Potentiometrische Bestimmung von Einzelionenaktivitätskoeffizienten wässriger Elektrolyte mit Hilfe ionenselektiver Elektroden



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0, v 6 = , v 4 = span(v 1, v 5, v 6 ) = span(v 1, v 2, v 3, v 4, v 5, v 6 ) 4. span(v 1, v 2, v 4 ) = span(v 2, v 3, v 5, v 6 )

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Transkript:

Potentiometrishe Bestimmung von Einzelionenaktivitätskoeffizienten wässriger Elektrolyte mit Hilfe ionenselektiver Elektroden Vom Fahbereih Ingenieurwissenshaften, Abteilung Mashinenbau der Universität Duisburg-Essen zur Erlangung des akademishen Grades DOKTOR-INGENIEUR genehmigte Dissertation von Armin Conrad Shneider aus Frankenberg (Eder) Referent: Prof. Dr. rer. nat. Jan-Dirk Herbell Korreferent: Prof. Dr. rer. nat. Christian Mayer Tag der mündlihen Prüfung: 1.2.25

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenshaftliher Mitarbeiter am Institut für Energie- und Umweltverfahrenstehnik der Universität Duisburg-Essen. Herrn Prof. Dr. rer. nat. Jan-Dirk Herbell gilt mein Dank für die Betreuung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. rer. nat. Christian Mayer vom Fahbereih Chemie danke ih für die freundlihe Übernahme des Korreferats. Mein besonderer Dank für fahlihe Diskussionen und wohlwollende Unterstützung geht an Herrn Dr. rer. nat. Christoph Pasel. Den Mitarbeitern der Abfalltehnik danke ih ganz herzlih für das kollegiale und konstruktive Arbeitsklima. Meiner Kollegin Frau Dipl.-Umweltwiss. Anja Elsner danke ih darüber hinaus für ihre Unterstützung bei Laborversuhen. Last but not least danke ih Herrn Priv.-Doz. Dr.-Ing. Mihael Lukas für die freundlihe Überlassung von Fortran-Programmquelltexten und für seine fahlihen Ratshläge.

1 Einleitung...13 1.1 Tehnisher Hintergrund...14 2 Thermodynamishe Grundlagen...17 2.1 Elektroden...18 2.1.1 Ionenselektive Elektroden...19 2.1.1.1 Glasmembranelektroden...2 2.1.1.2 Kristallmembranelektroden...21 2.1.1.3 Polymermembranelektroden...21 2.1.2 Referenzelektroden...22 2.2 Elektrodengleihgewihte...23 2.2.1 Nernstshe Gleihung...26 2.2.2 Galvanishe Zellen...28 2.3 Diffusionspotential E J...29 2.3.1 Ansätze zur Berehnung von E J...32 2.3.1.1 Thermodynamisher Ansatz nah Nernst-Plank...32 2.3.1.2 Transporttheoretisher Ansatz nah Wesselingh...34 2.3.1.3 Äquivalenz beider Ansätze...39 2.3.2 Näherungen für E J...41 2.3.2.1 Näherung nah Henderson...41 2.3.2.2 Modifizierte Näherung nah Henderson-Bates...43 2.4 Aktivitätskoeffizienten...46 2.4.1 Einzelionenaktivitätskoeffizienten...5 2.4.2 Aktivitätskoeffizientenmodelle...51 2.4.2.1 Aktivitätskoeffizientenmodell von Bromley...52 2.4.2.2 Aktivitätskoeffizientenmodell von Pitzer...52 2.5 Bestimmung des ph-werts...54

3 Experimentelle Untersuhungen...59 3.1 Versuhsaufbau, Materialien und Durhführung...59 3.1.1 Bestimmung der Einzelionenaktivitätskoeffizienten von NaCl, KCl und CaCl2...59 3.1.2 Bestimmung der Einzelionenaktivitätskoeffizienten von HCl...6 3.1.3 Variation der Flüssigkeitsphasengrenze...61 3.2 Messprinzip und Auswertung...63 4 Ergebnisse und Diskussion...67 4.1 Einzelionenaktivitätskoeffizienten...67 4.1.1 Natriumhlorid...67 4.1.2 Kaliumhlorid...75 4.1.3 Caliumhlorid...78 4.1.4 Salzsäure (HCl)...81 4.1.4.1 HCl ohne Hintergrundelektrolyt...84 4.1.4.2 HCl mit Hintergrundelektrolyt CaCl2 (ph bis 3)...92 4.1.4.3 HCl mit Hintergrundelektrolyt CaCl2 (ph um 5)...95 4.1.5 Natriumhlorid in Wasser/iso-Propanol-Gemishen...98 4.2 Einfluss der experimentellen Bedingungen...13 4.2.1 Einfluss des Stromshlüsseltyps der Ag/AgCl-Referenzelektrode...13 4.2.1.1 Keramik- und Shliffdiaphragma...13 4.2.1.2 Variation der Flüssigkeitsphasengrenze...16 4.2.2 Einfluss des Referenzelektrolyten...11 4.3 Untersuhungen zum Brükenpotential E J...113 4.3.1 Messkettenaufbau mit zwei Referenzelektroden untershiedliher Innenelektrolytkonzentration...113 4.3.2 Modellierung von E J...121 4.3.2.1 Fall 1: Numerishe Integration von E J mit Hilfe des Ansatzes von Newman...124

4.3.2.2 Fall 2: Numerishe Integration von E J mit einem modifizierten Newman-Ansatz...127 4.3.3 Einfluss des Fehlers im Diffusionspotential auf den Fehler der Einzelionenaktivitätskoeffizienten...131 5 Zusammenfassung und Ausblik...137 6 Anhang...141 6.1 Tabellen...141 6.2 Transporttheoretishe Diffusionskoeffizienten...153 6.3 FORTRAN95-Programm für die Modellierung von EJ...155 6.3.1 Quelltext...155 6.3.2 Ausgabedateien...161 6.3.2.1 Ausgabedatei Fall 1...161 6.3.2.2 Ausgabedatei Fall 2...165 6.4 Literaturverzeihnis...169

Abkürzungen EMK ISE IUPAC Me / Me z NBS NIST Ox p.a. PMMA PTFE Red Elektromotorishe Kraft einer galvanishen Zelle ionenselektive Elektrode International Union of Pure and Applied Chemistry Metall / Metallion der Ladung z National Bureau of Standards (USA) National Institute of Standards and Tehnology (USA) oxidierter Zustand einer Spezies Reinheitsgrad pro analysi Polymethylmetharylat Polytetrafluorethen reduzierter Zustand einer Spezies

Formelzeihen A m Debye-Hükel-Konstante [kg 1/2 mol -1/2 ] a i Aktivität des Ions i B m Debye-Hükel-Konstante [m -1 kg 1/2 mol -1/2 ], - Molarität des Kations bzw. Anions [mol l -1 ] D Diffusionskoeffizient [m 2 s -1 ] D i,j Transportkoeffizient [m 2 s -1 ] E Potenzial der ISE [V] E E J HB E J Standardpotenzial der ISE [V] Diffusionspotenzial an der Referenzelektrode [V] Diffusionspotenzial nah Henderson-Bates [V] F Faraday-Konstante, F = 96484,56 C mol -1 G Gibbs'she freie Enthalpie [J] I m Ionenstärke, I = 1 2 m 2 zi mi [mol kg -1 ] m, m - Molalität des Kations bzw. Anions [mol kg -1 ] N Transportstromdihte (Diffusionsstrom) [mol m -2 s -1 ] q elektrishe Ladung [C] r Abstand zweier punktförmiger Ladungen [m] R allgemeine Gaskonstante, R = 8,3143 J mol -1 K -1 S, S, S - Elektrodensteigung [J K -1 ] t i t T x z, z - z α Überführungszahl der Komponente i Zeit [min] Temperatur [K] Molenbruh Ladungszahl des Kations bzw. Anions Ortskoordinate [m] Mishungsbruh i

γ, γ rationeller Aktivitätskoeffizient des Kations bzw. des Anions bezogen auf den ε ε (hypothetishen) Zustand der ideal verdünnten, einmolalen Lösung Shwellenwert für die Iteration relative Dielektrizitätskonstante ε Dielektrizitätskonstante im Vakuum ε = 8,8542. 1-12 C 2 J -1 m -1 φ λ, elektrishes Potential [V] λ elektrishe Grenzleitfähigkeit des Kations bzw. Anions [m 2 Ω -1 mol -1 ] µ hemishes Potential [J mol -1 ] ν stöhiometrisher Koeffizient Phasengrenze in der Messkette Flüssigkeitsbrüke in der Messkette

1 Einleitung 13 1 Einleitung Den Eigenshaften wässriger Elektrolytsysteme kommt in vershiedenen Bereihen der Verfahrenstehnik eine zentrale Rolle zu. Insbesondere die Lage von thermodynamishen Gleihgewihten ist von Bedeutung. Während in verdünnter Lösung die hemishe Aktivität (Wirkkonzentration) eines Elektrolyten noh gut mit seiner Konzentration übereinstimmt, treten bei zunehmender Konzentration größere Abweihungen vom Idealverhalten auf. Ursahe dafür sind die Wehselwirkungen zwishen den einzelnen Ionen, die mit steigender Konzentration zunehmen. Diese Abweihungen zwishen idealem und realem Verhalten spiegeln sih in den Aktivitätskoeffizienten wider. Da für thermodynamishe Modellierungen z.b. von Reaktionsgleihgewihten und Reaktionsgeshwindigkeiten die Aktivitäten anstelle der Konzentrationen maßgeblih sind, wären genauere Kenntnisse über die Aktivitätskoeffizienten einzelner Ionenarten in wässriger Lösung sehr wertvoll. Die verfügbaren Aktivitätskoeffizientenmodelle (siehe Abshnitt 2.4.2) gelten entweder nur für kleine Ionenstärken - z.b. das erweiterte Debye-Hükel-Modell - oder liefern keine verlässlihen Einzelionenaktivitätskoeffizienten, da sie durhweg aufgrund von Messungen der Elektrolyteigenshaften und damit der mittleren Aktivitätskoeffizienten parametrisiert wurden. Gängige Beispiele sind die Modelle von Bromley und Pitzer. Eine konventionelle Messung von Ionenaktivitätskoeffizienten ist aufgrund der Natur der ionishen Spezies und dem Prinzip der Elektroneutralität niht möglih. Da man einer Salzlösung keine einzelne Ionensorte, sondern nur das zusammen-

14 1 Einleitung gesetzte Salz hinzufügen kann, erhält man beim Versuh, Ionenaktivitäten auf klassishe Weise z.b. über Messungen der Wasseraktivität zu bestimmen, stets die über Anionen und Kationen gemittelten Aktivitäten. Erst mit der Entwiklung von ionenselektiven Elektroden, die nur auf eine einzelne Ionensorte ansprehen, hat sih eine Zugangsmöglihkeit aufgetan, die jedoh durh vershiedene Probleme bislang niht den erhofften Durhbruh bei der Bestimmung von Einzelionenaktivitätskoeffizienten geshafft hat. In der vorliegenden Arbeit soll nun genauer untersuht werden, ob und inwieweit es möglih ist, Aktivitätskoeffizienten einzelner Ionenarten über potentiometrishe Messungen mit Hilfe ionenselektiver Elektroden zu bestimmen. Dabei ist insbesondere die Bestimmung der Wasserstoffionenaktivitätskoeffizienten von Bedeutung, da die üblihe Messung des ph-werts in höher konzentrierten Elektrolytlösungen mit deutlihen Fehlern behaftet ist, wie im Folgenden gezeigt werden wird (siehe Abshnitt 4.1.4). Durh die Bereitstellung von experimentell abgesiherten Einzelionenaktivitäten würde eine Grundlage für erweiterte Aktivitätskoeffizientenmodelle geshaffen, welhe individuelle γ i -Parameter enthalten [1]. Damit wäre z.b. eine bessere Wiedergabe des ph-werts zu erwarten. 1.1 Tehnisher Hintergrund Eine Vielzahl verfahrenstehnisher Prozesse basiert auf Elektrolytsystemen, wie zum Beispiel die tehnishe Elektrolyse oder die Stromerzeugung in Brennstoffzellen. Eine weitere wihtige Anwendung stellen Anlagen der nassen Rauhgasreinigung dar. Industrielle Verbrennungsprozesse erzeugen in der Regel Abgase, die zum Shutz der Umwelt eine Reinigung nah gesetzlihen Vorgaben erforderlih mahen. In der Rauhgasreinigung werden Shadgase entweder aus dem Gasgemish abgetrennt oder durh Reaktionen in unshädlihe Substanzen

1 Einleitung 15 umgewandelt. Chemishe Verfahren zur Absheidung von gasförmigen Stoffen basieren auf der Selektivität der Shadgase für bestimmte hemishe Reaktionen bzw. Sorptionsvorgänge. Durh den Kontakt von Abgas und Absorberlösung sollen die Shadstoffkomponenten von der wässrigen Phase aufgenommen und somit aus der Gasphase entfernt werden. Die Entfernung von Shwefeldioxid kann z.b. durh eine nasse Rauhgasreinigung realisiert werden, bei der SO2 in einer wässrigen Kalkmilh- bzw. Kalksteinsuspension absorbiert wird und in Form von Gips (CaSO4. 2 H2O) ausfällt. Abhängig vom Chlorgehalt der eingesetzten Brennstoffe werden ein- und zweistufige Wäsher eingesetzt. Bei geringem Chlorgehalt (z.b. in Kohlekraftwerken) kann die Absheidung von HCl und SO2 simultan erfolgen, so dass sih im Sumpf des Wäshers zusätzlih Chlorid anreihert. Mit einer einstufigen Anlage fallen zwar die Investitions- und Betriebskosten geringer aus, andererseits kann die Gipsqualität durh einen hohen Chloridgehalt beeinträhtigt werden [2]. Für die Abgasreinigung in der thermishen Abfallbehandlung werden aufgrund des hohen Chlorgehalts grundsätzlih zweistufige Gaswäsher verwendet, die in einer ersten Stufe z.b. Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff und Queksilberverbindungen in saurem Washwasser absorbieren. Bei ph-werten unter 2 kann Shwefeldioxid diese erste Stufe nahezu vollständig passieren und wird erst in der nahfolgenden Stufe in einer wässrigen Suspension von Ca(OH)2 bzw. CaCO3 hemish gebunden. Abhängig vom ph-wert der Lösung liegt der absorbierte Shwefel in Form von HSO3 - bzw. SO3 2- -Ionen oder (bei zu niedrigem ph) als shweflige Säure (SO2 H2O) vor. Im Gegensatz zu Sulfit kann Hydrogensulfit shon durh Luftsauerstoff zu Sulfat oxidiert werden, wobei H katalytish wirkt. Aus diesen Gründen liegt der optimale ph-wert für die Oxidation bei a. 4 bis 5,5 [2].

16 1 Einleitung Für die Planung und Auslegung von Absorbern sind thermodynamishe Modellierungen unerlässlih, um ein Höhstmaß an ökologisher und ökonomisher Effizienz zu erreihen. Mit genaueren Kenntnissen über die Einzelionenaktivitätskoeffizienten wäre z. B. eine deutlih bessere Abbildung des ph- Werts in diesen Anlagen möglih. Ein weiteres wihtiges Anwendungsgebiet kann die Abwasserreinigung sein: Zum Beispiel sind für die Modellierung der Verfahren Entgiftung und Shwermetallfällung ebenfalls genaue Kenntnisse über die Aktivitäten der beteiligten Ionen von großem Vorteil [3].

2 Thermodynamishe Grundlagen 17 2 Thermodynamishe Grundlagen Der Begriff "geshlossenes thermodynamishes System" bezeihnet eine makroskopishe Stoffmenge, die von einer Systemgrenze umgeben ist, welhe einerseits für Stoffe undurhlässig ist, andererseits jedoh Wärme und Arbeit übertragen kann. Sind die makroskopish messbaren Eigenshaften die thermodynamishen Zustandsgrößen über das gesamte System räumlih unveränderlih, handelt es sih um ein homogenes System. Demgegenüber ist bei heterogenen Systemen mindestens eine Zustandsgröße räumlih niht konstant. Als spezieller, aber sehr wihtiger Fall kann ein heterogenes System aus mehreren Phasen bestehen, die für sih gesehen homogen sind (mit räumlih konstanten Zustandsgrößen über die einzelne Phase). Im Untershied zu Systemgrenzen ist eine Phasengrenze für mindestens eine Stoffart durhlässig. Ein elektrohemishes System ist ein besonderer Fall eines thermodynamishen Systems. Die homogenen Phasen enthalten elektrish geladene Teilhen (Ionen, Elektronen) und besitzen übliherweise vershiedene elektrishe Potentiale. Die Potentiometrie bezeihnet die Möglihkeit, die elektrishe Potentialdifferenz zwishen zwei galvanishen Halbzellen zu messen und daraus Ionenkonzentrationen zu bestimmen. Potentiometrishe Messungen basieren auf thermodynamishen Zusammenhängen, von denen die Nernstshe Gleihung zentrale Bedeutung hat, welhe die Relation zwishen Potential und Aktivität ("Wirkkonzentration", siehe Abshnitt 2.4) beshreibt. Die Anwendung mit der größten praktishen Bedeutung ist die potentiometrishe Messung des ph-werts (siehe Abshnitt 2.5). Die Grundlagen der Potentialentstehung werden im Folgenden zusammengefasst.

18 2 Thermodynamishe Grundlagen 2.1 Elektroden Elektroden sind elektrohemishe Zwei- oder Mehrphasensysteme, wobei eine Phase elektronenleitend (Metallphase) und mindestens eine Phase ionenleitend (Elektrolytphase) ist [4]. An den Phasengrenzen findet ein Ladungsaustaush zwishen den Phasen statt. Die Reaktion in der Phasengrenzshiht bezeihnet man als Elektrodenreaktion. Durh die Elektrodenreaktion wird an der Phasengrenze eine elektrohemishe Doppelshiht ausgebildet, die zu einer Spannungsdifferenz zwishen den Phasen führt (Potentialdifferenz). Solhe Ladungsvershiebungen und Ladungstrennungen, die an den Phasengrenzen auftreten, können mit Hilfe von Elektroden messtehnish erfasst oder auh durh einen von außen erzwungenen Stromfluss verändert werden [5]. Je nah Aufbau der Elektroden werden diese in vershiedene Kategorien eingeteilt. Elektroden erster Art (Metallionenelektroden) bestehen aus einem Metalldraht, der in eine Salzlösung mit demselben Metall als Kation tauht. Ein bekanntes Beispiel ist ein Kupferdraht in einer Kupfersulfat-Lösung. Damit besteht auh nur eine einzige Phasengrenze, nämlih der Übergang fest/flüssig vom Metalldraht zur Elektrolytlösung. Die Potentialdifferenz wird von der Aktivität der Metallionen in der Lösung bestimmt. Bei Elektroden zweiter Art ist der Metalldraht von einer dünnen Shiht eines shwerlöslihen Salzes dieses Metalls überzogen. Da insgesamt drei Phasen an der Potentialbildung beteiligt sind (Metall, Salzbeshihtung, Elektrolyt), treten hier zwei Phasengrenzen auf. Die als Referenzelektrode oft verwendete Ag/AgCl- Elektrode ist ein Beispiel für diesen Elektrodentyp. Hier ragt ein Silberdraht, der mit Silberhlorid beshihtet ist, in eine meist Kaliumhlorid enthaltende Elektrolytlösung. Silberionen können aus dem Metall durh die AgCl-Shiht treten und in Lösung gehen bzw. aus der Lösung am Metall abgeshieden werden. Über das Löslihkeitsprodukt ist die Silberionenaktivität von der Chloridionen-

2 Thermodynamishe Grundlagen 19 aktivität abhängig. Die Aufladung der Elektrode wird somit durh letztere bestimmt. Bei Elektroden zweiter Art steht daher die Aktivität des Anions mit der des Kations im Gleihgewiht und ist letztendlih ausshlaggebend für die Größe des entstehenden Potentials. Bei Elektroden dritter Art enthält die shwerlöslihe Salzshiht auf dem abführenden Metalldraht zusätzlih noh ein weiteres Kation, das mit dem gemeinsamen Anion ebenfalls eine shwerlöslihe Verbindung bildet. Dieses zusätzlihe Salz hat ein größeres Löslihkeitsprodukt als das Elektrodenmetallsalz. Ein Beispiel ist die Ag/Ag 2S/CuS-Elektrode. In diesem Fall wird die Silberionenaktivität in der Lösung letztlih über zwei Löslihkeitsprodukte durh die Aktivität der Cu 2 -Ionen bestimmt. Entsprehend dem größeren Löslihkeitsprodukt von CuS gehen S 2- -Ionen in Lösung. Die von der Kupferionenaktivität abhängige Sulfidaktivität stellt über das Löslihkeitsprodukt von Ag2S die Silberionenaktivität ein und bestimmt damit das Halbzellenpotential. Redoxelektroden - auh als Elektroden nullter Art bezeihnet - bestehen aus einem inerten Metall (z.b. Platin) und zeigen durh ihre Aufladung das Oxidations- bzw. Reduktionsvermögen von Redoxsystemen an, ohne dass die betreffenden Inertmetall-Ionen in der Lösung vorhanden sind. Bei Redoxelektroden treten ausshließlih Elektronen durh die Phasengrenze. 2.1.1 Ionenselektive Elektroden Ionenselektive Elektroden (ISE) sind galvanishe Halbzellen, die im Gegensatz zu den oben genannten Elektrodentypen auf eine bestimmte Ionensorte selektiv ansprehen, auh in Gegenwart anderer Ionen. Bekanntestes Beispiel sind ph- Glasmembran-Elektroden, die selektiv auf H -Ionen reagieren und damit die Messung des ph-werts ermöglihen (siehe Abshnitt 2.5). Das Funktionsprinzip der ISE beruht auf der selektiven Durhlässigkeit einer Membran für bestimmte Ionenarten. Je nah Art der Membran werden die Elektroden in vershiedene Typen eingeteilt [6]:

2 2 Thermodynamishe Grundlagen 2.1.1.1 Glasmembranelektroden Als ältester und bestuntersuhter Typ sind Glasmembranelektroden bereits seit fast 1 Jahren bekannt [7]. An Glasoberflähen in Kontakt mit wässrigen Lösungen bildet sih eine elektrishe Potentialdifferenz zwishen Glas und Lösung. Das Potential an der Glasoberflähe ist abhängig vom ph-wert der Lösung. Die hemish-physikalishen Eigenshaften eines Silikatglases bilden die Voraussetzung für die Verwendbarkeit von Glasmembranen für die ph-bestimmung. Silikatglas besteht aus einem unregelmäßigen Netzwerk aus Silizium-, Sauerstoffund Aluminiumionen, in das zum Ladungsausgleih die relativ kleinen und leiht beweglihen Natriumionen eingebaut sind. Die Na -Ionen können auf Konzentrationsänderungen reagieren, indem sie das Glasnetzwerk verlassen oder wieder eingebunden werden. Anionishe Gruppen an der unmittelbaren Glasoberflähe gehören sowohl zum Glas, in das sie hemish eingebunden sind, als auh zur benahbarten Lösung ("Quellshiht"). Die Aktivität der Ionen in der Lösung bestimmt die Aktivität der Oberflähengruppen und damit die Belegung der Glasoberflähe mit z. B. (=SiOH)-, (=SiONa)- oder (=SiO - )-Gruppen. Die Ionen des umgebenden Elektrolyten bestimmen also die Oberflähenladung der Glasmembran und damit die Potentialdifferenz zur Flüssigkeit. Je nah dem ph-wert der Probe diffundieren Protonen in die Quellshiht hinein oder aus ihr heraus. Hierdurh baut sih ein elektrishes Potential auf. Die Zahl der Protonen, die in diese Quellshiht diffundieren können, ist durh die Zahl der fest verankerten Hydroxyl- bzw. Oxi-Gruppen begrenzt. An der Innenseite der Membran besteht wegen des Innenpuffers ein konstantes Potential. Durh Verwendung von Membranen aus Spezialgläsern, z.b. durh Zusatz von Na2O, Al2O3 oder B2O3, kann die Glasmembranelektrode für andere Kationen sensitiviert werden. [8]

2 Thermodynamishe Grundlagen 21 2.1.1.2 Kristallmembranelektroden Kristallmembranelektroden oder Feststoffelektroden bestehen aus einem ableitendem Metalldraht und Einkristallen bzw. Presslingen shwerlösliher Salze, die aufgrund von Löslihkeitsgleihgewihten zwishen Kristall und Elektrolytlösung ein Potential aufbauen können. Je nah Aufbau gehören sie zur Kategorie der Elektroden zweiter bzw. dritter Art (siehe Abshnitt 2.1). Die wihtigsten Typen der Feststoffelektroden sind: a) Fluoridelektroden, die einen LaF3-Einkristall enthalten, der zur Verbesserung der Leitfähigkeit mit Europium dotiert ist. Diese Elektrode ist hoh selektiv, da an den Grenzflähenvorgängen nur Ionen genau definierter Größe und Elektronendihte beteiligt sein können. b) Silbersulfidelektroden, die einen Ag2S-Pressling als Membran besitzen. Dieses Material lässt die Elektrode sowohl auf S 2- als auh auf Ag sensitiv reagieren. Sie ist vielseitig einsetzbar, da dem Silbersulfid kleine Mengen anderer Ionen (z. B. Cu 2, Pb 2, Cd 2 ) zugemisht werden können, die mit Sulfid ebenfalls shwerlöslihe Salze bilden. 2.1.1.3 Polymermembranelektroden Polymermembranelektroden enthalten ionenaustaushende Membranen, die durh Verbindung organisher Polymere mit geladenen funktionellen Gruppen hergestellt werden. Als Trägersubstanz dient meist PVC, bei Sensitivierung für Ca 2 stellen z.b. Dialkylhydrogenphosphate die funktionellen Gruppen dar. Die Membran ist in inerten organishen Lösungsmitteln gelöst.

22 2 Thermodynamishe Grundlagen 2.1.2 Referenzelektroden Die Galvanispannung einer einzelnen Elektrode (Halbzelle) kann niht absolut gemessen werden, da das auf Potentialdifferenzen ansprehende Messgerät in Kontakt mit beiden Phasen (Elektrode und Elektrolyt) stehen muss. Im Falle einer einzigen Messelektrode, die in eine Elektrolytlösung eintauht, könnte dies z.b. durh einen in dieselbe Lösung ragenden Metalldraht realisiert werden, wodurh aber an der neuen Phasengrenze fest/flüssig wiederum ein neues, unbekanntes Potential entsteht, dass sih zudem mit der Zusammensetzung der Messlösung ändern kann [9]. In der Praxis wird dieses Problem gelöst, indem ein definiertes, möglihst von der Zusammensetzung des gemeinsamen Elektrolyten unabhängiges "Referenzpotential" durh eine zweite Elektrode bereitgestellt wird, die ebenfalls in die Messlösung eintauht. Das Bezugspotential bleibt in diesem Fall konstant, da die Referenzhalbzelle über eine eigene Innenelektrolytlösung verfügt [1]. Der Messelektrolyt und die Innenlösung der Referenzelektrode stehen miteinander über ein Diaphragma in Kontakt, das für alle Bestandteile der Lösungen gleihermaßen durhlässig ist und durh Ionentransport einen Stromshluss ermögliht. Eine konvektive Vermishung wird z.b. durh eine poröse Sheidewand verhindert, so dass die Zusammensetzung der beiden Lösungen während der Messzeit praktish konstant bleibt. Dieser Aufbau lässt jedoh ein weiteres Potential an der Sheidewand auftreten, das durh Diffusion der Ionen zwishen den beiden Elektrolyten hervorgerufen wird. Die Entstehung dieses Diffusionspotentials wird in Abshnitt 2.3 beshrieben. Durh den messtehnishen Aufbau können zudem sogenannte Asymmetriepotentiale auftreten. Sie entstehen z.b. durh zwei untershiedlihe Metalle an den Kontakten der elektrishen Leitungen und der Messgeräte. Asymmetriepotentiale sind grundsätzlih von den Elektrolytkonzentrationen unabhängig und bleiben

2 Thermodynamishe Grundlagen 23 daher im Verlauf einer Messung konstant. Der Name leitet sih davon ab, dass bei einer vertaushten Anordnung der Elektroden (bei gleih bleibender Verkabelung) die gemessenen Potentiale um einen geringen, konstanten Betrag parallel vershoben sein können und damit eine Asymmetrie des Messaufbaus vorliegt. Die vershiedenen Elektrodenpotentiale werden nah Konvention [11] gegen eine willkürlih festgelegte Bezugselektrode gemessen, deren Galvanispannung gleih Null gesetzt wird. Sie stellt den Ursprung (Nullpunkt) einer Potentialskala dar. Als Ursprung der elektrohemishen Potentialskala wurde die Normal-Wasserstoffelektrode festgelegt, die aus einem Platinbleh besteht, das in eine wässrige Lösung der Protonenaktivität 1 eintauht und mit Wasserstoffgas von 11,325 kpa umspült wird. Für praktishe Messungen ist diese Elektrode jedoh weniger geeignet, da man für den Betrieb hohreines Wasserstoffgas, eine exakt definierte Protonenaktivität und eine stets frish platinierte Metalloberflähe benötigt. Eine einfahere Handhabung, verbunden mit einer shnellen und reproduzierbaren Einstellung ihres Gleihgewihtspotentials, weisen vor allem die in Abshnitt 2.1 vorgestellten Elektroden zweiter Art auf. Insbesondere die Ag/AgCl-Elektrode und die Kalomelelektrode (Hg/Hg2Cl2) sind als Referenzelektroden gebräuhlih [12]. 2.2 Elektrodengleihgewihte Das hemishe Potential µ ist definiert als die Arbeit, die aufgewendet werden muss oder frei wird, wenn ein Mol einer bestimmten Komponente i aus dem wehselwirkungsfreien Unendlihen ins Innere einer feldfreien Mishphase gebraht wird. Mit diesem Begriff werden alle physikalish-hemishen Wehselwirkungen erfasst. Ein hemishes Gleihgewiht besteht dann, wenn zwei Mish-

24 2 Thermodynamishe Grundlagen phasen 1 und 2 miteinander in Kontakt stehen und das hemishe Potential jeder im System vorhandenen Komponente i in beiden Phasen gleih ist: µi(1) = µi(2) für alle i Falls diese Bedingung niht erfüllt ist, läuft eine Ausgleihsreaktion solange ab, bis das hemishe Gleihgewiht und damit ein Energieminimum erreiht ist. Betrahtet wird eine Elektrode aus dem Metall Me, die in eine Lösung der entsprehenden Metallionen Me z eintauht. Beim Eintauhen ist die Bedingung für das hemishe Gleihgewiht im Allgemeinen niht erfüllt, d.h. die hemishen Potentiale der Metallionen sind in der Metall- und der Elektrolytphase untershiedlih groß. An der Metalloberflähe läuft dann die Reaktion Me z z e - Me (2.1) ab. Die Reaktionsrihtung wird durh die energetishe Bevorzugung der Hinreaktion oder der Rükreaktion bestimmt. Ist die Rükreaktion bevorzugt, werden durh den Vorgang der "Metallauflösung" zusätzlihe Elektronen frei und die Metalloberflähe lädt sih negativ auf (vgl. Abb. 2.1). Durh die Diffusion der Metallkationen vom Metall in die Lösung entsteht im elektrodennahen Bereih des Elektrolyten ein Übershuss positiver Ladung, so dass sih eine elektrolytishe Doppelshiht ausbildet [13].

2 Thermodynamishe Grundlagen 25 Elektrode Elektrolyt Me Me z Abb. 2.1: Potentialdifferenz zwishen Elektrode und Elektrolyt Diese Doppelshiht wirkt der Metallauflösung bzw. Metallabsheidung durh ihre elektrostatishe Aufladung entgegen und bringt die Netto-Metallionendiffusion shließlih ganz zum Erliegen, obwohl das hemishe Gleihgewiht, d.h. die Existenz gleiher hemisher Potentiale in beiden Phasen, niht eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt ist vielmehr das elektrohemishe Gleihgewiht erreiht und Metallphase (1) und Elektrolytphase (2) befinden sih shließlih auf vershiedenen elektrishen Potentialen φ(1) φ(2). Bringt man ein Mol einer z-fah geladenen Komponente i ins Innere einer Mishphase mit dem elektrishen Potential φ, so muss zusätzlih zu µi noh die elektrishe Arbeit zi Fφ aufgebraht oder frei werden. Die Bedingung für das elektrohemishe Gleihgewiht ist damit: µi(1) zi Fφ(1) = µi(2) zi Fφ(2) (2.2) mit φ(1) und φ(2) als elektrishem Potential im Innern der Phasen 1 und 2. Der Term µi zi Fφ beshreibt das elektrohemishe Potential µi*: µi* = µi zi Fφ = µi RT ln ai zi Fφ (2.3)

26 2 Thermodynamishe Grundlagen µi bezeihnet das elektrohemishe Potential des reinen Stoffs im gewählten Standardzustand. Dieser Standardzustand ist prinzipiell willkürlih; wenn niht anders angegeben, bezieht er sih jedoh auf eine Temperatur von 298,15 K und einen Druk von 11,325 kpa. Wie jeder hemishe Gleihgewihtszustand ist auh das elektrohemishe Gleihgewiht als ein dynamishes Gleihgewiht zu betrahten, d.h. im genannten Beispiel laufen shließlih Hin- und Rükreaktion an der Phasengrenze gleih shnell ab. 2.2.1 Nernstshe Gleihung Die Differenz φ der inneren elektrishen Potentiale φ(1) und φ(2) zweier Phasen wird als Galvanispannung bezeihnet. Aus der Bedingung für das elektrohemishe Gleihgewiht (bei stromloser Potentialmessung im offenen Stromkreis) folgt für eine Metallionenelektrode mit φel und φme als elektrishen Potentialen der Elektrolyt- bzw. Metallphase: µ Me z RT ln ame z z FφEl = µ Me RT ln ame z FφMe (2.4) Daraus lässt sih durh Umstellen die Galvanispannung im Gleihgewiht berehnen: µ a z Me Me RT z Me φ = φme φ z = ln (2.5) Me zf zf ame µ

2 Thermodynamishe Grundlagen 27 Die Aktivität der Kationen im reinen Metall, ame, ist gleih 1. Unter Einführung der Abkürzung φ = ( µ µ ) Me z Me zf (2.6) für die Standard-Galvanispannung, welhe für die Aktivität 1 der gelösten Metallionen gilt, ergibt sih: RT φ = φ ln a Me z (2.7) zf Da die inneren Potentiale als Bezugspunkt ungeeignet sind (φel lässt sih experimentell niht bestimmen), kann man einen beliebigen neuen Bezugspunkt festlegen (z.b. mit der Normal-Wasserstoffelektrode) und erhält damit analog die Nernstshe Gleihung für Metallionenelektroden: E RT (2.8) zf = E ln a Me z mit E als gegen den Bezugspunkt messbare Potentialdifferenz bei einer Metallionenaktivität ame z und E als Standard- oder Normalpotential, welhes bei ame z = 1 gegen den Bezugspunkt besteht. Die Nernstshe Gleihung beshreibt damit die Ab hängigkeit des elektrohemishen Gleihgewihtspotentials einer Halbzelle von der Aktivität a der Ionen in Lösung. Für Redoxelektroden mit der Elektrodenreaktion Ox n e - Red (2.9) lautet die Nernstshe Gleihung

28 2 Thermodynamishe Grundlagen E RT a ln nf a Ox = E (2.1) Re d mit n als Wertigkeit der Elektrodenreaktion, aox als Aktivität der oxidierten Spezies und ared als Aktivität der reduzierten Spezies in der Elektrolytphase. 2.2.2 Galvanishe Zellen Eine galvanishe Zelle ist ein mehrphasiges System, in dem unter Ladungsaustaush hemishe Prozesse ablaufen. Sie enthält mindestens zwei Elektroden, deren Elektrolytphasen miteinander elektrish verbunden sind. Die Metallphasen der Elektroden sind die Pole der Zelle, zwishen denen die Zellspannung gemessen werden kann. Beim Shließen des Stromkreises wird in der galvanishen Zelle hemishe Energie in elektrishe Energie umgewandelt. Dies lässt sih tehnish nutzen, z.b. in einem Akkumulator. Für thermodynamishe Untersuhungen hat die Potentialdifferenz des offenen Stromkreises, auh als elektromotorishe Kraft (EMK) der Zelle bezeihnet, besondere Bedeutung. Um während der Messung einen Stromfluss aufgrund der Potentialdifferenz zu verhindern, sind Potentiometer "hohohmige" Voltmeter, verfügen also über einen großen Innenwiderstand. Die elektromotorishe Kraft (EMK) einer galvanishen Zelle (d.h. die Potentialdifferenz des offenen Stromkreises zwishen zwei Halbzellen) ist definiert als E = φrehts - φlinks (2.11) wobei φ für das elektrishe Potential der rehten bzw. linken Halbzelle steht. Der Zellenaufbau folgt dabei der Konvention, dass sih die Halbzelle mit dem positi-