Der Rezipient als Automat? Agenda-Setting auf Mikroebene bei Newssites



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Der Rezipient als Automat? Agenda-Setting auf Mikroebene bei Newssites 1 Relevanz des Themas Seit Beginn der kommunikationswissenschaftlichen Forschung beschäftigte eine Frage Wissenschaftler und Medienkonsumenten besonders stark: Welche Wirkung haben Massenmedien auf deren Rezipienten? Nachdem eine Vielzahl von Studien keine direkten Wirkungen der Medien auf Einstellungen, Meinungen oder Verhalten des Publikums nachweisen konnte, sprach man den Medien in den 1950er bis 1960er Jahren einen starken Einfluss ab. Das Jahr 1972 sollte jedoch zu einer Revision dieser Meinung führen. Die unter dem Namen Chapel-Hill bekannt gewordene Studie von McCombs und Shaw untersuchte die Übertragung der Themenagenda von Massenmedien auf die Agenda des Publikums. Sie zeigte dabei eine fast perfekte Übereinstimmung in der Bedeutungszuweisung von Themen durch die Medien und das Publikum (McCombs & Shaw, 1972, S. 184). Unter dem Namen Agenda-Setting hielt der Wirkungsansatz Einzug in die Forschungsliteratur und ist mit mehr als 350 Publikationen eines der bis heute am stärksten diskutierten Modelle in der Kommunikationswissenschaft (Dearing & Rogers, 1996). Mit der Verbreitung des neuen Massenmediums Internet fand die Agenda-Setting Forschung in den letzten Jahren ein neues Anwendungsgebiet. Bisherige Studien verglichen jedoch vorrangig die Agenda-Setting-Funktion von traditionellen Medien mit denen des Internets (Althaus & Tewksbury, 2002; Emmer, 2007; Schoenbach, 2005) oder untersuchten das Intermedia-Agenda-Setting (Lim, 2007; Schiffer, 2006, Yu, 2005). Wie konkret die Agenda von Onlineangeboten auf die Publikumsagenda gelangt, wurde jedoch noch kaum behandelt. Erste Ansätze in diesem Bereich liefert Lee (2006). Er untersuchte in drei Experimenten die First- und Second-Level Agenda-Setting Funktion von Online-Nachrichten unter Berücksichtigung des individuellen Orientierungsbedürfnisses der Teilnehmer. Dabei konnte er eine Beeinflussung der Publikumsagenda durch die Agenda der Online-Nachrichten beobachten. Seine Ergebnisse sind jedoch nur begrenzt verallgemeinerbar, da sie unter den stark kontrollierten Bedingungen eines Laborexperiments stattfanden. Die hiesige BA-Arbeit versucht, Lücken im Forschungsbereich Agenda-Setting durch Online-Angebote zu schließen, in dem sie untersucht, ob und wie die Medien-

Agenda von Newssites 1 auf die Publikumsagenda gelangt. Dabei berücksichtigt sie auch das konkrete Rezeptionsverhalten der Konsumenten als Einflussfaktor auf die Stärke des Agenda-Setting-Effektes. 2 Forschungsziel und fragen Ziel der Arbeit ist es, die Übertragung der Agenda von Newssites auf die individuellen Agenden der Rezipienten darzustellen. Dabei soll die Medienagenda nicht als gegebenes Ganzes untersucht werden, sondern es wird berücksichtigt, was genau der einzelne Leser rezipiert hat. Grundlage für dieses Vorgehen ist ein einfacher Zusammenhang, der bei der bisherigen Forschung relativ wenig Beachtung fand: Nur was der Rezipient tatsächlich gelesen oder zumindest wahrgenommen hat, kann auch als Einflussfaktor auf seine persönliche Agenda gewertet werden. Folglich können die Medienagenda und die real vom Rezipienten wahrgenommene Medienagenda sich stark unterscheiden. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass nur Aggregatdatenstudien zum Agenda-Setting bisher nachweisbare Zusammenhänge fanden. Für Individualdaten gibt es Agenda-Setting-Effekte so gut wie nicht (McCombs, 2004, S.31). In einer frühen Studie zum Agenda-Setting konnten Erbring, Goldenberg & Miller (1980) zeigen, dass die Art der Nutzung von nationalen Nachrichten durch den Rezipienten Einfluss auf die Agenda-Setting-Funktion dieser hat. Allerdings wurde dabei nur der Zugang zu nationalen Nachrichten im Allgemeinen erhoben. Eine inhaltlich ähnliche Studie führte Roessler (1999) in Deutschland durch. Er konnte zeigen, dass nur 20 Prozent der Versuchsteilnehmer Korrelationen zwischen ihrer eigenen Agenda und der Agenda, der von ihnen genutzten Medien aufwiesen. Nicht untersucht wurde jedoch bei beiden Studien, welche konkreten Artikel die Rezipienten konsumierten und ob dies Einfluss auf ihre individuelle Agenda hatte. Die Prüfung eines solchen Zusammenhanges wird in der hiesigen BA-Arbeit vorgenommen. Dazu wird das Rezeptionsverhalten hinsichtlich Newssites artikelgenau erhoben, um dadurch die wahrgenommene Medienagenda des Einzelnen zu bestimmen. Folgende Forschungsfrage soll dadurch beantwortet werden: FF 1 : Gibt es Agenda-Setting-Effekte auf der Individualebene, wenn man das konkrete 1 Für die vorliegende Arbeit sind Newssites definiert als Online-Angebote, die Nachrichten als primären Inhalt haben. Dies können neben Online-Ausgaben von Zeitungen (spiegel-online) auch reine WWW-Angebote (Google-News) sein. Aus der Untersuchung ausgeschlossen sind RSS-Feeds, Angebote die von journalistischen Laien erstellt werden (z.b. Blogs) oder Websites, die Nachrichten nur als Nebenprodukt anbieten. 2

Rezeptionsverhalten des Einzelnen als Einflussfaktor berücksichtigt? Um ein möglichst umfassendes Bild zur Übertragung der Medien-Agenda auf die Publikumsagenda bei Newssites zu zeichnen, werden auch Einflussfaktoren, die sich in früheren Agenda-Setting-Studien als signifikant herausgestellt haben, betrachtet. Dies sind auf Seiten der Rezipienten dessen Orientierungsbedürfnis, interpersonale Kommunikation sowie die Nutzung traditioneller Medien (u.a. Brosius, 1990; Dearing& Rogers, 1997; Wanta, 1992). Demografische Merkmale werden auf Grund der Stichprobenbildung (siehe Abschnitt 4) vernachlässigt. Untersucht werden auch hier Effekte auf der Mikroebene, das heißt Zusammenhänge zwischen der Medien- Agenda und der individuellen Agenda des einzelnen Rezipienten. FF 2 : Welchen Einfluss haben das Orientierungsbedürfnis des Rezipienten sowie sein interpersonales Kommunikationsverhalten auf die Stärke des Agenda-Setting Effektes? FF 3 : Wie stark ist der Einfluss von Newssites auf das Agenda-Setting in Abhängigkeit von der traditionellen Mediennutzung des Rezipienten? Ein letzter Untersuchungskomplex widmet sich der Bedeutung onlinespezifischer Einflussfaktoren auf die Agenda-Setting Funktion von Newssites. Der bedeutendste Unterschied zwischen Online-Nachrichten und dem traditionellen Medienangebot liegt in der nicht-linearen Präsentationsstruktur ersterer. Der Rezipient sieht auf der Startseite des jeweiligen Online-Angebotes lediglich die Überschriften oder kurze Abstracts der Artikel. Anhand dieser entscheidet er sich, ob er den gesamten Beitrag liest oder nicht. Der Betonungsgrad durch den Herausgeber im herkömmlichen Sinne (Größe der Überschrift, Länge des Artikels, Position innerhalb der Zeitung/ TV- Sendung) ist als Orientierungshilfe zum Herausfiltern wichtiger Nachrichten nicht oder nur noch eingeschränkt vorhanden. Deshalb wird der Einfluss neuer Orientierungshilfen auf die Rezeptionsentscheidung überprüft. Die hier untersuchten Orientierungshilfen sind zum einen die oben bereits angesprochene Verwendung von Überschriften oder Abstracts als Hinweis auf den folgenden Artikel. Tremayne & Schmitz (2005) haben in einem Experiment gezeigt, dass die unterschiedliche Art der Präsentation des Links zum Beitrag keinen Einfluss auf die Agenda-Setting Funktion desselbigen hat. Des Weiteren werden die Position des Links auf der Startseite, die Länge des Artikels sowie die Verwendung von Bildern/Bildserien untersucht. Zu diesen Einflussfaktoren gibt es bisher keine empirischen Untersuchungen bei Newssites. 3

FF 4 : Welche onlinespezifischen Einflussfaktoren begünstigen die Wahrnehmung eines Beitrags auf Newssites und steigern somit seine vermutete Agenda- Setting-Funktion? Betrachtet wird in der gesamten Untersuchung lediglich das First Level Agenda- Setting. Second-Level Agenda-Setting kann auf Grund des begrenzten Bearbeitungszeitraums nicht berücksichtigt werden. Des Weiteren wird nicht die gesamte Agenda der Medien betrachtet, sondern mögliche Effekte werden anhand dreier konkreter Themen überprüft. 3 Untersuchungsdesign 3.1 Themenauswahl für die Untersuchung Die Überprüfung der Forschungsfragen soll anhand von drei ausgewählten, hochaktuellen Themen erfolgen. Nur so ist es möglich, Rückschlüsse auf mögliche Agenda-Setting Effekte durch Newssites zu ziehen. Würden die Themen schon länger Aufmerksamkeit in den Medien und beim Publikum genießen, ist nicht mehr nachvollziehbar, welche Agenda die abhängige Variable ist. Ideale Themen sind demnach solche, die kurz vor Beginn der Untersuchung Aufmerksamkeit durch die Medien erhalten und bis dahin noch keine große Bedeutung auf der Publikums-Agenda haben. Kommt es dann zu einer Aufmerksamkeitssteigerung beim Publikum, lässt sich durch statistische Verfahren ermitteln, welchen Einfluss Newssites auf diese haben. Da Agenda-Setting Effekte erst nach etwa ein bis zwei Wochen zu erwarten sind, sollten die Themen darüber hinaus über einen längeren Zeitraum Aufmerksamkeit durch die Medien genießen (Vgl. McCombs, 2004). Die Auswahl der zu untersuchenden Themen kann, um diesen Ansprüchen zu genügen, erst kurz vor Beginn der Untersuchung getroffen werden. 3.2 Untersuchungszeitraum Um feststellen zu können, wie ein Thema von der Medien- auf die Publikumsagenda gelangt, muss es über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Die Angaben zur Dauer dieses Prozesses variieren in der Literatur von einigen Tagen bis hin zu zwei Jahren in Abhängigkeit von Thema und Intensität der Berichterstattung (Vgl. McCombs, 2004; Roessler, 2008). Krause & Gehrau (2007) konnten starke Agenda- Setting Effekte durch das Fernsehen bereits einen Tag nach dessen Nutzung feststellen. Im Durchschnitt wird die Übertragungsdauer mit zwei bis vier Wochen 4

angegeben. Der Untersuchungszeitraum wurde deshalb auf zwei Wochen festgelegt. Effekte müssten dann zumindest im Ansatz erkennbar sein. Ein längerer Untersuchungszeitraum ist auf Grund der zeitlichen Begrenzung der BA-Arbeit nicht möglich. Die Medienberichterstattung wird in diesem Zeitraum kontinuierlich beobachtet. Die Publikums-Agenda wird zu Beginn der Untersuchung, nach einer und nach zwei Wochen erhoben. Eine häufigere Erhebung ist nicht sinnvoll, da die Teilnahmebereitschaft mit jeder zusätzlichen Erhebungswelle sinkt. Für die Untersuchung ist es jedoch wichtig, dass so viele Teilnehmer wie möglich an allen drei Befragungswellen teilnehmen, damit ihre individuellen Agenden im Zeitverlauf mit denen der Newssites verglichen werden können. 3.3 Untersuchungsablauf Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage muss für jeden Versuchsteilnehmer festgehalten werden, welche Artikel er auf den einzelnen Newssites rezipiert. Deshalb kann nur der folgende Versuchsablauf gewählt werden: In einer ersten Befragungswelle wird ermittelt, welche Newssites die Teilnehmer zur Informationssuche nutzen. Auf diesen Sites werden im Anschluss täglich alle Artikel herausgesucht und mit Hilfe einer Inhaltsanalyse codiert, die die vorher festgelegten Untersuchungsthemen zum Inhalt haben. In der zweiten und dritten Welle der Befragung wird danach das Rezeptionsverhalten der Teilnehmer erhoben. Dazu werden den Befragten alle die Artikel präsentiert, die auf den von ihnen genutzten Newssites zu den Themen erschienen sind (vgl. Abbildung 1). Dies soll mit Hilfe von Screenshots der Überschriften bzw. Hyperlinks von der Startseite der jeweiligen Newssites geschehen. Der Teilnehmer wird dazu aufgefordert anzugeben, welche der Artikel er gelesen oder zumindest wahrgenommen hat. Insgesamt setzt dieses Design eine recht hohe Erinnerungsleistung der Teilnehmer voraus, da diese ihr Rezeptionsverhalten während einer Woche rekapitulieren müssen. Zu diesem Zweck wird im Anschreiben zur Befragung mit einer Coverstory gearbeitet. Den Versuchsteilnehmern wird erklärt, dass die Erhebung dazu dient, ihr Rezeptionsverhalten von Onlinenachrichten zu untersuchen, um herauszufinden, was die Leser auf Newssites tatsächlich konsumieren. Deshalb sollten sie in den nächsten beiden Wochen darauf achten, welche Artikel sie im Einzelnen lesen. So wird die Aufmerksamkeit der Befragungsteilnehmer gesteigert, gleichzeitig aber der tatsächliche Grund für die Erforschung des Rezeptionsverhaltens verschleiert. Dies 5

ist wichtig, da in der ersten Befragungswelle das Wissen hinsichtlich der drei Themen erhoben wird. Um zu verhindern, dass sich die Leser aus Angst um Bloßstellung ihres möglichen Nichtwissens in den nächsten Wochen besonders intensiv mit den Themen auseinandersetzen, wird deshalb die Coverstory verwendet. Abbildung 1: Untersuchungsablauf Zur Beantwortung der Forschungsfragen 2 und 3 müssen das Orientierungsbedürfnis, die interpersonale Kommunikation sowie die Nutzung traditioneller Medien der Versuchsteilnehmer erhoben werden. Dies geschieht in der ersten Befragungswelle, um die Fragebögen für die folgenden Wellen möglichst kurz zu halten. Das Orientierungsbedürfnis der Befragten hinsichtlich der drei Themen wird durch Involvment, Wissen und Zugänglichkeit der Nachricht gemessen (Lim, 2006). Dieses Vorgehen ermöglicht im Gegensatz zur traditionellen Messung über Relevanz und Betroffenheit (Vgl. McCombs, 2004) eine differenziertere Betrachtung des Orientierungsbedürfnisses. Die interpersonale Kommunikation der Teilnehmer wird in Anlehnung an den Versuch von Wanta (1992) operationalisiert. Dazu werden die Häufigkeit, die Tiefe und die Rolle des Befragten in persönlichen Gesprächen über politische Themen gemessen. Aus diesen Werten wird anschließend ein Index gebildet, der die Stärke interpersonaler Kommunikation beschreibt. Die Nutzung traditioneller Medien erfolgt durch Abfrage der genutzten Medientypen (Zeitung, TV, Radio) sowie der Nutzungshäufigkeit und -intensität. Auch hier wird anschließend ein Index gebildet, der die Stärke der Mediennutzung beschreibt. Für die Beantwortung von Forschungsfrage 4 werden mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse die unter 2 aufgeführten Merkmale der untersuchten Artikel erfasst. Zu diesem Zweck werden einmal täglich sämtliche von den Befragten genutzte Newssites auf das Vorhandensein relevanter Artikel geprüft. Der Download der Artikel erfolgt täglich zwischen 10 und 11 Uhr. So ist eine kontinuierliche 6

Beobachtung der Berichterstattung zu einer der nutzungsintensivsten Zeiten des Internets möglich (Eimeren & Frees, 2005). 4 Befragungsstichprobe und -modus Als Kriterium für die Teilnahme an der Befragung wurde die mehrmalige wöchentliche Nutzung von Onlinenachrichten festgelegt. Die bisherige Agenda- Setting Forschung hat gezeigt, dass mit der Zunahme der Nutzungsintensität von Massenmedien auch die Stärke des Agenda-Setting Effektes zunimmt (Dearing & Rogers, 1996; Erbring Goldenberg & Miller, 1980). In der Gruppe der regelmäßigen Newssites-Leser sind daher am ehesten solche Effekte zu erwarten. Finden sich selbst bei diesen keine, so ist davon auszugehen, dass Newssites keine oder nur sehr geringe Agenda-Setting Funktion haben. Da es kein Verzeichnis der Onlinenachrichten-Leser gibt, musste eine bewusste Auswahl der Befragungsteilnehmer getroffen werden. Im April 2008 suchte die Autorin deshalb in ihrem Bekanntenkreis mit Hilfe der Schneeballtechnik nach regelmäßigen Newssites-Nutzern, die an der Befragung teilnehmen würden. Das Untersuchungskonzept aus Abschnitt 3.2 kann nur umgesetzt werden, wenn die Antworten aus der ersten Befragungswelle schnellstmöglich ausgewertet und so die relevanten Newssites ermittelt werden können. Der Befragungsmodus muss darüber hinaus dem kognitiven Niveau der Fragen sowie der geografischen Streuung der Versuchsteilnehmer Rechnung tragen. Diesen Ansprüchen wird die Online- Befragung am ehesten gerecht (Möhring & Schlütz, 2003, S.129ff). Der Fragebogen wird mit dem kostenlosen Befragungstool von Onlinefragebogen (ofb.msd-media.de) realisiert. 5 Zeitplan 7

6 Literaturverzeichnis Althaus, S.L. & Tewksbury, D. (2002). Agenda Setting and the new News. Patterns of Issue Importance Among Readers of the Paper and Online Versions of the New York Times. Communication Research, 29(2), 180-207. Brosius, H.B. & Kepplinger, H.M. (1990). The Agenda-Setting Function of Televison: Static and Dynamic Views. Communication Research, 17, 183-211. Dearing, J. & Rogers, E.M. (1996). Agenda Setting. Thousand Oaks u.a.: Sage. Eimeren, B. & Frees, B. (2005). ARD/ZDF Online-Studie 2005. Nach dem Boom: Größter Zuwachs in internetfernen Gruppen. Media Perspektiven, 8, 362-379. Emmer, M. & Wolling, J. (2007). Leben in verschiedenen Welten? Themenagenden von Offlinern und Onlinern im Vergleich. In S. Kimpeler, M. Mangold & W. Schweiger (Hrsg.), Die digitale Herausforderung. Zehn Jahre Forschung zur computervermittelten Kommunikation. S. 239-250. Erbring, L., Goldenberg, E.N. & Miller, A.H. (1980). Front-Page News and Real- Word Cues: A New Look at Agenda-Setting by the Media. American Journal of Political Science, 24(1), 16-49. Krause, B. & Gehrau, V. (2007). Das Paradox der Medienwirkung auf Nichtnutzer. Eine Zeitreihenanalyse auf Tagesbasis zu den kurzfristigen Agenda-Setting-Effekten von Fernsehnachrichten. Publizistik, 52(2), 191-209. Lee, G. (2006). Agenda Setting Effects in the Digital Age: Uses and Effects of Online Media. Doctoral Dissertation, University of Texas at Austin. Verfügbar unter: http://dspace.lib.utexas.edu/bitstream/2152/392/1/ eeg75084.pdf (05.04.2008). Lim, J. (2007). Micro-Level Agenda-Setting Effects of News Sites of the New York Times, CNN The Wall Street Journal and Reuters. Paper presented at the annual meeting of the International Communication Association, TBA, San Francisco, CA. McCombs, M.E. (2004). setting the agenda. The mass media and public opinion. Cambridge: Politiy Press. McCombs, M.E. & Shaw, D.L. (1972). The Agenda-Setting Function of Mass Media. The Public Opinion Quarterly, 36, 176-187. Möhring, W. & Schlütz, D. (2003). Die Befragung in der Medien- und Kommunikations- Wissenschaft eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Roessler, P. (1999). The individual agenda-designing process. How interpersonal communication, egocentric networks and mass media shape the perception of political issues by individuals. Communication Research, 26, 666-700. Roessler, P. (2008). Agenda Setting, Framing, Priming. In: W. Donsbach & M.W. Traugott (Hrsg.), The Sage Handbook of Public Opinion Research (S. 205-217). London: Sage. Schiffer, A.J. (2006). Blogswarms and Press norms: News Coverage of the Downing Street Memo Controversy. Journalism & Mass Communication Quarterly, 83 (3), 494-510. Schoenbach, K. (2005). Online and Print Newspapers. Their Impact on the Extent on the Extent of the Perceived Public Agenda. European Journal of Communication, 20(2), 245-258. Tremayne, M. & Schmitz Weiss, A. (2005). Issue Salience and Web Page Design: An Agenda Setting Experiment. Paper presented to the annual conference of the International Communication Association, New York. Wanta, W. & Wu, Y. (1992). Interpersonal communication and the Agenda-Setting process. Journalism Quarterly,69(4), 847-855. Yu, J. (2005). News on the Web: agenda setting of online news in websites of major newspaper, television and online news services. Paper presented to the International Communication Association, New York. 8