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Transkript:

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser aktuellen Ausgabe unseres monatlich erscheinenden Newsletters erhalten Sie einen Überblick über die neuesten Entwicklungen im Arbeitsrecht. Wir wünschen eine ebenso unterhaltsame wie informative Lektüre. Zur Beantwortung von Rückfragen selbstverständlich nicht nur zu den angesprochenen Themen stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung. Zudem möchten wir Sie auf Publikationen aus unserem Arbeitsrechts-Team aufmerksam machen: " Wir kündigen genügt nicht von Frau Sonja Riedemann, Human Resources Manager, Ausgabe vom 9. August 2013 Darüber hinaus möchten wir Sie gern an unsere Veranstaltung am Vorabend der Messe Zukunft Personal am 16. in Köln erinnern. Weitere Informationen sowie die Themen der Vorträge finden Sie hier. Wenn Sie Interesse an einer Teilnahme haben oder noch eine Freikarte für die Messe wünschen, wenden Sie sich bitte an Frau Vanessa Volk, die Ihnen gern behilflich ist (0221 / 5108-4192, vanessa.volk@osborneclarke.de). Ihr Team Arbeitsrecht von Osborne Clarke In dieser Ausgabe finden Sie Beiträge zu folgenden Themen: Top Thema: Zeitarbeit Berücksichtigung von Leiharbeitsverhältnissen bei der Sozialauswahl... 3 Scheinwerkverträge können zu unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung führen - Teil I... 4 Scheinwerkverträge können zu unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung führen Teil II... 6 Aktuelles Kündigungsrecht Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit einer Kündigung... 8 Personalarbeit aktuell Eine vom Personalleiter mit "ppa" unterzeichnete Kündigung kann im Fall einer Gesamtprokura zurückgewiesen werden... 10 Kein Wahlrecht des Arbeitnehmers Zuordnung zu Betrieb oder Betriebsteil unterliegt Direktionsrecht... 11 Betriebliche Altersversorgung Bei Leistungskürzungen durch eine Pensionskasse hat der Arbeitgeber einzustehen... 13 Arbeitsrecht in der Krise und Insolvenz Bonusansprüche und Insolvenz Firma pleite, Bonus futsch?... 14 2 von 18 Osborne Clarke

Top Thema: Zeitarbeit Berücksichtigung von Leiharbeitsverhältnissen bei der Sozialauswahl Im Fall einer betriebsbedingten Kündigung durch das Verleihunternehmen sind die Leiharbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, die nach sonstigen arbeitsplatzbezogenen Kriterien vergleichbar sind. Dies gilt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Juni 2013 jedenfalls dann, wenn die Austauschbarkeit im Einsatz befindlicher Arbeit-nehmer in dem Verhältnis zu dem Entleiher weder vertraglich noch nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist. Der Sachverhalt Die Beklagte betreibt eine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung. In ihrer Niederlassung beschäftigte sie zuletzt 100 Arbeitnehmer, die an die beiden Kunden, die K GmbH und die L AG, überlassen wurden. Der Kläger war bei der Beklagten seit Oktober 2004 als Hilfskraft beschäftigt. Im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit der K GmbH wurde vereinbart, dass die Beklagte der K GmbH ab Juli 2010 unbefristet bis zu 150 Arbeitnehmer überlässt. In der Rahmenvereinbarung mit der LAG war bestimmt, dass auf deren Verlangen Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen auszutauschen seien und unabhängig davon ein Austausch nur im Einvernehmen mit der L AG vorgenommen werden könne. Ende September 2010 teilte die K GmbH der Beklagten mit, dass man den Kläger nicht mehr benötige und ihn daher ab 8. Oktober 2010 abmelden werde. Mit Schreiben vom 30. September 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2010. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben. Diese begründet der Kläger unter anderem damit, dass von der Beklagten keine Sozialauswahl, insbesondere im Hinblick auf die weiter bei der K GmbH beschäftigten Arbeitnehmer, vorgenommen worden sei. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main sowie das LAG Hessen (Az. 10 Sa 438/11), haben der Klage stattgegeben. Die Entscheidung Mit Entscheidung vom 20. Juni 2013 (Az. 2 AZR 271/12), hat das BAG die Revision als unbegründet abgewiesen. Das BAG stellt klar, dass der Arbeitgeber grundsätzlich alle diejenigen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen hat, die objektiv miteinander vergleichbar sind. Insbesondere steht nach dem BAG der Einbeziehung in die Sozialauswahl nicht entgegen, dass Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der Berechnung der Betriebsgröße gemäß 23 KSchG zu berücksichtigen sein können. Dies ändere nichts an der Tatsache, dass die Leiharbeitnehmer auch während der Verleihphase Angehörige des Betriebs des Verleihers sind und bleiben. Weiterhin stehe der Einbeziehung nicht entgegen, dass die K GmbH vorliegend den Kläger namentlich abgemeldet habe. Nach der Rechtsprechung des BAG war die Beklagte dadurch nicht gehindert, den Kläger gegen einen der übrigen überlassenen, sozial weniger schutz-würdigen Arbeitnehmer auszutauschen. Insbesondere sei vorliegend nicht feststellbar, dass das Recht zum Austausch durch Vertrag mit der K GmbH oder nach Treu und Glauben ausgeschlossen worden sei. Ohne Abrede ist der Verleiher nach Ansicht des BAG lediglich verpflichtet, einen fachlich geeigneten, nicht aber einen bestimmten Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Hinweise für die Praxis Das BAG klärt mit seiner Entscheidung vom 20. Juni 2013 weitere Fragen im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung von Leiharbeitnehmern durch das Verleihunternehmen. Allerdings hat das BAG auch in dieser Entscheidung offengelassen, ob infolge eines Auftragsverlustes auf dieser Grundlage einem Leiharbeitnehmer durch das Verleihunternehmen wirksam betriebsbedingt gekündigt werden kann. Im Weiteren stellt das BAG klar, dass für die Sozialauswahl bei dem Verleihunternehmen sowohl die einsatzfreien als auch die bei Dritten im Einsatz befindlichen Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Allerdings lässt das BAG ebenfalls ausdrücklich offen, ob die Austauschbefugnis des Verleihers überhaupt vertraglich oder nach Treu und Glauben ausgeschlossen werden kann und damit privatautonom Einfluss auf die Sozialauswahl genommen werden kann. Daher sollten bis zu einer abschließenden Klärung dieser Frage durch das BAG für eine betriebsbedingte Kündigung alle bei dem Verleihunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen wer-den unabhängig davon, ob ein entsprechender Aus-schluss der Austauschbefugnis vereinbart wurde. Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Karoline Kettenberger, LL.M. (Köln / Paris I) Nymphenburger Str. 1 80335 München T +49 (0) 89 5434 8060 E karoline.kettenberger@osborneclarke.de 3 von 18 Osborne Clarke

Top Thema: Zeitarbeit Scheinwerkverträge können zu unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung führen Teil I Unternehmen setzen gerade in der IT-Branche immer weniger Leiharbeitnehmer ein, sondern bedienen sich zunehmend neben ihren Festangestellten zahlreicher Selbständiger. Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 1. August 2013 2 Sa 6/13 nun klargestellt, dass es bei der Abgrenzung zwischen Werk- oder Dienstverträgen einerseits und einer Arbeitnehmerüberlassung andererseits insbesondere darauf ankommt, ob der jeweilige Mitarbeiter in den Betrieb eines Dritten eingegliedert wird und ob der Dritte das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gegenüber dem Mitarbeiter wahrnimmt. Ist dies der Fall, liegt eine Arbeitnehmerüberlassung und nicht nur eine Personalüberlassung im Rahmen eines Werkvertrages vor. Allein entscheidend ist insoweit, wie die Vertragsverhältnisse tatsächlich gelebt werden. Der Sachverhalt Die beiden Kläger arbeiteten als IT-Fachkräfte von 2001 bis Ende 2011 bei der Daimler AG, zuletzt am Standort Stuttgart-Möhringen als IT Support für die Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Formal schloss die Daimler AG hierzu mit einem IT-Dienstleister einen Rahmenvertrag über die Erbringung von IT-Dienstleistungen. Dieser IT- Dienstleister bediente sich für die Ausführung der Leistungen eines Subunternehmens ("IT-Systemhaus"), das die beiden Kläger wiederum als (formal) freie Mitarbeiter beschäftigte. Auf dieser vertraglichen Grundlage wurden die Kläger in den Folgejahren sodann ausschließlich bei Daimler als IT-Fachkräfte eingesetzt. Dort waren sie für die Betreuung der EDV und insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze der Mitarbeiter von Daimler zuständig. Mit ihrer Klage beantragten die Kläger die Feststellung, dass sie in einem Arbeitsverhältnis zur Daimler AG stehen. Das Arbeitsgericht hatte die Klagen abgewiesen, die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden- Württemberg war erfolgreich. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Die Entscheidung Das LAG hat entschieden, dass der Fremdpersonaleinsatz der Kläger nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgte, sondern als Arbeitnehmerüberlassung. Die Arbeitnehmerüberlassung grenzt sich von Werk- und Dienstvertrag dadurch ab, dass der Arbeitnehmer in den fremden Betrieb eingegliedert wird und dort auch arbeitsvertragliche Weisungen erhält. Ausschlaggebend ist allerdings, wie die Vertragsverhältnisse tatsächlich gelebt werden, auf vertragliche Vereinbarungen mit dem vermeintlichen Werkunternehmer kommt es hingegen nicht entscheidend an. Die Kläger mussten diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ergibt. Hierbei durften sie sich zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die ihrer Wahrnehmung zugänglich sind und auf eine Arbeitnehmerüberlassung hindeuten (sogenannte "sekundäre Darlegungs- und Beweislast"). Dann war es Sache des Einsatzbetriebes, die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach auch in der gelebten Vertragsdurchführung eine werkvertragstypische Ausgestaltung vorliegt. Das LAG nahm eine Eingliederung der Kläger in den Betrieb der Daimler AG an, weil sie jahrelang in deren Betriebsräumen arbeiteten und dort auch deren Computer, Telefone etc. benutzten. Zwar hatte die Daimler AG mit dem IT-Dienstleister ein Ticketsystem vereinbart, bei dem im Falle einer IT-Anfrage durch einen Daimler-Mitarbeiter ein Support-Ticket eröffnet und anschließend von den IT-Fachkräften vor Ort abgearbeitet wurde. Allerdings wurde dieses System nach den Feststellungen der Gerichte in der Praxis häufig umgangen. Anfragen erfolgten meist ohne den Umweg über das Ticketsystem von den Daimler-Mitarbeitern an die IT- Fachkräfte. Hierbei handelte es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine durchgehend geübte Praxis, wie die Kläger mit über 70 E-Mails belegen konnten. Die IT- Fachkräfte erhielten somit arbeitsvertragliche Weisungen unmittelbar von Mitarbeitern der Daimler AG, wie sie nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich waren. Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung ordnete das Gericht daher den Rahmenvertrag zwischen dem IT- Dienstleister und Daimler als Scheinwerkvertrag und damit als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ein. Weil der IT- Dienstleister aber keine Erlaubnis für den Einsatz von Leiharbeitnehmern besaß, lag nach Ansicht des Gerichts eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor. Dies hat entsprechend der gesetzlichen Fiktion gem. 10 Abs. 1 Satz 1 i.v.m. 9 Nr. 1 AÜG zugleich zur Folge, dass zwischen den Klägern und der Daimler AG als Entleiher ein reguläres unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Hinweise für die Praxis Zur Vermeidung einer (unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung ist es nicht ausreichend, dass ein nur formal so bezeichneter Werkvertrag abgeschlossen wird. Entscheidend ist vielmehr, dass dieser in der Praxis auch als Werkvertrag gelebt wird. Demzufolge müssen u.a. die Mitarbeiter des Auftraggebers angewiesen werden, den freien Mitarbeitern keine Weisungen über Inhalt, Ort, Art und Zeit ihrer Tätigkeit zu erteilen. 4 von 18 Osborne Clarke

Dies reicht aber nicht aus. Vielmehr müssen die Auftraggeber auch regelmäßig überwachen, dass sich die Mitarbeiter auch an diese Vorgaben halten. Der Auftragnehmer muss demgegenüber prüfen, ob er für das von ihm praktizierte Unternehmenskonzept eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung benötigt. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist es sogar ausreichend, diese Erlaubnis ggf. auch vorsorglich zu beantragen. Dies hätte nach der Ansicht der Rechtsprechung eine Arbeitnehmerüberlassung zur Folge. Hiergegen wenden sich jedoch Ansichten in der Literatur, nach denen es Unternehmen in diesen Fällen verwehrt ist, sich beim Vorliegen eines Scheinwerkvertrages willkürlich auf ein für sie günstigeres Leiharbeitsverhältnis zu berufen. Außerdem ist dem Auftragnehmer zu empfehlen, den Auftraggeber darüber zu informieren, was er und seine Mitarbeiter beim Einsatz des Fremdpersonals beachten müssen. Darüber hinaus sollte der Auftragnehmer die freien Mitarbeiter mit dem nötigen Equipment ausstatten, um so eine technische Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers zu vermeiden. Um auch eine organisatorische Eingliederung zu vermeiden, dürfen die freien Mitarbeiter insbesondere keine Visitenkarten des Auftraggebers verwenden und auch nicht mit E-Mail-Adressen des Auftraggebers ausgestattet werden. Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Viktoria Winstel Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T +49 (0) 221 5108 4156 E viktoria.winstel@osborneclarke.de 5 von 18 Osborne Clarke

Top Thema: Zeitarbeit Scheinwerkverträge können zu unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung führen Teil II Das LAG Hamm hat in einem für die Praxis bedeutsamen Urteil einer Klage stattgegeben, mit der ein Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis festgestellt wissen wollte, das im Rahmen einer Vereinbarung über Dientsleistungstätigkeiten seines ursprünglichen Arbeitgebers und einer Fremdfirma zustande gekommen ist (LAG Hamm, Urteil vom 24. Juli 2013 Az. 3 Sa 1749/12). Bei der Beschäftigung habe es sich um einen "Scheinwerkvertrag" und damit in der Folge um illegale Arbeitnehmerüberlassung durch die Werkvertragsfirma gehandelt. Der Sachverhalt Der schwerbehinderte Kläger stand seit dem 5. August 2008 bei einem Reinigungsunternehmen in einem Arbeitsverhältnis. Dieses Reinigungsunternehmen hatte mit der Beklagten Arvato Systems, einer Bertelsmann-Tochter, eine Rahmenvereinbarung über Dienstleistungstätigkeiten im Reinigungsbereich geschlossen. Der Kläger wurde von dem Reinigungsunternehmen im Bereich des Facility- Managements eingesetzt, wobei eine schriftliche Vereinbarung zunächst nicht getroffen wurde. Neben Hausmeistertätigkeiten verrichtete der Kläger auch Schlüsseldienste, Aufgaben am PC und arbeitete mit Festangestellten der Beklagten arbeitsteilig zusammen. Der konkrete Leistungsumfang im Bereich des Facility-Managements wurde erst im November 2010 zwischen dem Reinigungsunternehmen und der Beklagten schriftlich festgehalten. Der Kläger verfügte bei der Beklagten über einen eigenen Büroarbeitsplatz, der komplett mit Betriebsmitteln der Beklagten ausgestattet war. Für Botendienste nutzte er ein Fahrzeug der Beklagten, obwohl auch das Reinigungsunternehmen am Standort eigene Fahrzeuge vorhielt. Er erhielt von der Beklagten, wie deren eigene Mitarbeiter im Facility-Management, Sicherheitsschuhe und eine Windjacke. Der Kläger begehrte nunmehr die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Arbeitsgericht Bielefeld gab der Klage statt und stellte fest, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 5. August 2008 ein unbefristetes Arbeits-verhältnis besteht. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein, die vor dem Landesarbeitsgericht Hamm ohne Erfolg blieb. Die Entscheidung Das LAG hat entschieden, dass zwischen den Parteien aufgrund der gesetzlichen Fiktion des 10 Abs.1 S. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, da der Kläger nicht auf Grundlage eines Werkvertrags für die Beklagte tätig geworden ist, sondern im Rahmen einer Arbeitnehmer-überlassung, für die die Reinigungsfirma jedoch nicht die erforderliche Erlaubnis hatte. Zur Begründung stellte das Gericht auf den Geschäftsinhalt ab, der für die Abgrenzung der Vertragstypen maßgeblich ist. Bestimmen lässt sich der Geschäftsinhalt anhand der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrags, wobei letztere im Falle eines Widerspruchs den Ausschlag gibt. Nach Auffassung des Gerichts ist es der Beklagten im Rechtsstreit nicht gelungen, konkret darzulegen, welche vertraglichen Abreden mit der Reinigungsfirma der Tätigkeit des Klägers zu Grunde lagen. Die vom Kläger durchzuführenden Tätigkeiten sind in dem Rahmenvertrag der Reinigungsfirma nicht klar benannt worden, obwohl dies für einen Werkvertrag erforderlich ist. Die Richter kamen aufgrund der vorgetragenen Indizien zu der Überzeugung, dass der Kläger in die betriebliche Organisation der Beklagten eingegliedert und seine Tätigkeit von der Rahmenvereinbarung nicht umfasst war. Sein Aufgabenbereich beinhaltete mehr als einfache Hausmeisterdienstleistungen und er unterlag den Weisungen der Beklagten. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit nach Auffassung des Gerichts keine grundsätzliche Bedeutung hat und lediglich eine Einzelfallentscheidung darstellt. Hinweise für die Praxis Beurteilen Gerichte die Auslagerung von Arbeiten auf Fremdfirmen als Scheinwerkvertrag, liegt bei fehlender Erlaubnis rechtlich eine illegale Arbeitnehmerüberlassung vor, was zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und dem eingesetzten Arbeiter führt. Dies hat weitreichende Folgen für den Auftraggeber, wie die Nachzahlung der oftmals im Betrieb gezahlten höheren Löhne sowie Nachzahlung der Sozialversicherungsabgaben für die Dauer der Beschäftigung. Auftraggebern ist anzuraten, bei der Auftragsvergabe an Werkvertragsfirmen die Weisungsstruktur und Risikoverteilung eindeutig werkvertraglich auszugestalten und, wie der Parallelfall des LAG Baden- Württemberg (ebenfalls in diesem Newsletter) zeigt, diesen Vertrag auch so zu leben. Hierzu muss sichergestellt werden, dass freien Mitarbeitern die erforderlichen Arbeitsutensilien vom Auftrag-nehmer zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist zwingend zu überwachen, dass diesen keine Weisungen durch Mitarbeiter des Auftraggebers erteilt wer-den. Bislang wurde zu dieser Entscheidung lediglich eine Pressemitteilung veröffentlicht. Es ist aber zu erwarten, dass die Entscheidungsgründe vergleichbare Ausführungen zum Scheinwerkvertrag enthalten wie das ähnlich gelagerte Urteil des LAG Baden-Württemberg. 6 von 18 Osborne Clarke

Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Yann Brugière Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T +49 (0) 221 5108 4276 E yann.brugiere@osborneclarke.de 7 von 18 Osborne Clarke

Aktuelles Kündigungsrecht Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit einer Kündigung Eine Kündigung ist nach 134 BGB nichtig, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs die erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht wirksam erstattet wurde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bejahte die bislang noch nicht entschiedene Frage, ob ein Fehler bei der Massenentlassung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt (BAG, Urteil vom 22. November 2012-2 AZR 371/11). Der Sachverhalt Der Arbeitnehmer war seit 2002 bei einem Konzernunternehmen tätig. Im Konzern wurde mittels Zuordnungstarifvertrag ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Konzernbetriebsrat (KBR) gebildet. Neben anderen Konzernunternehmen entschloss sich auch die Arbeit-geberin des Arbeitnehmers ihren Betrieb zu reorganisieren und Tätigkeiten die auch den Arbeitnehmer betrafen nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Die Arbeitgeberin und zwei weitere Konzernunternehmen vereinbarten in diesem Zusammenhang mit dem KBR einen Interessenausgleich, in dem der KBR erklärte, dass er zur Massenentlassung gemäß 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet wurde. Die Arbeitgeberin zeigte mit Schreiben vom 19. November 2008 gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit die vorgesehene Entlassung von 49 ihrer ins-gesamt 75 Mitarbeiter an. In dem Formular kreuzte sie in der Zeile Die Stellungnahme des Betriebsrates zu den angezeigten Entlassungen ist beigefügt das Feld nein an. An anderer Stelle wies sie darauf hin, dass ein Sozialplan vereinbart worden sei. Mit Schreiben vom 25. November 2008 teilte die Agentur für Arbeit der Arbeitgeberin mit, dass die Massenentlassungsanzeige vollständig eingegangen und dass die Entlassung von 49 Arbeitnehmern rechtswirksam nach der gesetzlichen Sperrfrist möglich sei. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers. Hierauf erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Die Entscheidung Das BAG hat die Kündigung als nichtig angesehen: Der Arbeitgeber ist bei anzeigepflichtigen Entlassungen gemäß 17 Abs. 1 KSchG nicht nur verpflichtet der Agentur für Arbeit diese Entlassungen anzuzeigen sondern muss darüber hinaus auch die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügen. Es bedarf hierbei einer ausdrücklichen und abschließenden Erklärung des Betriebsrates, die erkennen lässt, dass sich dieser mit den angezeigten Kündigungen auch befasst hat. Die Stellungnahme kann dabei auch in einen Interessenausgleich integriert werden (BAG, Urteil vom 28.06.2012-6 AZR 780/10, kommentiert in unserem Newsletter August 2012). Einer ausdrücklichen Stellungnahme des Betriebsrats bedarf es nur dann nicht, wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß 1 Abs. 5 KSchG vereinbart worden ist. Die Massenentlassungsanzeige ist darüber hinaus auch dann wirksam, wenn zwar eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er diesen mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt, 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG. Beiden gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Agentur für Arbeit über die erfolgte Konsultation des Betriebsrats zu unterrichten, hat der Arbeitgeber im streitigen Fall aber nicht genügt. Durch die schlichte Übermittlung des Anzeigeformulars hat der Arbeitgeber nicht dargelegt, dass er das zuständige Betriebsratsgremium mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterrichtet hat. Der Hinweis auf den Abschluss eines Sozialplans war insoweit unerheblich, da er nichts über die Durchführung des Konsultationsverfahrens besagt. Auch führte der Bescheid der Agentur für Arbeit nicht zur Wirksamkeit der Anzeige, da die Bindungswirkung des Bescheids nur seinen eigentlichen Inhalt, d. h. die Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst umfasst. Der Bescheid entfaltet weder gegenüber dem Arbeit-nehmer noch gegenüber den Gerichten für Arbeitssachen materielle Bestandskraft und vermag deshalb mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige auch nicht zu heilen (BAG, a.a.o.). Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigungsschutzklage durch Teilurteil vom 18. November 2009 abgewiesen (37 Ca 5785/09). Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte die Berufung des Klägers mit Urteil vom 10. September 2010 zurückgewiesen (9 Sa 562/10). Die Revision des Klägers vor dem BAG hatte Erfolg. Hinweise für die Praxis Das BAG führt seine Rechtsprechung zu den Folgen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige konsequent fort. Die bislang noch nicht geklärt Frage, ob ein Fehler bei der Anzeige zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, hat es hiermit klar bejaht. Auch hat das BAG nochmals unterstrichen, dass Fehler in der Massenentlassungsanzeige nicht durch einen Bescheid der Agentur für Arbeit geheilt werden könne. Damit steht fest, dass Arbeitgeber bei der Planung und Umsetzung von relevanten Entlassungen noch stärker als bislang das Augenmerk auf eine saubere Massenentlassungsanzeige legen müssen. Der Umstand der Nichtigkeit bei einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige wird zukünftig sicherlich auch verstärkt von der Arbeitnehmerseite in Kündigungsschutzverfahren angeführt werden. 8 von 18 Osborne Clarke

Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Dr. David Plitt, LL.M. (LSE) /Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner Tanzende Türme Reeperbahn 1 20359 Hamburg T +49 (0) 40 55436 4042 E david.plitt@osborneclarke.de 9 von 18 Osborne Clarke

Personalarbeit aktuell Eine vom Personalleiter mit "ppa" unterzeichnete Kündigung kann im Fall einer Gesamtprokura zurückgewiesen werden Ist im Handelsregister für den Leiter der Personalabteilung eine Gesamtprokura eingetragen und unterzeichnet dieser ein Kündigungsschreiben in seiner Funktion als Prokurist mit dem Zusatz "ppa", ist es notwendig, dem zu kündigenden Arbeitnehmer bekannt zu geben, dass im Innenverhältnis zum Arbeitgeber die Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von Kündigungen erteilt wurde (LAG Hamm, Urteil vom 16. Mai 2013 17 Sa 1708/12). Der Sachverhalt Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2004 bei der Beklagten als Materialbesteller im Fertigungslager beschäftigt. Am 27. April 2012 erhielt er die betriebsbedingte Kündigung, die ihm am selben Tag durch den Leiter der Personalabteilung der Beklagten übergeben wurde. Unter-zeichnet war das Kündigungsschreiben vom Leiter der Personalabteilung mit dem Zusatz "ppa", der deutlich machen sollte, dass ihm Prokura erteilt worden war, so-wie von einem Personalsachbearbeiter unter Verwendung des Zusatzes "i.v.". Der Leiter der Personalabteilung ist Gesamtprokurist und als solcher mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen gemein-sam vertretungsberechtigt. Die Gesamtprokura war im Handelsregister eingetragen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies mit Schreiben vom 2. Mai 2012 die Kündigung mangels Nachweises der Vertretungsberechtigung der Unter-zeichner des Kündigungsschreibens und mangels tat-sächlich bestehender Vertretungsberechtigung zurück. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und berief sich auf den Einwand der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung gemäß 174 BGB. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Die Entscheidung Nach Ansicht des LAG Hamm ist die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung gemäß 174 BGB unwirksam. Es fehle an der Vorlage einer Vollmachtsurkunde sowohl für den Personalsachbearbeiter als auch für den Leiter der Personalabteilung. Eine Zurückweisung der Kündigung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die Beklagte den Kläger bereits vor-ab über die Bevollmächtigung der beiden Unterzeichner in Kenntnis gesetzt hätte. an einer diesbezüglichen Bekanntmachung fehlen. Auch im Fall des Leiters der Personalabteilung sei eine vorherige Bekanntmachung der Bevollmächtigung nicht erfolgt. Der Leiter der Personalabteilung hatte lediglich Gesamtprokura erteilt bekommen und war somit nur zusammen mit einem anderen Prokuristen oder einem Geschäftsführer vertretungsberechtigt. Das LAG Hamm verkannte nicht, dass die Inkenntnissetzung von einer Bevollmächtigung auch allein darin zu sehen sein kann, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Mitarbeiter in die Position des Leiters der Personalabteilung beruft, mit der regelmäßig ein Kündigungs-recht verbunden ist. Der Kläger habe aber davon aus-gehen müssen, der Personalleiter habe in Ausübung der aus der Prokuraerteilung folgenden Vertretungsmacht gehandelt, weil er mit dem Zusatz ppa unterschrieben hatte und die Prokura nach dem Handelsregister als Gesamtprokura eingeschränkt war. Ihm sei durch die Art der Unterzeichnung gerade nicht deutlich geworden, dass der Personalleiter eine (Allein-)Vertretungsmacht resultierend aus der Position des Personalleiters in An-spruch nehmen wollte. Hinweise für die Praxis Hätte der Personalleiter die Kündigung ohne den Zusatz "ppa" unterzeichnet, wäre erkennbar gewesen, dass er nicht in seiner Funktion als Prokurist, sondern als kraft seiner Position kündigungsberechtigter Personalleiter die Kündigung erklärt hätte. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es bei dem Ausspruch von Kündigungen auf Kleinigkeiten ankommen kann. Arbeitgebern ist anzuraten, generell für klare Verhältnis-se zu sorgen und per Aushang oder Rund-Mail bekannt zu geben, welche konkrete Person im Unternehmen zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt ist oder der Kündigung eine Vollmachtsurkunde beizufügen. Auf die-se Weise geht eine Zurückweisung der Kündigung durch den gekündigten Arbeitnehmer ins Leere. Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Mathias Kaufmann /Fachanwalt für Arbeitsrecht Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T: +49 (0) 221 510 84050 E: mathias.kaufmann@osborneclarke.de Der Personalsachbearbeiter bekleide keine Position, die regelmäßig mit einer Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen verbunden ist. Überdies würde es aber 10 von 18 Osborne Clarke

Personalarbeit aktuell Kein Wahlrecht des Arbeitnehmers Zuordnung zu Betrieb oder Betriebsteil unterliegt Direktionsrecht Lässt der Wille der Arbeitsvertragsparteien keinen Rückschluss auf die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem Betrieb oder Betriebsteil zu, so erfolgt die Zuordnung grundsätzlich ausdrücklich oder konkludent durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 21. Februar 2013 Az. 8 AZR 877/11 - entschieden. Der Sachverhalt Die Parteien streiten in der Hauptsache über den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers von der Beklagten zu 2) auf die Beklagte zu 1). Der Kläger war als Callcenter-Agent bei der V GmbH tätig. Das von der V GmbH betriebene E Callcenter wurde 2007 im Wege eines Betriebsübergangs von der Beklagten zu 2) übernommen. In diesem Callcenter wurden neben den Telefontätigkeiten so genannte Backoffice-Arbeiten erledigt. Diese umfassten kaufmännische und administrative Endkundenprozesse. Dabei wurden schriftliche oder mittels Fax bzw. E-Mail übermittelte An-fragen und Aufträge bearbeitet. Der Telefon- und der Backoffice-Bereich waren nicht getrennt. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) konnten beide Tätigkeiten von ihren Arbeitsplätzen aus erledigen. Der Kläger wurde wie bis-her als Callcenter-Agent im Schichtdienst projektbezogen eingesetzt. Die Beklagte zu 2) hat einem Teil der Mitarbeiter im Sommer 2009 Arbeitsplätze in einem Raum im ersten Obergeschoss des Gebäudes, dem so genannten Studio 5b, zugewiesen. In diesem Bereich wurden ausschließlich Backoffice-Tätigkeiten in Gleitzeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr im Zwei-Schicht-Modell verrichtet. In dem übrigen Bereich, dem Großraumbüro des Callcenters, waren die übrigen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) mit Telefontätigkeiten im 24-Stunden-Takt beschäftigt. Im Oktober 2009 beschloss die Beklagte zu 2) eine Betriebsspaltung und die anschließende Verpachtung der beiden Betriebe an unterschiedliche Erwerber. Hierzu schloss sie mit ihrem Betriebsrat am 27. November 2009 einen Interessenausgleich. Der Interessenausgleich enthielt auch eine Regelung zur Zuordnung der in den eigenständigen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. In der Anlage 1 zum Interessenausgleich war der Kläger als Mitarbeiter des Betrieb Backoffice namentlich erwähnt. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 von der Beklagten zu 2) über den bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet worden war, widersprach er dem geplanten Betriebsübergang zur B GmbH. Er teilte mit, er stehe gerne für eine Tätigkeit in der neu gegründeten Firma T GmbH (der späteren Beklagten zu 1)) zur Verfügung. Die beiden Betriebe der Beklagten zu 2), Backoffice und Servicecenter Telekommunikation, wurden zum 1. Januar 2010 an die B GmbH bzw. an die Beklagte zu 1) verpachtet. Mit Schreiben vom 28. Januar 2010 kündigte die Beklagte zu 2) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit Auslauffrist und hilfsweise ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31. August 2010 und stellte ihn von der Arbeitsleistung frei. Der Kläger begehrte in seinen Hauptanträgen Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 1) übergegangen ist sowie die Verurteilung der Beklagten zu 1), ihn zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hin hat das Landesarbeitsgericht (LAG) den Hauptanträgen stattgegeben. Das BAG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Hauptanträge des Klägers abgewiesen. Die Entscheidung Nach Auffassung des BAG ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht im Wege eines Betriebsübergangs von der Beklagten zu 2) auf die Beklagte 1) übergegangen. Die Beklagte zu 2) habe ihren Betrieb in zwei eigenständige Betriebe aufgespalten. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 1) hätte nur dann stattgefunden, wenn der Kläger dem übergegangenen Betrieb zugeordnet gewesen wäre. Die Zuordnung der einzelnen Arbeitsverhältnisse zu einem Betrieb oder Betriebsteil richtet sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Entscheidend ist, in welchem Betrieb bzw. Betriebsteil der Arbeitnehmer tatsächlich eingegliedert ist. Dabei kommt es zunächst auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien an. Liegt ein solcher weder in ausdrücklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt die Zu-ordnung grundsätzlich ebenfalls ausdrücklich oder konkludent durch den Arbeitgeber aufgrund seines Di-rektionsrechtes. Widerspricht ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Betriebes, dem er wirksam zugeordnet war, so hat er grundsätzlich keinen Anspruch gegen seinen bisherigen Arbeitgeber auf Zuordnung zu einem anderen Betrieb, der ebenfalls im Wege eines Betriebsübergangs auf einen anderen Erwerber übergehen soll. Dies gilt auch dann, wenn ihm eine betriebsbedingte Kündigung durch seinen bisherigen Arbeitgeber wegen Wegfalls einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit droht. Widerspricht der Arbeitnehmer, trägt er das Risiko, das für ihn kein Beschäftigungsbedarf beim Be- 11 von 18 Osborne Clarke

triebsveräußerer mehr besteht, weil auf-grund des Betriebsübergangs sein alter Betrieb nicht mehr existiert. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer dieses Risiko dadurch zu nehmen, dass er ihn in einen anderen Betrieb seines Unternehmens versetzt. Hinweise für die Praxis Mit seiner Entscheidung vom 21. Februar 2013 hat das BAG klargestellt, dass in Fällen, in denen keine ausdrückliche oder konkludente Regelung durch die Arbeitsvertragsparteien erfolgt ist, die Zuordnung zu einem Betrieb oder Betriebsteil durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes erfolgt. Die ermessensfehlerfreie Ausübung des Direktions-rechts eröffnet soweit keine ausdrücklichen oder konkludenten Absprachen im Arbeitsvertrag getroffen sind dem Arbeitgeber Möglichkeiten bei der Gestaltung von Betrieben bzw. Betriebsteilen. Hierdurch kann er bestimmen, welche Arbeitsverhältnisse von einem etwaigen späteren Betriebsübergang betroffen sein werden. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten. Das BAG hat in seinem Urteil ausdrücklich erklärt, dass die Nennung in einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Namensliste in einem Interessenausgleich für die Zuordnung zu einem Betrieb oder Betriebsteil nicht maßgeblich sein soll. Es ist daher zu beachten, dass die Ausübung des Direktionsrechts in einem ausreichend zeitlichen und inhaltlichen Abstand zu etwaigen späteren Restrukturierungen und Betriebsübergängen durchgeführt wird. Sofern Sie Fragen zu diesem Thema haben oder weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie bitte: Sylvia Wörz Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T +49 (0) 221 5108 4480 E sylvia.woerz@osborneclarke.de 12 von 18 Osborne Clarke

Betriebliche Altersversorgung Bei Leistungskürzungen durch eine Pensionskasse hat der Arbeitgeber einzustehen Macht die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht auf Ausgleich von Fehlbeträgen durch Herabsetzung ihrer Leistungen Gebrauch, hat der Arbeitgeber für sich daraus ergebende Leistungskürzungen bei einer Versorgungszusage gegenüber einem Arbeitnehmer einzustehen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. Juni 2012 3 AZR 408/10). Der Sachverhalt Die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin haben den Kläger bis zum 31. Oktober 2000 beschäftigt. Zum einen hatte die Beklagte dem Kläger eine im Versorgungsfall aus ihrem Vermögen zu erbringende Firmenrente zugesagt. Zum anderen hatte die Beklagte dem Kläger eine Betriebsrente zugesagt, die über eine Pensionskasse durchgeführt wird. Der Kläger bezieht seit dem 1. November 2003 von der Beklagten die Firmenrente und von der Pensionskasse die Pensionskassenrente. Der Kläger und die Beklagte hatten vereinbart, dass für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die über die Pensionskasse durchgeführt werden, die jeweils gültige Satzung der Pensionskasse maßgeblich sein soll. Laut Satzung der Pensionskasse ist ein Fehlbetrag unter bestimmten Voraussetzungen durch Herabsetzung der Versorgungsleistungen auszugleichen. Die Mitgliederversammlung der Pensionskasse beschloss im Jahr 2003, dass eine Herabsetzung ihrer Leistungen erfolgen sollte und zahlte in der Folgezeit an den Kläger eine verringerte Pensionskassenrente aus. Daraufhin hat der Kläger von der Beklagten unter anderem den Ausgleich der Beträge verlangt, um die die Pensionskasse ihre Leistungen herabgesetzt hatte. Dies hat die Beklagte verweigert. Die Entscheidung Das BAG hat entschieden, dass die Beklagte die durch die Pensionskasse herabgesetzten Pensionsleistungen ausgleichen muss. nämlich nicht auf Satzungsbestimmungen, die der Pensionskasse das Recht geben, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen. Hinweise für die Praxis Der Arbeitgeber ist in seiner Wahl frei, ob er seinen Arbeitnehmern eine Versorgungszusage nach der betrieblichen Altersversorgung erteilt oder nicht. Entscheidet er sich dafür, so steht es ihm ebenfalls frei, die betriebliche Altersversorgung selbst oder aber über einen externen Versorgungsträger durchzuführen. In jedem Fall muss er aber für die Versorgungszusage einstehen, unabhängig davon, ob er die betriebliche Altersversorgung selbst oder beispielsweise über eine Pensionskasse durchführt. Hat sich die Pensionskasse also gegenüber dem Arbeitgeber wirksam vorbehalten, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen, so geht dies nicht zu Lasten des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers ist nämlich zwingend gesetzlich vorgeschrieben. Hiervon kann nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Arbeitgeber, die bereits eine betriebliche Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger durchführen, sollten die entsprechenden Versicherungsbedingungen prüfen. Hat sich der externe Versorgungsträger wirksam vorbehalten, eigene Fehlbeträge durch Herabsetzung seiner Versorgungsleistungen auszugleichen, so wird der Arbeitgeber für eine etwaige Leistungskürzung einstehen müssen. Diesbezüglich sollten dann rechtzeitig Pensionsrückstellungen gebildet werden. Sofern Sie weitere Informationen wünschen oder Fragen zu diesem Thema haben, kontaktieren Sie bitte: Dominik Gallini Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T +49 (0) 221 5108 4042 E dominik.gallini@osborneclarke.de Macht die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Versorgungsleistungen auszugleichen, so besteht laut dem BAG eine Ausgleichspflicht des Arbeitgebers aus dem arbeitsvertraglichen Grundverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Dass die Parteien auf die jeweils gültige Satzung der Pensionskasse Bezug genommen haben, ändere hieran nichts. Diese dynamische Inbezugnahme erstrecke sich 13 von 18 Osborne Clarke

Arbeitsrecht in der Krise und Insolvenz Bonusansprüche und Insolvenz Firma pleite, Bonus futsch? Sind Ansprüche auf variable Vergütung in der Insolvenz des Arbeitgebers als Masseforderung in voller Höhe zu bezahlen oder muss der Mitarbeiter seinen Anspruch mit vielen anderen Gläubigern beim Insolvenzverwalter zur "Tabelle anmelden"? Letzteres ist der Fall: der Mitarbeiter muss sich wohl mit wenigen % des Bonus zufrieden geben. Das folgt aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. November 2012 (Az.: 10 AZR 793/11). Wie im März 2013 in diesem Newsletter berichtet, hat das BAG entschieden, dass bestimmte Bedingungen variabler Vergütungssysteme in Arbeitsverträgen nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulässig sind (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 2012, Az.: 10 AZR 783/11). Am gleichen Tag hat das BAG auch über eine Bonussituation in der Insolvenz geurteilt, wozu die vollständige Begründung nun vorliegt: Der Sachverhalt Der Mitarbeiter war in einem Hightech-Unternehmen als Senior Director/Overall Program Manager außertariflich mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von gut EUR 116.000,00 beschäftigt. Dieses Zieleinkommen unterteilte sich in ein festes Jahresgehalt in Höhe von EUR 84.000,00 und einen variablen Anteil in Höhe von EUR 32.600,00 bei einhundert prozentiger Zielerreichung im Geschäftsjahr (1. Oktober bis 30. September des Folgejahres). Nach dem Arbeitsvertrag waren die Ziele in einer gesonderten Zielvereinbarung jährlich aufgrund der firmeninternen Richtlinie festzulegen. Entgegen dieser Verpflichtung unterließ es die Arbeitgeberin jedoch für das Geschäftsjahr 2008/2009 mit dem Senior Director eine Zielvereinbarung abzuschließen. Wegen Zahlungsunfähigkeit stellte die Arbeitgeberin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Verfahren wurde am 1. April 2009 eröffnet. Der in der Folgezeit aus dem Unternehmen ausgeschiedene Senior Director war der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Zahlung der vollen variablen Vergütung aufgrund eines Schadensersatzanspruches für den an-teiligen Bonus-Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung (Oktober 2008 bis März 2009) in Höhe von EUR 16.300,00 habe. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München (Urteil vom 30. Juni 2011, Az.: 3 Sa 85/11) gab ihm Recht. Die Entscheidung Das BAG hob das Urteil des LAG auf und hält an der bisherigen Rechtsprechung zur Konkursordnung, die bis zur Einführung der Insolvenzordnung galt, fest: Der Senior Director hat keinen direkten Anspruch auf die voll-ständige Bezahlung seiner Bonusforderung (als sog. "Masseforderung"), sondern muss den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch bei dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden ( Insolvenzforderung ). Die von dem Senior Director eingeklagten Bonusforderungen betrafen die Monate Oktober 2008 bis März 2009 und fallen damit in den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2009. Die Bonusforderung ist damit nur eine Insolvenzforderung, mit der Folge, dass der Senior Director auf seine bestehende Forderung lediglich anteilig eine Zahlung erhält ("Insolvenzquote"). Ein Anspruch auf (vorrangige) Bezahlung in voller Höhe (als "Masseforderung" im Sinne der 53, 55 Insolvenzordnung) besteht nicht, da die Forderungen eben aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung resultieren. Die Erfurter Richter stellen mit diesem Urteil klar, dass Ansprüche auf variable Vergütung während des Bezugszeitraumes zeitanteilig ("pro rata temporis"), entsprechend der zurückgelegten Dauer, entstehen und nicht erst am Ende des Bezugszeitraumes. Etwas anderes kann gelten, wenn eine zusätzliche Vergütung für Leistungen versprochen wird, die zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringen sind. Hinweise für die Praxis Die Entscheidung der Erfurter Richter stellt für die Praxis klar: Bei Sonderzuwendungen des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer nur dann einen direkten An-spruch gegen die Insolvenzmasse auf volle Bezahlung seiner Forderungen, wenn sie nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (sog. "Masseforderungen"). Zu den Sonderzuwendungen zählen auch variable Vergütungen wie Boni als zusätzliche Vergütung der Arbeits-leistung. Dasselbe gilt für Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, die nicht unmittelbar die Arbeitsleistung honorieren. Stichtags- und anlassbezogene Gratifikationen wie Weihnachtsgeld sind dann Masseforderungen, mit der Folge, dass sie voll-ständig aus der Insolvenzmasse zu bezahlen sind, wenn der Stichtag oder Anlass in den Zeit-raum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt. Werden also Arbeitsleistungen honoriert, die zeitlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, oder fällt der Stichtag zeitlich vor den Eröffnungstermin, besteht lediglich eine einfache Insolvenzforderung: Der Arbeitnehmer muss seine Forderung dann wie viele andere Gläubiger auch beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Nach Verwertung des noch vorhandenen Vermögens durch den Insolvenzverwalter erhalten die einfachen Insolvenzgläubiger dann eine 14 von 18 Osborne Clarke

anteilige Quote je nach restlicher Insolvenzmasse in Höhe von regelmäßig nur 1% bis 3%. Der Senior Director wird für das Bonushalbjahr von Oktober 2008 bis März 2009 nach Anmeldung seiner Forderungen zur Insolvenztabelle anstatt der eingeklagten EUR 16.300,00 Bonus also wahrscheinlich nur zwischen EUR 150,00 und EUR 500,00 aus der Insolvenzmasse erhalten. Diese "vorher/nachher-regel" der Insolvenz gilt nicht nur für die Vergütung, sondern auch für Schadensersatzansprüche, die ein Arbeitnehmer als Ersatz für einen (entgangenen) Vergütungsanspruch geltend macht. Bonus als Schadenersatz? Ausblick Die Erfurter Richter mussten in diesem Urteil nicht konkret entscheiden, ob der Senior Director tatsächlich einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des entgangenen Bonus geltend machen kann. Das BAG hat den An-spruch wegen des Nichtabschlusses einer Zielvereinbarung im Geschäftsjahr 2008/2009 unterstellt, denn für dieses Urteil war allein relevant, ob überhaupt ein An-spruch auf Bezahlung in voller Höhe (als "Masseforderung") besteht oder es sich lediglich um eine einfache Insolvenzforderung handelt, die zur Insolvenztabelle anzumelden ist. In einem anderen Urteil des gleichen Tages hat das BAG jedoch bestätigt, dass ein Arbeitnehmer, der variable Vergütung aufgrund einer Zielvereinbarung verdienen soll, auch einen Anspruch auf den Abschluss einer Zielvereinbarung hat (Urteil vom 14. November 2012, Az.: 10 AZR 783/11). Hat der Arbeitgeber zu vertreten, dass diese Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wurde, besteht dann ein Schadensersatzanspruch des Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber: Die entgangene Vergütung ist zu ersetzen. Eine ausführliche Kommentierung dieses Urteils, auch zur Höhe des Schadensersatzanspruches wird im kommenden Newsletter (Anfang Oktober 2013) erscheinen. Sofern Sie weitere Informationen wünschen oder Fragen zu diesem Thema haben, kontaktieren Sie bitte: Sonja Riedemann LL.M (LSE) / Fachanwältin für Arbeitsrecht Innere Kanalstr. 15 50823 Köln T +49 (0) 221 510 84118 E sonja.riedemann@osborneclarke.de 15 von 18 Osborne Clarke

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