Fehlernährung und Übergewicht



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Fehlernährung und Übergewicht Stichworte und Gedanken zu einem Vortrag beim RC Wiesbaden am 20.07.2004 von Prof. Dr. med. habil. Gustav G. Belz Internist/Kardiologe, Wiesbaden Heute werden 80% der erwachsenen Bundesbürger im Laufe ihres Lebens übergewichtig, jeder 4. sogar adipös (Body Mass Index [BMI] > 30). Entstehung von Adipositas Der wesentliche Grund für die steigende Prävalenz von Übergewicht ist eine in Bezug auf die geringe körperliche Aktivität des heutigen Alltags inadäquat hohe Energiezufuhr, besonders die übermäßige Aufnahme von: - fettreichen, sowie - süßen Nahrungsmitteln. Die allgemeine Tendenz aus den USA zu uns kommend sind: größere Portionen, fettreiche Snacks, Fast Food, Soft Drinks (allgegenwärtig, z.b. an der Tankstelle). Nicht nur das Übergewicht selbst bedeutet Risiko, sondern besonders die dadurch entstehenden Risikofaktoren (RF). 1

Risiken durch Übergewicht und Adipositas - Kardiovaskuläre RF (Lipide, Bluthochdruck und Diabet. mell.) - Schlafapnoe - Hormonabhängige Carcinome - Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates - Behinderung beruflicher Aufgaben - Belastung von Partnerschaft und Selbstbewußtsein Bereits ein mäßiges Übergewicht mit Fettverteilung i. S. einer zentralen Adipositas hat eine Schlüsselfunktion in der Entwicklung von kardiovaskulärem Risiko. Der sogenannte Bier-Bauch ist ein Indikator für das metabolische Syndrom (= Wohlstandssyndrom). Es setzt sich zusammen aus: Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ II, Fettstoffwechselstörungen, sowie Hypertonie. Bei Erwachsenen ist der Taillenumfang noch besser zur Risikobeurteilung geeignet als der BMI. Bei Frauen besteht ein erhöhtes Risiko ab 80 cm, stark erhöhtes Risiko ab 88 cm. Bei Männern gelten 94 cm bzw. 104 cm. Essen nach dem Speiseplan der Natur Immer wieder ist die Frage diskutiert worden, ob der Mensch Vegetarier oder Carnivore sei. Hierzu gibt es eine evolutionsgeschichtliche Argumentation (nach dem Berliner Anthropologen Carsten Niemitz aus dessen Buch: Das Geheimnis des aufrechten Gangs ): Omnivoren sind sogenannte Allesfresser und besitzen Zähne ohne eine spezielle Anpassung an Häxeln und Zermahlen harter Pflanzenteile, wie sie bei den Vegetariern unter den Primaten wie Orang Utan oder Gorilla vorkommen, oder wie sie zum Zerteilen von Haut und Sehnen von Beutetieren als messerscharfe Schneidekanten bei den Raubtieren vorkommen. Menschen und unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, besitzen keinesfalls ein für vegetarische Ernährung sondern ein für Mischnahrung geeignetes Gebiss. 2

Auch die Darmlänge im Verhältnis zur Körperlänge gibt Hinweise auf die Ernährungsweise einer Spezies und beträgt beim Menschen 6:1, bei der Katze 4:1, beim Hund 8:1, beim Pferd 12:1 und beim Rind 20:1, also auch hier: der Mensch ist ein Alles(fr)esser. Für die weitaus längste Zeit der Ernährungsgeschichte standen dem Menschen als Sammler und Jäger Samen, Nüsse, Blätter, Wurzeln, Beeren und Fleisch, vor allem als Fisch zur Verfügung. An diese Kost ist der Mensch angepaßt. Sie hielt den Blutzucker niedrig, vor allem aber das Insulin. Ohne Getreide und Zucker hatte die Ernährung einen niedrigen GLYX (glykämischer Index). Diese Steinzeitdiät enthielt aber auch ein optimales 1:1 Verhältnis von zwei essentiellen Fettsäuren: - Omega-6-Fettsäuren (Pflanzenöle und Keime) - Omega-3-Fettsäuren (in Fischen, auch in Lein- und Rapsöl, sowie Walnüssen). Heute beträgt das Verhältnis des Überschusses an Omega-6-FS aus z. B. Sonneblumen-, Distelölen und Diätmargarinen 20:1 bis 25:1. Die notwendige Fetteinsparung sollte an gesättigten tierischen oder gehärteten pflanzlichen Fetten erfolgen und durch fetten Fisch, Raps oder Nüsse ersetzt werden. 3

Warum sind Omega-3-FS derart bedeutsam? Auch hier greifen wir auf die Evolution zurück: Der Homo Sapiens entwickelte sich an den Ufern des Rift Valley ist Ostafrika. Die Ernährung erfolgte hauptsächlich mit Fisch, war also reich an Omega-3-FS. Diese sind unerlässlich für eine optimale geistige Entwicklung und dürften einen Einfluss auf die Evolution und Leistungsfähigkeit des Gehirns gehabt haben. Die Omega-3- FS sind auch in der Lage, erhöhte Blutfette normalisieren. Pflanzliche Omega-3-FS, z.b. Alpha-Linolensäure (ALA) haben, verglichen mit maritimen FS wie z.b. Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA), auf Lipide und Blutdruck einen wesentlich geringeren Effekt als die aus den Fischen stammenden EPA und DHA. Fischöle wirken antiarrhythmisch, entzündungshemmend, senken Blutdruck und Triglyzeride und verbessern die Endothelfunktion. Eine Metaanalyse aus 11 prospektiven Kohortenstudien zeigte: Fischzufuhr erniedrigt die Koronarmortalität (Herzinfarkt) von Bevölkerungen erheblich. Beim regelmäßigen Verzehr von fettem Seefisch (Lachs, Makrele, Hering) sinkt die Zahl der tödlichen Herzinfarkte um fast 50% und vermindert das Auftreten von plötzlichem Herztod ebenfalls um fast 50%. Der Effekt übertrifft sogar den der modernen Cholesterinsenker (Statine). An einer neuen Studie an Männern mit Angina Pectoris zeigte sich aber auch, dass in der Gruppe mit erhöhter Omega-3-FS-Zufuhr die kardiale Mortalität größer war als in der Gruppe, der man empfohlen hatte Fisch zu essen (11,5% : 9,0%, p = 0,002), was für die natürliche Zufuhr sprechen würde. Daraus ergibt sich als Fazit: Mindestens bei zwei Mahlzeiten pro Woche fetten Fisch zu sich nehmen oder Fischölkapseln einnehmen. 4

Stärkekohlenhydrate auf dem Vormarsch Der systematische Getreideanbau begann etwa vor 10 000 Jahren, sehr viel später erst (vor ca 250-300 Jahren) stand dann die Kartoffel zur Verfügung. Die gravierendste Veränderung der Ernährungsweise kam aber mit deren Industrialisierung. Zucker (und Honig) waren früher kostbares Gewürz. Heute steht besonders Zucker ständig zur Verfügung, ist billig und wird im Übermaß verwendet. An die Stelle einer ballaststoffreichen Kost trat in kurzer Zeit eine kalorienreiche stark verarbeitete Nahrung mit hohem Fett-Zucker-Stärkeanteil und wenig Ballaststoffen. Die 200 Jahre (etwa 7 Generationen) sind für eine genetische Anpassung an diese Ernährungsweise viel zu kurz. Der bewegungsarme Sitzmensch im Büro und vor dem Fernseher erleidet jeden Tag wahre Kalorienalbträume" in Form der ubiquitären Zucker-Fett-Verführer: Backwaren, Snacks, Knabbereien, Pizza, Pommes Frites, Chips, Süßigkeiten, Schokoriegel, Eiscreme u.v.a. mehr. Besonders ungünstige Nahrungsmittel sind: Croissant, Waffeln, Cornflakes, Pommes frites, Softdrinks wie Coca Cola und andere süße Limonaden. Low Carb, LOGI, GLYX, Dr. Atkins, Montignac und andere Abnehm-Diäten Auf den Punkt gebracht lautet die Ernährungsregel: Es ist egal was wir essen, solange die Insulinproduktion niedrig gehalten wird. Was macht Insulin? Das Speicherhormon Insulin aus den Langerhans schen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse öffnet die Körperzellen für den Eintritt von Blutzucker (Glucose). Steigt nach einer Mahlzeit die Glucose im Blut, wird Insulin ausgeschüttet. Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index (GLYX) wie z.b. Weißbrot, setzen rasch und viel Insulin frei. Damit fällt der Blutzuckerspiegel nachfolgend stark ab und es entsteht eine Unterzuckerung (Hunger). Dies löst erneute Nahrungsaufnahme aus etc. 5

Ungünstige Kohlenhydrate und ständiges Naschen bedingen eine hohe Insulinausschüttung. Diese steht auch der Fettmobilisierung aus den Fettgeweben entgegen, denn hohes Insulin wirkt Fett speichernd und hemmt die Freisetzung von Fett aus dem Fettgewebe. Damit können die Fettdepots nicht zur Energiegewinnung herangezogen werden. Eine Sintflut von Zucker und Stärke in der modernen Kost treibt das Pankreas (Bauchspeicheldrüse) zu einer chronisch verstärkten Insulinproduktion an mit der Folge einer Insulinmast. Ist die Insulinausschüttung über Jahre hoch, besonders bei gleichzeitigem Bewegungsmangel, entwickelt sich Insulinresistenz mit der Endstation Diabetes mellitus. Die LOGI ( = Low Glycaemic Index ) Pyramide Die Ernährungsforscher haben eine sogenannte Ernährungspyramide entwickelt, an deren Basis die besonders empfohlenen Nahrungsmittel stehen. An der Spitze stehen dann die Produkte, von denen man so wenig wie möglich essen sollte. Basis der Ernährungpyramide KH freies bzw. armes Gemüse und Obst Eiweißlieferanten wie Fisch, Geflügel, Fleisch, Eier, Milchprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte Mittelposition der Pyramide Vollkornbrot, Basmatireis, Hartweizenspaghetti u.ä. Spitze der Pyramide Die meisten Getreideprodukte, vor allem Backwaren und Brot aus raffiniertem Mehl, Kartoffeln, Süßigkeiten und alle mit Zucker gesüßten Getränke. 6