Sieben gute Gründe für ein JA zur Asylgesetzrevision



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Transkript:

Am 5. Juni stimmt das Volk über die Änderungen des Asylgesetzes ab Argumentarium Sieben gute Gründe für ein JA zur Asylgesetzrevision Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) spricht sich für ein Ja zur Revision des Asylgesetzes aus, weil die positiven Aspekte der Vorlage, über welche am 5. Juni abgestimmt wird, klar überwiegen. An dieser Stelle werden sieben gute Gründe, die für ein Ja zur Asylgesetzrevision sprechen, dargelegt. Die betreffende Vorlage enthält aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe jedoch auch kritische Bestimmungen sowie verschiedene offene Punkte. Letztere müssen nach der Abstimmung etwa in den entsprechenden Verordnungen geklärt werden. Es ist deshalb ein zentrales Anliegen der SFH, diesbezügliche Entwicklungen aus nächster Nähe zu begleiten und sich für eine Umsetzung einzusetzen, mit der die Rechte und Anliegen der Schutzsuchenden umfassend berücksichtigt werden. 1. Fairness: Systematischer Rechtsschutz Das revidierte Asylgesetz sieht vor, dass alle Asylsuchenden gleich zu Beginn des Verfahrens systematischen Zugang zu unentgeltlichem Rechtschutz haben (Art. 102h und 102g). Konkret bedeutet dies, dass ihnen für das gesamte Verfahren eine Rechtsvertreterin oder ein Rechtsvertreter zur Seite steht und dass sie gleich nach der Einreichung ihres Asylgesuchs einen ersten Termin bei der Beratung erhalten, welche sie über den Ablauf des Verfahrens sowie über ihre Rechte und Pflichten informiert. Der Rechtsschutz, wie er in der Asylgesetzrevision vorgesehen ist, ist im Vergleich zum aktuellen Verfahren ausserhalb des Testbetriebs umfassender. Der Zugang erfolgt zudem gleichberechtigt, da alle Asylsuchenden unabhängig von äusseren und individuellen Umständen gleichen und effektiven Zugang zu Beratung und Rechtsvertretung haben. Neu ist der Rechtsschutz nämlich für alle Asylsuchenden unabhängig von ihren finanziellen Mitteln zugänglich und zwar in allen Verfahren, auch im erweiterten Verfahren. Darüber hinaus gewährleisten die gesetzlichen Vorgaben und die räumliche Nähe zu den Asylsuchenden die praktische und unmittelbare Erreichbarkeit der Beratung und der Rechtsvertretung. Explizit vorgesehen sind auch unabhängige Dolmetschende, die bei Bedarf herbeigezogen werden können. So können etwa allfällige Verständigungsprobleme erkannt oder vermieden werden. Schliesslich ist die Rechtsvertretung bereits ab Beginn des Asylverfahrens, und damit viel früher als im aktuellen System präsent. Dies ermöglicht es, den Zugang zur medizinischen Abklärung und Versorgung zu garantieren oder andere im Verfahren möglicherweise relevante Aspekte früh zu erkennen und zu thematisieren. Unter dem aktuellen Asylgesetz haben nicht alle Asylsuchenden systematisch Zugang zu Beratung und Rechtsvertretung. Ganz im Gegenteil. Anwälte und Anwältinnen sind teuer und nur die wenigsten Asylsuchenden können sich ihre Dienste leisten. In allen Kantonen gibt es qualifizierte Rechtsberatungsstellen (RBS), die ihre Dienste unentgeltlich oder zu sehr niedrigen 1

Tarifen anbieten in der Praxis ist der Zugang zu den RBS jedoch oft sehr schwierig. Es gibt verschiedene Zugangshindernisse, welche je nach Kanton unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Hierzu gehören beispielsweise die Erreichbarkeit der RBS (insbesondere für Asylsuchende, die in abgelegenen Unterkünften untergebracht sind), die fehlende Information der Asylsuchenden über die Rechtsberatungsangebote, die Nichtbeherrschung der Landessprachen, die mangelnde Vertrautheit mit dem und das fehlende Vertrauen ins Rechtssystem, der späte Zeitpunkt der Kontaktaufnahme (i.d.r. wenden sich Asylsuchende erst nach Erhalt eines Entscheids an eine RBS) und schliesslich auch die begrenzten Ressourcen in den von Hilfswerken geführten und finanzierten Rechtsberatungsstellen. Der vorgesehene unentgeltliche Rechtsschutz schränkt die freie Anwaltswahl nicht ein. Asylsuchende dürfen darauf verzichten, wenn sie dies ausdrücklich wünschen und sich an einen Anwalt ihrer Wahl wenden, den sie wie bisher selbst finanzieren müssen. Eine staatliche Finanzierung dieser Vertretung ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege möglich. Insgesamt stellt der im revidierten Asylgesetz vorgesehene Rechtsschutz folglich eine deutliche Verbesserung für die Asylsuchenden dar, da sie systematisch unentgeltlichen Rechtschutz erhalten und die Faktoren, die den Zugang bisher erschweren, abgebaut oder ausgeräumt werden, ohne dass die freie Anwaltswahl eingeschränkt würde. 2. Transparenz: Bessere Information durch Beratung Jede Person, deren Asylgesuch in einem Bundeszentrum behandelt wird, hat nach dem revidierten Asylgesetz Anspruch auf Verfahrensberatung (Art. 102f und 102g rev. AsylG). Der oder die Berater/in ist der erste Rechtschutzakteur, mit welchem die Asylsuchenden in Kontakt treten, und steht diesen während des gesamten Verfahrens jederzeit als Ansprechpartner/in zur Verfügung. Ihre Aufgabe ist es, die Asylsuchenden über ihre Rechte und Pflichten im Verfahren zu informieren. Insgesamt trägt die Tätigkeit der Beratung erheblich zur Transparenz der Verfahren für die Asylsuchenden bei. Die Beratung vermittelt insbesondere Informationen über den Ablauf des Asylverfahrens sowie über die beteiligten Akteure. Die Asylsuchenden können sich so sehr früh darauf einstellen und vorbereiten, was sie im Verfahren erwartet und sie werden in diesem komplexen Kontext befähigt, selbständig und informiert Entscheidungen zu treffen und zu handeln. Zudem ermöglicht es der frühe und regelmässige Kontakt zwischen Asylsuchenden und Beratung besonders verletzliche Personen rasch zu erkennen und adäquat zu unterstützen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Effekt, den die frühzeitige Beratung als vertrauensbildende Massnahme hat. Eine spezielle Rolle kommt der Beratung bei der Information zur oft entscheidenden Bedeutung von Originaldokumenten im Asylverfahren zu. Hier kann die Beratung die Asylsuchenden bei der regelmässig schwierigen Beschaffung von Beweismitteln aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat unterstützen und damit auch erheblich zum reibungslosen Ablauf des Asylverfahrens beitragen. Nicht nur die Asylsuchenden profitieren von der Beratungstätigkeit, sondern auch die anderen beteiligten Akteure. Insbesondere für die Rechtsvertreterinnen und -vertreter stellt die Erstberatung eine wesentliche Hilfe dar. Sie verfügen dank der Beratung ab Mandatsbeginn über die wichtigsten Informationen zur persönlichen Situation der Asylsuchenden (z.b. zum Alter, zur Gesundheit oder zur Familienkonstellation). Sie werden zudem durch die Komplementarität von Rechtsvertretung und Beratung entlastet, etwa bei der erwähnten Beschaffung von Beweismitteln. Zudem werden in der Beratung soziale und rechtliche Aspekte thematisiert, die nicht direkt mit dem Asylverfahren zu tun haben, für die Asylsuchenden aber von entscheidender Bedeutung sind (wie beispielsweise die Sorge um die eigene Familie im Herkunftsstaat). So kann sich die Rechtsvertretung stärker auf ihre Kernaufgabe, die Vertretung im Asylverfahren, konzentrieren. 2

Auch für das Staatssekretariat für Migration (SEM) bedeutet die Beratung eine Hilfe. Mit ihrer Unterstützung wird beispielsweise sichergestellt, dass die Asylsuchenden über die zentrale Bedeutung von verlässlichen Informationen zur Person und von korrekten und vollständigen Informationen über die Lebens- und Fluchtgeschichte frühzeitig und umfassend informiert sind. So kann auch die Beschaffung notwendiger Dokumente und Beweismittel rasch eingeleitet werden, wodurch bessere Entscheidungsgrundlagen entstehen. Nicht zuletzt wird auch das Betreuungspersonal entlastet, das in den bisherigen Strukturen häufig mit rechtlichen und praktischen Fragen zum Asylverfahren und zu weiteren Aspekten des Aufenthalts in der Schweiz konfrontiert wird. Die Beantwortung solcher Fragen gehört aber nicht zum Aufgabenbereich von Betreuungspersonal in den Unterkünften und liegt oft auch nicht in dessen Fachkompetenz. Insgesamt werden die Bereiche Beratung, Betreuung und Asylverfahren durch den neu vorgesehenen Rechtschutzakteur sachgerecht voneinander getrennt und damit deutlich professionalisiert. 3. Effizienz: Hohe Qualität der Verfahren Die Tätigkeit der unentgeltlichen Rechtsvertretung beginnt bereits am Anfang des erstinstanzlichen Verfahrens, d.h. bevor das SEM einen Entscheid über das Asylgesuch fällt. Die Rechtsvertretung nimmt an allen relevanten Verfahrensschritten teil. Sie berät und begleitet die Asylsuchenden zu allen Befragungen (Art. 102h und 102k rev. AsylG). Insgesamt bedeutet die Rechtsvertretung, wie sie im revidierten Asylgesetz vorgesehen ist, insbesondere im erstinstanzlichen Verfahren in verschiedener Hinsicht eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Status Quo. In der Praxis werden Asylsuchende aktuell nur in seltenen Fällen von einer Rechtsberatungsstelle oder einem Anwalt vertreten, bevor sie einen Entscheid über ihr Asylgesuch erhalten. Auch in diesen Fällen ist eine Teilnahme der Rechtsvertretung an wichtigen Verfahrensschritten wie der Anhörung zu den Asylgründen die mehrere Stunden dauern kann aus Ressourcengründen nur sehr selten möglich. Da die Rechtsvertretung unter dem revidierten Asylgesetz die Lebens- und Fluchtgeschichte der Asylsuchenden zum Zeitpunkt der Anhörungen bereits gut kennt, kann sie aktiv an der Erhebung des Sachverhalts mitwirken und zu dessen Vollständigkeit und Korrektheit beitragen. Dies ist besonders wichtig, weil das Asylverfahren sowohl rechtlich als auch praktisch sehr komplex ist und die Asylsuchenden deshalb in vielen Fällen nicht wissen können, welche Elemente ihrer Lebens- und Fluchtgeschichten für die Prüfung ihres Asylgesuchs von Bedeutung sind. Besonders wichtig ist die Präsenz der Rechtsvertretung auch im Hinblick auf das Vorbringen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, welche für das Asylverfahren entscheidend sein können, da die entsprechenden Bestimmungen Anfang 2014 verschärft wurden (siehe Punkt 4.). Die Asylgesetzrevision sieht im erstinstanzlichen Verfahren einen zusätzlichen Verfahrensschritt vor: Anders als bisher stellt das SEM in allen Fällen des beschleunigten Verfahrens, in welchen es beabsichtigt, das Asylgesuch abzulehnen, in der Regel der zugewiesenen Rechtsvertretung einen Entscheidentwurf zu. Zu diesem Entscheidentwurf können die Asylsuchenden Stellung nehmen, bevor vom SEM über das Verfahren entschieden wird. Die Stellungnahme bietet also eine zusätzliche Möglichkeit die Position der Asylsuchenden noch einmal zu betonen, aber auch formelle, inhaltliche oder rechtliche Fehler zu berichtigen. Einzig für Dublin-Verfahren ist im neuen System anders als im Testbetrieb bisher kein Entscheidentwurf vorgesehen. Der in der Asylgesetzrevision vorgesehene Rechtschutz bringt auch für das Beschwerdeverfahren Vorteile mit sich. Die Teilnahme an allen wichtigen Schritten des erstinstanzlichen Verfahrens ermöglicht es den Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertretern, die Fälle sehr gut einzuschätzen. Sie verfügen zum Zeitpunkt des Entscheids bereits über sehr gute Kenntnisse der Dossiers und haben sich bereits ausführlich mit der Situation der 3

asylsuchenden Person auseinandergesetzt. Zudem kann die Rechtsvertretung bereits vor dem Entscheid damit beginnen, Hintergrundinformationen (etwa zur Situation im Herkunftsland) zusammenzustellen und notwendige Abklärungen (z.b. zum Gesundheitszustand) anzuregen bzw. diese in die Wege zu leiten. Dadurch wird es möglich, trotz der kurzen vorgesehenen Beschwerdefrist qualitativ hochwertige Beschwerden zu verfassen. Gewisse Massnahmen zur Verfahrensbeschleunigung, die in der Vorlage enthalten sind, werfen jedoch Fragen auf, etwa bezüglich der Sicherstellung der Qualität der erstinstanzlichen Verfahren oder des Respekts des Rechts auf effektive Beschwerde. Diese stellen eine Herausforderung für die Akteure des Rechtsschutzes und der Zivilgesellschaft insgesamt das. Die SFH ist u.a. auch aufgrund der Erfahrungen aus dem Testbetrieb der Überzeugung, dass mit dem revidierten Gesetz, einem entsprechenden Bewusstsein für die Herausforderungen sowie den dazu notwendigen organisatorischen Massnahmen im neuen System ein rechtsstaatliches, faires und hochwertiges Verfahren sichergestellt ist. Es darf zudem nicht vergessen werden, dass durch den unentgeltlichen Rechtsschutz ab Beginn der Verfahren die Wirkung einiger Bestimmungen, wie beispielsweise der sehr kurzen Beschwerdefristen bei Dublin-Verfahren, die bereits definitiv ins Asylgesetz überführt wurden, etwas abgemildert wird. 4. Verbesserter Schutz für Kinder und verletzliche Personen Die Asylgesetzrevision stärkt den Schutz von Kindern und anderen besonders verletzlichen Personen in verschiedener Hinsicht: (a) Personen mit gesundheitlichen Problemen werden besser geschützt; (b) unbegleitete Kinder erhalten systematisch juristisch qualifizierte Unterstützung und Vertretung im Asylverfahren; (c) Kinder werden bereits in den Bundeszentren eingeschult. (a) Die Rechte von Personen, die an gesundheitlichen physischen oder psychischen Problemen leiden, werden durch den vorgesehenen Rechtschutz besser abgesichert. Seit dem 1. Februar 2014 müssen gesundheitliche Beeinträchtigungen gleich zu Beginn des Asylverfahrens, spätestens aber zum Zeitpunkt der Anhörung zu den Asylgründen von den Asylsuchenden vorgebracht werden. Geschieht dies erst später, findet im Prinzip eine Umkehr der Beweislast statt, d.h. die asylsuchende Person muss beweisen, dass sie unter gesundheitlichen Problemen leidet. Untersucht wird die betroffene Person darauf von einer Ärztin oder einem Arzt, die/der durch das SEM bestimmt wird (Art. 26bis AsylG). Dies ist an sich deshalb äusserst problematisch, weil die betroffenen Personen meist nur über geringe Kenntnisse des Asylrechts verfügen und oft nicht wissen, dass und in welchem Ausmass gesundheitliche Probleme für das Asylverfahren relevant sind und dass diese möglichst rasch kommuniziert werden müssen. Die oben beschriebene Verschärfung (Vorlage 1) ist bereits in Kraft und wird auch bei einem Nein am 5. Juni bestehen bleiben. Der in Vorlage 2 enthaltene Rechtsschutz für alle Asylsuchenden ab Beginn des Verfahrens entschärft diese Bestimmung. Beratung und Rechtsvertretung können Asylsuchende frühzeitig über diese Anforderung informieren. Weiter werden durch den regelmässigen Kontakt der Rechtschutzakteure mit den Asylsuchenden die Chancen erhöht, dass verletzliche Personen tatsächlich und möglichst frühzeitig identifiziert werden. Zudem kann die Rechtsvertretung den vom SEM in Auftrag gegebenen Arztbericht überprüfen und, falls notwendig, eine Gegenexpertise und weitere Abklärungen verlangen. In besonderen Fällen kann auch eine Überstellung ins erweiterte Verfahren beantragt werden. (b) Unbegleitete Kinder erhalten neu durchgehend juristisch qualifizierte Unterstützung und Vertretung im Asylverfahren. Unbegleitete Kinder und Jugendliche sind im Asylverfahren auf besondere Unterstützung angewiesen. Deshalb wird diesen sofern sie noch keinen Vormund oder Beistand haben bereits heute eine Vertrauensperson zugewiesen, die sie im Rahmen des Asylverfahrens unterstützen soll. Die aktuelle Regelung ist aber in verschiedener Hinsicht unzureichend. So 4

erfolgt etwa die Zuweisung einer Vertrauensperson praktisch in der Regel erst zu einem relativ späten Zeitpunkt und nachdem die erste Anhörung bereits (ohne Begleitung) stattgefunden hat. Weiter variieren die aufgewendeten Mittel von Kanton zu Kanton stark und reichen oft nicht aus, um die Aufgaben der Vertrauensperson angemessen zu erfüllen. Es bestehen zudem grosse Unterschiede bezüglich der Qualifikation der eingesetzten Vertrauenspersonen, teilweise verfügen diese über keine oder nicht ausreichende juristische Kenntnisse und nur über sehr begrenzte Kenntnisse der Herausforderungen des Asylverfahrens. In der Asylgesetzrevision ist vorgesehen, dass die unentgeltliche Rechtsvertretung bei unbegleiteten Kindern, die sich in einem Bundeszentrum oder in einem Flughafen aufhalten, die Rolle der Vertrauensperson übernimmt und damit für die Wahrung ihrer Interessen zuständig ist (Art. 17 Abs. 3 Bst. a rev. AsylG). Dadurch wird sichergestellt, dass die Vertrauensperson ihre Funktion umfassend und gleich zu Beginn des Verfahrens wahrnehmen kann. Zudem wird diese Rolle in jedem Fall einer juristisch qualifizierten Person übertragen. (c) Neu besteht die Pflicht, asylsuchende Kinder bereits in den Bundeszentren einzuschulen. Sobald sich Kinder in einem Bundeszentrum aufhalten, müssen sie zumindest den Grundschulunterricht besuchen können (Art. 80 Abs. 1 rev. AsylG). Dies stellt eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Situation dar: Bisher werden Kinder, solange sie sich in einem EVZ oder im Flughafen aufhalten, nicht eingeschult. Dieser Aufenthalt kann bis zu drei Monaten und in Ausnahmefällen sogar länger dauern. Mit der Asylgesetzrevision wird somit das in der Bundesverfassung und der Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Bildung gestärkt. 5. Erleichterte Integration dank schnelleren Verfahren Die Beschleunigung der Verfahren bedeutet für schutzbedürftige Personen vor allem eines: Sie müssen weniger lang mit der Unsicherheit über den Ausgang ihrer Asylverfahren leben. Dies verbessert die Integrationschancen nachhaltig. Die negativen Folgen langer Asylverfahren sind bekannt und belegt. Sie tangieren sowohl die betroffenen Personen selbst, als auch die Schweizer Gesellschaft. Dem soll entgegengewirkt werden. Deshalb ist die Beschleunigung der Asylverfahren ein Kernanliegen der Asylgesetzrevision: Durch sie soll die Integration von Schutzbedürftigen gefördert und erleichtert werden. Die Zeit des ungewissen Wartens in welcher es den betroffenen Schutzsuchenden nicht möglich ist, längerfristige Zukunftsperspektiven in der Schweiz zu entwickeln dauert im aktuellen System oft sehr lang, bis zu mehreren Jahren. Der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu einer Lehre, zur Schule (d.h. alles, was über den Grundschulunterricht hinaus geht) oder auch zu einer eigenen Wohnung wird Asylsuchenden durch die Ungewissheit über ihren Verbleib in der Schweiz massiv erschwert. In den meisten Fällen sind die Asylsuchenden während des Verfahrens quasi zur Untätigkeit gezwungen. Die Zeit bis zum Asylentscheid wird dadurch zu einer «verlorenen» Zeit. Dies hat in vielen Fällen negative Folgen für die Integration der betroffenen Personen, wie verschiedene Studien zeigen. Die so entstehende Lücke im Lebenslauf ist für die Integration in den Arbeitsmarkt hinderlich. Untätig sein zu müssen stellt für die Betroffenen und ihre Familien oft eine grosse Belastung dar weil sie in aller Regel arbeiten und selbst für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen wollen. In unserer Gesellschaft, in welcher Arbeitstätigkeit einen hohen Stellenwert einnimmt, bedeutet dies in vielen Fällen nicht nur einen herben Schlag für das Selbstvertrauen der betroffenen Personen sondern auch deren soziale Prekarisierung. Die in der Asylgesetzrevision vorgesehenen beschleunigten Asylverfahren sind allerdings nur dann effizient und rechtsstaatlich, wenn die Triage zwischen dem beschleunigten und dem erweiterten Verfahren zielführend gehandhabt wird. Diese muss daher unabhängig von einer Behandlungsstrategie getroffen werden und auf der Frage basieren, ob ein Verfahren 5

voraussichtlich einfach zu entscheiden ist. Fälle von Personen, denen Schutz gewährt wird, sollten, wenn immer möglich, besonders rasch entschieden werden. Nur so ist die intendierte rasche Integrationsperspektive für Schutzbedürftige, die zentral für die Glaubwürdigkeit des neuen Asylverfahrens ist, zu erreichen. 6. Verringerung der Kosten für alle Lange Asylverfahren sind teuer. Mit kürzeren Verfahren wie sie im revidierten Asylgesetz vorgesehen sind können sowohl die sozialen als auch die monetären Kosten im Asylbereich deutlich gesenkt werden. Die sozialen Kosten für die Asylsuchenden nehmen ab, weil die Unsicherheit über den Ausgang des Asylverfahrens weniger lange dauert. Die dadurch entstehenden psychischen Belastungen werden verringert und die Integration wird vereinfacht (siehe Punkt 5.). Die monetären Kosten für Bund und Kantone sinken dank der beschleunigten Verfahren, der Neuorganisation des Asylbereichs und der rascheren und erleichterten Integration von Schutzbedürftigen in den Arbeitsmarkt. Gemäss der Hochrechnungen (aufbauend auf den Erfahrungen des Testbetriebs) kann längerfristig mit jährlichen Netto-Einsparungen des Bundes von rund 110 Mio. CHF gerechnet werden. Für die Kantone und Gemeinden ist prognostiziert, dass sich die Netto-Einsparungen auf rund 90 Mio. CHF jährlich belaufen. Sollten die Gesuchszahlen ansteigen, würden auch die Kosten im Asylbereich ansteigen. Dies gilt jedoch gleichermassen für das aktuelle Asylsystem, wie für das im revidierten Asylgesetz vorgesehene neustrukturierte System. Im revidierten Asylgesetz ist für Bund und Kantone zudem explizit die Möglichkeit vorgesehen, Massnahmen zu ergreifen, um sich besser auf einen möglichen Anstieg der Gesuchszahlen vorbereiten und darauf reagieren zu können (Art. 24e rev. AsylG). Dadurch wird auch in Zeiten hoher Gesuchseingänge eine geordnete Vorgehensweise ermöglicht. 7. Ein sinnvoller politischer Kompromiss Der Gesetzgebungsprozess, der zur aktuellen Vorlage geführt hat, hat allein seit der Botschaft des Bundesrates aus dem Mai 2010 - insgesamt sechs Jahre gedauert. Alle beteiligten politischen Akteure sind dabei gewisse Kompromisse eingegangen und es konnte ein breiter Konsens erreicht werden. Insbesondere über einen mit dem Referendum angegriffenen Punkt hat sich ein breit abgestützter Konsens herausgebildet, an dem das Parlament mit der Annahme des revidierten Asylgesetzes festgehalten hat: Die angestrebte Verfahrensbeschleunigung muss mit einer entsprechenden Stärkung des Rechtsschutzes einhergehen, damit die Fairness und die Rechtsstaatlichkeit der Asylverfahren gewährleistet ist. Sie ist das Kernelement der Vorlage. Damit hat die Bundesversammlung nicht nur dem schweizerischen Demokratieverständnis Rechnung getragen, sondern auch klargestellt, dass die Rechte von schutzsuchenden Personen als grundlegender Bestandteil der humanitären Tradition unseres Landes gewahrt werden müssen. Genau dieser Konsens würde mit einem Nein zur Asylgesetzrevision am 5. Juni in Frage gestellt. Angesichts der aktuellen parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse würden die in der Vorlage enthaltenen Verbesserungen für die Schutzsuchenden wohl auf Jahre blockiert. Der konstruktive Konsens würde einer destruktiven Politik zum Opfer fallen. Weitere Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Asylgesetzrevision finden Sie hier: FAQ. 6