Umsatzsteuerfreiheit/Umsatzsteuerpflicht der Leistungen selbständig



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Transkript:

Prof. Dr. Axel Otte, WP/StB, Heilbronn Umsatzsteuerfreiheit/Umsatzsteuerpflicht der Leistungen selbständig tätiger Ärzte Selbständig tätige Ärzte und ihre Berater sind mit der Frage konfrontiert, ob die selbständigen ärztlichen Leistungen umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig sind. Dabei wird in der Besteuerungspraxis vielfach noch heute davon ausgegangen, dass diese Leistungen vollständig als umsatzsteuerfrei zu behandeln sind. Der Beitrag zeigt die erforderlichen steuerlichen Abgrenzungen auf und beschäftigt sich mit aktuellen Neuerungen aufgrund der BFH-Rechtsprechung. Die Implikationen für die Besteuerungspraxis werden dargestellt. Dabei werden bestehende Regelungen kritisch untersucht. I. Einleitung Seitdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 14.9.2000 festgestellt hat, dass Leistungen eines Arztes nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1c der 6. EG-Richtlinie (entspricht Art. 132 Abs. 1c der MwSt- SystRL) umsatzsteuerfrei sind, wenn die Leistungen der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen, 1 ist es nicht nur zu einer Einengung umsatzsteuerfreier Leistungen, sondern auch zu erheblicher Bewegung auf diesem Rechtsgebiet gekommen. Die Finanzverwaltung hat versucht, für Rechtsklarheit durch Festlegungen in zahlreichen Schreiben 2 sowie im Umsatzsteueranwendungserlass 3 zu sorgen. Dies ist bisher jedoch nur begrenzt gelungen. Auch mögen fiskalische Interessen teilweise den Blick für rechtlich gebotene und sachlich vernünftige Abgrenzungen getrübt haben. So verwundert es nicht, dass die Rechtsprechung in einer bemerkenswerten Entscheidung zu infektionshygienischen Leistungen eines Arztes 4 die grundlegende Abgrenzung der Finanzverwaltung zwischen umsatzsteuerfreier und umsatzsteuerpflichtiger ärztlicher Tätigkeit jetzt deutlich korrigiert hat. Im Folgenden wird von einer selbständigen ärztlichen Tätigkeit im Rahmen einer Niederlassung (Vertragsarzt nach 95 SGB V) oder von einer anderen selbständigen ärztlichen Tätigkeit ausgegangen; zahnärztliche Leistungen werden hier nicht berücksichtigt. Es werden dann die aktuellen Abgrenzungen der umsatzsteuerfreien von den umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeiten auf der Basis von Festlegungen der Finanzverwaltung dargestellt und untersucht. Da die aktuelle Rechtsprechung zu Korrekturen sowohl der früheren Rechtsprechung als auch der Finanzverwaltungsauffassungen führt, werden diese ebenfalls behandelt und Konsequenzen für die Besteuerungspraxis aufgezeigt.

II. Gesetzliche Grundlagen und Abgrenzungen der Finanzverwaltung von umsatzsteuerfreier und umsatzsteuerpflichtiger ärztlicher Tätigkeit 1. Gesetzliche Grundlagen Das Umsatzsteuergesetz beschränkt sich in 4 Nr. 14a UStG auf die knappe Aussage, dass Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt werden, steuerfrei sind. Auch die gemeinschaftsrechtliche Grundlage des 4 Nr. 14a UStG, nämlich der Art. 132 Abs. 1c MwStSystRL, ist ähnlich knapp gefasst. Es werden die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei gestellt. 2. Festlegungen der Finanzverwaltung Da die gesetzlichen Vorgaben in erheblichem Umfang der Interpretation bedürfen, hat die Finanzverwaltung im Umsatzsteueranwendungserlass und in weiteren Erlassen sowie Verfügungen Abgrenzungen zur Umsatzsteuerfreiheit/Umsatzsteuerpflicht gegeben. a) Umsatzsteueranwendungserlass Für die ärztliche Tätigkeit stellt dieser Erlass auf die Ausübung der Heilkunde ab, die in Maßnahmen besteht, welche der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen dienen 5. Auch die Leistungen zur vorbeugenden Gesundheitspflege gehören zur Ausübung der Heilkunde; dabei ist es unerheblich, ob die Leistungen gegenüber Einzelpersonen oder Personengruppen bewirkt werden. 6 Die Heilbehandlungen eines Belegarztes, die in einem Krankenhaus erbracht werden, sowie die selbständigen ärztlichen Leistungen eines im Krankenhaus angestellten Arztes, der dort jedoch eine eigene Praxis unterhält, sind ebenfalls nach 4 Nr. 14a UStG steuerfrei 7, obwohl für die Umsatzsteuerbefreiung eines selbständig tätigen Arztes in Abschn. 4.14.1. Abs. 1 UStAE widersprüchlicherweise gefordert wird, dass die Leistungen nicht in einem Krankenhaus erbracht werden. Auch sind die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch, die auch die nach 218b, 219 StGB vorgesehene ärztliche Sozialberatung umfasst, als umsatzsteuerfrei zu behandeln. 8 Gleiches gilt für ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisverhütungsmaßnahmen. 9 Für die Umsatzsteuerfreiheit kommt es nicht darauf an, um welche konkrete heilberufliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o.a.) und wer sie erbringt 10 (niedergelassener Arzt oder anderweitig selbständiger Arzt). Freilich muss der Arzt über einen ausreichenden Befähigungsnachweis verfügen. Von besonderem Interesse ist hier das zusätzliche Abgrenzungsmerkmal, das für die Umsatzsteuerfreiheit ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Behandelnden und dem Patienten voraussetzt. 11 Hierfür bedarf es einer individuellen Leistung für den Behandelten. Damit werden z.b. ärztliche 2

Leistungen, die in der Beratung eines anderen Arztes im Hinblick auf therapeutische Leistungen, soweit sie nicht in der Mitbehandlung eines Patienten bestehen, ausgegrenzt. Zu nennen wären hier z.b. konsiliarärztliche Tätigkeiten. Auf der Basis der vorstehenden Abgrenzungen enthält der UStAE folgenden Katalog: 12 Tab.1: Umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten, soweit sie nicht in den Tabellen 4 8 erfasst sind Schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit, auch soweit es sich dabei um Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift handelt. Vortragstätigkeit, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen einer Fortbildung gehalten wird. Lehrtätigkeit. Lieferung von Hilfsmitteln, z.b. Kontaktlinsen und Hörgeräten. Entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen. Supervisionsleistungen. Als umsatzsteuerfrei werden hingegen die folgenden ärztlichen Tätigkeiten eingestuft: 13 Die ärztlichen Leistungen Medizinischer Versorgungszentren, die durch fachübergreifende ärztliche Zusammenarbeit gekennzeichnet sind, werden als umsatzsteuerfrei behandelt, wenn sie an der vertragsärztlichen Versorgung nach 95 SGB V teilnehmen oder den Regelungen nach 115 SGB V entsprechen (betrifft dreiseitige Verträge zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten zur nahtlosen ambulanten und stationären Versorgung der Patienten); das Gleiche gilt für die in Medizinischen Versorgungszentren selbständig tätigen Ärzte, auch wenn der Behandlungsvertrag zwischen den Ärzten und dem Medizinischen Versorgungszentrum abgeschlossen wurde. 14 Als umsatzsteuerfrei gelten auch die Tätigkeiten der Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die den Versorgungsregelungen der 95 bzw. 115 SGB V unterliegen. Nach der Definition im UStAE soll es sich dabei um Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung handeln, die z.b. im Unterschied zu Krankenhäusern regelmäßig weder Unterkunft noch Verpflegung gewähren. 15 Solche Zentren sind von der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis abzugrenzen. Heidner nennt als Bespiele hierfür Hochschulambulanzen, Psychiatrische Instituts- und Sozialpädiatrische Zentren. 16 Für Laborärzte soll die Steuerbefreiung gelten, wenn eine Teilnahme an der ärztlichen Versorgung nach 95 SGB V, die Anwendung der Regelungen nach 115 SGB V, ein Vertrag oder eine Beteiligung an der Versorgung nach 34 SGB VII (Heilbehandlung bei Unfällen, für die gesetzliche Unfallversicherungsträger zuständig sind) erfolgt. Die im UStAE angegebene gesetzliche Grundlage zu den Laborärzten, der 4 Nr. 14b Doppelbuchstabe bb oder cc UStG, ist jedoch gesetzgeberisch missglückt; die Umsatzsteuerfreiheit sollte auch in diesen Fällen auf 4 Nr. 14a UStG gestützt werden. Ambulante Hospizleistungen und ambulante Palliativversorgung. 3

Leistungen zur integrierten Versorgung nach 140b Abs. 1 SGB V, an denen Vertragsärzte teilnehmen können, sind unter Einhaltung der vorstehenden Grundsätze umsatzsteuerfrei. Gegenstand der integrierten Versorgung kann auch die ambulante Versorgung von Patienten sein, die Mitglieder einer Krankenkasse sind. Die Besonderheit besteht darin, dass die Versorgung der Mitglieder der jeweiligen Krankenkasse auf eine Einrichtung übertragen wird, wobei allerdings die Teilnahme der Patienten an den integrierten Versorgungsformen freiwillig ist. Auch die Tätigkeit der Praxis- und Apparategemeinschaften, insbesondere der Laborgemeinschaften, führt vielfach zur Umsatzsteuerfreiheit. Schließen sich selbständige Ärzte, die umsatzsteuerfreie Leistungen nach 4 Nr. 14a UStG erbringen, zu einer solchen Gemeinschaft zusammen, dann sind die Leistungen solcher Gemeinschaften, soweit sie für die Tätigkeit nach 4 Nr. 14a UStG verwendet werden und diese Gemeinschaft sich von ihren Mitgliedern die genauen Kostenanteile erstatten lässt, umsatzsteuerfrei. Nicht umsatzsteuerfrei sind hingegen die Leistungen einer solchen Gemeinschaft, die z.b. in der Buchführung, der Rechtsberatung oder in der Tätigkeit einer ärztlichen Verrechnungsstelle bestehen. Auch sind Leistungen einer solchen Gemeinschaft an Nichtmitglieder umsatzsteuerpflichtig. b) Weitere Verlautbarungen der Finanzverwaltung Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung eine Reihe von Schreiben und Verfügungen zur Abgrenzung unsatzsteuerfreier und umsatzsteuerpflichtiger ärztlicher Leistungen bekannt gegeben. 17 Sehr umfangreiche Ergänzungen zum UStAE enthält die Verfügung der OFD Karlsruhe vom 5.4.2011. 18 Mit diesem Erlass dürften sich viele konkrete Fälle klären lassen. Deshalb sei dieser Erlass in aufbereiteter und zwecks Klarstellung in inhaltlich teilweise modifizierter Form in den Tabellen 2 8 wieder gegeben. Ein erheblicher Teil dieses Erlasses betrifft Gutachten, die überwiegend als umsatzsteuerpflichtig angesehen werden. Tab 2: Umsatzsteuerfreie Gutachten Körperliche Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle (alternativ erforderliche Krankenhauseinweisung). Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (Aussagen zu Rehabilitationsbedürftigkeit-, -fähigkeit, -prognose und Therapieempfehlung), auch wenn der Arzt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Patient nicht rehabilitierbar ist, sondern eine dauerhafte Erwerbsoder Berufsunfähigkeit gegeben ist. Gutachten zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege, da in diesen genannten Aufgabenfeldern ein therapeutisches Ziel bzw. eine therapeutische Entscheidung im Mittelpunkt steht. Die Erstellung einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit als Entscheidungsgrundlage für die Kostenübernahme des Unfallversicherungsträgers, sofern diese im Rahmen einer Untersuchungs- und Behandlungsleistung, bei der insgesamt ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht, erbracht wird. Sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, soweit sie nicht steuerpflichtig sind (s. Tab. 6). Obduktion, die im Falle des Seuchenverdachtes für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung sind. Die Durchführung der äußeren Leichenschau und Ausstellung der Todesbescheinigung als letzte Maßnahme im Rahmen der Heilbehandlung. 4

Tab. 3: Umsatzsteuerfreie sonstige Leistungen Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Krankheiten möglichst frühzeitig festgestellt werden sollen, wie z.b. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung. Mammografien einschließlich der von Radiologen erstellten Mammografien im Rahmen des Mammografie-Screenings (Zweitbefund). Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen), wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Leistungen zur Kontrolle von gespendetem Blut einschließlich der Blutgruppenbestimmung. Alkohol- und Drogengutachten zum Zwecke einer anschließenden Heilbehandlung. Sonstige Leistungen eines Arztes im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung. Die im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch nach 218a StGB stehenden ärztlichen Leistungen einschließlich der nach den 218b, 219 StGB vorgesehenen Sozialberatung durch einen Arzt. Sonstige Leistungen eines Arztes im Zusammenhang mit Empfängnisverhütungsmaßnahmen, einschließlich der Sterilisation eines Mann oder einer Frau. Betriebsärztliche Leistungen nach 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG, unabhängig davon, ob sie im Vertrag einzeln aufgeschlüsselt und abgerechnet werden (BMF, 4.5.2007, BStBl I 2007, 481). Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen und bei denen die medizinische Betreuung im Vordergrund steht. Kurze Bescheinigungen und Zeugnisse, die nach Nr. 70 GOÄ berechnet werden. Sie sind Nebenleistungen zu einer Untersuchungs- und Behandlungsleistung. Dies gilt insbesondere für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Weitere Leistungen des Kapitels B VI der GOÄ (z.b. Berichte und Briefe), soweit ein enger Zusammenhang mit einer im Vordergrund stehenden Untersuchungs- und Behandlungsleistung gegeben ist. Durchführung von Schuleingangsuntersuchungen. Tab. 4: Umsatzsteuerpflichtige Gutachten für rechtliche Verfahren Alkohol- und Drogen-Gutachten zur Untersuchung der Fahrtüchtigkeit. Blutalkoholuntersuchungen für gerichtliche Zwecke in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung. Die Feststellung des Zustandes der Organe, Gewebe, Körperflüssigkeiten usw. in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung ist nur dann nach 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn sie für diagnostische oder therapeutische Zwecke erfolgt. Medizinisch-psychologische Gutachten über die Fahrtauglichkeit. Anthropologisch-erbbiologische Gutachten. Blutgruppenuntersuchungen und DNA-Analysen, z.b. im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung oder zur Spurenauswertung. Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden. Forensische Gutachten, sowohl zur Frage der Schuldfähigkeit ( 20, 21 StGB) als auch zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt ( 63, 64 StGB). Gutachten für die Staatsanwaltschaft und Gerichte zur Klärung des Kausalzusammenhangs zwischen ärztlicher Fehlbehandlung und einer Gesundheitsstörung bzw. dem Todeseintritt. Prognosegutachten, die im Rahmen des Strafvollzugs erstattet werden. Untersuchung und Begutachtung durch Vertragsärzte zur Feststellung von Beschädigungen, wenn diese Leistungen nicht der (weiteren) medizinischen Betreuung dienen sollen, sondern z.b. als Grundlage für eine Entschädigungsleistung. Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Schadensersatzprozessen. Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen, z.b. bei Fragen der Schadensersatzleistung, auch bei öffentlich-rechtlicher Berichtspflicht. Gutachten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in straf-, zivil- oder familienrechtlichen Verfahren. 5

Vergütungen für Sachverständigentätigkeit nach 10 Abs. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) i.v. mit Anlage 2 Nr. 202 und 203 des JEVG. Soweit der Arzt als sachverständiger Zeuge nach 10 Abs. 1 JEVG i.v. mit der Anlage Nr. 2 Nr. 200 und 201 des JVEG vergütet wird, liegt nicht umsatzsteuerbarer Schadensersatz vor. Ob jemand als Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger anzusehen ist, richtet sich nach der tatsächlich erbrachten Tätigkeit, nicht nach einer ggf. abweichenden Abrechnung. Ausschlaggebend ist dabei, ob er als Zeuge unersetzlich oder auswechselbar ist. Tab. 5: Umsatzsteuerpflichtige Gutachten für Verfahren der Sozialversicherungen Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten und in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung. Gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens, da hier ein Rentenantrag Anlass für das ärztliche Tätigwerden ist. Der Aspekt Rehabilitation vor Rente führt auch nicht dazu, dass die medizinische Betreuung in den Vordergrund tritt, da es insoweit in erster Linie darum geht, Rentenleistungen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen zu müssen. Gutachten nach 12 Abs. 1 der Psychotherapie-Vereinbarung zur Klärung, ob die Therapiekosten von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Externe Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt ( 18 Abs. 1 SGB XI). Hier stehen Fragen nach Art und Umfang der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung ( 14 SGB XI) im Vordergrund, die ggf. auch zu treffenden Feststellungen zu Fragen der Behandlungspflege treten dahinter zurück. Gutachten zur vorgeschlagenen ärztlichen Behandlung, der Verordnung von Arzneimitteln und zum Zwecke der Kostenübernahme durch die Krankenkasse ( 12 SGB V). Gutachten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie, wenn nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der untersuchten Person im Vordergrund steht. Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung. Gutachten für Berufsgenossenschaften oder Versicherungen zur Frage des Kausalzusammenhangs von bestimmten Vorerkrankungen und dem Todeseintritt des Versicherten. Tab. 6: Umsatzsteuerpflichtige sonstige Gutachten Sportmedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, die der Feststellung von Trainingsfortschritten oder der Optimierung der Trainingsgestaltung dienen. Reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen, wenn hierüber eine Bescheinigung ausgestellt wird, die Grundlage für eine Entscheidungsfindung eines Dritten ist. Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse. Untersuchungen zur Ausstellung bzw. Verlängerung von Schwerbehindertenausweisen. Gutachten über die Tatsache oder die Ursache des Todes. Dies gilt nicht für die in Tab. 2 genannten Leistungen. Genehmigung zur Feuerbestattung (sog. 2. Leichenschau). Tab. 7: Umsatzsteuerpflichtige Berufstauglichkeits- und sonstige Untersuchungen Musterungs-, Tauglichkeits- und Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und gutachten, da diese dem Anlass der Beurteilung für den (künftigen) Dienstherrn dienen, ob der Bewerber für eine bestimmte Verwendung geeignet ist. Die Umsatzsteuerpflicht besteht selbst dann, wenn durch eine derartige Untersuchung die Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung vermieden werden soll, da ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht. Untersuchungen, bei denen die Frage der Tauglichkeit für eine bestimmte Tätigkeit im Vordergrund steht, z.b. bei Flugtauglichkeitsuntersuchungen. Hierbei handelt es sich nicht um Vorsorgeuntersuchungen. 6

Untersuchungen über das Seh- und Hörvermögen im Zusammenhang mit Tauglichkeitstests. Röntgenaufnahmen, die für steuerpflichtige Gutachten, z.b. des TÜV zur Berufstauglichkeit, erstellt werden. Psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken. Experimentelle Untersuchungen bei Tieren im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung. Untersuchungen über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitserregern und über die chemische Zusammensetzung des Wassers. Dermatologische Untersuchungen von kosmetischen Stoffen. Untersuchungen über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen. Tab. 8: Umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen Ärztliche Leistungen der Schönheitschirurgen, wenn kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Gleiches gilt für vergleichbare Leistungen der Dermatologen oder Anästhesisten. Entnahme, Beförderung und Analyse von Nabelschnurblut sowie die Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen, sofern eine damit zusammenhängende ärztliche Heilbehandlung weder stattgefunden hat noch begonnen wurde oder geplant ist. Ärztliche Anzeigen über eine Berufskrankheit als Entscheidungsgrundlage für die Kostenübernahme des Unfallversicherungsträgers, soweit nicht umsatzsteuerfrei (s. Tab. 2 und 3). III. Neue BFH-Rechsprechung Die Finanzverwaltung hat bisher die Auffassung vertreten, dass selbständig tätige Ärzte die Umsatzsteuerfreiheit nur für Leistungen erreichen können, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.b. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. 19 Gestützt wird diese Auffassung durch das EuGH-Urteil vom 6.11.2003, C- 45/01, HFR 2004, 70. Auch der BFH hat bisher Anlass gegeben, bei der Abgrenzung der Umsatzsteuerfreiheit darauf abzustellen, dass die ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines hinreichend konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts erfolgen muss. 20 Deshalb verwundert es nicht, dass die Finanzverwaltung und auch Finanzgerichte auf das Merkmal individuelles Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für bestimmte Patienten abgestellt haben. Infolgedessen hat das Niedersächsische Finanzgericht die selbständigen ärztlichen Leistungen eines Facharztes für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Krankenhaus- und Praxishygiene, wobei dieser Arzt für eine Laborarztpraxis als auch für Krankenhäuser, andere Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime tätig war, wegen des fehlenden individuellen Leistungskonzepts im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für bestimmte Patienten als umsatzsteuerpflichtig angesehen. 21 Dieser Auffassung ist der BFH mit seinem Urteil vom 18.8.2011 entschieden entgegen getreten. 22 Im Einzelnen führt der BFH aus: Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.6.2010 23 zwischen Leistungen differenziert, die in Krankenhäusern erbracht werden und Heilbehandlungen, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erfolgen. Aus dieser allgemeinen Abgrenzung folgt jedoch nicht, dass Leistungen, welche die Voraussetzung 7

des 4 Nr. 14a UStG erfüllen, in besonderen Fällen nicht steuerfrei sein können, wenn sie in einem Krankenhaus erbracht werden. Dies gilt z.b. für die Leistungen eines Belegarztes, der seine Leistung gerade im Krankenhaus erbringt. Das Merkmal individuelles Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für einen bestimmten Patienten dient laut BFH der Abgrenzung zu Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben sollen. Der BFH stützt sich sodann auf das EuGH-Urteil vom 18.11.2010 24, in dem als ausreichend für die Umsatzsteuerfreiheit angesehen wird, dass die ärztliche Leistung ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens ist. In dem genannten EuGH- Urteil ging es um die Frage, ob diese Voraussetzung gegeben ist, wenn Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial zwecks Reimplantation vermehrt werden, wobei es nicht darauf ankommen soll, ob die vermehrten Zellen dem Patienten, dem sie entnommen wurden, oder einem Dritten implantiert werden. Sowohl der EuGH als auch nachfolgend der BFH 25 bejahen die Umsatzsteuerfreiheit in dem entschiedenen Fall. Danach kommt es für die Umsatzsteuerfreiheit also nicht auf das vom Finanzamt geforderte individuelle Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für bestimmte Patienten an, das im Übrigen vielfach auch nicht bei Heilbehandlungsleistungen zur Bekämpfung von Epidemien 26 bestehen dürfte. Die infektionshygienische ärztliche Tätigkeit in einer Arztpraxis, in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung,die ihrer ordnungsgemäßen Erbringung auch in infektionshygienischer Hinsicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) dient, ist ein notwendiger Bestandteil eines Gesamtverfahrens zur Heilbehandlung. Folglich sieht der BFH eine solche Leistung als umsatzsteuerfrei an. 27 Der BFH weist darauf hin, dass in einer Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zum Ausdruck kommt, dass das maßgebliche Erfordernis der therapeutischen Zweckbestimmtheit nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen sei. 28 Dies rechtfertigt die Einbeziehung von Leistungen, die ein Arzt mit unmittelbarem Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit erbringt, damit andere Ärzte und Krankenhäuser sowie andere Einrichtungen der Heilbehandlung bei der Ausübung ihrer therapeutischen Tätigkeit die hierfür bestehenden medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen im Einzelfall erfüllen. 29 Die Umsatzsteuerfreiheit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Arzt lediglich beratend tätig ist; denn eine Heilbehandlungsleistung liegt bereits dann vor, wenn Patienten ärztlicherseits in gesundheitlichen Fragen beraten werden selbst wenn der ärztliche Rat nicht befolgt wird. 30 IV. Folgerungen für die Besteuerungspraxis Der BFH hat mit seinem Urteil vom 18.8.2011 31 Widersprüche und Ungereimtheiten der Finanzverwaltung in der Abgrenzung umsatzsteuerfreier ärztlicher Tätigkeiten aufgezeigt. Belegärzte erbringen ihre Tätigkeiten in Krankenhäusern; diese sollen einerseits nicht als Tätigkeitsort für umsatzsteuerfreie Leistungen selbständiger Ärzte anerkannt werden andererseits findet sich ein expliziter Hinweis im UStAE zur Umsatzsteuerfreiheit der belegärztlichen Tätigkeit. 32 Auch wären z. B. nach der bisher engen Auffas- 8

sung der Finanzverwaltung ärztliche Tätigkeiten zur Behandlung von Epidemien, die sich auf eine Mehrzahl und nicht auf einen bestimmten Patienten beziehen würden, nicht umsatzsteuerfrei. Weiterhin müssten dann Tätigkeiten, die gerade nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis von Arzt und Patienten beruhen, wie es z.b. bei konsiliarärztlichen Leistungen vorkommen kann, als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden. Auch die in den Tab. 2 und 3 genannten Tätigkeiten, welche die Finanzverwaltung als umsatzsteuerfrei anerkennt, werden häufig außerhalb eines Vertrauensverhältnisses zu einem bestimmten Patienten erbracht, so z.b. die ärztlichen Leistungen zur Kontrolle von gespendetem Blut. Wird die neue BFH-Rechtsprechung auf Laborärzte angewendet, so lässt sich ableiten, dass diese typischerweise ebenfalls umsatzsteuerfreie Leistungen nach 4 Nr. 14a UStG erbringen. Nach einhelliger Auffassung der EuGH- und BFH-Rechtsprechung waren die ärztlichen Leistungen der Befunderhebung eines Laborarztes bisher bereits umsatzsteuerfrei. 33 Schon deshalb sollte die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Laborärzten von ärztlichen Laborgemeinschaften abgesehen- möglichst bald ersatzlos aufgeben. Hinzu kommt, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung, die Leistungen der Laborärzte nur nach 4 Nr. 14b Doppelbuchstabe bb (gilt für Zentren ärztlicher Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung nach den 95 und 115 SGB V) und cc (für Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach 34 SGB V an der ärztlichen Versorgung beteiligt werden) umsatzsteuerfrei sind. 34 Diese Zentren müssten nach Finanzamtsauffassung Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung sein. Das Merkmal Einrichtung mit sozialer Zweckbestimmung versagt jedoch wegen inhaltlicher Unbestimmbarkeit in diesem Zusammenhang als Abgrenzungskriterium, so dass die Sonderregelung im UStAE 35 zu den Laborärzten nicht anwendbar erscheint. Die Finanzverwaltung hat noch nicht erklärt, ob sie ihre bisherige zu enge Abgrenzung umsatzsteuerfreier ärztlicher Leistungen aufgibt. Da jedoch das BFH-Urteil vom 18.8.2011 36 sehr sorgfältig insbesondere unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung und auch in sich widerspruchsfrei begründet worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung ihre Position revidieren muss u.u. nach weiteren einschlägigen Urteilen. Eine rechtsprechungsbrechende Gesetzesänderung des 4 Nr. 14 UStG ist wegen der Bindung an die gemeinschaftsrechtlich MwStSystRL nicht zu erwarten. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Finanzverwaltung bei den hier im Abschn. II.2 dargestellten Abgrenzungen die Problematik, die Gegenstand der BFH-Entscheidung vom 18. August 2011 gewesen ist, weitgehend geschickt vermieden hat. Dies gilt insbesondere für die in den Tabellen aufgeführten Tätigkeiten, bei denen Im Wesentlichen darauf abgestellt wir, ob die ärztliche Tätigkeit der Heilbehandlung von Menschen dient. Insoweit werden die Abgrenzungen in den Tabellen durch die neue BFH- Rechtsprechung nicht berührt und sind folglich weiterhin anzuwenden. Dies gilt auch für die Untersuchung pharmakologischer Wirkungen von Medikamenten beim Menschen, da diese zwar letztlich der Verbesserung der Therapie dienen, jedoch nicht Bestandteil der Behandlungen von Patienten sind. Ob bei Vorliegen umsatzsteuerpflichtiger Umsätze in der Besteuerungspraxis tatsächlich Umsatzsteuer entsteht, wäre dann anhand der Regelungen zur Kleinunternehmerbesteuerung gem. 9

19 UStG zu klären. In vielen Fällen, in denen die umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit in der Erstellung umsatzsteuerpflichtiger Gutachten besteht und lediglich eine Ergänzung zur Heilbehandlung darstellt, dürfte die Grenze für die Nichterhebung von Umsatzsteuer von 17 500 Euro p.a. einschließlich etwaiger Umsatzsteuer nicht überschritten werden. Anders wird es z.b. sein, wenn vergütete Studien zur pharmakologischen Wirkung von Medikamenten bei Menschen durchgeführt werden. V. Zusammenfassung Die neue BFH-Rechtsprechung hat Bewegung in die Umsatzversteuerung freiberuflich tätiger ärztlicher Leistungen gebracht. Haben bisher die Finanzverwaltung und deutsche Finanzgerichte für die Umsatzsteuerbefreiung auf das Merkmal individuelles Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für bestimmte Patienten abgestellt, so genügt es nunmehr für die Umsatzsteuerfreiheit, dass die ärztliche Leistung ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens ist. Dazu gehört auch eine Beratung von Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen, in denen Krankheiten oder andere Gesundheitsstörungen von Personen diagnostiziert und behandelt werden, ohne dass der beratende Arzt überhaupt einen Patientenkontakt hat. Mit der neuen BFH-Rechtsprechung gelingt es auch, die Tätigkeit von Laborärzten, die bisher missglückt behandelt worden ist, problemlos den Leistungen nach 4 Nr. 14a UStG zuzuordnen und damit Auseinandersetzungen über die Umsatzsteuerfreiheit zu vermeiden. Autorenvorstellung: Prof. Dr. Axel Otte, WP/StB, ist seit 1989 an der Hochschule Heilbronn für die Fachgebiete Steuerrecht und Rechnungswesen zuständig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit besteht in der Beschäftigung mit Besteuerungsfragen von Einrichtungen des Gesundheitswesens. 1 Vgl. EuGH-Urteil vom 14.9.2000 - C-384/98, EuGHE I, 6795. 2 Beginnend mit BMF, 13.2.2001 IV D 1 S 7170 4/01, BStBl I 2001, 157 und BMF, 8.11.2001 IV D 1 S 7170 201/01, BStBl I 2001, 826. Zuletzt hat die OFD Karlsruhe mit Verfügung vom 5.4.2011 S 7170, DStR 2011, 915, einen umfangreichen Katalog zur Abgrenzung steuerpflichtiger und steuerfreier ärztlicher Leistungen aufgestellt. 3 Vgl. insbesondere Abschn. 4.14.1., 4.14.2. und 4.14.5. UStAE, 17.11.2010, BStBl I 2010, 846. 4 Vgl. BFH-Urteil vom 18.8.2011 - V R 27/10, BFH/NV 2011, 2214, BB 2011, 2710. 5 Abschn. 4.14.2. Abs.1 Satz 2 UStAE, a.a.o. 6 Abschn. 4.14.2. Abs.1 Satz 3 UStAE, a.a.o. 7 Abschn. 4.14.2. Abs.2 Satz 2 UStAE, a.a.o. 8 Vgl. Abschn. 4.14.2. Abs.3 UStAE, a.a.o. 9 Vgl. ebenda. 10 Abschn. 4.14.1. Abs.4 Satz 3 UStAE, a.a.o. 10

11 Abschn. 4.14.1. Abs.1 Satz 2 UStAE, a.a.o. Damit widerspricht sich der BMF allerdings; denn Leistungsempfänger wie z.b. Gerichte und Sozialversicherungen werden hierdurch ausgeschlossen. 12 Vgl. Abschn. 4.14.1. Abs.5 UStAE, a.a.o. 13 Vgl. 4 Nr. 14b UStG sowie Abschn. 4.14.5., 4.14.8. und 4.14.9. UStAE, a.a.o. 14 Vgl. ergänzend BMF vom 15.6.2006 - IV A 6 S 7170 39/06, BStBl I 2006, 405. 15 Vgl. Abschn. 4.14.1. Abs.3 und 4.14.5. Abs.5-7 UStAE, a.a.o. 16 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, 10. Aufl., 4 Nr. 14, Rn 79; in dieser Quelle werden als weitere Beispiele Praxiskliniken und Laborärzte genannt, wobei hier das Abgrenzungskriterium soziale Zeckbestimmmung, die in dem Schutz menschlicher Gesundheit bestehen könnte, als nicht tauglich erscheint. 17 Vgl. Anmerkungen 2 und 14 sowie BMF vom 4.5.2007 - IV A 5 S 7100/07/0011, BStBl I 2007, 481; Verfügung der OFD Koblenz vom 9.5.2007 - S 7170 A St 44 2, UR 2007, 787 und BMF vom 26.6.2009 - IV B 9 S - 170/08/10009, BStBl I 2009, 756. 18 Vgl. Anmerkung OFD Karlsruhe, a.a.o. 19 Vgl. Abschn. 4.14.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE, a.a.o.. 20 Vgl. BFH-Urteile vom 10.3.2005 - V R 54/04, BStBl II 2005, 669 und vom 7.7.2005 - V R 23/04, BStBl II 2005, 904. 21 Vgl. Niedersächsisches FG vom 27.5.2010-16 K 331/09, EFG 2010, 1652. 22 Vgl. BFH-Urteil vom 18.8.2011, a.a.o. 23 Vgl. Urteil C-262/08, CopyGene, HFR 2010, 886. 24 Vgl. EuGH-Urteil vom 18.11.2010 - C-156/09, Verigen, HFR 2011, 121. 25 Vgl. BFH-Urteil vom 29.6.2011 XI R 52/07, BFH/NV 2011,1806. 26 Darauf weist der BFH in seinem Urteil vom 18.8.2011, a.a.o., explizit hin. 27 Vgl. ebenda. 28 Vgl. die in dem BFH-Urteil vom 18.8.2011, a.a.o., genannte EuGH-Rechtsprechung. 29 BFH-Urteil vom 18.8.2011, a.a.o. 30 Vgl. ebenda. 31 Vgl. ebenda. 32 Vgl. Abschn. 4.14.1. Abs.1 Satz 2 und 4.14.2. Abs. 2 Satz 2 UStAE, a.a.o. 33 Vgl. hierzu z.b. EuGH-Urteil vom 8.6.2006 - C-106/05, L. u. P., BFH/NV Beilage 2006, 442 sowie BFH vom 15.3.2007 - V R 55/03, BStBl II 2008, 31. Die BFH-Entscheidung betraf noch das UStG 1993 (zwischenzeitlich geändert); von der Umsatzsteuerbefreiung für laborärztliche Leistungen der Befunderhebung ist jedoch weiterhin auszugehen. 34 Vgl. Abschn. 4.14.5. Abs.9 UStAE, a.a.o. 35 Vgl. ebenda. 36 Vgl. BFH-Urteil vom 18.8.2011, a.a.o. 11