Baudirektor Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin Dipl.-Ing. Nicolas Kerz Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung am Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin Der neue Trend schafft weltweit einen Markt für gesunde und zukunftsfähige Gebäude sowie Spielregeln für Nachweise und Zertifikate 1 Runder Tisch Nachhaltiges Bauen im Bauministerium Im Jahre 2001 wurde der Runde Tisch Nachhaltiges Bauen beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) als Ergebnis einer gemeinsamen Initiative von Bauwirtschaft und BMVBS eingerichtet. Er berät u. a. die Bundesregierung und das BMVBS zu allen Fragen des nachhaltigen Bauens und bildet eine Diskussionsplattform. Außerdem werden dort Positionen zur internationalen und europäischen Gesetzgebung und Normung sowie Grundlagen für ein nationales Zertifizierungssystem erarbeitet und aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert und diskutiert. Der Runde Tisch war und ist zur Meinungsbildung und zum Meinungsaustausch dringend erforderlich, um die unterschiedlichen Motive und Interessen der Akteure kennen zu lernen und einzubeziehen. Ursprünglich engagierten sich vorzugsweise die Baustoffindustrie und die Bauwirtschaft. Seit einiger Zeit bringen nun auch Finanzierer, Versicherer, Rating- Agenturen und Consulting-Unternehmen ihre Standpunkte und Interessen ein. [1]. Er skizziert, wie eine ökologische Bewertung von Planungen und die ökonomische Nachrechnung auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes funktionieren. Dieser Leitfaden wurde für die Bundesbauverwaltung verbindlich eingeführt. Die Anwendung wurde bereits 2005 in einem Forschungsvorhaben evaluiert. Bei vielen Baumaßnahmen waren bereits gute Ansätze zu erkennen. Ein Zertifizierungs-System zur Nachhaltigkeit von Gebäuden zu entwickeln, zu erproben und einzuführen reicht nicht aus. Zwar unterstützt ein glaubwürdiges Label Marketing und Marktdurchdringung und hilft, die Anforderungen an nachhaltige Gebäude zu formulieren. Doch Planer und Bauunternehmen benötigen darüber hinaus jedoch Grundlagen und Hilfsmittel, um die Ziele planerisch und baulich zu erreichen. Außerdem 2 Ausgangssituation und Erfahrungen in Deutschland Die Bundesregierung hatte bereits im Jahre 2001 einen Leitfaden für nachhaltiges Bauen vorgelegt Bild 1 Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen ift Rosenheim Seite 131 von 194
erfordert die quantitative Bewertung Daten für die Ökobilanzierung, für die Lebenszykluskosten sowie für die Nutzungs- bzw. Verweildauer. Ein solches System wurde mit dem Deutschen Gütesiegel Nachhaltiges Bauen entwickelt. Indem Anforderungen der Zertifizierung in den Planungsprozess integriert werden, soll sichergestellt werden, dass wesentliche Informationen bereits in der Planung erzeugt und nicht erst mit Mehrkosten im Rahmen der eigentlichen Zertifizierung erarbeitet werden müssen. das System so auszulegen, dass man mit einer Erfüllung bzw. knappen Übererfüllung von deutschen Standards das untere Ende von Bronze erreicht. Damit werden zwei Botschaften transportiert: Deutsche Standards sind auch im internationalen Maßstab auf allen Gebieten relativ hoch. Der Wert einer Zertifizierungsplakette liegt in der hohen Qualitätssicherung durch das Zertifizierungssystem. 3 Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen mit wissenschaftlicher Basis Weltweit bestehen eine Reihe von Bewertungsund Zertifizierungssystemen der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit bzw. der Nachhaltigkeit von Gebäuden wie z. B. LEED in den USA oder BREAM in Großbritannien. Sie ersetzen die geringe öffentlich-rechtliche Reglungstiefe durch freiwillige Anforderungen. Sie konzentrieren sich bisher mehrheitlich auf Kriterien wie Standortqualität, Energieeffizienz, Klimaschutz, Ressourcenschonung und Gesundheit und beschreiben damit insbesondere green buildings. Eine überwiegend qualitative Bewertung in Punktesystemen, die sich jedoch häufig auf die Ergebnisse vorausgegangener Berechnungen zur energetischen Qualität abstützt, ist weit verbreitet. Systeme mit ökonomischen Aspekten sowie einer Ökobilanzierung und Lebenszykluskostenrechnung sind dagegen noch sehr selten. Das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen sieht vor, auch ökonomische Aspekte einzubeziehen und so den Ansatz green building in Richtung sustainable building zu erweitern. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte werden bei der Nachhaltigkeitsbewertung gleich gewichtet. Zusätzlich wird die Qualität des Standortes und der Planung, Errichtung und Bewirtschaftung beschrieben. Dabei geht es darum, 4 Quantifizierung der Bewertungskriterien Ziel des Vorschlags für das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen ist die Vergabe einer Gebäudenote und einer Standortnote. Die Gebäudenote wird durch fünf in Unterpunkte aufgegliederte Teilnoten gebildet: ökologische Qualität, ökonomische Qualität, soziokulturelle und funktionale Qualität, technische Qualität des Bauwerks, Prozessqualität. Die Teilnoten werden durch die Auswertung verschiedener Einzelkriterien beschrieben. Die Zahl dieser Einzelkriterien ist noch nicht festgelegt und schwankt noch stark. Alle bauordnungsrechtlichen Anforderungen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Regelungen sollen verpflichtend einbezogen werden. Bei den soziokulturellen und funktionellen Qualitäten wurde neben üblichen Komfortkriterien eine Reihe von Kriterien zu Grunde gelegt, die für die öffentlichen Bauherren selbstverständlich, für private Bauherren bisher nicht unbedingt Maßstab waren. Dazu gehören z. B. die Barrierefreiheit, die öffentliche Zugänglichkeit von Gebäuden, die Sicherung der gestalterischen Qualität über Wettbewerbe und die Durchsetzung von Kunst am Bau. Seite 132 von 194 ift Rosenheim
5 Aufgaben und Zuständigkeiten des Zertifizierungssystems Ziel ist die Veröffentlichung eines nationalen, öffentlich verfügbaren Systems. Das eingebrachte Know-how der öffentlichen Hand, der DGNB, der wissenschaftlichen Institutionen und der Verbände stehen allen Planern und Bauausführenden offen. Das BMVBS veröffentlicht das nationale Zertifizierungssystem, sichert alle notwendigen Schritte zu einer einheitlichen Umsetzung im privaten wie im öffentlichen Bausektor, garantiert und fordert die Qualität des Systems ein. Das BMVBS ist Halter des Siegels und veröffentlicht alle zentralen Dokumente und die für die Berechnungen notwendigen Datenbanken des Systems. Eine vom BMVBS eingesetzte gemeinsame BMVBS/DGNB-Expertengruppe berät systemübergreifende Fragen, schlägt neue Systemvarianten vor und entscheidet zu aktuellen Problemen der Durchführung. Demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten aller interessierten Kreise sind über die beteiligten Arbeitsgruppen und das Plenum beim Runden Tisch gegeben. 6 Die nächsten Schritte zur Einführung des Gütesiegels Zur Einführung des Systems werden derzeit Lehr- und Prüfungsplänen für Zertifizierer entwickelt. Die Datengrundlagen für die Ökobilanzierung von Gebäuden werden vervollständigt und die Grundlagen zur Abschätzung der Verweildauer von Bauteilen im Gebäude überarbeitet. Außerdem werden die methodischen Grundlagen für die Ermittlung externer Kosten weiter entwickelt und der Zertifizierungsansatz an ausgewählten Objektbeispielen erprobt. Die Audits übernehmen ausgebildete und geprüfte Auditoren. Sie sind vom Antragsteller zu engagieren und zu bezahlen. Der Preis richtet sich nach dem Umfang der Beratungs- und Prüfberichtsleistung. Der Auditor arbeitet mit dem betreffenden Planungs- und Ausführungspersonal eng zusammen oder kommt aus dessen Mitte. Der vom Auditor erarbeitete Prüfbericht wird von einer Zertifizierungsstelle geprüft. Dort wird die Zertifizierungsurkunde ausgestellt. Die Zertifizierungsstelle prüft auf Vollständigkeit und Plausibilität und führt Stichproben durch (Konformitätsprüfung). Die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Zertifizierungsstelle werden vom BMVBS an eine Non-Profit-Organisation vergeben. Die Zertifizierungsstelle erhält vom BMVBS das Recht, das BMVBS-Siegel zu verleihen. Einen Überblick zu den Instrumenten des nachhaltigen Bauens, zur Politik der Bundesregierung und zu guten Beispielen ermöglicht das entsprechende Internetportal des Bundes: www.nachhaltigesbauen.de. Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Leitfaden Nachhaltiges Bauen (auch englisch verfügbar: Guideline SustainableBuilding), www.bbr.bund.de/cln_007/nn_158320/en/publications/ SpecialPublication/2006 2001/GuidelineSustainable Building.html [2] European Commission The Construction Products Directive 89/106/EEC, Brussels 1989, http://ec.europa.eu/enterprise/ construction/internal/cpd/cpd.htm [3] Energy Performance of Buildings Directive 2002/91/EC of the European Parliament and of the Council, Brussels 2002 [4] Commission of the European Communities Towards a thematic strategy on the urban environment, Brussels 2004, COM(2004) 60 f [5] Commission of the European Communities A Lead Market Initiative for Europe, Brussels 2007, COM (2007) 860 [6] Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin 2008 [7] Forest and Wood Products Research and Development Corporation, Australia, Technical Evaluation of Environmental Assessment Rating Tools, Project No. PN05.1019; 2005 ift Rosenheim Seite 133 von 194
[8] Graubner; Lützkendorf, Schneider, Zak Grundlagen für die Entwicklung eines Zertifizierungssystems zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden; Darmstadt, Karlsruhe 2007 [9] Hegner; Lützkendorf From energy certificate to sustainability report Sustainable building in Germany, Vortrag auf der Weltkonferenz für Nachhaltiges Bauen September 2008 in Melbourne/Australien Dipl.-Ing. Nicolas Kerz Geboren am 02. August 1969 in Berlin 1998 Abschluss des Bauingenieurstudiums an der Technischen Universität Berlin 1998 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.v. an der TU Berlin in der Abteilung Nachhaltiges Bauen, Baukonstruktion und Baustoffe. ab 2004 Projektleiter für den Bereich nachhaltiges Bauen am IEMB e.v. Wissenschaftliche Begleitung des Deutschen Gütesiegels Nachhaltiges Bauen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Mitglied der Task-Force-Zertifizierung Deutsches Gütesiegel seit 2009 stellvertretender Referatsleiter im Referat II5 Nachhaltiges Bauen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung am Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Leiter der Geschäftsstelle Nachhaltiges Bauen im BBSR. Betreuung des Runden Tisch Nachhaltiges Bauen für das BMVBS Ref. B 13. Auditor für das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen des BMVBS (Justizzentrum Chemnitz, Hauptzollamt Rosenheim) Seite 134 von 194 ift Rosenheim
Baudirektor Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner Geboren am 26. Mai 1960 in Jena 1978 1983 Studium an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Sofia, Abschluss als Diplom-Bauingenieur 1982/83 Tätigkeit in einem Planungsbüro 1983 1990 Experte für Wissenschaft und Technik im Ministerium für Bauwesen der DDR 1990 2006 Referent im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) bzw. im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), verantwortlich für energiesparendes Bauen, insbesondere mit der fachlichen Ausgestaltung und Abstimmung der EnEV befasst, Fragen der Bauforschung und der Modernisierung der Bausubstanz, Zusammenarbeit mit Osteuropa auf dem Gebiet des Bauwesens seit 2007 Leiter des Referates B 13 Bauingenieurwesen, Bauforschung, nachhaltiges Bauen, baupolitische Ziele im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) in Berlin, verantwortlich u. a. für nachhaltiges Bauen (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen), die Forschungsinitiative Zukunft Bau, Oberste Technische Instanz für den Bundesbau Mitglied und Obmann verschiedener Normungsausschüsse im DIN, Obmann des Sachverständigenausschusses A Baustoffe und Bauarten für den Wärme- und Schallschutz des DIBt Autor verschiedener Fachartikel und Bücher, z. B.: Buch Energieeinsparverordnung EnEV für die Praxis kommentiert Verlag Ernst & Sohn Berlin (2002) Buch Energieausweise für die Praxis - Handbuch für Energieberater, Planer und Immobilienwirtschaft Bundesanzeiger Verlag (2008) Taschenbuch Energieausweis Haufe-Verlag Planegg b. München (2007) ift Rosenheim Seite 135 von 194