Medizin, Recht, Ethik zwischen Konflikt und Kooperation 17./18. März 2010 Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen Dr. Thomas Binsack, München
Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten, Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht jedoch nicht unter allen Umständen. Es gibt Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und Therapieverfahren nicht mehr indiziert sind, sondern Begrenzung angeboten sein kann. Dann tritt palliativmedizinische Versorgung in den Vordergrund. Grundsätze BÄK z. ärztl. Sterbebegleitung 1999
Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Außerordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind. Katechismus der Kath. Kirche, 2278, 1993.
Selbst wenn voraussichtlich der Tod unmittelbar bevorsteht, darf die Pflege, die man für gewöhnlich einem kranken Menschen schuldet, nicht abgebrochen werden. Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloß als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird. Die Betreuung des Sterbenden ist eine vorbildliche Form selbstloser Nächstenliebe; sie soll aus diesem Grund gefördert werden. Katechismus der Kath. Kirche, 2279, 1993
Lebensverlängernde Maßnahmen in unterschiedlichen Situationen Akute Erkrankung Akute Erkrankung im Rahmen einer fortschreitenden unheilbaren Krankheit Palliative Chirurgie im fortgeschrittenen Stadium einer Erkrankung Das Leben eines Schwerkranken ist abhängig von künstlichen lebensverlängernden Maßnahmen
Endphase einer Erkrankung nicht heilbares Grundleiden schwere Begleitsymptome Sekundärerkrankungen Versagen von Organen Beeinträchtigung des Bewusstseins fehlender Lebenswille hohe Wahrscheinlichkeit der Irreversibilität
Lebensverlängernde Maßnahmen Reanimation Künstliche Beatmung Künstliche Niere: Dialyse Zytostatische Chemotherapie Antibiotika Chirurgische Eingriffe Bluttransfusionen Ernährung und Flüssigkeit
Entscheidungskriterien zur Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen Medizinische Indikation Therapie erreicht nicht ihren intendierten Effekt (z. B. die Fortführung der zytostatischen Chemotherapie trotz fortschreitender Erkrankung): Therapie verlängert nur den Sterbevorgang Patientenwille voluntas aegroti suprema lex : jeder medizinische Eingriff gegen den (mutmaßlichen) Willen ist Körperverletzung Verhältnismäßigkeit Lebensverlängernde Maßnahmen sind dann kontraindiziert, wenn sie mehr Schaden als Nutzen verursachen. Nach D. J. Roy, 1997
Paradigmenwechsel von der Ethik der Lebensverlängerung um jeden Preis hin zur Beachtung der Würde und der Qualität des Lebens und der Selbstbestimmung. nach D. J. Ray 1997
Entscheidungen über lebensverlängernde Maßnahmen sollten in der klinischen Umgebung am Bett des Patienten und nicht vor Gericht getroffen werden. David J. Roy
Meine Aufgabe ist es, mich um die Gesundheit des Patienten zu kümmern. Es gibt Zeiten, in denen es im Interesse der Gesundheit liegt zu sterben. Es ist nicht gesund, das Sterben hinauszuziehen. Cicely Saunders