Autor: Klingler, Walter. Titel: Medienforschung. Quelle: Südwestrundfunk (Hrsg.): Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland. Stuttgart 2006, S. 50-54. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Walter Klingler Medienforschung Medienforschung am Beispiel des SWR Die Abteilung Medienforschung ist die zentrale Medienforschungseinheit des Südwestrundfunks und steht gleichermaßen allen Bereichen des Hauses als Forschungseinrichtung zur Verfügung: der Geschäftsleitung, den einzelnen Direktionen, den Programmen und zum Beispiel den Redaktionen; sie ist damit Serviceeinheit und Partner für alle Bereiche des Hauses. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören: die kontinuierliche Berichterstattung und Analyse der Nutzung der SWR-Angebote (Fernsehen, Hörfunk, Online), insbesondere auf Basis der Standardinstrumente GfK- Fernsehforschung, Media-Analyse, dem hauseigenen monatlichen SWR-Trend und der InfOnline-Daten; die kontinuierliche Angebotsanalyse der Medien und ihrer Entwicklung für die Programmberatung; vielfältige qualitative Forschungsprojekte zur Beratung und Konzeption von Programmen und Sendungen (zum Beispiel Sendungs- und Pilottests, Publikumsund Zielgruppenforschung usw.); Untersuchungen zum Wandel des Medienangebots und des Medienkonsums. Reichweitenerhebung im Hörfunk Das wichtigste Instrument zur Reichweitenerhebung ist die jährlich zweimal stattfindende Media-Analyse (ma), die von der Arbeitsgemeinschaft Media Analyse e.v., (ag.ma) durchgeführt wird. Die ag.ma liefert neben den Hörfunkreichweiten auch aktuelle Nutzungsdaten für die Mediengattungen: Fernsehen 1
Zeitungen/Zeitschriften Kino Lesezirkel Plakat Online Mit der ma Hörfunk erhalten die Programm-Macher wichtige Informationen über die Zusammensetzung und das Nutzungsverhalten ihrer Hörer. Gleichzeitig sind die ma- Zahlen die Basis für die Werbereichweiten der Hörfunkprogramme und damit auch die allgemein gültige Währung für den Werbemarkt. Die ARD Werbung Sales & Services vermarktet in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Programme und in geringem Umfang private Hörfunkprogramme. Der bundesweit größte Vermarkter privater Programme ist der Radio Marketing Service. Ein Beispiel für die regionale Vermarktung ist die Radio- Kombiwerbung Baden-Württemberg. Neben der detaillierten Abfrage der Hörfunknutzung im Besonderen und der Mediennutzung im Allgemeinen enthält die MA Radio auch Fragen zum Freizeitverhalten der Bürger oder zur technischen Ausstattung der Haushalte. Wie die Fernsehquoten ermittelt werden Zunächst ein Blick auf die Berichterstattung über das Zuschauerverhalten. Die quantitative Standardberichterstattung im SWR basiert wie bei allen Fernsehveranstaltern in Deutschland auf Daten aus dem Messsystem der GfK, das im Auftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten und von privatrechtlichen Fernsehanbietern realisiert wird. Die Einschaltquoten werden in speziell ausgesuchten Haushalten (über 5000), die ein verkleinertes, repräsentatives Abbild aller Privathaushalte mit mindestens einem Fernsehgerät in Deutschland darstellen, ermittelt. Dabei erfolgt die Messung in den Panelhaushalten über ein spezielles Messgerät, das im jeweiligen Haushalt an Fernseher, Videorekorder und/oder Satellitenreceiver angeschlossen wird. Das Fernsehverhalten wird mit Hilfe einer Fernbedienung, auf der jeder Person im Haushalt eine Taste zugewiesen wird, gemessen. Alle Personen im Haushalt melden sich über diese Fernbedienung an,wenn sie fernsehen. Die auf diese Weise gesammelten Daten werden täglich per 2
Telefonleitung an den Großrechner der GfK übermittelt und stehen dann zur weiteren Analyse zur Verfügung. Zentraler Ausgangspunkt ist die tagesaktuelle Berichterstattung über das Zuschauerverhalten des Vortages. Diese Form der Berichterstattung unterliegt zunächst dem Primat der Schnelligkeit. So stehen die Ergebnisse für den Vortag den Redaktionen schon am Vormittag nach dem Ausstrahlungstag zur Verfügung. Im Laufe des Tages folgen dann weitergehende Analysen wie zum Beispiel Minutenverläufe, die Anhaltspunkte über das Zuschauerverhalten im Laufe einer Sendung liefern. Größere, bilanzierende Berichte Wochen-, Monats-, Quartals- oder Jahresbericht dienen zur Beschreibung der Essentials in der Programmnutzung und zur Notierung und Markierung der Trends. Computerunterstützte, telefonische Befragung bei der MA Radio Viele Fragen zur Nutzung von Sendungen und beispielsweise zur ihrer Beurteilung durch das Publikum lassen sich aber mit GfK-Daten nicht beantworten. Hier finden qualitative Studien ihren Raum, seien es Explorativ-Interviews, Gruppendiskussionen, Moderatorentests, Pilottests oder anderes. In der Praxis wird oft mit qualitativen Studien ein Problem oder eine Fragestellung vorstrukturiert und anschließend quantitativ, also repräsentativ abgefragt. 3
Das ProgrammBewertungsVerfahren des SWR In diesem Kontext ist auch das ProgrammBewertungs-Verfahren (PBV) des SWR zu erwähnen, ein standardisiertes qualitatives Instrumentarium, das die Sendeplatzberatung ebenso ermöglicht wie die Analyse des Beitrags eines Sendeplatzes beispielsweise für das Gesamtprogramm. Das PBV bildet einen der Eckpunkte der Programmberatung im SWR. Insgesamt reicht die Begleitforschung von knappen, punktuellen Hilfestellungen bis hin zur kontinuierlichen Begleitung von Formaten, von der Konzeptionsphase bis zur (fast) täglichen Sendung. Zur Fernsehforschung und anderen Forschungs- und Beratungsfeldern der Abteilung kommt der Bereich der Mediendokumentation, der sich im SWR um die Erfassung und Erschließung medienrelevanter Publikationen (Tagespresse, Medienzeitschriften, Fachbücher) kümmert und auf Anfrage Fachredaktionen sowie die Intendanz mit Informationsmaterialien, Dossiers und Expertisen zu Medienthemen beliefert. Für einschlägige Publikationen des Hauses übernimmt die Mediendokumentation auch das Lektorat. Die Beratung in der Gegenwart, dies bleibt abschließend festzuhalten, hat dabei sehr viel auch mit der»kenntnis«der Zukunft zu tun. Wie entwickeln sich die einzelnen Medien, welche Programmsparten werden heute und morgen nachgefragt, verändern sich generelle Seh- und Hörgewohnheiten, welche Rolle spielen Hörfunk, Fernsehen und das Internet im Zusammenspiel? Gegenwart und Zukunft liegen hier eng beieinander, ebenso eng wie die Konkurrenz der Medien. So wird beispielsweise mit der Langzeitstudie»Massenkommunikation«, die seit Mitte der 1960er Jahre von der ARD/ZDF- Medienkommission durchgeführt wird, über einen langen Zeitraum hinweg das Mediennutzungsverhalten der Bundesdeutschen untersucht und dokumentiert, zum Beispiel Veränderung im Medienzeitbudget oder bei den Nutzungsmotiven der Medien betreffend. Zu einer Institution in der Kinder- und Jugendmedienforschung haben sich inzwischen die Studien KIM (Kinder und Medien) und JIM (Jugend, Information, [Multi-]Media) entwickelt. Diese Studien gibt der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) eine 4
Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) in Zusammenarbeit mit der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG) und der Medienforschung des SWR heraus. Beide repräsentativen Langzeitstudien (seit 1999 bzw. 1998) bilden eine verlässliche Datenbasis zum Medienumgang junger Menschen in Deutschland. Neben diesen bundesweit nachgefragten Studienreihen initiiert der mpfs Adhoc-Forschungen, beispielsweise zum Medienverhalten von Lehrern, und stellt Informationsmaterial für Eltern und Pädagogen bereit (www.mpfs.de). Literatur und Links Gerhards, Maria/ Klingler, Walter: Mediennutzung in der Zukunft. Eine Prognose auf der Basis aktueller Daten, in: Media Perspektiven 3/2003. Fritz, Irina/ Klingler, Walter: Zeitbudgets und Tagesablaufverhalten in Deutschland: Die Position der Massenmedien. Ergebnisse auf der Basis der ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2000, in: Media Perspektiven 1/2003. Eimeren, Birgit van/ Ridder, Christa-Maria: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis 2000. Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation, in: Media Perspektiven 11/2001. www.mediendaten.de www.ard-werbung.de/mp/ (Media Perspektiven) 5
Nutzungsdauer der Medien pro Tag 2005 Mo-So, 5-24 Uhr, Personen ab 14 Jahren, BRD gesamt, in Minuten Gesamtzeitbudget 600 Minuten = 10 Stunden (brutto) Quelle: ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation Nutzungsdauer für die Medien im Direktvergleich BRD gesamt, Personen ab 14 Jahren, trifft am meisten/an zweiter Stelle zu auf..., in % Basis: Befragte, die mindestens zwei Medien mehrmals im Monat nutzen, 2005: n=4402; 2000: n=4933 gewichtet Quelle: ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 6
Gerätebesitz 12- bis 19-Jähriger 2005 (Auswahl) Basis: alle Befragten, n=1.203 Quelle: JIM 2005, Angaben in Prozent 7
Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) ist ein Zusammenschluss der Senderfamilien der ARD, der Pro7 SAT.1 Media AG, von RTL und ZDF zur gemeinsamen Durchführung und Weiterentwicklung der kontinuierlichen quantitativen Fernsehzuschauerforschung in Deutschland. Die AGF wurde 1988 von der ARD, dem ZDF sowie den Privatsendern RTL und SAT.1 ins Leben gerufen; seit dieser Zeit fungiert sie als gemeinsamer Auftraggeber der kontinuierlichen Zuschauerforschung der GfK. GfK Gruppe Die GfK Gruppe ist ein weltweit operierendes Marktforschungsunternehmen mit Sitz in Nürnberg. Die Dienstleistungen der GfK beziehen sich im Wesentlichen auf die Geschäftsfelder Consumer Tracking, Non-Food Tracking, Medien und Ad-hoc-Forschung. Der Geschäftsbereich»Medien«der GfK ist der kleinste, zugleich aber in der Öffentlichkeit bekannteste aller GfKGeschäftsfelder. Sie ermittelt in derzeit 5640 repräsentativ ausgewählten Haushalten die Fernsehnutzung mit Hilfe spezieller Messgeräte, den GfK-Metern, und eigens dafür konzipierter Fernbedienungen. Marktanteil Der Marktanteil gibt den relativen Anteil der Sehdauer einer Sendung/eines Werbeblocks/ eines bestimmten Zeitintervalls an der Gesamtsehdauer aller Programme zum jeweiligen Zeitintervall an. Reichweite im Hörfunk Die Reichweite beschreibt die Verbreitung eines Hörfunkprogramms in einem Gebiet oder einer ausgewählten Zielgruppe. Lesebeispiel: 37,2 Prozent der Personen ab 14 Jahren in Baden- Württemberg hören mindestens einmal am Tag die Radio-Kombi BaWü (ma 2005/II). Primetime im Hörfunk Die Primetime beschreibt die meistgehörte Sendezeit des Radioprogramms. Im Hörfunk ist das vor allem vormittags, im Gegensatz zum Fernsehen. 8
Primetime im Fernsehen Die Primetime beschreibt die meistgesehene Sendezeit im Fernsehprogramm. In Deutschland fängt die Primetime mit der Tagesschau um 20 Uhr an und lässt nach 22 Uhr wieder deutlich nach. Quelle: www.mediendaten.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Rechteinhabers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme weiterverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. 9