Wie man einen Werbefilm analysiert



Ähnliche Dokumente
Die Übertragung der Tonalität auf den Bildstil

Unterföhring, Juli Vorteil Bewegtbild Werbemittel im Vergleich

Briefing-Leitfaden. 1. Hier geht s um Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung: Was soll beworben werden?

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

OECD Programme for International Student Assessment PISA Lösungen der Beispielaufgaben aus dem Mathematiktest. Deutschland

Zahlen auf einen Blick

Doing Business : China Do s und Don ts

Kulturelle Evolution 12

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Jederzeit Ordnung halten

Mobile Intranet in Unternehmen

facebook wie geht das eigentlich? Und was ist überhaupt Social media?

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

TESTEN SIE IHR KÖNNEN UND GEWINNEN SIE!

Welche Gedanken wir uns für die Erstellung einer Präsentation machen, sollen Ihnen die folgende Folien zeigen.

Materialien für den Unterricht zum Kurzfilm Steffi gefällt das von Philipp Scholz Deutschland 2012, 5 Minuten, Spielfilm

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Studienkolleg der TU- Berlin

Ein Vorwort, das Sie lesen müssen!

1 Mathematische Grundlagen

Der kleine große Unterschied

Erstellen von x-y-diagrammen in OpenOffice.calc

Business Page auf Facebook

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

EARSandEYES-Studie: Elektronisches Bezahlen

Animierte Fotoshow mit Fotostory 3

Leseprobe. Bruno Augustoni. Professionell präsentieren. ISBN (Buch): ISBN (E-Book):

Lichtbrechung an Linsen

mit attraktiven visuellen Inhalten

Animationen erstellen

Erstellen einer Collage. Zuerst ein leeres Dokument erzeugen, auf dem alle anderen Bilder zusammengefügt werden sollen (über [Datei] > [Neu])

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

Speicher in der Cloud

Zu 3.7 Werbung Erstellt eine Werbung für eure Schule. Ihr könnt zum Beispiel ein Werbeplakat malen oder einen kurzen Werbefilm dazu drehen.

Manager. von Peter Pfeifer, Waltraud Pfeifer, Burkhard Münchhagen. Spielanleitung

Inhalt Vorwort 1. Was sind Social Media? 2. Kontakte pflegen mit XING 3. Twitter 4. Facebook & Co.

Kreatives Gestalten mit Flash 5.0

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

2. Psychologische Fragen. Nicht genannt.

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Zwischenablage (Bilder, Texte,...)

Anleitung über den Umgang mit Schildern

4. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN TABELLEN

Checkliste Wie gut ist die Qualität meiner Fanpage?

Worum geht es in diesem Projekt?

Sei dabei und schau nicht nur zu! -Freiwillige an die Schulen

Satzhilfen Publisher Seite Einrichten

Anleitung zum neuen Überaumbuchungssystem der Hochschule für Musik und Tanz Köln

Zeit lässt sich nicht wie Geld für schlechte Zeiten zur Seite legen. Die Zeit vergeht egal, ob genutzt oder ungenutzt.

Multicheck Schülerumfrage 2013

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Bürgerhilfe Florstadt

Festigkeit von FDM-3D-Druckteilen

Anton Ochsenkühn. amac BUCH VERLAG. Ecxel für Mac. amac-buch Verlag

ebook edition

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Word 2010 Schnellbausteine

In diesem Thema lernen wir die Grundlagen der Datenbanken kennen und werden diese lernen einzusetzen. Access. Die Grundlagen der Datenbanken.

Die wichtigsten Werkzeuge, um UNTERNEHMENSKULTUR BEWUSST zu gestalten.

Wie Sie mit einer Website tausend Geräte bespielen und das auch tun sollten

Deutschland-Check Nr. 34

Hallo! Social Media in der praktischen Anwendung Warum macht man was und vor allem: wie? Osnabrück, den 07. Juli 2014.

15 Arten von QR-Code-Inhalten!

PTV VISWALK TIPPS UND TRICKS PTV VISWALK TIPPS UND TRICKS: VERWENDUNG DICHTEBASIERTER TEILROUTEN

Die Arbeitsweise von Flash

Video-Thema Manuskript & Glossar

Grafische Gestaltung von Websites. Seminar 2009

Verständlich schreiben

Simulation LIF5000. Abbildung 1

Statuten in leichter Sprache

Was sind Jahres- und Zielvereinbarungsgespräche?

Dokumentation von Ük Modul 302

Das Leitbild vom Verein WIR

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

FDW Werbung im Kino e.v. präsentiert. ein Produkt der MediaRes GmbH & aproxima Weimar GmbH

TV-Inhalte Lehrerinformation

Kommentartext Medien sinnvoll nutzen

Darum geht es in diesem Heft

Microsoft (Dynamics) CRM 2020: Wie verändern sich Markt, Eco-System und Anwendungsszenarien nach Cloud & Co?

Strom in unserem Alltag

Responsive Webdesign. Schritt für Schritt zum Design für jedes Endgerät

Insiderwissen Hintergrund

Hinweise zum Übungsblatt Formatierung von Text:

KÜNSTLER: ROLF BÖKEMEIER // TITEL: BLUMEN SCHWARZWEIß BILDBEWERTUNG. Bewertet von Georg Banek

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Widerrufsbelehrung der Free-Linked GmbH. Stand: Juni 2014

Wasserkraft früher und heute!

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

1: 9. Hamburger Gründerpreis - Kategorie Existenzgründer :00 Uhr

1. Was ihr in dieser Anleitung

Inventur. Bemerkung. / Inventur

Erleben Sie die kostbarsten Momente mit Wireless-Hörsystemen

Informationsblatt Induktionsbeweis

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

So funktioniert Ihr Selbstmanagement noch besser

Kontakte knüpfen und pflegen, Themen gemeinsam Diskutieren, Termine bekannt geben, oder die. ideal dazu, also sollten wir es auch nutzen!

ipad+nutzung%im%unterricht% %Bedienung%und%Methodik% % von!sarah!berner,!christine!frank!und!peter!kosak! Maria7Ward7Gymnasium!Augsburg!

Transkript:

Institut für Kommunikation und Marketing IKM CC Professionelle Kommunikation Projekt "Neue Medien mit neuen Medien" Dr. Sonja Kolberg Dozentin T direkt +41 78 680 70 65 sonja.kolberg@hslu.ch Luzern, 12. Februar 2014 Seite 1/5 Wie man einen Werbefilm analysiert Lernziele Die Studierenden können die USP und die Kommunikationsziele eines Werbefilms bestimmen kennen filmische Gestaltungsmittel und können diese zur Analyse und Interpretation von Werbefilmen anwenden Inhaltsverzeichnis 1. Einführung und Überblick... 2 1.1. Werbefilm und Neue Medien... 2 1.2. Der Werbefilm: Von der Produktpräsentation zum Unterhaltungsfilm... 2 2. Instrumentarium zur Analyse von Werbefilmen... 3 2.1. Kommunikationsziele von Werbung (Henze, 2005, S. 163... 3 2.2. USP und Slogan... 3 2.3. Kriterien der Filmanalyse... 3 2.4. Intradiegese und Extradiegese... 5 2.5. Struktur von Werbefilmen... 6 2.6. Das Sequenzprotokoll... 6 3. Kleines Glossar des Werbefilms (Henze, 2005, S. 133-134... 7 4. Übungen... 8 5. Korpus: verwendete Werbefilme... 11 6. Literatur... 11

Seite 2/12 1. Einführung und Überblick 1.1. Werbefilm und Neue Medien Printmedien und damit auch die Printwerbung werden zunehmend durch das Internet verdrängt. Im Internet sind es vor allem die Formen der Bewegtbildwerbung, die an Bedeutung gewinnen. Filmwerbung spricht nämlich mehrere Wahrnehmungskanäle an, sie erzielt dadurch eine höhere Aufmerksamkeit und bleibt dem Zuschauer länger in Erinnerung als beispielsweise das klassische Werbeinserat. Früher war die einzige und sehr kostspielige Möglichkeit für Firmen, einen Werbefilm zu platzieren, das Fernsehen oder das Kino. Im Zeitalter von Neuen Medien, Internet und Social Media stehen Firmen und Werbern viele andere Möglichkeiten zur Verfügung, bewegte Werbung zu zeigen: Werbefilme können in den eigenen Webauftritt eingebunden werden oder sie können als Direct-Mailing oder als Link auf dem Mail-Absender an Kunden verschickt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sogenannte Videobanner in fremde Webseiten einzubinden oder Werbung als Pre- bzw. Mid-Roll-Spots vor oder während anderen Internet-Videos laufen zu lassen. Besonders originelle Werbefilme werden auf YouTube aktiv aufgerufen und via Twitter oder Facebook verbreitet (Viralspots. 1 1.2. Der Werbefilm: Von der Produktpräsentation zum Unterhaltungsfilm Der TV-Spot war bis in die 80er-Jahre vorwiegend ausgerichtet auf das (unterstellte Informationsbedürfnis der potentiellen Kunden und handelte meist argumentativ. Der Film sollte Gründe dafür liefern, warum die Konsumenten dieses und kein anderes Produkt kaufen sollen. Der Zuschauer, die Zuschauerin wurde belehrt (Fleckenstein, 2007, S. 157. Filme dieser Art von denen sich auch heute noch zahlreiche Vertreter finden lassen zeichnen sich aus durch Dominanz des Produkts, durch argumentative Sprache und oft auch dadurch, dass eine Kommunikationssituation simuliert wird, in der die Rezipierenden direkt angesprochen werden (Lenor 1970, Quenti 1979 (1.43-2.04, Palmolive 1981. Seit den 90er-Jahren nähert sich der Werbefilm zunehmend den Charakteristiken des Spielfilms an, wobei das Produkt in den Hintergrund tritt. In vielen Werbefilmen werden Produktnamen eher beiläufig erwähnt, Vorzüge implizit benannt (Wyss, 2011, S. 279, oder das Produkt wird erst in einer überraschenden Pointe zum Helden (Feldschlösschen 2012. Oft kommt das Produkt in der Handlung auch gar nicht vor, und es braucht die OFF-Stimme des Kommentators oder die aktive Mitarbeit der Rezipienten, um Handlung und Produkt in einen Zusammenhang zu bringen (Sympany 2010, tutti 2012. Im Zuge dieser Annäherung des Werbe- an den Spielfilm entstehen fiktive Werbewelten, zum Beispiel diejenige mit dem berndeutsch sprechenden, behäbigen Sennenhund Barry und der frechen, sanktgallernden Gans Hans (Schweizer Obstverband 2009. Die Werbeästhetik heute ist geprägt von der Dominanz des Bildes. Zu den am meisten auf YouTube aufgerufenen Werbefilmen gehören sogenannte Life-Action-Spots, welche aus Aktionen ohne Dialoge bestehen, begleitet von Musik (vgl. Kap. 4 (Migros 2009. Ob die Rezipienten selbst die Lücken zwischen Handlung und Produkt schliessen oder ob sie die einzelnen Szenen einer Handlung, die lediglich atmosphärisch durch Musik untermalt wird, zu einer Geschichte zusammenfügen: Die Rezipienten füllen mit ihrem Weltwissen die Leerstellen und 1 Nicht nur Print wird zunehmend durch Internet abgelöst, auch das traditionelle Fernsehen wird durch das Internet konkurrenziert. Dieses erlaubt es dem Nutzer anders als das programmgebundene Fernsehen, Inhalte selbst zusammenzustellen und zu einem beliebigen Zeitpunkt anzusehen. Der Fernsehkonsum geht zurück, der Internetgebrauch steigt (Beisswenger, S. 18. Jugendliche betrachten YouTube-Videos länger als das Fernsehprogramm (Graf in Beisswenger, S. 41. Bei den 14- bis 29-jährigen ist der grösste Rückgang der Fernsehdauer von 140 auf 133 Minuten pro Tag zu verzeichnen (Eichsteller in Beisswenger, S. 48.

Seite 3/12 werden selbst kreativ. Es ist unter anderem diese Offenheit des Werbefilms, die ihn zu einer Kunstform macht. Dabei wird auch das Produkt immer mehr am ästhetischen Wert der Werbung gemessen: Nicht mehr der Wert des Produkts steht im Vordergrund, sondern der Wert des Spots. Der Konsument kauft kein Produkt mehr, sondern einen symbolischen Wert... (Fleckenstein, 2007, S. 226. Es ist anzunehmen, dass die Bedeutung des Unterhaltungswerts von Werbung durch das Internet noch zunehmen wird. Denn nur unterhaltende Werbefilme werden von Nutzern auch aktiv auf Netz weiterverbreitet. Der Unterhaltungsaspekt von Werbefilmen dient dann nicht nur nur der symbolischen Wertsteigerung des Produkts, sondern wird zur Bedingung dafür, dass die Werbung von ihren Adressatinnen und Adressaten überhaupt angesehen wird. 2. Instrumentarium zur Analyse von Werbefilmen 2.1. Kommunikationsziele von Werbung (Henze, 2005, S. 163 Es gibt drei Arten von Kommunikationszielen: Kommunikationsziel 1: Popularität Es geht darum, ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen bekannt zu machen. Kommunikationsziel 2: Wissensvermittlung Es geht darum, Informationen über ein Produkt, einer Dienstleistung oder ein Unternehmen zu vermitteln. Kommunikationsziel 3: Image Es geht darum, das Image eines Produktes, eine Dienstleistung oder eines Unternehmens zu festigen oder zu verändern. 2.2. USP und Slogan Die Unique Selling Proposition (USP bezieht sich auf jene Eigenschaft des zu bewerbenden Produktes, die das Produkt von anderen, ähnlichen Produkten unterscheidet oder unterscheiden soll. Die Werber suchen eine positive Eigenschaft aus, die das zu bewerbende Produkt im Konkurrenzumfeld als einmalig dastehen lässt, und machen diese einmalige Eigenschaft zum zentralen Thema der Werbung. Die USP kann ein kreisrundes Loch im Pfefferminz sein, die Langlebigkeit einer schwäbischen Automarke oder der unschlagbare Preis eines Brillenherstellers (Henze, 2005, S. 19. Ein Werbefilm kann durchaus mehrere USPs haben, jedoch dürfen sich diese nicht widersprechen (Henze, 2005, S. 20. Die USP eines Produkts oder einer Marke kann im Slogan sprachlich verdichtet werden. Das Hauptmerkmal des Slogans besteht aber darin, die Wiedererkennung eines Produkts oder einer Marke zu ermöglichen. Dies kann er nur, weil er wiederholt wird und sich daher in allen Werbungen zu einem Produkt oder zu einer Marke wieder findet (Albert & Zurgilgen, o.j., S. 4. 2.3. Aspekte der Filmanalyse

Seite 4/12 Ein Werbefilm inszeniert die USP auf dem mehreren Kanälen. Als multimedialer Text (vgl. Skript Textlinguistik stellt er ein komplexes Zeichensystem dar, bestehend aus geschriebenem und gesprochenem Text, unbewegten und bewegten Bildern sowie Musik. Bedeutung wird dabei nicht nur durch die Sprache oder die dargestellte Handlung transportiert, sondern auch durch andere Aspekte wie zum Beispiel die Kameraperspektive oder die Musik. Stöckl (2004 unterscheidet die folgenden Kriterien für die Filmanalyse: Bildinhalt, Entfernung, Perspektive, Kamerafahrt Sprache/Schrift, Sprache/Ton und Musik, Geräusche. Wichtig für Ihre Analyse: Eine gute Filmanalyse verknüpft diese filmtechnischen Elemente mit den inhaltlichen Aspekten eines Films, also der USP und/oder den Kommunikationszielen. Behalten Sie bei der Analyse der formalen Gestaltungsmittel immer die folgende Frage im Auge: Warum ist der Film so und nicht anders gemacht? Was hat das mit seiner inhaltlichen Aussage, also der USP, zu tun? Bildinhalt. Er bezieht sich zum einen auf den Inhalt der Bilder, die die Kamera zeigt: Umgebung, Handlung, Figuren. Der Bildinhalt ist aber auch durch formale Kriterien wie Bildkomposition, Farbe und Tiefenschärfe bestimmt. Diese formalen Aspekte sind semiotisch relevant, das heisst, sie lassen sich deuten. So wird zum Beispiel durch eine geringe Tiefenschärfe, indem nur ein Ausschnitt des Bildes scharf gestellt wird, die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf diesen Ausschnitt gelenkt und die Bedeutung des Ausschnitts hervorgehoben. Oder: Während eine symmetrische Aufteilung des Bildes eher Langeweile hervorruft, erzeugt eine Drittelteilung oder eine Anordnung im Goldenen Schnitt Spannung und Dynamik (Gräf et al. 2011, S. 100, vgl. auch Manual zur Bildanalyse. Beispiel für die Wirkung von Farben: Filmausschnitt Vertigo, http://www.mediacultureonline.de/filmanalyse.1220.0.html - c11846 Entfernung. Die Distanz zwischen Kamera und dargestelltem Objekt kann weit (Panorama oder Totale, mittel (Halbtotale oder nah sein (Nahaufnahme oder Detailaufnahme. Entfernungseinstellungen sind weitgehend funktional: Damit der Rezipient einen Brief lesen kann, braucht es eine Nahaufnahme des Briefes; um zu zeigen, wo sich ein Mensch befindet, bedarf es einer weiten Entfernung der Kamera. Entfernungen an sich transportieren also keine Bedeutung, sondern sind Mittel zum Zweck (Gräf et al., 2011, S. 117. Perspektive. Sie bezieht sich vor allem auf die Höhe der Kamera in Bezug auf das gezeigte Objekt. Normal ist die Augenhöhe (frontale Sicht. Ein Objekt kann aber auch von oben (Aufsicht oder von unten (Untersicht gefilmt werden. Eine Person, von unten gefilmt, kann furchteinflössend oder überlegen wirken, während sich die Aufsicht eignen kann, um jemanden als unterlegen oder auch einsam darzustellen (vgl. Manual zur Bildanalyse. Beispiel für eine extreme Untersicht: Filmausschnitt Nosferatu, http://www.mediacultureonline.de/filmanalyse.1220.0.html - c11841. Kamerabewegung. Die Kamera kann ihre Position im Raum verändern. Sie kann durch den Raum fahren (nach vorne und hinten, nach links und rechts, nach oben und unten oder sich an einem Ort um sich selber drehen. Während Aufnahmen mit der Handkamera eine authentische, eher subjektive Wirkung erzeugen, ermöglicht die Steadycam (eine an einem Gerüst montierte, ferngesteuerte Kamera eine ruckfreie, harmonische Bewegung im Raum. Das Zoomen ist ein Spezialfall, in dem die Kamera einen Bildausschnitt vergrössert oder verkleinert, ohne sich zu bewegen.

Seite 5/12 Kamerabewegungen sind ähnlich wie die Entfernung meist funktional und tragen daher in der Regel keine weitere Bedeutung (Gräf et al., 2011, S. 143. Beispiel für einen raumübergreifenden Einsatz mit Steadycam: Filmausschnitt Panic Room, http://www.mediaculture-online.de/filmanalyse.1220.0.html - c11844. Sprache / Schrift. Meist wird die USP eines Werbefilms auch sprachlich auf den Punkt gebracht visuell durch einen eingeblendeten Text und/oder auditiv durch Stimme aus dem Off. Aber nicht nur, was gesagt wird, auch wie es gesagt wird, macht letztendlich die Wirkung der Werbung aus: Werbesprache zeichnet sich aus durch eine charakteristische Syntax und Lexik, rhetorische Figuren und Sprachspiele (vgl. dazu Stöckl, 2004. Auch das Schriftbild kann bedeutsam sein. Sprache/Ton. Gesprochen wird von den Figuren oder einem Kommentator (intradiegetisch oder extradiegetisch, vgl. unten. Paraverbale Aspekte gestalten die Aussage mit. Während Bildinhalt, Entfernung, Perspektive, Kamerafahrt und Schrift visuell wahrgenommen werden, werden Ton und Musik/Geräusche auditiv vermittelt. Wie das Verhältnis von Bild und Ton gestaltet ist, trägt massgeblich zur Wirkung von Werbung bei. Stimmen und Geräusche können Teil einer fiktiven Bildwelt sein, sie können das visuell Dargestellte kommentieren oder sogar in einen Kontrast dazu treten. Ein paralleler Einsatz von Ton und Schrift, z.b. bei der Nennung des Slogans, verbessert die Einprägsamkeit (Stöckl, 2004, S. 250. Musik u. Geräusche. Musik hat verschiedene Funktionen: 1 Dramaturgisch eingesetzt, zeigt sie innerhalb einer Szene die Höhepunkte an oder verbindet einzelne Sequenzen miteinander. 2 Als spannungsgeneratives Element kann sie zum Erschrecken des Zuschauers beitragen (Surprise oder Spannung aufbauen helfen (Suspense. Auch hier ist es das Verhältnis von Bild und Ton, das für die Wirkung entscheidend ist: Die visuelle Inszenierung einer heilen Welt, von spannungsgeladener Musik untermalt, wirkt unter Umständen bedrohlicher als gleichzeitig auditiv und visuell wahrgenommene Gefahr. 3 Musik kann eingesetzt werden, um bestimmte Emotionen auszudrücken bzw. auszulösen, die der visuellen Ebene zugrunde liegen (Gräf, 2011, S. 262-268. Beispiel für Musik als spannungsgeneratives Element: Filmausschnitt Emil und die Detektive, http://www.mediaculture-online.de/filmanalyse.1220.0.html - c11849. 2.4. Intradiegese und Extradiegese Wichtig gerade für die Analyse von Werbefilmen ist der Unterschied zwischen filmischen Elementen, die zum fiktionalen Raum gehören (intradiegetische Ebene und Elementen, die nicht zum fiktionalen Raum gehören (extradiegetische Ebene. Intradiegetisch in Werbefilmen sind beispielsweise Stimmen von handelnden Figuren. Extradiegetisch ist Stimme aus dem Off, die die Handlung kommentiert oder die Vorzüge des Produktes nennt. Auch die Begleitmusik in einem Live-Action-Spot ist extradiegetisch. Visuelle und auditive Elemente verhalten sich in Bezug auf die Zuordnung intradiegetisch extradiegetisch unabhängig voneinander, das heisst: Sie können gemeinsam intradiegetisch oder extradiegetisch sein, müssen aber nicht. Beispiel für einen Werbefilm, der auf der Bildebene intradiegetisch, auf der Tonebene sowohl intradiegetisch (Geräusche wie auch extradiegetisch (Musik ist; beim pack-shot (vgl. unten sind sowohl Bild als auch Ton extradiegetisch: Ovomaltine 2012.

Seite 6/12 2.5. Struktur von Werbefilmen Das klassische Werbespotmuster ist zweigliedrig. Im ersten Teil wird eine Geschichte erzählt, im zweiten Teil wird das Produkt präsentiert und dabei meist durch Schrift oder Stimme kommentiert. In der Fachsprache wird diese Schlusseinstellung pack-shot genannt. Für die Analyse lassen sich mindestens drei unterschiedliche Gestaltungsprinzipien unterscheiden (nach Wyss, 2011, S. 295-297: 1 Die klassische Werbeerzählung: Der Werbefilm zeigt eine durchgehende Geschichte, die Handlungsführung ist kontinuierlich und konsistent, das Produkt Teil der Handlung. (Feldschlösschen 2012 2 Episodische Darstellung: Gezeigt werden verschiedene Episoden verschiedene Menschen, Tageszeiten, Milieus die alle in einer funktionalen Beziehung zum Produkt stehen. (Nutella Jahr? 3 Die filmische Montage zu einem Thema: Die dargestellte Handlung und das Produkt werden erst durch die Montage selber, durch die Präsentation beider als einer audiovisuellen Einheit, zu einer zusammenhängenden Geschichte. Die Rezpierenden füllen die Lücke zwischen Handlung und Produkt. (Sympany 2010 2.6. Das Sequenzprotokoll Das Sequenzprotokoll enthält eine tabellarische Auflistung der einzelnen Einstellungen, wobei zu jeder Einstellung Informationen zu verschiedenen gestalterischen Elementen protokolliert werden (movie-college, online. Eine Einstellung ist die kleinste filmische Einheit, also der Filmabschnitt, der zwischen zwei Schnitten liegt (Schuster, online. Wichtig für Ihre Analyse: Das Sequenzprotkoll ist für eine Werbefilmanalyse unerlässlich. Sie können ein Sequenzprotokoll Ihres Films einfach herstellen, indem Sie Screen-Shots von den einzelnen Einstellungen der Online-Version machen (bei Mac: Öpfel+Shift+4 und die Tabelle aus der Aufgabe 3 als Vorlage benutzen.

Seite 7/12 (Stöckl, 2004 3. Kleines Glossar des Werbefilms (Henze, 2005, S. 133-134 Slice of Life Voice of God Testimonial Präsenter Eine alltägliche Familienszene etwa, mit einem Dialog zwischen den Personen. Beispiel: Vater und Sohn bei Melitta. Dialog zwischen Verbraucher und Stimme aus dem Nichts. Beispiel: das schlechte Gewissen der Hausfrau im Klassiker von Lenor. Ein Interviewer befragt Konsumenten und überredet sie zum Test Am Ende sind die Befragten vom Produkt überzeugt. Experten, Stars oder Verbraucher preisen ein Produkt an. Beispiel: Thomas Gottschalk und Haribo. Life Action / Voice Over Aktionen zwischen Menschen ohne Dialoge, dazu Musik und Off- Sprecher. Beispiel: Becks Interview Demo Nach Drehbuch inszeniertes Interview, der Fragesteller ist sichtbar oder unsichtbar. Beispiel: Tempo-Taschentücher. Demonstration, warum das beworbene Produkt besser ist als Konkurrenzprodukte. Beispiel: Sil (Henkel.

Seite 8/12 Product as Hero Screen Pollution Animation Das Produkt ist der Held, seine Abbildung hat absolute Priorität. Beispiel: Automobil-Werbung Der Bildschirm ist randvoll mit hässlichem Kleinscheiss [sic]. Krude Mischung aus Grafik, Bildern, Videozuspielungen und schreienden OFF-Sprechern. Beispiel: Handy-Klingelton-Werbung Jamba. Zeichentrick / Computeranimation: Animierte Sympathieträger präsentieren Produkte. Beispiel: Schwäbisch Hall -Fuchs. 4. Übungen Aufgabe 1: USPs in Werbefilmen bestimmen Bestimmen Sie die USP in Migros 2009 und Sympany 2010. Wie wird die USP inhaltlich und formal in Szene gesetzt? Aufgabe 2: Filmische Gestaltungsmittel interpretieren Interpretieren Sie die Bedeutung des Bildinhalts und der Perspektive in Erbacher Bikes 2012.

Luzern, 12. Februar 2014 Seite 9/12 Aufgabe 3: Sequenzprotokoll ausfüllen und Werbung analysieren a Protokollieren Sie Informationen zu den filmischen Gestaltungsmitteln von tutti 2012 mit Hilfe des untenstehenden Sequenzprotokolls. Einstellung 1( 2( 3( 4( 9( Bildinhalt Entfernung Perspektive Kamerafahrt Sprache / Schrift Sprache / Ton Musik 6( Einstellung Bildinhalt Entfernung Perspektive Kamerafahrt Sprache / Schrift Sprache / Ton Musik 7( 8( 5(

Seite 10/12 b Beantworten Sie folgende Fragen: - Welches Kommunikationsziel verfolgt der Film? - Was ist die USP? - Wie verhalten sich Ton und Bild, Intradiegese und Extradiegese zueinander? Aufgabe 4: Slogans analysieren Durch welche besonderen sprachlichen Merkmale (rhetorische Figuren, Sprachspiele zeichnen sich folgende Slogans aus? a Unterwegs zu Hause. (SBB b Männer, zurück an den Grill. (Bell c Van schon, denn schon. (Peugeot 806 Van d Überraschend. Überzeugend. Anders. (Daihatsu Cuore e Nicht immer, aber immer öfter. (Clausthaler Aufgabe 5: Tweet zu Werbefilm schreiben Wählen Sie einen aktuellen Werbefilm aus, der Ihnen persönlich besonders gut gefällt. Ergründen Sie die besondere Wirkung dieses Films mit Hilfe der Aspekte der Filmanalyse (Bildinhalt, Entfernung, Perspektive etc.: Wo ist der Film besonders stark? Twittern Sie den link zum Film und kommentieren Sie in einem tweet, warum Sie diese Werbung originell finden. Deadline: Bis zur nächsten Stunde. Bonus: 1 Extrapunkt für LN 1.

Seite 11/12 5. Korpus: verwendete Werbefilme Erbacher Bikes 2012 http://bikes.erbacher.biz/index.php/custom-bikes/erbacher-bikes Feldschlösschen 2012 http://www.youtube.com/watch?v=rbo5cuehsxm Lenor 1970 http://www.youtube.com/watch?v=lyh9fb9mekq Migros 2009 http://www.youtube.com/watch?v=y0caq4wynz8 Ovomaltine 2012 http://www.ovomaltine.ch/startseite-ch/ueber-ovomaltine/tv-spots.htm Palmolive 1981 http://www.youtube.com/watch?v=drznul4di8a Quenti 1979 http://www.youtube.com/watch?v=bvycnvtrgnq (1.43-2.04 Schweizer Obstverband 2009 http://www.youtube.com/watch?v=kjt3mvow1ei&feature=related Sympany 2010 http://www.sympany.ch/ueberuns/werbung/kaffee.htm tutti 2012 http://www.youtube.com/watch?v=p6oi2kurumq&feature=relmfu 6. Literatur Bausteine zur Filmanalyse. Filme lesen lernen. Online (17.08.12: http://www.mediaculture-online.de/filmanalyse.1220.0.html Albert, D. & Zurgilgen, E. (o.j.. Werbung und Werbesprache. Unveröff. Skript, Hochschule Luzern Wirtschaft. Beisswenger, A. (Hrsg. (2010. Youtube und seine Kinder. Wie Online-Video, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Baden- Baden: Nomos. Filmanalyse. Online (17.08.12: http://www.movie-college.de/filmschule/filmtheorie/filmanalyse.htm Fleckenstein, H. (2007. Der französische Werbefilm. Entwicklung ästhetischer und narrativer Verfahren im 20. Jahrhundert. Tübingen: Narr. Gräf, D. et al. (2011 Filmsemiotik. Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate. Marburg: Schüren.

Seite 12/12 Hauser, S. (2010. Filmtheorie: Ich-Perspektive im Film Grenzen und Möglichkeiten. Online (02.08.12: http://suite101.de/article/filmtheorie-ich-perspektive-im-film--grenzen-und-- moeglichkeiten-a80202 Schuster, U. Kriterien zur Filmanalyse. Online (02.08.12: http://www.lpg.musin.de/kusem/konz/su3/fisetup.htm Stöckl, H. (2004. Werbekommunikation Linguistische Analyse und Textoptimierung. In: K. Knapp et al. (Hrsg., Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. Tübingen, Basel: A. Francke. S. 233-254. Wyss, E.L. (2011. Erzählen in bewegten Werbebildern. Narrative Muster und Logiken des Werbens zwischen Story und Produkt. In: H. Diekmannshenke, M. Klemm & H. Stöckl (Hrsg., Bildlinguistik. Theorien Methoden Fallbeispiele. Berlin: Erich Schmidt. S. 279-301.