ETH Zurich School Domain for Environment and Natural Resources S-ENETH Bewässerung in der Getreideproduktion als Anpassungsmassnahme an den Klimawandel - Eine ökonomische Perspektive für die Schweiz Robert Finger ETH Zürich
Übersicht Einleitung & Motivation Der Schweizer Fall: 2 Modellierungsansätze Alternative Anpassungsmassnahmen Die Rolle des Staates Fazit
Motivation Bewässerung: mögliche Anpassungsmassnahme an den Klimawandel Ausgangslage Schweiz: 5% der Landwirtschaftlichen Nutzfläche wird bewässert (insb. VS, GR):* *BLW (2008): Stand der Bewässerung in der Schweiz Bericht zur Umfrage 2006.
Motivation Bewässerung von Getreide ist in CH (fast) nicht vorhanden in anderen Ländern jedoch häufig (Bsp.: Mais USA) Führt Klimawandel zu mehr Bewässerung in der Schweizer Getreideproduktion?
Warum bewässern? Höhere Erträge Niedrigere Ertragsvariabilität Beispiel Maisproduktion in Nebraska:
Maiserträge in Nebraska (1950-2000)* Mais-Ertrag ist bei Bewässerung ca. 3 t/ha höher Ertragsvariabilität im Maisanbau ohne Bewässerung ist 3 x höher als im bewässerten Anbau! Variationskoeffizient (Standardabweichung/Ertrag) des Maisanbaus ohne Bewässerung beträgt 19% (in CH ca. 8%) * Kucharik and Ramankutty (2005): Trends and Variability in U.S. Corn Yields Over the Twentieth Century. Earth Interactions 8: 1-29
Modellierungsansatz I Keine Beobachtungen für bewässerten Getreideanbau in der Schweiz Deshalb: Modellierung: Torriani et al. (2007)* - biophysikalisches Modell (CropSyst) zur Simulation von Erträgen und Ertragsvariabilität unter verschiedenen Klimaszenarien mit & ohne Bewässerung Analyse von Potentialerträgen, d.h. Ziel ist die Maximierung des biologischen Ertrages, keine limitierenden Faktoren *Potential effects of changes in mean climate and climate variability on the yield of winter and spring crops in Switzerland. Climate Research 34: 59-69
Klimawandel führt ohne Anpassung zu tieferen Erträgen und höherer Ertragsvariabilität Bewässerung führt, insb. für CC+, zu höheren & stabileren Erträgen Potentielles Yield Gap: Heute: ca. 1,5 t/ha CC+: ca. 2,5 t/ha *Torriani et al. (2007): Potential effects of changes in mean climate and climate variability on the yield of winter and spring crops in Switzerland. Climate Research 34: 59-69
Zeitigere Aussaat Bedarfsreduktion für Bewässerung im Maisanbau (auch) zeitigere Saat führt bei Mais zu höheren Erträgen Reduktion des Variationskoeffizienten *Torriani et al. (2007): Potential effects of changes in mean climate and climate variability on the yield of winter and spring crops in Switzerland. Climate Research 34: 59-69
Für Wintergetreide, d.h. für die Mehrheit des Schweizer Getreideanbaus, ist und bleibt Bewässerung irrelevant Wasserbedarf von Wintergetreide besteht hauptsächlich im Frühjahr (sehr) geringe Reduktion der Frühjahrsniederschläge prognostiziert
Erweiterung Modellierungsansatz I Vernetzung biophysikalischer und ökonomischer Modellierung*, zur Bestimmung realisierter Erträge & der Rentabilität von Bewässerung Entscheide des Landwirts berücksichtigen Ziel ist die Maximierung des Nutzens, Preise werden berücksichtigt, d.h. Inputs werden zu limitierenden Faktoren (Ertrags-) Risiken werden in die Bewertung miteinbezogen * Finger & Schmid: Modeling Agricultural Production Risk and the Adaptation to Climate Change. 101st EAAE Seminar, Berlin 2007.
Biophysikalische Simulation (CropSyst) Ökonomische Modellierung (Nutzenmaxim.) Simulierte Feldexperimente (Stickstoff, Bewässerung) für verschiedene Klimaszenarien mit integrierter Saatterminverschiebung Schätzen von Produktionsfunktionen und Ertragsvariation (bezüglich Stickstoff und Bewässerung) aus den simulierten Daten Nutzenfkt. maximieren Bestimmung des optimalen Inputeinsatzes und daraus folgender Erträge (verschiedene Preisszenarien)
3 verschiedene Klima(wandel)szenarien (OcCC, 2005*): CO2 - Konzentration: Heute: 339-379 ppm; 2030: 437-475 ppm; 2050 & 2050x: 495-561 ppm Wetter/Boden für CropSyst: östliches Mittelland *Die Klimazukunft der Schweiz Eine probabilistische Projektion. OcCC, Bern.
Optimaler Inputeinsatz optimale Erträge, Ertragsvariation (Mais): - geringe Auswirkung des Klimawandels auf Maiserträge - Ohne Bewässerung steigt die Ertragsvariation an (auch) Änderungen der Produktionsintensität verursachen diese Veränderungen in den Erträgen - Unterschiede zwischen bewässertem und nicht bewässertem Maisanbau werden grösser
3 Preisszenarien: P1<P2<P3 je höher der Maispreis, je: höher die Erträge höher das yield gap OHNE Bewässerung steigt der Variationskoeffizient um ca. 10% bis 20 % an bleibt jedoch relativ klein!
Modellierung von Zahlungsbereitschaften: Erträge, Ertragsvariation, verwendete Inputs, Preise und Risikoaversion bestimmen den Nutzen des Landwirts (Sicherheitsäquivalente) Differenzen zwischen den Nutzen für bewässerten und nicht bewässertem Maisanbau sind eine Proxy der Zahlungsbereitschaft (jährlich, pro ha) für ein Bewässerungssystem Nutzendifferenz Yield Gap x Preis Vergleich von intensivem & bewässertem mit weniger intensivem Maisanbau ohne Bewässerung (unterschiedliche Erträge, Ertragsvariation & Kosten)
Geschätzte Nutzendifferenzen (pro Jahr & ha): hoher Preis hohe Nutzendifferenz, d.h. grössere Zahlungsbereitschaft für Bewässerung Klimawandel erhöht den Anreiz für Bewässerung zusätzlich Nutzendifferenzen sind und bleiben, relativ zu den erzielten Erlösen, klein
Berücksichtigte Anpassungsmassnahmen reduzieren den Bedarf an Bewässerung deutlich Die Rentabilität von Bewässerung in der Maisproduktion im (östlichen) Schweizer Mittelland bleibt klein, insbesondere wenn starke Preisreduktionen auftreten Aber: Es ist keine Verallgemeinerung vom Fallstudienniveau möglich, da sowohl Zahlungsbereitschaften als auch Kosten von Bewässerung sehr heterogen sind.
Alternative Anpassungsmassnahmen Beispiele auf Betriebsebene: Zeitigere Saat, Anpassung der Produktionsintensität Änderungen in der Fruchtfolge (Sorten- bzw. Kulturenwechsel, Anpassung der Bodenbedeckung) Reduzierte Bodenbearbeitung Finanzmarktlösungen für erhöhte Risiken, Diversifikation der landwirtschaftlichen Aktivitäten oder des Einkommens.. Eine Kombination aus Anpassungsmassnahmen ermöglicht es den Bedarf an Bewässerung zu reduzieren und einen Vorteil aus dem Klimawandel zu ziehen (Vorraussetzung: Flexibilität)
Die Rolle des Staates Staatliche Förderung von Bewässerung kann andere, effizientere, Anpassungsmassnahmen verdrängen (z.b. Versicherung, Kulturenwahl) Ausgangssituation CH: Bundes- und Kantonsbeiträge (hohe Beiträge, ca.50%, aber restriktive Vergabe & Konzentration auf überbetriebliche Lösungen), Investitionskredite Wasserpreise geben Anreize Wasser effizient zu nutzen (z.b. Wahl des Bewässerungssystem) Ausgangssituation CH: Regelung auf i.d.r. auf Kantonaler Ebene: Konzessionsgebühr, jährliche Zahlung & variable Kosten (in wenigen Kantonen); sehr tiefe Preise; sehr stark variierende Ausgestaltung
Staatliche Eingriffe müssen auch Konkurrenz zu alternativer Nutzung und negative Auswirkungen von Bewässerung auf die Umwelt berücksichtigen, z.b.*: Gewässerverschmutzung, sowie Beeinträchtigung der Wassermenge und des Bodens (Qualität & Quantität) OECD: government policies to support farm production often discourage the efficient use of water and aggravate pollution Förderung/Ermöglichung alternativer Anpassungsmassnahmen * Baldock et al. (2000): The environmental impacts of irrigation in the European Union. European Commission.
Fazit Bewässerung ist und bleibt für Wintergetreide nicht (Sommergetreide wenig) relevant Es gibt alternative Anpassungsmassnahmen die weniger Kosten & Schäden verursachen Prognose & Planung muss auch Änderungen von ökonomischen Bedingungen berücksichtigen und richtige Referenzsituationen für Massnahmenevaluation wählen Steigender Bedarf an Bewässerung ist eine Chance die landwirtschaftliche Wassernutzung in der Schweiz angemessen zu analysieren und ökologisch & ökonomisch nachhaltig zu gestalten!