schwer verständlich oder unstrukturiert, so dass der Lernende die relevanten Informationen mühevoll zusammentragen muss, dann ist der extraneous load entsprechend hoch. Diese Form der kognitiven Belastung ist lernirrelevant. Hat der Lernende beispielsweise die Aufgabe, einen Text und ein Bild aufeinander zu beziehen, so kann der extraneous load dadurch steigen, dass Text und Bild nicht in räumlicher Nähe, sondern z. B. auf unterschiedlichen Seiten eines Buches oder Hypertextes angeordnet sind. Der extraneous load kann durch gut gestaltete Darstellungen reduziert werden. 5.1.3 Germane cognitive load Germane cognitive load Lange Zeit wurde cognitive load als eine Belastung des Arbeitsgedächtnisses betrachtet, die möglichst gering gehalten werden sollte. Mit der Einführung des Begriffes germane cognitive load wird allerdings neben den negativen Belastungsquellen auch eine positive Form der Belastung im Rahmen des Cognitive-Load-Konzeptes diskutiert. Germane cognitive load occurs when free working memory capacity is used for deeper construction and automation of schemata (BANNERT, 2002, S. 139). Eine vertiefte Auseinandersetzung des Lernenden mit dem Lerninhalt wird demnach also nicht als Belastung, sondern als lernförderliche Aktivität eingeschätzt. Entsprechend versucht man diesen Anteil der kognitiven Beanspruchung, z. B. mithilfe aktivierender Lernfragen o. ä. gezielt zu erhöhen. Insgesamt sollten bei der Gestaltung von Lernumgebungen alle drei Arten des cognitive load berücksichtigt werden, d. h. die gesamte Arbeitsgedächtniskapazität sollte so ausgenutzt werden, dass neben dem unvermeidbaren intrinsic cognitive load der extraneous cognitive load gering genug ist, um freie Ressourcen für den germane cognitive load zu ermöglichen. Die Zusammenhänge einer lernförderlichen Gestaltung von Lernumgebungen und den einzelnen Aspekten der kognitiven Belastung sind in Abbildung 7 grafisch dargestellt. 50

5.2 Konsequenzen für die Mediengestaltung Abb. 7: Komponenten der Cognitive Load Theory und Quellen der kognitiven Belastung 5.1.4 Neuere Entwicklungen Das theoretische Modell der Cognitive Load Theory wird sukzessive weiterentwickelt. Insbesondere die konzeptionelle Unterscheidung von intrinsic und german load wird diskutiert. KALYUGA (2011a) und SWELLER et al. (2011e) argumentieren in neueren Texten, dass diese Unterscheidung weder theoretisch noch empirisch begründbar sei: Thus, the cognitive load that directly contributes to schema acquisition ( good load) may fit the traditional definitions of both intrinsic and germane load equally well. According to these definitions, germane load effectively duplicates intrinsic load and cannot be essentially distinguished from it (KALYUGA, 2011a, S. 3). Sie fordern daher eine Rückkehr zur Unterscheidung von lediglich zwei Loadarten extraneous und intrinsic load. Aktuelle Diskussion 5.2 Konsequenzen für die Mediengestaltung Unabhängig vom weiteren Verlauf dieser theoretischen Diskussion kann bei den Gestaltungsempfehlungen für mediale Lernumgebungen zwischen drei unterschiedlichen Ansätzen unterschieden werden 51

5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen Optimierung des intrinsic load Reduzierung des extraneous load Kognitive Aktivierung des Lernenden (Erhöhung des germane load) Diese Ansätze und damit einhergehende Gestaltungsempfehlungen werden in den nachfolgenden Abschnitten ausführlich behandelt. 5.2.1 Optimierung des intrinsic load Element interactivity Hoher intrinsic load entsteht wenn der Inhalt des Lernmaterials schon für sich genommen komplex ist. Wie dargestellt wurde, hängt dies von der element interactivity ab, oder einfach ausgedrückt von der subjektiv wahrgenommenen Schwierigkeit des Lernmaterials. Diese ist besonders hoch, wenn wenig Vorwissen besteht. Durch die Segmentierung oder aber Pre-Training kann der intrinsic load optimiert werden (MAY- ER & MORENO, 2010). Segmentierung Segmentierung Pre-training Die Lernsequenz wird hierbei in kleinere Abschnitte (Segmente) zerlegt, die vom Lerner kontrolliert abgerufen werden können. Durch die Segmentierung ist es dem Lernenden möglich, eine mentale Repräsentation einzelner Abschnitte aufzubauen, bevor der kommende Abschnitt bearbeitet wird. Die Information, die bis zur tieferen Verarbeitung gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis gehalten werden muss, wird dabei reduziert. Für das Lernen mit Multimedia wurde diese Technik vielfach jeweils für verschiedene Repräsentationen untersucht. MAYER & CHANDLER (2001) ließen Lernende eine Animation zur Entstehung von Blitzen entweder in einer fortlaufenden Version oder einer segmentierten Version des Lernmaterials arbeiten. Lernende in der segmentierten Gruppe hatten die Möglichkeit, die Animation nach einer bestimmten Zeit durch einen Weiterbutton zu pausieren und erst dann weiter laufen zu lassen, wenn sie es wollten. Die Gruppe mit der segmentierten Version schnitt im Transfertest besser ab, als die fortlaufende Gruppe. MO- RENO (2007) untersuchte dies mit Beispielvideos zu Lehrprinzipien für angehende LehrerInnen. Diejenigen, die die Videos stoppen konnten, schnitten wiederum in einem Transfertest besser ab, in welchem sie die Lehrprinzipien in neuen Situationen anwenden sollten. Pre-training Eine weitere Möglichkeit den intrinsic load zu optimieren besteht darin, Lernenden Vorwissen zu vermitteln, welches ihnen ermöglicht, multimediale Lernanwendungen besser zu verarbeiten. Dies gilt gerade für 52

5.2 Konsequenzen für die Mediengestaltung Animationen, die komplexe Prozesse vermitteln. Ist das Ziel einer Animation also, zu vermitteln, wie eine Komponente eine weitere Komponente eines Systems beeinflusst, kann es von Vorteil sein, Lernende zunächst mit den einzelnen Komponenten bekannt zu machen. Ein Beispiel hierfür ist die Funktionsweise einer Autobremse. Lernende, die die einzelnen Teile dieser nicht kennen, wären in einer Animation mit der Anforderung konfrontiert, sowohl deklaratives Wissen (Bestandteile der Bremse) als auch prozedurales Wissen (Funktionsweise) zu erwerben. Dies kann das Arbeitsgedächtnis überlasten. In einem Pre-Training sollten daher Name, Lage und Aufgabe einzelner Bestandteile vermittelt werden (MAYER & MORENO, 2010). Diese Methode wurde in verschiedenen Studien geprüft. MAYER, MA- THIAS & WETZEL (2002) zeigten dies für eine Animation mit gesprochenen Erklärungen für das Bremssystem in Autos. Lernende die zuvor eine Visualisierung des Systems erhielten, in der sie die einzelnen Teile, deren Lage und deren grundsätzliche Aufgabe anklicken konnten, schlossen nach dem Lernen der Animation im Transfertest besser ab, als diejenigen, die solch ein Pre-Training nicht erhielten. Ähnliche Ergebnisse zeigten MAYER et al. (2002) für ein Lernmaterial zur Funktionsweise einer Luftpumpe und MAYER, MAUTONE & POLLOCK (2002) für eine spielbasierte Computersimulation zu einem geologischen Thema. 5.2.2 Reduzierung des extraneous cognitive load Die wesentliche Herausforderung bei der Verarbeitung multimedial präsentierter Informationen besteht in der Integration verschiedener Darstellungen (wie z. B. gesprochene oder geschriebene Texte, Bilder, Tabellen, Formeln usw.). Bei manchen Lernumgebungen ist dies relativ einfach, da die Inhalte der einzelnen Darstellungen gut aufeinander abgestimmt sind, wohingegen in anderen Lernumgebungen nur mit Mühe zu erkennen ist, in welchem Zusammenhang die eine Darstellung mit der anderen steht. Es ist also Aufgabe des Entwicklers oder Gestalters einer Lernumgebung, die Inhalte so darzustellen, dass der Lernende mit wenig Aufwand Bezüge zwischen den einzelnen Darstellungen herstellen kann. Dabei kann unterschieden werden zwischen Gestaltungsprinzipien, die sich eher auf unterschiedliche Kodierungsformen (z. B. die Nutzung von Text und Bild) bzw. auf die Verwendung unterschiedlicher Modalitäten (in der Regel Bild und Ton) beziehen. Multimedia Prinzip Die Empfehlung, in Lernmaterialien nicht nur auditive oder visuelle Texte zu verwenden, sondern die Inhalte zusätzlich zu illustrieren, findet sich in vielen pädagogischen Ratgebern. Bilder sind anschaulich, können vom Lernenden als Ganzes erfasst werden, sie zeigen auf einen Positive Wirkung von multipler Kodierung 53

5 Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen Blick die topologische Struktur z. B. eines Gegenstandes, kurz: Bilder sagen mehr als tausend Worte. Auch in der pädagogisch-psychologischen Forschung konnte mehrfach empirisch nachgewiesen werden, dass bebilderte Lerntexte gegenüber einfachen Texten bzw. audiovisuelle Lernmaterialien gegenüber auditiven Texten Lernvorteile mit sich bringen (vgl. MAYER & ANDERSON, 1992; MORENO & VALDEZ, 2005; MORENO & MORALES, 2008). Duale Kodierung Motivationale Effekte Erklärt wird dieser Lernvorteil mit der Möglichkeit der dualen Kodierung (siehe Kapitel 4.1.4, S. 33): bildhafte und verbale Informationen werden in zwei verschiedenen Gedächtnissystemen verarbeitet. Werden die Lernenden mit bildhaften und verbalen Informationen konfrontiert, müssen sie aktiv Bezüge zwischen den beiden Repräsentationen herstellen. Dieser Integrationsprozess unterstützt die kognitive Verarbeitung und letztendlich das Verstehen der Informationen (vgl. FLET- CHER & TOBIAS, 2005; MORENO & MAYER, 2010; SEUFERT, 2003a). Auch die Motivation der Lernenden könnte bei diesem Wirkungszusammenhang eine Rolle spielen. Die Ergebnisse von MORENO & VAL- DEZ (2007) deuten darauf hin, dass Lernende die Auseinandersetzung mit multimedialen Lernumgebungen interessanter finden, als die Nutzung von einfachen Texten. Dieses Ergebnis lässt sich auch in die von Moreno (2004, 2006) formulierte Cognitive-Affective Theory of Learning with Media (CATLM) einordnen (vgl. Kapitel 4.2, S. 38). Dieser Wirkungszusammenhang muss jedoch in weiteren Forschungsarbeiten vertiefend untersucht werden. Zusatzwissen Grafische Unterstützung für die Integration von Text und-bild- Informationen Ein Aspekt, der in MAYERs Modell und auch in allen anderen verbreiteten Modellen zum Lernen mit Multimedia zwar erwähnt, aber nicht näher beschrieben wird, ist der der Integration von Informationen aus Text und Bild. Denkt man aber beispielsweise an moderne Lernumgebungen, dann ist der Lernende sehr oft mit kombinierten Darstellungen (Texte, Bilder, Diagramme, Tabellen, Formeln usw.) konfrontiert. Die Aufgabe des Lernenden besteht dann zum einen darin, die einzelnen Darstellungen zu verstehen. Will er den Gesamtsachverhalt verstehen, muss er zum anderen jedoch auch die Beziehungen zwischen den Darstellungen erarbeiten und verstehen. 54

5.2 Konsequenzen für die Mediengestaltung Die Integration verschiedener Darstellungen soll dem Lernenden den Aufbau einer umfassenden Wissensstruktur ermöglichen, in den sich alle Informationen kohärent, d. h. schlüssig einordnen lassen. Entsprechend wird der Integrationsprozess in der Literatur als Kohärenzbildungsprozess beschrieben (SEUFERT, 2003a, b). Da die tiefere Verarbeitung von Bildinformationen oft nicht von sich aus geschieht, werden verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen für diesen Integrationsprozess vorgeschlagen: Grafische Oberflächenhilfen: Colour Coding: In einer Studie von KALYUGA et al. (1998) konnten die Probanden in einem illustrierten Text über einen elektrischen Schaltkreis jeweils einzelne Textteile anklicken, die daraufhin farbig erschienen. Gleichzeitig wurden korrespondierende Bildelemente in der gleichen Farbe hervorgehoben. Eine solche Kennzeichnung erleichterte das Suchen nach relevanten Bildteilen und reduzierte somit die kognitive Belastung, was sich in besseren Lernleistungen niederschlug. Intertextuelle Hyperlinks: Zusammengehörende Informationsteile beispielsweise in einer Text-Bild-Kombination werden durch Pfeile kenntlich gemacht. Klickt ein Lernender auf die als Link markierten Begriffe im Text erscheinen Pfeile, die auf die entsprechenden Bildteile verweisen. Dynamic Linking: Über die farbliche Verlinkung der Darstellungen hinaus ist die komplexe interaktive Verschaltung von Darstellungen möglich. PLÖTZNER, BODEMER & FEUERLEIN (2001) verwenden diese Technik in ihrem computerbasierten Statistikprogramm VISUAL- STAT. Gibt der Lernende beispielsweise neue Werte für Variablen in einer algebraischen Formel ein, verändert sich der dazugehörige Graph entsprechend der Eingaben. Der Lernende kann also direkt die Veränderungen an der Oberfläche des Graphen ablesen und sie dabei idealerweise auch semantisch analysieren. Semantische Hilfen: Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Lernenden nicht nur nach oberflächlicher Ähnlichkeit der verschiedenen Darstellungen suchen zu lassen, sondern seine Aufmerksamkeit vielmehr auf inhaltliche Bedeutungszusammenhänge zu lenken. Die Hilfe zeigt also nicht das Mapping der Oberflächenstruktur an, sondern sie bezieht sich auf die Tiefenstruktur, d. h. auf den semantischen Gehalt des Lernmaterials. In der Regel werden diese Hilfen verbal angeboten, d. h. der Lernende wird beispielsweise durch Fragen oder Aufgaben dazu angeregt, inhaltliche Bezüge zwischen den einzelnen Darstellungen herzustellen (SEUFERT, 2003). Colour Coding Intertextuelle Hyperlinks Dynamic Linking Semantische Hilfen 55