Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e. V. zum Modellprojekt. Integration inklusive



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Transkript:

Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e. V. zum Modellprojekt Integration inklusive Integration junger Menschen mit Behinderung, Teilhabe am Arbeitsleben 2009-2011 Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 1 2 Projektbeschreibung... 2 3 Zusammenfassung... 4 Exkurs: Die zweite Schwelle... 5 4 Projektinput das Profil der Teilnehmenden... 6 4.1 Alter der Projektteilnehmenden... 8 4.2 Wohn- und Lebenssituation... 8 4.3 Geschlecht... 8 4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund... 9 4.5 Wohnort und räumliche Mobilität... 9 4.6 Behinderungen... 9 4.7 Besuchte Schule... 11 4.8 Berufsfelder und Art des Ausbildungsabschlusses... 11 4.9 Sozialkompetenzen... 13 4.10 Zusammenfassung... 13 5 Strukturelle Rahmenbedingungen der Integrationsprozesse... 14 5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen... 14 5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen... 16 5.3 Profil der BBW (allgemein)... 16 5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs Regionen.. 19 Hamburg... 19 Husum... 20 Leipzig... 21 Neuwied... 21 Potsdam... 22 Rummelsberg... 23 5.5 Vernetzung mit der lokalen Wirtschaft... 24 6 Integrationsprozesse... 28 6.1 Vorbereitung der Integration während der Ausbildung... 29 6.2 Integrationsprozesse nach Abschluss der Ausbildung... 30 6.3 Kontaktpflege im Projekt bei großen Distanzen zum Heimatort der jmmb. 31 6.4 Integrationsunterstützung nach der Arbeitsaufnahme... 31 6.5 Dienstleistungen für die Wirtschaft... 32 6.6 Integrationsfördernde und hemmende Faktoren in den Unternehmen... 33 Förderleistungen... 34 Ausgleichsabgabe... 34 Kündigungsschutz... 35 Demografischer Wandel... 35 Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung... 35 Soziale Verantwortung... 36 Synergieeffekte durch Kooperation... 37 6.7 Abbrüche... 38 6.8 Zusammenfassung und Fazit... 38 Exkurs: Ausbildungsberufe nach 66 BBiG/ 42 m HwO... 39 7 Projekt-Output eine Analyse erfolgreicher Integrationen... 40 7.1 Soziodemografische Aspekte... 41 7.2 Art und Schwere der Behinderung... 42 7.3 Berufliche Flexibilität und räumliche Mobilität... 44

7.4 Ausbildungskonzepte und deren Wirkung... 45 7.5 Berufsabschluss und die Nachfragesituation... 47 7.6 Zusatzqualifikationen... 49 7.7 Zusammenfassung... 49 8 Transfer guter Praxis, Ausblick und Empfehlungen... 51 Empfehlungen... 55 Abkürzungsverzeichnis... 57 Literaturverzeichnis... 58

1 Einleitung Der Bericht der Bundesregierung über die Wirkung der Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention (BT-Drucksache 16/6044 vom 02.07.2007) benennt unter den drei sozialpolitischen Schwerpunktthemen als ein herausragendes Handlungsfeld die Ausbildung junger Menschen mit Behinderung. Nach Auffassung der Bundesregierung sollen zukünftig die Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen des Erwerbslebens (wie von der Schule in die Ausbildung, von der Ausbildung in den Beruf) [ ] noch stärker berücksichtigt werden und Modellvorhaben verstärkt in der Fläche erprobt werden und die Bildung von regionalen Netzwerken zu überregionalen weiterentwickelt werden (BT-Drucksache 16/6044). Das von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.) in Kooperation mit Wirtschaftsverbänden seit 2008 geplante und ab 2009 durchgeführte Modellprojekt Integration inklusive Integration junger Menschen mit Behinderung, Teilhabe am Arbeitsleben zielt genau auf die Verbesserung des Übergangs Ausbildung Beruf sowie auf die Gestaltung effizienter Netzwerke ab. Die BAG BBW e. V. legt hiermit den Endbericht für das Kooperationsprojekt vor, das in sechs unterschiedlichen Regionen gemeinsam von den Berufsbildungswerken (BBW) und der Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren durchgeführt wurde. Ziel des Berichts ist es, auf Basis der Fragestellungen sowie Ergebnisse der begleitenden Evaluation zur Verbreitung guter Praxis bei beruflichen Inklusionsprozessen beizutragen und damit die Umsetzung der UN-Konvention 1 voranzubringen insbesondere die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (Art. 27). Die Form der Darstellung der Projektergebnisse folgt dabei dem Integrationsweg der teilnehmenden jungen Menschen in Arbeit und Beschäftigung. Dieser personenzentrierte Ansatz ist in der Lage, den gesamten Projektverlauf - mit sehr differenzierten Rahmenbedingungen in den einzelnen Regionen wie auf Seiten der Teilnehmenden - sowie die erzielten Ergebnisse abzubilden. Die Form der Darstellung ist kompatibel mit den Prozessebenen des Qualitätsmanagements in sozialen Organisationen. Bei der Evaluation werden daher Input, Strukturen, Prozess und Outcome betrachtet. Abgeschlossen wird die Darstellung mit einem Kapitel zum Ergebnistransfer. Die BAG BBW e. V. möchte sich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Hierzu zählen neben dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Darüber hinaus richtet sich der Dank an die unmittelbaren Teilprojektpartner in den sechs Regionen. Deren gute regionale Zusammenarbeit hat sich mittlerweile so weiterentwickelt und gefestigt, dass die Kooperationspartner - auch über das Ende der Projektlaufzeit hinaus - als ein Netzwerk fungieren. Mit der Veröffentlichung der Projektergebnisse können nicht nur Projektteilnehmende an den sechs Modellstandorten profitieren, sondern zukünftig alle BBW-Absolventen/ -innen. Berlin, Juni 2011 1 Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/monitoring-stelle.html. 1

2 Projektbeschreibung Das Modellprojekt Integration inklusive Integration junger Menschen mit Behinderung, Teilhabe am Arbeitsleben zielte darauf ab, die Beschäftigungsquote junger Menschen mit Behinderung (jmmb) nach einer qualifizierten Berufsausbildung deutlich und nachhaltig zu verbessern. Die Instrumente der beruflichen Rehabilitation in den Berufsbildungswerken (BBW) umfassen im Rahmen der besonderen Leistungen auch Integrationsaufgaben sechs Monate über den Ausbildungsabschluss hinaus. Diese Integrationsleistungen der deutschlandweit 52 BBW werden jährlich evaluiert und dokumentiert. Über den Zeitraum von drei Jahren (2006-2008) betrachtet wurden im Mittel 58,3 % der Teilnehmenden von Ausbildungsmaßnahmen in den vom Wettbewerb bestimmten ersten Arbeitsmarkt integriert (vgl. Eichhorn/ Karbach 2009). Weitere 15 % standen dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen wie Studium, Familienzeit usw. zunächst nicht zur Verfügung. Die Aufmerksamkeit im Projekt galt den jungen Menschen, die nach wie vor noch auf der Suche nach Arbeit waren (26,7 %) 2. Als Zielgruppe entsprechender Maßnahmen im Projekt waren insgesamt 360 junge Menschen mit Behinderung aus sechs BBW vorgesehen, die sechs Monate nach Ausbildungsabschluss in einem Berufsbildungswerk noch keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben. Im Rahmen des Projektes sollten speziell für diese Zielgruppe an der zweiten Schwelle die Integrationsleistungen der Berufsbildungswerke verbessert werden. Hierzu wurden mehrere Wege parallel verfolgt und evaluiert: Ursachen für nicht gelungene Integrationen ermitteln Analyse von Kompetenzprofilen der jungen Menschen und Anforderungsprofilen der Wirtschaft Integrationsfördernde Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen, insbesondere auch bei der Eingliederung und Nachbetreuung Nachhaltige Kooperationsnetzwerke mit Verbänden der Wirtschaft stiften Integrationshemmende und fördernde Faktoren bei Betrieben ermitteln Wirksame Handlungskonzepte für die zweite Schwelle sollen Eingang in die allgemeine Integrationsarbeit aller Berufsbildungswerke finden. Die evaluationsleitenden Fragestellungen waren im Einzelnen: 1. Handelt es sich bei den nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach Ausbildungsabschluss noch nicht vermittelten Jugendlichen um einen Personenkreis mit einer besonderen Behinderungsart? Ausgebildet werden in den Berufsbildungswerken junge Menschen mit Lern-, Körper-, Sinnes-, psychischer oder Mehrfachbehinderung. 2. Werden Berufsgruppen, auch in besonders geregelten Ausbildungsberufen gemäß 66 BBiG oder 42 m HwO, auf dem Arbeitsmarkt stärker nachgefragt? 2 Im Vergleich dazu beträgt der Anteil integrierter Absolventen aller BBW im Jahr 2009 57,2 %. 13,6 % standen aus unterschiedlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weitere 29,2 % waren arbeitsuchend (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011a). 2

3. In welchem Maße tragen individuelle berufliche Flexibilität und Mobilität zu Integrationserfolgen bei? (Regionale Arbeitsmarktsituation) 4. Wird mit den zugrunde liegenden didaktischen Ausbildungskonzepten die Beschäftigungsfähigkeit hergestellt? 5. Welche Rolle spielen sozio-demografische Daten? 6. Gibt es im Rahmen der beruflichen Integration besondere Hilfestellungen zur Erfüllung besonderer betrieblicher Anforderungen? (Nachqualifizierungen, Arbeitsassistenz u. a.) 7. Werden zur beruflichen Eingliederung besondere Kenntnisse verlangt? Kann mit Hilfe von Fort- und Weiterbildungsangeboten die Integrationschance verbessert werden? 8. Gibt es besondere integrationsfördernde Faktoren bei den Betrieben? Ein zentraler Bestandteil des Projektes war daher die begleitende Evaluation der Vermittlungsverläufe. Die Analyse fand mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten statt, um die Vermittlungsprozesse aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Berücksichtigt wurden die Resultate einer statistischen Auswertung soziodemografischer Daten der Projektteilnehmenden, die Ergebnisse einer Befragung der Projektpartner (BBW und Unternehmensverbände) sowie der Unternehmen und die Erkenntnisse aus qualitativen Interviews mit erfolgreich integrierten Teilnehmenden. Das Projekt wurde zwischen dem 01.04.2009 und dem 31.03.2011 unter Beteiligung von sechs Unternehmensverbänden sowie sechs Berufsbildungswerken umgesetzt. Die BAG BBW e. V. übernahm bei dem Modellprojekt die umfangreichen Koordinationsaufgaben. Die Tabelle 1 zeigt die beteiligten Projektpartner. Dabei werden die BBW nach ihren Orten benannt 3. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus Mitteln des Ausgleichsfonds. Berufsbildungswerk Kooperierender Unternehmensverband Bundesland Hamburg BVMW Regionalverband Hamburg Hamburg Husum Unternehmensverband Unterelbe- Westküste e. V. Schleswig-Holstein Leipzig L2 agentur für taten GmbH Sachsen Neuwied BVMW Region Mittelrhein Rheinland-Pfalz Potsdam BVMW Regionalverband Brandenburg- West Brandenburg Rummelsberg IHK Nürnberg für Mittelfranken Bayern Tabelle 1: Beteiligte Projektpartner 3 Soweit nicht anders gekennzeichnet, wird diese Bezeichnung im Text weiter verwendet. 3

3 Zusammenfassung Mit dem Projekt Integration inklusive sollte jungen Menschen mit Behinderung (jmmb), die mindestens sechs Monate nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss in einem BBW noch arbeitssuchend waren, der Zugang zu Beschäftigung und Einkommen ermöglicht werden. Erreicht werden sollte dieses zum einen durch eine intensive Begleitung und Unterstützung der jmmb bei der Arbeitssuche (Coaching), zum anderen durch eine enge Kooperation mit Unternehmen vor Ort (Netzwerke). Die insgesamt 319 am Projekt beteiligten jungen Menschen beendeten ihre Ausbildung überwiegend in den Jahren 2008 und früher. Von den Abschlussjahrgängen aller BBW aus den Jahren 2006 bis 2008 fanden durchschnittlich 58,3 % der Absolventen/ -innen innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz. Durch intensives Coaching haben 134 der 319 Teilnehmenden (42 %) im Rahmen des Projektes eine Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt aufgenommen. Berücksichtigt man diese zusätzliche Integration im Projekt Integration inklusive, steigt die Integrationsquote der Abschlussjahrgänge 2006 bis 2008 auf 75,8 % (entspricht einem Zuwachs um + 30 %). Den Aussagen von Teilnehmenden in Telefoninterviews zufolge sind rund ein Drittel der Integrationen primär den jmmb (und ihrer Initiative) zuzurechnen damit verbleibt noch ein Zuwachs bei den Integrationen von + 20 % der primär vom Projekt induziert sein dürfte. Erfreulich ist dieses Ergebnis auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Teilnehmenden um junge Menschen mit deutlich schlechteren Startchancen als dem Durchschnitt der BBW-Auszubildenden handelt: sie sind deutlich älter, der Anteil der Sprachund Hörbehinderten liegt höher als sonst in den BBW, ebenso wie der Anteil an Teilnehmenden mit einem GdB > 70. Auch der Besuch einer höheren Schule ist seltener vertreten. Der Integrationserfolg ist darüber hinaus aus einem weiteren Grund bemerkenswert: in den Jahren 2009 und 2010, als diese jmmb innerhalb der Projektlaufzeit ihre neue Arbeit aufnehmen konnten, waren die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt deutlich zu spüren. Zu den Integrationsleistungen trugen die jmmb jedoch auch selbst wesentlich bei. Ihre Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln oder in einem anderen Berufsfeld als dem der Ausbildung zu arbeiten, ist außerordentlich hoch. 44 % von ihnen konnten ihren jetzigen Arbeitgeber/ -innen während eines vorlaufenden Praktikums (unbezahlte Probearbeit) von ihrer Leistungsfähigkeit überzeugen. Die Wirksamkeit dieser erfolgreichen Integrationsarbeit kann nach Auffassung aller Beteiligten am Projekt nicht an kurzfristigen Effekten festgemacht werden, sondern zeigt sich in der Kontinuität der Beziehungen gegenüber den Unternehmen wie auch gleichermaßen gegenüber den jmmb, die aus einem BBW kommen und Arbeit suchen. Eine derartige Integrationsarbeit erfordert neben umfassenden fachlichen und praktischen Kenntnissen auf Seiten der handelnden Personen vor allem auch nachhaltige und verlässliche Netzwerk- Strukturen in der Region. Gelingt es regional, fachliche Expertise, erforderliche Ressourcen sowie übergreifende Strukturen (wie beim Projekt Integration inklusive) unter einer gemeinsamen Zielsetzung zusammenzubringen, dann können auch im Falle von Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen beachtliche Integrationsleistungen die Folge sein. 4

Exkurs: Die zweite Schwelle Der Übergang von einer abgeschlossenen Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis wird als zweite Schwelle bezeichnet. Dieser Übergangsprozess gelingt nur in wenigen Fällen reibungslos. Immer häufiger schließen sich an die Ausbildung Phasen einer befristeten Beschäftigung oder der Arbeitslosigkeit an, die langfristig auch zu Berufswechseln führen können (vgl. Dorau et al. 2006). Eine erfolgreiche Ausbildung (im dualen System) ist daher kein Garant für einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben mehr. Diskontinuierliche und prekäre Beschäftigungsverläufe nach dem Übergang an der zweiten Schwelle nehmen zu (vgl. Dorau et al. 2009). Dabei stellt ein Verlassen des erlernten Berufs laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine typische Folge von nicht gelungener Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb und anschließender Arbeitslosigkeit dar (vgl. Seibert/ Kleinert 2009). Unter den Gesichtspunkten der Integration in den Arbeitsmarkt werden zur Situation an der zweiten Schwelle regelmäßig bundesweit Daten erhoben sowie ausgewertet, insbesondere in den jährlichen Berufsbildungsberichten des BIBB. Neben quantitativen Untersuchungen gibt es jedoch kaum biografisch orientierte Forschung zu dieser besonderen Lebensphase junger Menschen (vgl. Dorau et al. 2009, Blickwede 2005, Linten/ Prüstel 2011). Die Vermutung liegt nahe, dass gerade für jmmb, die sich in der Regel bis zum Berufsabschluss in vornehmlich exklusiven Systemen (mit einer gewissen Bindungs- und Betreuungskontinuität) bewegen, der Übergang in das inklusiv angelegte Beschäftigungssystem einen schwierigen Ablösungsprozess bedeuten dürfte (z.b. Anforderungen an die Selbständigkeit der jmmb). Eine aktuelle Arbeit zur Zukunftsplanung junger Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Österreich zeigt, dass im Übergang von der Schule zum Beruf vielschichtige Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind, die sich nicht auf den Eintritt in die Arbeitswelt reduzieren lassen. Die primäre Tätigkeit der jungen Menschen wechselt von Lernen zu Arbeiten. Darüber hinaus verändern sich aber auch das Selbstbild und die Bedeutung sozialer Bezugsgrößen wie das Elternhaus (vgl. Haslberger 2010). Häufig werden in Förderkonzepten für die Integration von jmmb in Beschäftigung nur die weitere Qualifizierung oder passgenaue Vermittlung angeboten. Das Lebensalter der jungen Erwachsenen und die widersprüchlichen Erwartungen, denen diese in ihrer Biografie gegenüber stehen, werden jedoch kaum berücksichtigt (vgl. Blickwede 2005). 5

4 Projektinput das Profil der Teilnehmenden Das Ziel einer jeden Ausbildung ist die dauerhafte Integration junger Menschen in Arbeit. Dies gilt auch für eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk (BBW). Daher unterstützen und begleiten qualifizierte Integrationsfachkräfte der BBW die jmmb nach einer dort absolvierten Ausbildung für sechs Monate beim Übergang an der zweiten Schwelle. Danach stehen die Berufsbildungswerke bis zu sechs weitere Monate in losem Kontakt mit den Absolventen/ -innen, um deren Teilhabe und Integration im Blick zu haben. Das Projekt befasste sich mit jenen jungen Menschen, die auch sechs Monate nach einer BBW-Ausbildung nicht vermittelt waren. Zum einen ging es darum, Gründe zu ermitteln, warum diese jungen Menschen bisher keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben. Zum anderen sollte mit geeigneten Methoden und Instrumenten die Integration dieser jungen Menschen nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit befördert werden. In diesem Kapitel geht es zunächst um das Profil der Teilnehmenden. Da neben berufsfachlichen Gesichtspunkten auch die persönlichen Kompetenzen der Teilnehmenden eine erfolgreiche Vermittlung entscheidend beeinflussen können, stehen diese zunächst im Fokus der Betrachtung. Die Untersuchungsfragen richten das Augenmerk neben den üblichen sozio-demografischen Merkmalen (Geschlecht, Alter, Ausbildungsabschluss, Migrationshintergrund und Wohnsituation) vor allem auf die Behinderungsart und den Behinderungsgrad sowie auf die Sozialkompetenzen, die häufig von Unternehmen nachgefragt werden. Diese Daten aus dem Projekt Integration inklusive werden im Folgenden nach Möglichkeit mit den Ergebnissen einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW-Absolventenbefragung) über die Absolventen/ -innen aller BBW verglichen (Neumann et al. 2010). An den sechs Standorten sollten je ca. 60 junge Menschen auf freiwilliger Basis für das Projekt gewonnen werden. Insgesamt waren so 360 Teilnehmende im Projekt vorgesehen 4. Aufgrund der freiwilligen Teilnahme ergaben sich unterschiedliche Teilnehmendenzahlen für die einzelnen BBW. Die endgültige Verteilung auf die sechs Standorte ist Tabelle 2 zu entnehmen. BBW Hamburg 41 BBW Husum 49 BBW Leipzig 66 BBW Neuwied 43 BBW Potsdam 55 BBW Rummelsburg 65 gesamt 319 Tabelle 2: Verteilung der Teilnehmenden auf die Projekt-BBW Die Eintritte in das Projekt Integration inklusive erfolgten im Zeitraum von April 2009 bis Dezember 2010, mit Hochphasen im Sommer 2009 sowie im Februar 2010 (vgl. Abbildung 1). Ausschlaggebendes Kriterium für die Beteiligung am Projekt war eine mindestens sechs Monate andauernde Arbeitslosigkeit der Teilnehmenden nach bestandener Berufsabschlussprüfung einer BBW Ausbildung. Zu Projektbeginn standen die 4 Die Teilnehmenden wurden von den beteiligten Berufsbildungswerken angesprochen. Die weitergehende Unterstützung und Begleitung im Integrationsprozess im Rahmen dieses Projektes wurde angeboten. Eine Beteiligung am Projekt erfolgte auf freiwilliger Basis. 6

Abschlussjahrgänge 2008 und früher im Fokus. Um die Zahl der Teilnehmenden zu erhöhen, wurden auch die Abschlussjahrgänge 2009 und 2010 im Projekt berücksichtigt. Bis zum Ende des Jahres 2010 wurden insgesamt 319 Teilnehmende aufgenommen. Bei 60 Personen kam es zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Projekt. Die Gründe hierfür werden im Kapitel 7 Projekt-Output benannt. 60 57 Anzahl der Teilnehmenden 50 40 30 20 10 0 13 0 April 2009 Mai 2009 7 40 11 Juni 2009 Juli 2009 August 2009 19 13 4 September 2009 Oktober 2009 November 2009 Dezember 2009 19 38 26 Januar 2010 Februar 2010 März 2010 April 2010 19 14 9 7 14 Mai 2010 Juni 2010 Juli 2010 August 2010 September 2010 5 4 0 0 Oktober 2010 November 2010 Dezember 2010 Abbildung 1: Eintritte in das Projekt Integration inklusive im Zeitverlauf (N = 319, Stand 2011) Betrachtet man den Zeitpunkt, zu dem die Teilnehmenden des Projektes ihre Ausbildung im BBW aufgenommen haben, so ist festzustellen, dass dies zu drei Vierteln in den Jahren 2005 und 2006 stattfand. 15 % der Teilnehmenden waren nach Beendigung ihrer Ausbildung und vor Aufnahme in das Projekt bereits einmal erwerbstätig gewesen. Die Dauer der Arbeitslosigkeit zwischen Ausbildungsende und der Projektaufnahme betrug bei den aufgenommenen Personen durchschnittlich 11 Monate. Die Abbildung 2 zeigt den Beginn der Arbeitslosigkeit nach Jahren. Anzahl der Projektteilnehmenden 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 7 2006 oder früher 158 92 42 12 7 2007 2008 2009 2010 keine Angabe Beginn der Arbeitslosigkeit Abbildung 2: Beginn der Arbeitslosigkeit (N = 318, Stand 2011) 7

Die folgenden sozio-demografischen Merkmale der 319 am Projekt teilnehmenden jmmb wurden kontinuierlich im Verlauf des Projektes erfasst. Die Daten wurden digital durch die Projektmitarbeitende vor Ort aufgenommen und für die weitere Auswertung anonymisiert. 4.1 Alter der Projektteilnehmenden Über drei Viertel der Projektteilnehmenden sind höchstens 25 Jahre alt (vgl. Abbildung 3). Das durchschnittliche Alter liegt bei 24 Jahren. Werden die knapp 11 Monate erfolgloser Arbeitssuche berücksichtigt, liegt das durchschnittliche Alter zum Ausbildungsabschluss bei 23 Jahren. Die IW-Absolventenbefragung weist ein durchschnittliches Alter bei Verlassen des BBW von 21 Jahren aus (Neumann et al. 2010). Das um zwei Jahre höhere Alter der Projektteilnehmenden (im Vergleich zum Durchschnitt aller BBW-Absolventen/ -innen) übertrifft den Trend zunehmend älterer Auszubildender in allen BBW (Seyd/ Schulz 2010). Anzahl der Teilnehmenden 80 70 60 50 40 30 20 10 0 67 59 56 48 24 17 14 10 8 5 2 3 2 0 0 0 0 0 0 0 1 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 Alter in Jahren Abbildung 3: Alter der Projektteilnehmenden (N = 316, Stand 2011) 4.2 Wohn- und Lebenssituation Wenn nach erfolgreicher Ausbildung keine unmittelbare Arbeitsaufnahme gelingt, kehren die meisten jmmb zunächst an ihren Heimatort zurück und leben dort bei ihren Eltern. Dies gilt für 62,9 % 5. Jeder dritte Teilnehmende verfügt dagegen zu diesem Zeitpunkt bereits über eine eigene Wohnung. 22 von insgesamt 319 Teilnehmenden haben eigene Kinder (4,7 %) und 25 sind verheiratet oder leben in einer Partnerschaft (7,8 %). 4.3 Geschlecht Zwei Drittel der im Projekt aufgenommenen jmmb sind männlich (66,1 %) und ein Drittel ist (33,9 %) weiblich. Diese Werte stimmen mit der Geschlechterverteilung unter allen BBW- Absolventen/ -innen überein (vgl. Eichhorn/ Karbach 2009; Neumann et al. 2010). 5 Der Vergleichswert aus dem Jahr 2010 für alle BBW-Absolventen/ -innen liegt bei 61,2 % (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011b). 8

4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden besitzt mit 96,2 % eine deutsche Staatsangehörigkeit. Nur 3,8 % geben keine deutsche Nationalität an. Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund liegt mit 13,4 % 6 allerdings erheblich höher. Im Vergleich zur Teilnehmereingangserhebung der BAG BBW e. V. und der IW-Absolventenbefragung ist dieser Anteil etwas höher. In der IW-Absolventenbefragung wurde ein Anteil der Migranten/ -innen von 10,2 % erhoben (Neumann et al. 2010). Die Teilnehmereingangserhebung der BAG BBW e. V. von 2009 weist einen Anteil von 11 % bei Teilnehmenden mit Migrationshintergrund aus, die ihre Ausbildung neu angefangen haben (vgl. Seyd/ Schulz 2010). 4.5 Wohnort und räumliche Mobilität 42,3 % der Teilnehmenden haben einen Führerschein, von diesen verfügt wiederum rund jeder Fünfte (22 %) auch über ein eigenes Fahrzeug. Die große Mehrheit gibt an, Fahrten mit dem Öffentlichen Verkehrsnetz (ÖPNV) seien ihnen möglich. Nur 3,5 % sehen keine Möglichkeit zur Benutzung des ÖPNV. Dennoch sind knapp 6 % der jmmb auf einen Fahrdienst angewiesen. Rund die Hälfte (51 %) der Teilnehmenden gibt an, zu einem Wohnortwechsel bereit zu sein, davon würde rund die Hälfte auch einen Umzug in ein anderes Bundesland in Betracht ziehen. 4.6 Behinderungen Im Rahmen des Projektes war zu untersuchen, ob es sich bei den noch nicht vermittelten Projektteilnehmenden um Personen mit besonderen Behinderungsarten handelt. Zudem sollte analysiert werden, ob es eventuell einen Einfluss der Behinderungsart auf die Arbeitsmarktchancen der jungen Menschen gibt. Abbildung 4 verdeutlicht, dass sehr unterschiedliche Behinderungsarten im Projekt vertreten sind. Insgesamt ein Fünftel der Teilnehmenden ist mehrfach beeinträchtigt. Besonders häufig liegt bei einem Viertel der Teilnehmenden eine Körperbehinderung vor. 30% 85 Anteil Teilnehmender 25% 20% 15% 10% 5% 0% 64 42 66 26 18 16 1 0 hörbehindert körperbehindert lernbehindert mehrfachbehindert neurologisch-behindert psychisch-behindert sprachbehindert sehbehindert keine Angabe Art der Behinderung Abbildung 4: Art der Behinderung (N = 318, Stand 2011) 6 Der bundsweite Anteil an Schulabgängern/ -innen mit Migrationshintergrund beträgt 22 % für das Jahr 2010 (vgl. BIBB 2011). 9

Die Anteile an Projektteilnehmenden mit einer Sprach- und Hörbehinderung sowie mit einer neurologischen Behinderung liegen im Vergleich zur IW-Absolventenbefragung höher. Dagegen sind die Anteile der Personen mit einer Lernbehinderung bzw. einer psychischen Behinderung deutlich geringer. 35% Anteil Teilnehmender 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Integration inklusive IW- Absolventenbefragung körperbehindert sprach-/ hörbehindert lernbehindert neurologisch-behindert psychisch-behindert sehbehindert Art der Behinderung Abbildung 5: Behinderungsarten im Projekt Integration inklusive und der IW- Absolventenbefragung im Vergleich (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung: N = 1450, Stand 2011) Zusätzlich wurde im Projekt Integration inklusive der Grad der Behinderung (GdB) erfasst. Abbildung 6 zeigt, dass 41 % der Teilnehmenden einen GdB von mindestens 70 haben. 22,8 % der Teilnehmenden haben keinen GdB. 45% Anteil junger Menschen 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Integration inklusive IW- Absolventenbefragung 0 10-30 31-49 50-69 ab 70 k. A. Festgestellter Grad der Behinderung (GdB) Abbildung 6: Behinderungsgrad im Projekt Integration inklusive und der IW- Absolventenbefragung (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung: N = 1450, Stand 2011) Eine anerkannte Schwerbehinderung liegt vor, wenn der GdB 49 % übersteigt, was bei 188 Teilnehmenden der Fall ist (58,9 %). Insgesamt hat mehr als ein Viertel einen GdB von 100. In der IW-Absolventenbefragung liegt bei 40,8 % eine anerkannte Schwerbehinderung vor. Damit weisen die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive einen höheren Anteil an amtlich anerkannter Schwerbehinderung auf. Dies zeigt sich auch im Vergleich zu den 10

Teilnehmenden, die in ein BBW eintreten. Hier lag die Quote bei den Teilnehmenden, die ihre Ausbildung in den Jahren 2005 bis 2008 begonnen haben, zwischen 26 % und 28 % (Seyd/ Schulz 2010). Im Jahr 2009 sank dieser Anteil auf 21 %. 4.7 Besuchte Schule Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben mehrheitlich eine Förderschule oder die Hauptschule besucht (vgl. Abbildung 7). Die Anteile sind hier, verglichen mit der IW- Absolventenbefragung, deutlich höher. 50% 45% Anteil Teilnehmender 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% Integration inklusive IW-Absolventenbefragung 5% 0% Förderschule Hauptschule Realschule Gesamtschule Gymnasium Sonstige Besuchte Schulart keine Angabe Abbildung 7: Besuchte Schularten im Projekt Integration inklusive und in der IW- Absolventenbefragung (Integration inklusive: N = 319, IW-Absolventenbefragung: N = 1450, Stand 2011) 4.8 Berufsfelder und Art des Ausbildungsabschlusses Die Ausbildungsberufe der Berufsbildungswerke lassen sich in insgesamt 12 Berufsfeldern zusammenfassen. Im Projekt nicht vertreten war als einziges Berufsfeld der Bereich der Gesundheitsberufe. Zu den 12 Berufsfeldern kommen - zusammengefasst in einer weiteren Gruppe noch die sonstigen Berufe hinzu. Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben ihre Ausbildung in 11 spezifischen Berufsfeldern oder sonstigen Berufen absolviert. Am stärksten sind die Berufsfelder Wirtschaft und Verwaltung (44,8 %), Metalltechnik (25,4 %), Ernährung und Hauswirtschaft (5 %) sowie Holztechnik (5 %) vertreten (vgl. Abbildung 8). 11

Berufsfeld der Ausbildung Art des Ausbildungsabschlusses Abschluss nach 66 BBiG / 42m HwO Vollqualifizierter Abschluss Gesamt Wirtschaft und Verwaltung 63 80 143 Metalltechnik 38 43 81 Elektrotechnik 4 4 8 Bautechnik 5 0 5 Holztechnik 10 6 16 Textiltechnik und Bekleidung 2 6 8 Drucktechnik 1 8 9 Farbtechnik und Raumgestaltung 3 9 12 Körperpflege 0 1 1 Ernährung und Hauswirtschaft 15 1 16 Agrarwirtschaft 10 4 14 Sonstige Berufe 0 6 6 Gesamt 151 168 318 Tabelle 3: Teilnehmende mit verschiedenen Ausbildungsabschlüssen nach Berufsfeld Im Vergleich zur Belegung der Berufsfelder aller BBW im Jahr 2008 fällt im Projekt Integration inklusive der hohe Belegungsanteil in den Bereichen Wirtschaft und Verwaltung sowie Metalltechnik auf. Die Vergleichszahlen liegen im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung bei 25,5 % und in der Metalltechnik bei 16,4 % (Eichhorn/ Karbach 2009). Anteil Teilnehmender 50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 143 81 16 16 14 12 9 8 8 6 5 1 Berufsfeld der Ausbildung Wirtschaft und Verwaltung Metalltechnik Ernährung und Hauswirtschaft Holztechnik Agrarwirtschaft Farbtechnik und Raumgestaltung Drucktechnik Elektrotechnik Textiltechnik und Bekleidung Sonstiges Bautechnik Körperpflege Abbildung 8: Berufsfeld der Ausbildung (N = 319, Stand 2011) Wie bereits in Tabelle 3 sichtbar wird, lassen sich Unterschiede zwischen den Abschlüssen nach den unterschiedlichen Ausbildungsregelungen erkennen. Etwas weniger als die Hälfte der Teilnehmenden im Projekt Integration inklusive hat einen vollqualifizierenden Abschluss 12

(49 %) im Sinne von 5 BBiG/ 25 HwO. Der Anteil der Ausbildungsabschlüsse nach 66 BBiG bzw. 42m HwO beträgt 51 %. Nach der Statistik der BAG BBW e. V. haben 2008 in allen BBW 54,4 % eine Ausbildung nach 66 BBiG bzw. 42 m HwO abgeschlossen (vgl. Eichhorn/ Karbach 2009). Damit ist der Anteil der Teilnehmenden mit einem vollqualifizierenden Abschluss im Projekt Integration inklusive geringfügig höher. 4.9 Sozialkompetenzen Wegen der begrenzten Ressourcen im Projekt konnten Sozialkompetenzen als weiche Faktoren nur im Ansatz erhoben werden. Hierbei war man auf Angaben Dritter (Arbeitgeber/ -innen, Fachkräfte in den BBW) sowie auf Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden angewiesen. Bei einer Unternehmensbefragung sollten die Betriebe die soft skills ihrer im Zuge des Projektes eingestellten Mitarbeitenden einschätzen. Die 49 befragten Arbeitgeber/ -innen äußern sich recht zufrieden über die Fähigkeiten der jungen Menschen. Die Bewertungen sind durchweg positiv, sehr schlechte Beurteilungen wurden kaum abgegeben. Zusätzlich wurden mit einer Teilstichprobe der Projektteilnehmenden leitfadengestützte Telefoninterviews geführt. Daraus lassen sich wichtige Informationen aus der Perspektive der Teilnehmenden gewinnen, z. B. welche Sozialkompetenzen sie als relevant für die Berufstätigkeit halten. An erster Stelle steht dabei die Eigeninitiative. 4.10 Zusammenfassung Die im Projekt erfassten sozio-demografischen Angaben zeigen im Vergleich zu anderen Daten, dass es sich bei den Projektteilnehmenden um einen Personenkreis handelt, der mehr Unterstützung beim Übergang der zweiten Schwelle benötigt als andere junge Menschen. Darauf weisen z.b. das höhere Alter der Projektteilnehmenden, der etwas größere Anteil an Migranten/ -innen und der höhere Anteil an amtlich anerkannten Schwerbehinderten, insbesondere ab einem GdB > 70 hin. Weitere Einflussfaktoren für eine sechs Monate nach Ausbildungsabschluss noch nicht erfolgte unmittelbare Integration könnten die Behinderungsart und die Wahl des Berufsfeldes sein. Bei den Projektteilnehmenden liegt vor allem ein höherer Anteil an Hör-, Sprach- und neurologischen Behinderungen vor. Dass es für Absolventen/ -innen mit einer Seh-, Sprachoder Hörbehinderung tendenziell schwerer ist, unmittelbar nach Verlassen eine Beschäftigung zu finden, bestätigt die IW-Absolventenbefragung (Neumann et al., 2010). Die Studie zeigt auch, dass die Chancen einer unmittelbaren Arbeitsmarktintegration nach einer BBW-Ausbildung im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung am ungünstigsten sind (Neumann et al., 2010). Dies könnte den hohen Anteil von 44,8 % der Projektteilnehmenden dieses Berufsfeldes im Projekt Integration inklusive erklären. Der Übergang in das Erwerbssystem nach einer erfolgreichen Ausbildung (zweite Schwelle) ist für alle Absolventen/ -innen eines BBW eine anspruchsvolle Herausforderung: dies um so mehr, da sie als junge Menschen mit Behinderung auf ein Beschäftigungssystem stoßen, dass in großen Teilen nicht inklusiv ist. Mit der freiwilligen Beteiligung am Projekt haben die jmmb jedoch eine starke Eigenmotivation zum Ausdruck gebracht, trotz einer oftmals frustrierenden Phase der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung zu finden und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. 13

5 Strukturelle Rahmenbedingungen der Integrationsprozesse Als das Projekt Integration inklusive im Frühjahr 2009 in sechs Regionen seine Arbeit aufnahm, hatte die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise auch Deutschland erreicht. Insbesondere die exportabhängige Industrie musste Auftrags- und Umsatzeinbußen hinnehmen, so dass die Zahl offener Stellen vorübergehend sank, auch wenn über Kurzarbeit zahlreiche Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Insgesamt ergab sich so keine günstige Situation für den Berufseinstieg junger Fachkräfte. Die Auswirkungen der Krise werden z.b. an der Veränderung der Durchschnittswerte der Integrationen aller BBW- Absolventen/ -innen deutlich. Während in den Jahren 2008 und 2009 ihre Erwerbsquote jeweils über 60 % lag, sank diese im Jahr 2010 unter diesen Wert (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011a). Die Neueinstellung von Menschen mit Behinderung wird jedoch neben den Auswirkungen der Wirtschaftskrise am Arbeitsmarkt zunehmend auch vom demografischen Wandel beeinflusst. Die Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW Studie) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen am ersten Arbeitsmarkt (Fietz et al. 2011) zeigt, dass der demografische Wandel neue Herausforderungen für die Integration dieses Personenkreises mit sich bringt. Der Berufseinstieg wird dadurch erschwert, dass die Personalplanung von Unternehmen sich häufig auf den Arbeitsplatzerhalt für bereits beschäftigte schwerbehinderte sowie leistungsgewandelte Arbeitnehmer/innen konzentriert. Infolgedessen kommen kleinere Betriebe unabhängig vom Wirtschaftszweig für Neueinstellungen schwerbehinderter Arbeitsuchender immer weniger in Frage (vgl. Fietz et al. 2011). Im Folgenden werden die regionalen Rahmenbedingungen, unter denen das Projekt aufgebaut wurde, sowie die lokalen Umsetzungsvarianten differenziert dargestellt. Hierzu zählen die am Projekt beteiligten sechs Berufsbildungswerke und die kooperierenden Wirtschaftsverbände als Akteure sowie deren Netzwerkarbeit in den regionalen Arbeitsmärkten. An dieser Stelle soll zunächst auf ein strukturelles Defizit im Hinblick auf die Betreuung der BBW-Absolventen/ -innen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung hingewiesen werden. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit sind eine genaue Ortskenntnis und gute Kontakte zur regionalen Wirtschaft. Dies ist besonders bei räumlicher Nähe aller Beteiligten BBW, Absolventen/ -innen, Unternehmen möglich. Die Auszubildenden der BBW stammen jedoch häufig aus weit entfernten Regionen und kehren nach Abschluss ihrer Ausbildung an ihren Heimatort zurück. Die unterstützenden Fachkräfte in den BBW müssen daher über große Distanzen hinweg zu den Absolventen/ -innen Kontakt halten. Darüber hinaus müssen die Ausbildungs-BBW die jmmb in regionale Arbeitsmärkte integrieren, zu denen sie kaum Zugang haben. 5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen Mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern waren sechs sehr unterschiedliche Bundesländer im Projekt vertreten. Für eine gezielte Auswertung der regionalen Situation wurde der jeweilige Kreis bzw. die Kommune betrachtet, in der sich das einzelne BBW befindet. Um mit den vorhandenen statistischen Angaben möglichst genaue Aussagen treffen zu können, wurde parallel auf die jeweils zuständigen Agenturbezirke zurückgegriffen (der Bezirk Freie Hansestadt Hamburg für das BBW Hamburg, der Bezirk Nordfriesland für das BBW Husum, der Bezirk Stadt Leipzig für 14

das BBW Leipzig, der Bezirk Neuwied für das BBW Neuwied, der Bezirk Stadt Potsdam für das BBW Potsdam und der Bezirk Nürnberger Land für das BBW Rummelsberg). Hieraus ergab sich ein differenziertes Bild: Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise hatten im Jahr des Projektbeginns (2009) überall steigende Arbeitslosenquoten zur Folge. Insgesamt zeigte sich der Arbeitsmarkt jedoch uneinheitlich. Besonders betroffen waren in allen sechs Projektregionen stark konjunkturabhängige Branchen, wie z.b. die fertigenden Berufe. Es gab allerdings auch Branchen, die von der Krise nicht tangiert wurden. Dazu gehören ebenfalls unabhängig von der Region in besonderem Maße die Gesundheits- und Pflegeberufe wie auch gleichermaßen die Sozial- und Erziehungsberufe 7. Als weitgehend robust gegenüber der Wirtschaftskrise zeigten sich ferner spezialisierte Mechaniker- und Datenverarbeitungsberufe. Ausbildungen aus dem Bereich Wirtschaft und Verwaltung sind mit Ausnahme der großen Dienstleistungszentren wie z.b. Hamburg weniger stark an die Region gebunden, sondern überregional verteilt. Im Gastronomie- und Hotelbereich hingegen zeigt sich eine stärkere regionale Verortung. In den Regionen um die BBW Nürnberg und Neuwied, die besonders durch technische, Fertigungs- und Bauberufe geprägt sind, mussten die krisenbedingten Einbrüche zusätzlich zu jahreszeitlichen Schwankungen hingenommen werden. So waren z.b. besonders Zulieferbetriebe der Maschinenbau- und Automobilindustrie stark von der Krise betroffen. In Husum ist der Arbeitsmarkt stark vom Hotel- und Gastgewerbe sowie der Gastronomie geprägt, was sich merklich in der regionalen Arbeitsmarktsituation niederschlägt. Nach dem bundesweiten Einbruch am Arbeitsmarkt Anfang 2010 stabilisierten sich die Beschäftigungsquoten bereits gegen Ende des Jahres wieder. So betrugen im Januar 2009 die Arbeitslosenquoten in Hamburg 8,5 %, in Nordfriesland 9,2 %, in der Stadt Leipzig 15,7 %, in Neuwied 6,7 %, in der Stadt Potsdam 9,1 % und im Nürnberger Land 3,8 % (vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2009). Nach dem Anstieg im Januar 2010, der sich vor allem in den alten Bundesländern bemerkbar machte, sanken im Dezember 2010 in allen sechs Regionen die Arbeitslosenquoten. Den stärksten Rückgang meldeten dabei Potsdam mit 1,4 % und Leipzig mit 2,8 % (vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2010). 7 Entsprechende Berufe werden in BBW nicht ausgebildet. 15

5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen Bei der Auswahl und Konzeption der regionalen Netzwerke wurde von Seiten der BAG BBW e. V. darauf geachtet, dass sich in den Modellregionen ein breites Spektrum unterschiedlicher Strukturmerkmale widerspiegelt (städtischer bzw. ländlicher Raum, neue und alte Bundesländer, Behinderungsarten, Berufsbilder usw.). Mit dem BVMW-Bundesverband sowie den Regionalverbänden des BVMW wurden für das Projekt kompetente Partner gefunden, welche über gute Kontakte zu Unternehmen verfügen. Vor Ort kooperierten die BBW und die Unternehmensverbände in unterschiedlicher Art und Weise und erarbeiteten netzwerkbildende Strukturen, die im Folgenden kurz dargestellt werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es in vier von sechs Regionen mit dem Projektbeginn im Frühjahr 2009 nicht sofort gelang, auf Seiten der Wirtschaft einen konzeptionell geeigneten Partner zu gewinnen. In der konkreten Umsetzung des Kooperationsnetzwerkes zwischen BBW und Wirtschaftsverband zeigte sich ferner, dass für ehrenamtlich arbeitende Verbände die Einstellung von hauptamtlichem Personal eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt. Dieser Faktor kann eine kontinuierliche partnerschaftliche Zusammenarbeit sowohl innerhalb des Verbandes wie auch mit hauptamtlichen Netzwerkpartnern erschweren. 5.3 Profil der BBW (allgemein) Die teilnehmenden BBW verfügen als spezielle Einrichtungen der Rehabilitation über ein besonderes Profil, was sich im Spektrum der Berufe, die für Art und Schwere der Behinderungen in Betracht kommen, niederschlägt. Pro BBW werden zwischen 20 und 50 unterschiedliche, staatlich anerkannte Berufe zur Ausbildung angeboten. Hierzu zählen auch Berufsabschlüsse nach 66 BBiG/ 42 m HwO. Im gesamten Spektrum sind nahezu alle Berufsfelder wie Agrarwirtschaft, Bautechnik, Farbund Raumgestaltung, Metalltechnik, Holztechnik, Drucktechnik, Elektrotechnik, Textiltechnik und Bekleidung, Ernährung und Hauswirtschaft, Gesundheit, Körperpflege bis zu Wirtschaft und Verwaltung vertreten. Nähere Angaben hierzu können Tabelle 4 (siehe nächste Seite) entnommen werden. 16

BBW Hamburg Husum Leipzig Neuwied Potsdam Bundesland Arbeitslosenquote September 2010 in % (Bundesland) Arbeitslosenquote September 2010 in % (Region) Hamburg Rummelsberg Schleswig- Holstein Sachsen Rheinland -Pfalz Brandenburg 7,8 6,9 10,8 5,3 10,0 4,0 7,8 (Hamburg) Profil des BBW nach Behinderungsarten: 6,1 (Nordfriesland) 13,6 (Leipzig) 5,8 (Neuwied) 8,1 (Potsdam) Lernbehinderung x x x x x Körperbehinderung x x x x x Sinnesbehinderung (Hör-/ Sprach-/ x x x x x Sehbehinderung) Psychische/ neurologische x x Beeinträchtigung Mehrfachbehinderung x x Ausbildungsberufsfelder in den BBW: Wirtschaft und Verwaltung x x x x x x Metalltechnik x x x x x x Elektrotechnik x x x Bautechnik x Holztechnik x x x x x Drucktechnik x x Farb- und Raumgestaltung x x x Textiltechnik und Bekleidung Gesundheit und Körperpflege x x Ernährung und Hauswirtschaft x x x x x Agrarwirtschaft x x x x x Sonstiges x x x x x Anzahl der im BBW angebotenen Berufe 21 50 33 34 30 29 Auszubildende (Stand Okt. 2010) 370 366 313 374 502 269 Projektteilnehmende 41 49 66 43 55 65 hiervon vermittelt 26 13 35 8 20 32 Tabelle 4: Überblick zum Profil der BBW x Bayern 3,1 (Nürnberger Land) 17

Als weitere Angebote der BBW-Träger stehen spezielle Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB Reha) sowie Eignungsabklärungen (EA) und Arbeitserprobungen (AP) vor Ort zur Verfügung. Im BBW befinden sich unter einem Dach die berufspraktischen Ausbildungsstätten, ein Internat sowie rehabilitationsspezifische Fachabteilungen. Um die Ausbildung kompetenter Fachkräfte zu gewährleisten, verfügen alle BBW über eigene oder angegliederte Berufsschulen 8. Vielfältige Freizeit- und Sporteinrichtungen ergänzen das gemeinsame Leben und Lernen im Berufsbildungswerk. Die jmmb kommen - je nach Profil - aus den angrenzenden Bundesländern und wohnen während der Ausbildung meist im BBW. Unterschiedliche Wohnformen in Außenwohngruppen und im Internat sind möglich. Insbesondere in städtischen Ballungsräumen gibt es neben der stationären Form auch eine Vielzahl von Auszubildenden als Tagespendler/ -in. Die jungen Menschen werden bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit im BBW umfassend unterstützt. Ein Team von Ausbildenden, Lehrenden, Ärzten/ -innen, Therapeuten/ -innen und Sozialpädagogen/ -innen berät sie umfassend und hilft ihnen jederzeit. Ziele und Förderschritte werden im BBW individuell mit jedem erarbeitet und geplant. Die Förderstrategien sind auf die Belange und Kompetenzen der jungen Menschen sowie auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt. Die praktische Ausbildung erfolgt in kleinen Gruppen durch pädagogisch geschulte Ausbildende und richtet sich nach dem individuellen Leistungsvermögen der jungen Menschen. Sie wird betriebsnah durchgeführt und umfasst ab dem ersten Ausbildungsjahr mehrwöchige Praktika in Betrieben. Bei den Praktika im letzten Ausbildungsjahr steht der Aspekt einer anschließenden Vermittlung bereits im Vordergrund. Die BBW folgen dabei dem Ansatz, dass die Integrationsarbeit bereits mit dem Tag der Aufnahme ins BBW beginnt. Richtschnur für die spätere Integration und Teilhabe bildet eine klare Orientierung an den Anforderungen der Arbeitswelt. So steht bei der Ansprache von Unternehmen nicht das BBW oder behinderungsspezifische Fragen im Vordergrund, sondern konkrete betriebliche Aufgabenstellungen. Davon ausgehend wird anschließend untersucht, welche dieser betrieblichen Aufgaben jmmb übernehmen können. In allen BBW gibt es Bereiche der Ausbildung, die an produktionsorientierten Lernorten stattfinden. Diese arbeiten wie Unternehmen der Privatwirtschaft, so dass reale Wertschöpfungsprozesse einschließlich der Kunden-/Auftraggeber-Beziehungen gegeben sind 9. Besondere Merkmale der Arbeit in den BBW sind die konsequente betriebliche Orientierung sowie die handlungsorientierte Verknüpfung von Ausbildungs- und Lehrplänen der unterschiedlichen Lernorte. Eine besonders innovative Ausgestaltung dieses Ansatzes findet sich im Leipziger Modell zur Berufswegplanung von jmmb 10. 8 Im Rahmen der Inklusion werden in den BBW-eigenen Berufsschulen auch zunehmend externe Schüler/ -innen aufgenommen. 9 Eine Auswahl solcher Bereiche sind: Industriemontage, Druckerei, Restaurant, Reisebüro-Filiale, Orthopädietechnikwerkstatt, Fahrradwerkstatt, Hotel, Kantine, Catering-Service, Friseursalon, Wäscherei sowie Dienstleistungen rund um Haus und Garten. 10 Dieses Modell des BBW Leipzig wendet sich zwar speziell an junge Menschen mit Sprach- und Hörbehinderung; von den in Leipzig gemachten Erfahrungen mit der Berufswegeplanung konnten im Projekt jedoch alle BBW profitieren. 18

Zur Unterstützung der Integration werden rechtzeitig vor Ausbildungsende alle sozialen Netzwerke der jmmb aktiviert und Informationsveranstaltungen bzw. Elterntage für Azubis mit ihren Bezugspersonen durchgeführt 11. Die Integrationsarbeit in den BBW wird durch feste Ansprechpartner im BBW gesteuert und umgesetzt. Hierbei kommt vor allem das Konzept des Case-Management zum Tragen 12. In den Gesprächen mit den (künftigen) Absolventen/ -innen wird auch die Suche nach möglichen Alternativen zu einer Tätigkeit im Ausbildungsberuf thematisiert und über die unterschiedlichen Beschäftigungsmodelle wie z. B. Zeitarbeit, saisonale Beschäftigung oder Teilzeitbeschäftigung informiert. Ebenso erfolgt eine Beratung, welche zusätzlichen Qualifikationen für eine Integration sinnvoll sein könnten 13. Zu einem professionellen Bewerbungstraining gehört in allen BBW auch das Einüben von Bewerbungssituationen, sei es telefonisch oder persönlich. Dies erfolgt teilweise mit externen Personalverantwortlichen (als Gegenüber der jmmb) und/oder Videounterstützung. Alle BBW verfolgen darüber hinaus das Ziel, die Teilnehmenden über das Ausbildungsende hinaus für sechs Monate (und auf freiwilliger Basis bis zu insgesamt einem Jahr) bis zur erfolgreichen Integration in Arbeit zu betreuen. Für die Aufgaben des Absolventenmanagements stehen besondere Fachkräfte bzw. Abteilungen in den BBW zur Verfügung und es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Agenturen für Arbeit. Darüber hinaus beteiligen sich vier von den sechs BBW parallel am Integrationsprämienmodell 14. Gute Kontakte bestehen von Seiten aller BBW zu den Prüfungsausschüssen der Kammern. Zahlreiche Lehrkräfte der BBW sind selbst Mitglied in den Prüfungsausschüssen der Kammern. Diese auf Dauer angelegte Kooperation trägt zur Einbindung der BBW in die regionalen Wirtschaftsnetzwerke bei. 5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs Regionen Hamburg Die Auszubildenden im BBW Hamburg sind zumeist Jugendliche mit Lernbehinderungen (70 %), aber auch solche mit Sinnes- oder Körperbehinderungen und zunehmend auch mit psychischen Behinderungen. Insgesamt befinden sich regelmäßig ca. 500 Teilnehmende in den verschiedenen Qualifizierungen, davon ca. 420 in der Erstausbildung und 80 in Berufsvorbereitung (BvB), Arbeitserprobung oder Berufsfindung. Jährlich verlassen etwa 120 erfolgreiche Ausbildungsabsolventen/ -innen das BBW. Im Jahr 2008 waren 46,6 % der Absolventen/ -innen des Abschlussjahrgangs erwerbstätig. Durch das Projekt entwickelte sich in Hamburg eine neue Zusammenarbeit des BBW mit dem Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (Regionalverband Hamburg). Der BVMW 11 Das BBW Rummelsberg nutzt hierbei als ein wichtiges Instrument eine Soziale Netzwerkkarte, die alle Kontakte aus früheren Praktika, Familie und Freundeskreis mit hilfreichen Kontakten sowie die beruflichen Fakten widerspiegelt. 12 Die Bezeichnungen der Funktionsstellen weichen lokal voneinander ab; gebräuchlich sind Bezeichnungen wie Bildungsbegleiter/ -in, Integrationskraft, JobCoach, Vermittlungscoach usw. 13 So wird in einigen BBW zur Zeit beraten, im hauswirtschaftlichen Bereich z.b. den Pflegepass (200 h) obligatorisch als Zusatzqualifikation mit anzubieten. 14 Von den am Projekt beteiligten BBW machen hiervon die BBW in Rummelsberg, Neuwied, Hamburg und Husum bereits Gebrauch. Integrationsprämien wirken sich in diesem Modell finanziell aus, wenn die bisherige Integrationsquote der BBW überschritten wird und der zusätzliche Verwaltungsaufwand refinanziert ist. 19

Hamburg betreute ca. 60 Mitgliedsfirmen, die durch die Projektmitarbeitende auf das Projekt aufmerksam gemacht wurden. Im Verlauf des Projektes stellte sich allerdings heraus, dass das Profil der BBW- Absolventen/ -innen nur unzureichend zu der Struktur der Mitgliedsfirmen des Unternehmensverbandes passte. Die Hamburger BVMW-Mitgliedsunternehmen sind häufig im Dienstleistungssektor angesiedelte Kleinstunternehmen mit geringen Beschäftigungschancen. Viele der Absolventen/ -innen des BBW Hamburg schlossen dagegen ihre Ausbildung in anderen Berufsfeldern ab. Hierbei dominierten besonders die Bereiche Metall- und Holztechnik. Aus diesem Grunde wurden von der Projektmitarbeitenden des BVMW verstärkt auch Firmen außerhalb des Verbands angesprochen. In Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit fand eine Veranstaltung mit allen sechs Hamburger Regionalgeschäftsführern des BVMW statt, auf der diese eingehend über das Projekt und dessen Zielsetzungen informiert wurden. Daraus wurde eine Präsentation des Projektes auf der Internetseite des regionalen Unternehmensverbandes entwickelt. Seit Jahren wird im BBW Hamburg für die Absolventen/ -innen der letzten Jahrgänge im Frühjahr eine Zeitarbeitsmesse durchgeführt. Dort, wie auch bei anderen regionalen Praktikums- und Jobbörsen, führten die jmmb Gespräche mit den für sie interessanten Firmen, um sich nach offenen Stellen sowie nach Ansprechpartnern im Personalbereich zu erkundigen. Hierbei wurden sie von den Integrationsmitarbeitenden des BVMW sowie des BBW unterstützt. Der Projektverlauf in Hamburg zeigte, dass bei der Zusammenarbeit eines BBW mit einem Unternehmensverband das Profil des Verbandes ausreichend beachtet werden sollte. Auch die internen Strukturen eines solchen Verbandes müssen Beachtung finden. So ist es üblich, dass regionale Geschäftsführer eines Verbandes sich intensiv um die Mitgliedsfirmen in ihrer Region kümmern, während sie nur wenig Kontakt zu Mitgliedern außerhalb dieser Region haben. Husum Das Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk in Husum bildet Asthmatiker/ -innen, Allergiker/ - innen und junge Menschen mit Einschränkungen beim Lernen und körperlichen Behinderungen sowie Hörschädigungen aus. Eine BBW-interne Abteilung von Integrationsberatern/ -innen unterstützt die jungen Menschen bei der Arbeitssuche und bietet auch Arbeitgebern/ -innen umfassende Beratung und Unterstützung. Die Integrationsquote ein Jahr nach Ausbildungsabschluss lag im Jahr 2008 bei 45,7 %. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen strukturellen Ausgangsbedingungen (hauptamtliche Organisation auf Seiten des BBW und ehrenamtliche Arbeit beim Unternehmensverband Westküste) gab es zunächst Anlaufschwierigkeiten, die jedoch im Dezember 2009 überwunden werden konnten. Der Erstkontakt zu den Betrieben in der Region wurde direkt durch die Geschäftsleitung des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste e. V. getätigt. Anschließende Betriebsbesuche wurden von den Integrationsmitarbeitenden des BBW zusammen mit dem Unternehmensverband durchgeführt. Den Betrieben wurden die Aufgaben eines BBW sowie dessen Personaldienstleistungen (Vermittlung, Beratungs- und Fördermöglichkeiten, behindertengerechte Ausstattung von Arbeitsplätzen, etc.) vorgestellt. Gemeinsam wurden Unternehmen zu ihren jeweiligen Bedarfen befragt. Die Gespräche zeigten, dass in den meisten Betrieben die Pflichtquote nicht erfüllt wurde. Die Unternehmen begrüßten die 20