Kritische Würdigung des Hau und Lucke Szenarios einer obligatorischen Rekapitalisierung der Banken als Alternative zum Rettungsschirm von Daniel Müller 1 19.10.2011 Abstract: Am 16.09.2011 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Gastbeitrag von Harald Hau und Bernd Lucke. In diesem Artikel simulieren die Autoren ein Worst-Case Szenario, in welchem alle GIIPS-Staaten eine Umschuldung durchführen müssen. Als Alternative zum Rettungsschirm soll eine obligatorische Rekapitalisierung der europäischen Banken durchgeführt werden. Sie kommen zu dem Schluss, dass die hierdurch entstanden Belastungen für die europäischen Staaten verkraftbar seien. Eine Analyse des Vorschlags zeigt jedoch, dass nicht alle potentiellen Kosten berücksichtigt werden. Auch der Rekapitalisierungsbedarf zum Erhalt des Status Quo bzgl. des Eigenkapitals der Banken wird unterschätzt. 1 E-Mail: daniel.mueller124@googlemail.com I
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis... III Tabellenverzeichnis... III Abkürzungsverzeichnis... III 1 Einleitung... 1 2 Der Rekapitalisierungsansatz von Hau und Lucke... 2 3 Kritische Würdigung... 4 3.1 Seniorität öffentlicher Gläubiger und die Höhe der postulierten Haircuts... 4 3.2 Schätzung indirekter Verluste für die Banken... 5 3.3 Rekapitalisierungsbedarf zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitalbestands... 6 3.4 Verluste für den deutschen Steuerzahler... 7 3.5 Belastung der Staatshaushalte durch Rekapitalisierungsmaßnahmen... 9 4 Thesenhafte Zusammenfassung... 11 Literaturverzeichnis... IX II
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Berücksichtigung der indirekten Verluste im Hau und Lucke Setting... 3 Abbildung 2: Eigenkapitaleffekte im Hau und Lucke Setting (EU-Banken)... 6 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: direkte Forderungen der teilnehmenden Banken gegenüber den GIIPS-Staaten... 2 Tabelle 2: direkte Verluste der teilnehmenden Banken aufgrund des Default-Szenarios... 2 Tabelle 3: Zusammenfassung der Ergebnisse von Hau und Lucke... 3 Tabelle 4: indirekte Verluste aufgrund des Default-Szenarios... 6 Tabelle 5: Rekapitalisierungsbedarf zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitals... 7 Tabelle 6: Rekapitalisierungsverluste unter Berücksichtigung von Staatsbeteiligung... 8 Abkürzungsverzeichnis BIP... Bruttoinlandsprodukt bzgl.... bezüglich EBA... European Banking Authority EFSF... European Financial Stability Facility EFSM... European Financial Stability Mechanism EU... Europäische Union EZB... Europäische Zentralbank ggü.... gegenüber GIIPS... Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien HRE... Hypo Real Estate i.d.h.v.... in der Höhe von IWF... Internationaler Währungsfonds SoFFin... Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung z.b.... zum Beispiel III
1 Einleitung Am 16.09.2011 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Gastbeitrag von Harald Hau und Bernd Lucke 2. In diesem Artikel simulieren die beiden ein Worst-Case Szenario der Staatschuldenkrise in Europa. Das Gedankenspiel sieht vor, dass alle GIIPS-Staaten insolvent werden und eine Umschuldung durchführen müssen. Die Schuldenschnitte (engl.: Haircuts) sollen für Griechenland und Portugal 50 % betragen, wohingegen für Irland, Spanien und Italien 25 % vorgesehen sind. Dieses Szenario wird im weiteren Verlauf der Arbeit Default-Szenario genannt. Als Alternative zu der Rettungsschirmpolitik schlagen die beiden eine obligatorische Rekapitalisierung der europäischen Banken vor. Sie kommen zu dem Schluss, dass die hierdurch entstanden Belastungen für die europäischen Staaten verkraftbar seien. In dieser Arbeit soll zunächst in Kapitel 2 - das Vorgehen und die Ergebnisse von Hau und Lucke vorgestellt werden. In Kapitel 3 wird der Ansatz einer kritischen Würdigung unterzogen. Kapitel 4 fasst die identifizierten Kritikpunkte nochmals zusammen. 2 Siehe Hau und Lucke 2011. 1
2 Der Rekapitalisierungsansatz von Hau und Lucke Für Ihre Berechnungen verwenden Hau und Lucke den Datensatz des Stresstest der europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vom 15.Juli 2011 3. Ausgangspunkt der Kalkulationen von Hau und Lucke 4 sind die Forderungen der Institute gegenüber den GIIPS-Staaten: Tabelle 1: direkte Forderungen en der teilnehmenden Banken gegenüber den GIIPS-Staaten Hieraus kann man die direkten Verluste der Institute aufgrund des Default-Szenarios errechnen, indem man die postulierten Schuldenschnitte auf die Forderungen anwendet: Tabelle 2: direkte Verluste der teilnehmenden Banken aufgrund des Default-Szenarios Die Banken erleiden im Default-Szenario nicht nur direkte Verluste. Indirekte Verluste für den Bankensektor entstehen durch Kreditausfälle von privaten Gegenparteien, die auf die Schuldenschnitte zurückzuführen sind. Um diesen Effekt näherungsweise zu berücksichtigen verwenden Hau und Lucke nicht das Tier 1 Kapital, sondern lediglich das Common Equity der einzelnen Banken als Grundlage Ihrer Berechnungen. Genauer gesagt, verstehen Hau und Lucke das Tier 1 Kapital (im Stressszenario der EBA) als Kapitalanfangsausstattung 5. Diese wird durch die indirekten Verluste - auf das Niveau des Common Equity Kapitals (im EBA Stressszenario) - gesenkt. Im 3 Zu finden unter: http://www.eba.europa.eu/eu-wide-stress-testing/2011/2011-eu-wide-stress-test-results.aspx. 4 Die Originalberechnungen von Hau und Lucke sind unter http://www.wiso.uni-hamburg.de/lucke/wp- content/uploads/2011/04/data-for-hau-and-lucke-article-faz-16.9.111.xlsx zu finden. Aus Gründen der Darstellung sind die folgenden Tabellen aus meiner Excel Kalkulation entnommen. Diese ist wiederum unter http://gruener.vwl.uni-mannheim.de/1268.0.html zu finden. 5 Diese Aussage wird von Hau und Lucke nicht explizit getroffen. Sie ergibt sich implizit aus Ihren Berechnungen. 2
Ergebnis erhält man das übrige Tier 1 Kapital, welches exakt dem Common Equity (im EBA Stressszenario) entspricht. Dieses wird im weiteren Verlauf der Arbeit Hau-Lucke-Tier 1 Kapital genannt. Abbildung 1 veranschaulicht die Operation nochmals: Abbildung 1: Berücksichtigung der indirekten Verluste im Hau und Lucke Setting Durch dieses Vorgehen fallen die indirekten Verluste somit im ersten Schritt an - also vor den direkten Verlusten. Im nächsten Schritt weisen en die Autoren den Rekapitalisierungsbedarf der europäischen Banken entsprechend den direkten Verlusten aus dem Default-Szenario aus. Hierbei unterscheiden Sie zwischen einem Investitionsbedarf zur Wiederherstellung des Hau-Lucke- Tier 1 Kapitals und sog. Rekapitalisierungsverlusten. Diese Verluste entstehen nur dann, wenn der Rekapitalisierungsbedarf das Hau-Lucke Tier 1 Kapital einer Bank übersteigt. Sie treten nur in den GIPPS-Staaten Staaten und in Deutschland bei der Hypo Real Estate auf. Im Ergebnis identifizieren die Autoren folgende Belastungen für die europäischen Staaten aufgrund des Default-Szenarios: Tabelle 3: Zusammenfassung der Ergebnisse von Hau und Lucke 3
3 Kritische Würdigung Im Folgenden wird der Ansatz von Hau und Lucke einer kritischen Würdigung unterzogen: 3.1 Seniorität öffentlicher Gläubiger und die Höhe der postulierten Haircuts Hau und Lucke definieren nicht vollständig für welche Gläubiger Ihr Default-Szenario gelten soll. Aus dem Artikel geht lediglich hervor, dass private Gläubiger von den Schuldenschnitten betroffen sein sollen und die EZB ihre Forderungen ausnahmslos durchsetzen würde: Wir unterstellen im Folgenden, dass private Gläubiger 50% ihrer Forderungen auf griechische und portugiesische Staatsschulden abschreiben müssen, während Irland, Italien und Spanien trotz der Insolvenz noch 75% des Schuldendienstes leisten. [ ] Angesichts der Machtposition der EZB nehmen wir an, dass die EZB ihre Ansprüche voll durchsetzen kann. Unklar bleibt jedoch, was das Default-Szenario für die Forderungen von IWF und den EU- Staaten bedeuten würde. Denkbare Extremalternativen bzgl. der Behandlung dieser Forderungen und damit einhergehende Auswirkungen auf das Default-Szenario werden im Folgenden analysiert: Fall 1: volle Seniorität von IWF und EU-Staaten Allgemein existiert kein internationales Insolvenzrecht für Staaten. Betrachtet man die in jüngster Geschichte angewendete Praxis, so kann man eine bevorzugte Befriedigung von Notkrediten multilateraler Gläubigerinstitutionen beobachten 6. Der IWF fällt ohne Zweifel in diese Kategorie. Interpretiert man die bilateralen Hilfskredite der EU-Staaten als ein Hilfspaket der EU- bzw. der Eurostaaten, so könnte man auch diesen Forderungen einen Senioritätsstatus zuerkennen. Dieses Vorgehen würde die effektive Höhe der Schuldenschnitte in den betroffenen Ländern deutlich verringern. Für Griechenland würde sich im Default Szenario ein Schuldenschnitt von lediglich 33% ergeben, was immer noch eine Verschuldungsquote von 100% des BIP mit sich brächte 7. Eine Verschuldungsquote von über 90% des BIP gilt allgemein als kritischer 6 Siehe Szodruch 2008 S. 190. 7 Hierbei wird von einem Schuldenstand von 350 Mrd. ausgegangen. Das BIP Griechenlands in 2010 betrug nach Eurostat 230 Mrd.. 4
Wert 8. Vor diesem Hintergrund könnte man wohl kaum von einem nachhaltigen Befreiungsschlag für die Hellenische Republik sprechen. Im Ergebnis würde mindestens der Haircut von Griechenland im Default-Szenario zu klein ausfallen. Fall 2: IWF und EU-Staaten erleiden Verluste gemäß dem Default-Szenario Weicht man vom Gewohnheitsreicht einer Seniorität der IWF-Forderungen ab und interpretiert die Hilfskredite der EU-Länder (inkl. EFSM /EFSF) als bilaterale Kredite, so müssten die hierdurch entstehenden Kreditausfälle im Default-Szenario als Kosten berücksichtigt werden. Im Ergebnis zeigen beide Fälle unterschiedliche Schwächen des Default-Szenarios auf. Somit wären auch Zwischenlösungen wie eigene Haircuts für den IWF und die EU-Staaten, oder eine Seniorität nur für den IWF teilweise mit diesen Mängeln behaftet. Kritikpunkt 1: Hau und Lucke berücksichtigen bei Ihren Berechnungen die bestehenden Forderungen von IWF und den EU-Staaten nicht. Dies hat zur Folge, dass entweder die gewählten Haircuts des Default-Szenarios wohl zu niedrig wären, oder ein beträchtlicher Teil der Umschuldungsverluste für die Steuerzahler vernachlässigt würde. 3.2 Schätzung indirekter Verluste für die Banken Die Banken erleiden im Default-Szenario nicht nur direkte Verluste, welche durch die Schuldenschnitte entstehen. Indirekte Effekte auf den Bankensektor entstehen durch Kreditausfälle von privaten Gegenparteien, die auf die Schuldenschnitte zurückzuführen sind: Ein Schuldenschnitt hat zusätzliche indirekte Auswirkungen auf Banken. Sowohl private Haushalte als auch Unternehmen erleiden Verluste, die Rückwirkungen auf die Vermögenswerte der EU-Banken haben. Um diesen indirekten Effekt abzubilden, unterstellen wir nicht die tatsächliche Eigenkapitalausstattung der Banken sondern einen um 25% niedrigeren Wert, der auch in den Stresssituationen der Stresstests verwendet wurde. 8 Vgl. Reinhart und Rogoff 2010. 5
In Kapitel 2 wurde der Ansatz von Hau und Lucke bereits vorgestellt (vgl. Abbildung 1). In Tabelle 4 sind nachfolgend die resultierenden indirekten Verluste für die Banken quantifiziert: Tabelle 4: indirekte Verluste aufgrund des Default-Szenarios 3.3 Rekapitalisierungsbedarf zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitalbestands Wie oben gesehen gehen Hau und Lucke auf die indirekten Effekte in Ihrem Artikel ein. In Ihren Berechnungen des notwendigen Rekapitalisierungsbedarfs zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitals der Banken fehlt dieser Effekt jedoch wieder. Eine Aufrechterhaltung des Eigenkapitals des deutschen Bankensektors verlangt darüber hinaus eine Rekapitalisierung von 19 Mrd, die als staatliche Investition zu bewerten ist. Diese Rekapitalisierung würde jedoch nur die direkten Verluste aus dem Default-Szenario egalisieren. Zur Verdeutlichung sind die kumulierten Effekte auf das Eigenkapital der Banken durch das Default-Szenario und durch den EBA-Stresstest in Abbildung 2 nochmals veranschaulicht: Abbildung 2: Eigenkapitaleffekte im Hau und Lucke Setting (EU-Banken) 6
Zur Aufrechterhaltung der Eigenkapitaldecke müsste man die Anfangsausstattung wieder herstellen. Folglich müssten auch die indirekten Verluste rekapitalisiert werden. Hierfür wären im Hau und Lucke Setting allein in Deutschland 67,5 Mrd. notwendig. Zusätzlich müssten noch eine Rekapitalisierung der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen vorgenommen werden, welche als systemrelevant anzusehen ist und im Datensatz der EBA nicht enthalten ist 9. Will man den Status Quo der Eigenkapitalausstattung wieder herstellen, müsste man zusätzlich ebenfalls die Verluste aufgrund des adversen en Szenarios im EBA-Stresstest rekapitalisieren. In ganz Europa würde sich dieser Rekapitalisierungsbedarf auf rund 600 Mrd. kumulieren. Tabelle 5: Rekapitalisierungsbedarf zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitals Betrachtet man nur die direkten Verluste und die EBA-Stresssituation erhält man einen Rekapitalisierungsbedarf von 304 Mrd. für Europa. Kritikpunkt 2: Zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitalbestands der deutschen Institute bedarf es mehr als die direkten Verluste e aus den Schuldenschnitten zu rekapitalisieren. Indirekte Auswirkungen auf den Bankensektor und die Folgen einer negativen makroökonomischen Entwicklung müssen hierfür ebenfalls rekapitalisiert werden. 3.4 Verluste für den deutschen Steuerzahler Eines der zentralen Argumente für die Rekapitalisierungslösung von Hau und Lucke ist folgendes:...erwirbt der Staat, wenn er unzureichend mit Eigenkapital ausgestattete Banken rekapitalisiert, geldwerte Ansprüche... 9 Aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen der Helaba und der EBA bzgl. der Definition des Core-Tier 1 Kapitals wurden deren Ergebnisse nicht im EBA-Datensatz berücksichtigt. Vgl. Helaba 2011. 7
Eine Rekapitalisierung der Banken durch den Staat wird somit als Investition interpretiert. Diese ist kostenneutral, solange für die Aktien der faire Preis bezahlt wird. Verluste entstehen also nur dann, wenn der Rekapitalisierungsbedarf das ursprüngliche Eigenkapital übersteigt. Nur für die Hypo Real Estate würde das Eigenkapital negativ werden, so dass eine Rekapitalisierung notwendigerweise Verluste für den Steuerzahler bedeutet. Diese Verluste lägen allerdings bei weniger als 1 Mrd.. Hau und Lucke gehen hier davon aus, dass s der deutsche Steuerzahler bisher keine Anteile am Eigenkapital der deutschen Banken hält. Dies ist nicht der Fall. Der EBA-Datensatz erlaubt es jedoch auch, die Verluste bei Aktienpaketen in öffentlicher Hand im Falle des Default- Szenarios zu beziffern 10 : Allein bei der HRE werden so aus 439 Mio. stolze 5 Mrd. Verlust für den deutschen Steuerzahler (noch ohne Verluste aus der Bad Bank). Betrachtet man alle deutschen Institute im Stresstest, erhält man einen Verlust von insgesamt 17 Mrd. für die Bundesrepublik. Für ganz Europa kommt man sogar auf 64,8 Mrd. Verlust für die öffentlichen Haushalte, wovon Hau und Lucke lediglich 26,2 Mrd. 11 identifizieren. Tabelle 6: Rekapitalisierungsverluste unter Berücksichtigung von Staatsbeteiligung Kritikpunkt 4: Für Hau und Lucke entstehen Verluste bei einer Rekapitalisierung der Banken nur dann, wenn der Rekapitalisierungsbedarf aufgrund des Default-Szenarios das ursprüngliche Eigenkapital übersteigen würde. Hierbei berücksichtigen Sie nicht, dass der Staat bereits Anteile am Eigenkapital vieler Banken besitzt. Dies sind jedoch noch nicht alle Verluste für den deutschen Steuerzahler. Ein großer Anteil der GIIPS-Staatsanleihen Staatsanleihen wurde in Bad-Banks Banks ausgelagert. Diese öffentlichen Anstalten 10 Hierfür wurden im Datensatz der Anteil des Staates am Stammkapital für die ATEbank aus Griechenland und ALLIED IRISH BANKS PLC aus Irland auf 100% korrigiert. 11 Diese Zahl findet sich nicht im FAZ-Artikel von Lucke und Hau. Sie stammt aus deren Datensatz. 8
haben an dem EBA-Stresstest nicht teilgenommen. Die Verluste die hier im Default-Szenario anfallen würden, fehlen somit bei den Berechnungen von Lucke und Hau. In ihrem Jahresbericht 2010 weißt die FMS Wertmanagement AöR (Bad Bank der HRE) ein GIIPS-Sovereign Exposure von 58,9 Mrd. aus 12. Wendet man das Default Szenario hierauf an, kommt man auf weitere Verluste i.d.h.v. 17,98 Mrd.. Analog ergibt sich für die Erste Abwicklungsanstalt (Bad Bank der WestLB) ein Verlust von 1,96 Mrd. 13. Kritikpunkt 3: Hau und Lucke berücksichtigen die Verluste, welche im Default-Szenario bei Bad Banks anfallen würden, nicht. Sie beziehen hierdurch Verluste für die Bundesrepublik von rund 20 Mrd. nicht in Ihre Kalkulationen mit ein. 3.5 Belastung der Staatshaushalte durch Rekapitalisierungsmaßnahmen Für andere EU-Staaten, die im Default-Szenario nicht insolvent werden, kommen Hau und Lucke zu folgender Bewertung: Besser noch ist die Situation in den anderen EU-Staaten, denen ebenfalls keine Staatsinsolvenz droht: Im obigen Szenarium hätten die Banken dieser Staaten Ausfälle von 56 Mrd zu verkraften. Dies sind 9% des aggregierten Eigenkapitals dieser Kreditinstitute. [ ] Eine zufriedenstellende Kapitalausstattung der Banken kann also auch in diesen Ländern mit vergleichsweise geringem Aufwand sichergestellt werden. Zunächst ist auch hier der Effekt von Kritikpunkt 2 zu beachten, sodass der Rekapitalisierungsbedarf in diesen Ländern nicht 56 Mrd. sondern 115 Mrd. betragen würde (vgl. Tabelle 6). Diese Ausfälle verteilten sich jedoch nicht gleichmäßig auf diese Staaten. Im Zuge einer asymmetrischen Lastenverteilung würde alleine in Belgien und Frankreich 41% des Rekapitalisierungsbedarfs (47 Mrd. ) anfallen. Die Mittel zur Rekapitalisierung müssten sich die Staaten auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Eine weitere Kreditaufnahme könnte dazu führen, dass einzelne Länder mit Abstufungen seitens der Ratingagenturen rechnen müssten. Länder wie Belgien und Frankreich, die am meisten Kapital aufnehmen müssten, könnten somit die nächsten Krisenkandidaten werden. 12 Vgl. FMS Wertmanagement AöR 2011 S. 59. 13 Vgl. Erste Abwicklungsanstalt 2011 S.17 9
Kritikpunkt 5: Die Rekapitalisierungsoperationen könnte die Staatsschuldenkrise auf weitere Länder ausweiten, da Staatshaushalte belastet werden. 10
4 Thesenhafte Zusammenfassung Kritikpunkt 1: Hau und Lucke berücksichtigen bei Ihren Berechnungen die bestehenden Forderungen von IWF und den EU-Staaten nicht. Dies hat zur Folge, dass entweder die gewählten Haircuts des Default-Szenarios wohl zu niedrig wären, oder ein beträchtlicher Teil der Umschuldungsverluste für die Steuerzahler vernachlässigt würde. Kritikpunkt 2: Zur Aufrechterhaltung des Eigenkapitalbestands der deutschen Institute bedarf es mehr als die direkten Verluste aus den Schuldenschnitten zu rekapitalisieren. Indirekte Auswirkungen auf den Bankensektor und die Folgen einer negativen makroökonomischen Entwicklung müssen hierfür ebenfalls rekapitalisiert werden. Kritikpunkt 3: Für Hau und Lucke entstehen Verluste bei einer Rekapitalisierung der Banken nur dann, wenn der Rekapitalisierungsbedarf aufgrund des Default-Szenarios das ursprüngliche Eigenkapital übersteigen würde. Hierbei berücksichtigen Sie nicht, dass der Staat bereits Anteile am Eigenkapital vieler Banken besitzt. Kritikpunkt 4: Hau und Lucke berücksichtigen die Verluste, welche im Default-Szenario bei Bad Banks anfallen würden, nicht. Sie beziehen hierdurch Verluste für die Bundesrepublik von rund 20 Mrd. nicht in Ihre Kalkulationen mit ein. Kritikpunkt 5: Die Rekapitalisierungsoperationen könnte die Staatsschuldenkrise auf weitere Länder ausweiten, da Staatshaushalte belastet werden. 11
Literaturverzeichnis EBA (Hg.) (2011): 2011 EU-WIDE STRESS TEST. AGGREGATE REPORT. Online verfügbar unter http://stress-test.eba.europa.eu/pdf/eba_st_2011_summary_report_v6.pdf, zuletzt aktualisiert am 15.07.2011, zuletzt geprüft am 18.10.2011. Erste Abwicklungsanstalt (2011): EAA Zwischenbericht 30.6.2011. Online verfügbar unter https://www.aa1.de/fileadmin/aa1- website/content/downloads/eaa_zwischenbericht_30.6.2011_- _Version_2011_08_11.pdf, zuletzt aktualisiert am 11.08.2011, zuletzt geprüft am 18.10.2011. FMS Wertmanagement AöR (Hg.) (2011): Geschäftsbericht 2010. Online verfügbar unter http://www.fms-wm.de/files/110615_gb_2010_fms_german.pdf, zuletzt aktualisiert am 18.05.2011, zuletzt geprüft am 18.10.2011. Hau, Harald; Lucke, Bernd (2011): Die Alternative zum Rettungsschirm. Zwangs- Rekapitalisierung gefährdeter Banken. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.09.2011. Online verfügbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/zwangs-rekapitalisierunggefaehrdeter-banken-die-alternative-zum-rettungsschirm-11227409.html, zuletzt geprüft am 18.10.2011. Helaba (Hg.) (2011): Stresstest 2011. Online verfügbar unter http://www.helaba.de/de/presse/stresstest, zuletzt aktualisiert am 01.01.2011, zuletzt geprüft am 18.10.2011. Reinhart, Carmen M.; Rogoff, Kenneth S. (2010): Growth in a time of debt. In: The American economic review 100 (2), S. 573 578. Online verfügbar unter http://www.economics.harvard.edu/faculty/rogoff/files/growth_in_time_debt.pdf. Szodruch, A. (2008): Staateninsolvenz und private Gläubiger: Rechtsprobleme des Private Sector Involvement bei staatlichen Finanzkrisen im 21. Jahrhundert: BWV Berliner- Wissenschaft. Online verfügbar unter http://books.google.de/books?id=vx_fzcbjxi8c. IX