Kongenitaler Klumpfuß



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publiziert bei: AWMF-Register Nr. 033/021 Klasse: S1 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Kongenitaler Klumpfuß Synonym: Pes equino-varus-adductus (et excavatus) Schlüsselwort: Klumpfuß Peritalare Derotation Einleitung Der angeborene Klumpfuß stellt nach der Hüftgelenkdysplasie die zweithäufigste Skelettfehlbildung dar und kann in schweren Fällen äußerst limitierend für Beruf, Sport und Freizeit werden. Fehlstellungen der Gelenke und Fehlformen der Knochen, oftmals verstärkt durch eine persistierende Gesamtfehlstellung des subtalaren Gelenkkomplexes, führen unbehandelt immer zu pathologischen Belastungen der betroffenen Gelenke. Dabei können Arthrosen des unteren und / oder oberen Sprunggelenkes schon in der zweiten oder dritten Lebensdekade auftreten und Arthrodesen notwendig machen, was wiederum frühzeitig im Berufsleben des Betroffenen sozialmedizinisch (Berentung, Berufswechsel, etc.) relevant werden kann. Eine konsequente konservative, gegebenenfalls auch operative Korrektur der Fehlstellung kann den Verlauf signifikant begünstigen. Definition Beim kongenitalen Klumpfuß (Primärer Idiopathischer Klumpfuß) handelt es sich um eine komplexe Fehlstellung im Talokalkanealgelenk, Talonavikulargelenk und Kalkaneokuboidgelenk ("subtalarer Gelenkkomplex") mit Kontrakturen der Gelenkkapseln und Sehnenverkürzungen unterschiedlicher Ausprägung. Ferner treten Klumpfüße bei einer Reihe von neuromuskulären Erkrankungen wie Spina bifida, Sakraldysgenesie, -agenesie, infantile Zerebralparese, Muskeldystrophie, Arthrogryposis multiplex congenita u.a. auf. Seite 1 von 8

Ätiologie, Pathogenese 033/021 Leitlinie Kongenitaler Klumpfuß Ätiologie Diskutiert werden genetische Defekte, embryonale Defekte, temporäre Wachstums- (Entwicklungs-) Störungen, mechanische Störung der Fußentwicklung in der Embryonalperiode, Theorie eines primären neurogenen Defektes, Primärdefekte in der Muskulatur (Muskelanomalien, Dysproportion der Typ I- und Typ II-Fasern) sowie pathologische Zusammensetzungen der Kollagene. Einflussfaktoren: Intrauterine Lageanomalie. Pathogenese Fehlwachstum der Knochen bei Störung der enchondralen Ossifikation. Pathologische Anlage der Ossifikationszentren. Kontrakturen im unteren Sprunggelenkkomplex (als Folge pathologischer Zusammensetzungen der Kollagene) mit primären und/oder sekundären Sehnenverkürzungen. Dysmorphie des Talus, Os naviculare und Calcaneus und bei persistierender Fehlstellung auch des Os cubideum, der Ossa cuneiformia, aber auch der Metatarsalknochen. Kontrakturen durch massive Verdickung der Kapselbandstrukturen und Sehnenverkürzungen. Beim neuromuskulären Klumpfuß liegt der Deformität ein Muskelungleichgewicht zugrunde. Es überwiegen die Supinatoren, M. tibialis posterior et anterior und die Flexoren (M. triceps surae, Zehenflexoren). Schlaffe und spastische Lähmungen sowie Muskelerkrankungen sind zu beachten. Klassifikation Der Schweregrad der Klumpfüße wird in Abhängigkeit von der primären Redressierbarkeit (Flexibilität) vorgenommen. Breit angewendet werden heute die Klassifikationen nach Dimeglio et al. (1995) und Pirani (1992) Medizinische Schlüsselsysteme ICD-10 Q66.0 Pes equinovarus congenitus, Klumpfuß o. n. A. Anamnese Fremdanamnese o Schwangerschaft: Lage, Fruchtwassermenge, Erstgeburt, Mehrlingsgeburt o Geburt: Zeitpunkt, Verlauf, Sectio, Komplikationen Spezielle Anamnese o Fehlbildung, -stellung von Fuß, Knie, Hüfte, Wirbelsäule o Vorherige konservative oder operative Behandlung o Begleitende Fußdeformität der Gegenseite, z.b. Talus verticalis o Allgemein- und/oder Grunderkrankungen, z.b. Arthrogryposis multiplex congenita, z. B. Spina bifida Seite 2 von 8

Familienanamnese o Klumpfuß bei Eltern, Geschwistern, entfernteren Verwandten Diagnostik Wichtig ist die Abgrenzung zur häufigen Klumpfußhaltung, die in der Regel keiner operativen Behandlung bedarf. Klinische Diagnostik Beurteilung von o Spontanhaltung des Fußes o Knie-Fuß-Achse und Rotationsfehlstellung o Bewegungsumfang, passiver Redressierbarkeit und Beweglichkeit in den einzelnen Gelenken o Bein- und Fußlängen und Trophik, Hinweise auf Muskelatrophie (Wade) o Besonderheiten der Haut (Fossettes cutanées) o Gegenseite und benachbarten Gelenken o Durchblutung, Motorik und Sensibilität Apparative Diagnostik Postpartal wird die Diagnose nach dem klinischen Befund gestellt. Röntgenaufnahmen sind in den ersten drei Monaten in der Regel nicht relevant. Zeigt sich nach erfolgreicher Redressionsbehandlung ein funktionell guter Fuß, sind Röntgenaufnahmen nicht zwingend notwendig. Röntgenaufnahmen sind hilfreich bei eingeschränkter Funktion des Fußes, unter anderem zur Darstellung eines Fersenhochstandes. Bei Verdacht auf eine Coalitio talare ist gegebenenfalls in Ergänzung zur Röntgenaufnahme eine Kernspintomografie erforderlich. Röntgenaufnahmen werden immer in beiden Standardebenen nach Simons von beiden Füßen gefertigt (Simons, 1978). Vor umfangreichen operativen Korrekturen eines Klumpfußes sollte stets eine standardisierte Röntgenaufnahme in 2 Ebenen erfolgen, frühestens nach dem 3. Lebensmonat. Im Einzelfall nützliche apparative Diagnostik Doppler-Sonographie der Blutgefäße, insbesondere bei komplexen Fehlbildungen sowie vor geplanten umfangreichen Korrekturoperationen kann sinnvoll sein. Häufige Differentialdiagnosen o Klumpfußhaltung o Neurogener Klumpfuß o Sichelfuß/Metatarsus varus o Kletterfuß/Pes supinatus Elternberatung Neben den therapeutischen Möglichkeiten wie Etappenredression mit Gipsverband, Physiotherapie und operative Verfahren, sollten den Eltern mögliche Einschränkungen der Funktion bei einem Klumpfuß erklärt werden. Vor allem müssen Merkmale, welche auch Seite 3 von 8

nach Behandlung persistieren können, wie verschmächtigte Wade, Schuhgrößendifferenz und laterale Fältelung der Haut am Malleus lateralis erklärt werden. Therapie Eine frühzeitige Therapie ist anzustreben. Der Beginn der Gipsredression sollte unbedingt innerhalb der ersten Lebenswochen erfolgen. Idealerweise wird in den ersten Lebenstagen begonnen. Eine Redression am ersten Lebenstag mit Anlegen eines Gipsverbandes ist allerdings nicht zwingend notwendig. Ziel der Therapie ist ein funktionell guter, schmerzfreier Fuß mit freier Beweglichkeit. Das Tragen von Konfektionsschuhen sowie aktive Beteiligung am Schul- und Freizeitsport sollten weitere Therapieziele sein. Konservative Therapie Die konservative Therapie steht stets an erster Stelle der Klumpfußbehandlung. Unterschiedliche konservative Techniken wie etappenweise Redressionen und Gipsverband, Physiotherapie und Schienenbehandlung stehen zur Verfügung. Derzeit wird als konservatives Konzept der Therapie die Methode nach Ponseti favorisiert. Behandlungskonzept nach Ponseti (1996) Das Behandlungskonzept beinhaltet die Redressionen des Fußes in Etappen unter dem Talus nach lateral, perkutane Tenotomie und Fußabduktions-/Außenrotationsschiene. Bei vorhandenem Rezidiv wird eine erneute Etappenredression und ggf. zusätzlich ein operativer Transfer des M. tibialis anterior idealerweise im Alter von ca. 3 Jahren durchgeführt. Redressionstechnik Das Prinzip beinhaltet die graduelle Reposition des subtalaren Gelenkkomplexes. Redressionspunkt, um welchen der subtalare Gelenkkomplex (Calcaneopedis-Block) gedreht wird, ist der Taluskopf. Anlegen des ersten Gipsverbandes in Supinationsstellung zum Ausgleich der Hohlfußkomponente. Weitere Redressionen mit Gipsverband in die zunehmende Abduktion/Außenrotation, Beibehalten einer leichten Supinations- und Spitzfußkomponente, cave: iatrogener Schaukelfuß. Angestrebte Abduktion/Außenrotation 50 70. Während der gesamten Redression keine Pronation und keine Manipulation der Ferse, da sonst der zu korrigierende subtalare Gelenkkomplex kontraproduktiv blockiert wird. Gipsverband immer als Oberschenkelgips, wenig Watte, gute Modellierung des Gipsverbandes. Bei Erreichen einer Abduktion/Außenrotation von 50 70 und Verbleiben der Spitzfußkomponente, perkutane Tenotomie in Vollnarkose oder Lokalanästhesie mit anschließender Redression des Rückfußes und Anlage eines Gipsverbandes für 3 Wochen in 70 Abduktion/Außenrotation und angestrebten 20 Dorsalextension. Seite 4 von 8

Orthopädietechnik Fußabduktionsschiene 033/021 Leitlinie Kongenitaler Klumpfuß Gipsabnahme 3 Wochen nach Tenotomie und Anlage einer Fußabduktionsschiene (gesunder Fuß in 40 Abduktion/Außenrotation, Klumpfuß in 70 Abduktion/Außenrotation). Tragen der Schiene 3 Monate Tag und Nacht (24 Stunden). Tragen der Schiene anschließend bis zum 4. 5. Lebensjahr, Tragezeit 14 16 Stunden/pro Tag, zu den Ruhezeiten. Die Schiene dient zur Rezidivprophylaxe. Die Fußabduktionsschiene allein kann keinen Klumpfuß korrigieren. Rezidivtherapie Ponsetikonzept Bei Auftreten eines Rezidivs wird zunächst eine nochmalige Redressionsbehandlung mit Gipsverbandanlage durchgeführt. Bei Kindern mit Rezidiven im Alter von 2 3 Jahren wird anschliessend ggf. zusätzlich ein M. tibialis-anterior-transfer durchgeführt. Prognose Mit dem Ponsetikonzept werden Korrekturraten bei bis zu 90 % mit bis zu 70 % guten Ergebnissen erzielt. Bei diesen guten Langzeitergebnissen ist jedoch auch die Gruppe von Patienten eingeschlossen mit dem Zusatzeingriff eines Tibialis-anterior-Transfers (Dietz, Cooper, 1996). Operative Verfahren Durch suffiziente Anwendung des Redressionskonzeptes nach Ponseti können aufwändige operative Interventionen in ihrer Zahl und im Umfang reduziert werden (Herzenberg et al., 2002; Eberhardt et al., 2006). Dennoch sind operative aufwändige operative Maßnahmen in bestimmten Fällen notwendig. Dabei ist bei denjenigen Kindern mit mangelhafter Compliance der Familie signifikant häufiger mit Rezidiven zu rechnen. Das Ausmaß der Operationsschritte hängt von den verbliebenen Fehlstellungen nach konservativer Therapie ab. Andere zugrunde liegende Erkrankungen/Fehlbildungen der Bewegungsorgane, zum Beispiel Hüftdysplasie, Spina bifida, Arthrogryposis multiplex congenita und andere, sind zu berücksichtigen. Operationsverfahren Bei Fersenhochstand nach dem Ponsetikonzept: perkutane Tenotomie. Bei komplexer Restfehlstellung dorsale / dorsomediale Arthrolyse des subtalaren Gelenkkomplexes, gegebenenfalls auch des oberen Sprunggelenkes mit Achillessehnenverlängerung (Mini- Cincinnati-Zugang). Bei ausgeprägter Deformität erweiterte Reposition des gesamten subtalaren Gelenkkomplexes über ein angepasstes peritalares Release über den Cincinnati- Zugang (Krauspe, Parsch 1995). Sekundäroperationen bei Rezidiven nach dem 8. Lebensjahr erfordern oft zusätzliche knöcherne Eingriffe: Subtraktive und additive Osteotomien an Os cuboideum/os cuneiforme mediale, knöcherne Eingriffe im Bereich der Ferse (OP nach Dwyer, OP nach Mitchell), gegebenenfalls in Kombination mit Sehnentransferoperationen. Rigide Füße mit äußerst kontrakten und gegebenenfalls auch vernarbten Weichteilen erfordern eine graduelle Korrektur über einen Fixateur extern. Seite 5 von 8

Planung und Vorbereitung der Operation - Beurteilung der konservativen Therapie - Beurteilung des klinischen Befundes - Beurteilung der Fehlstellung anhand standardisierter Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (Klumpfußaufnahmen nach Simons, 1978) - Doppleruntersuchung - Intraoperatives Röntgen in Abhängigkeit vom OP-Verfahren und vom intraoperativen Befund Mögliche Folgen und Komplikationen - Allgemeine Risiken und Komplikationen: Hämatom, Wundheilungsstörung (Wundrandnekrose), Wundinfekt, Gefäßverletzung, Nervenverletzung - Spezielle Folgen: Überkorrektur, Unterkorrektur, persistierende Bewegungseinschränkung, Knochennekrosen, Drahtbruch Postoperative Maßnahmen - Postoperativ Gipsverband - Verbandkontrollen - Unterschiedliche Nachbehandlung in Abhängigkeit von Art und Umfang des Eingriffs - Später: Nachtschiene, ggf. Einlage, ggf. Physiotherapie - Klinische und ggf. radiologische Kontrolle Stufenschema für die Therapie Orientierungskriterien Alter, Ausmaß der Fehlstellung, bisherige Therapie Stufe 1 Redressionsbehandlung nach Ponseti mit Oberschenkelgipsverband (4 8 Sitzungen) Stufe 2 Fersenhochstand/Achillessehnenverkürzung, perkutane Tenotomie (Kinder <1 Jahr). Offene Achillessehnenverlängerung (Kinder >1 Jahr) eventuell dorsale Arthrolyse Stufe 3 Schienenbehandlung Fußabduktionsschiene bis 4. 5. Lebensjahr, manuelle Dehnung durch Mutter/Vater/ Familie und ggf. unterstützend Physiotherapie Stufe 4 Keine ausreichende Korrektur mit der Ponsetitechnik: dorsales, posteromediales oder peritalares Release in Abhängigkeit von der Ausprägung der Fehlstellung, ggf. kombiniert mit knöchernem Eingriff. Seite 6 von 8

Stufe 5 Bei sehr rigiden, wiederholt rezidivierenden Klumpfüßen mit vernarbten Weichteilen graduelle Korrektur über einen Fixateur externe. Prognose Ohne Behandlung ist nur ein Stehen und Gehen in Fehlstellung und später unter Schmerzen möglich. Auch die Schuhversorgung ist problematisch. Die individuelle Prognose des Behandlungserfolges ist schwer einzuschätzen. Bei unmittelbar nach Geburt einsetzender konservativer Behandlung und ggf. operativer Korrektur ist in der Regel ein gutes, mindestens ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Prävention Derzeit sind keine präventiven Maßnahmen verfügbar. Literatur: Dimeglio A, Bensahel H, Souchet Ph, Mazeau Ph, Bonnet F: Classification of clubfoot. J Pediatr Orthop Part B4: 129-136, 1995 Eberhardt O., Schelling K, Parsch K, Wirth T: Die Behandlung des kongenitalen Klumpfußes mit der Ponseti-Methode. Z Orthop 144: 497-501, 2006 Herzenberg JE, Radler C, Bor N, Ponseti versus traditional methods of casting for idiopathic clubfoot. J Pediatr Orthop 22:517-521, 2002 Krauspe R, Parsch K: Die peritalare Arthrolyse zur Klumpfußkorrektur über den sogenannten Cincinnati Zugang. Operat Orthop Traumatol 7:125-140, 1995 McKay DW, A new concept of an approach to clubfoot treatment: section II correction of he clubfoot. J Pediatr Orthop 3: 10-21, 1983 Pirani S, A method of assessing the virgin clubfoot. Pediatric orthopaedic Society of North America; Orlando 1995 Ponseti IV, Congenital clubfoot: Fundamentals of treatment. England Oxford University Press, Oxford 1996 Simons GW.: A standardized method for the radiographic evaluation of clubfeet. Clin. Orthop. 1978; 135: 107-118 Seite 7 von 8

Verfahren zur Konsensbildung: Expertengruppe der Dt. Gesellschaft für Orthopädie und orthopädischen Chirurgie und des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie Autoren: R. Krauspe K. Weimann-Stahlschmidt B. Westhoff O. Eberhardt Kontaktadresse: Prof. Dr. Rüdiger Krauspe Orthopädische Klinik Klinikum der Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf e-mail: krauspe@med.uni-duesseldorf.de Erstellungsdatum: 1998 Überarbeitung von: 06/2012 Nächste Überprüfung geplant: 06/2017 Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die "Leitlinien" sind für Ärzte rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Die AWMF erfasst und publiziert die Leitlinien der Fachgesellschaften mit größtmöglicher Sorgfalt - dennoch kann die AWMF für die Richtigkeit des Inhalts keine Verantwortung übernehmen. Insbesondere bei Dosierungsangaben sind stets die Angaben der Hersteller zu beachten! Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Autorisiert für elektronische Publikation: AWMF online Seite 8 von 8