FuE-Politik von Unternehmen



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Transkript:

FuE-Politik von Unternehmen Handbuch Wissenschaftspolitik FuE-Politik von Unternehmen RENÉ ROHRBECK Technische Universität Berlin, An-Institut Deutsche Telekom Laboratories, Ernst-Reuter-Platz 7 10587 Berlin, Germany Rene.Rohrbeck@telekom.de Tel: +49 30 8353 58536, Fax: +49 391 53479290 Einleitung In diesem Artikel wird den Frage nachgegangen, (1) ob die Wissenschaftsförderung angesichts der kontinuierlich wachsenden Bedeutung der Forschung und Entwicklung (FuE) in Unternehmen noch notwendig ist, (2) welche Rollen die Wissenschaftsförderung im deutschen Innovationssystem spielen sollte und (3) wie die Wissenschaftsförderung angesichts der veränderten FuE Politik von Unternehmen angepasst werden muss. Hierbei wird unter der Überschrift Stand der Forschung die Bedeutung der FuE in Unternehmen für das nationale Innovationssystems dargestellt und die Rollen der Wissenschaftsförderung beschrieben. Im Abschnitt Problemstellung wird die Evolution der FuE in Unternehmen dargestellt und aus der Analyse fünf zentrale Herausforderungen für den Erhalt der Innovationsfähigkeit dargestellt. Zusätzlich werden drei neuartige Instrumente der FuE-Politik von Unternehmen vorgestellt, die als Reaktion auf diese Herausforderungen entwickelt wurden. Der Artikel schließt mit drei zentralen Thesen, die der Wissenschaftsförderung als Reaktion auf die beschriebenen Herausforderungen empfohlen werden: 1. Abbau von Planung und Bürokratie 2. Stärkere Integration der Unternehmen in die inhaltliche Planung 3. Förderung der Eigeninitiative von KMUs und Unternehmensgründern

Rohrbeck Stand der Forschung Hohe Bedeutung der Forschung und Entwicklung der Unternehmen Betrachtet man die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) von Unternehmen, Hochschulen und staatlich geförderten Forschungsinstituten so dominieren die Ausgaben von Unternehmen mit 1,77% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) klar gegenüber denen der Hochschulen mit 0,41% und den staatlich geförderten Forschungsinstituten mit 0,35%. Zusätzlich sind die Ausgaben der Unternehmen in den letzten 10 Jahren durchschnittlich um 4% pro Jahr gestiegen, während die von Hochschulen und Staat praktisch unverändert geblieben sind. Dies führte dazu, dass die relative Bedeutung von Unternehmen bei FuE Investitionen weiter zugenommen hat (siehe Grafik 1). Grafik 1 Ausgaben für Forschung und Entwicklung 1996-2006 als prozentualer Anteil des Bruttoinlandsprodukt (BIP) 1,8 Unternehmen 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 Hochschulen Staat 0,0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Quelle: OECD Science, Technology and Industry Outlook 2008: 121 Die starke Bedeutung der FuE wird auch im Vergleich der absoluten Ausgaben deutlich. Unternehmen wie die Siemens AG gaben in 2006 weltweit 5 Mrd. Euro für FuE aus und investieren damit mehr als es in manchen führenden nationalen Volkswirtschaften alle Akteure zusammen tun. In Finnland 2

FuE-Politik von Unternehmen beispielsweise wurden von Staat, Hochschulen und Unternehmen in Summe 4,5 Mrd. Euro für FuE investiert (Department of Trade and Industry UK (DTI), 2006: 8,47). Zusätzlich verfügt die Mehrzahl der international operierenden Unternehmen über strategische Einheiten, die kontinuierlich ihre Technologieportfolios überprüfen und deren Aus- und Umbau managen. Bei der Siemens AG geschieht dies im Bereich Corporate Technologies, der zur Identifizierung des zukünftigen Technologiebedarfs regelmäßige Zukunftsexplorationsstudien unter dem Namen Pictures of the Future durchführt (Stuckenschneider & Schwair, 2005). Dies bedeutet auch, dass das Wissen über Nutzen und Entwicklungspotential von Zukunftstechnologien in den Unternehmen dem der öffentlichen Wissenschaftsförderung mindestens ebenbürtig ist. Staatliche Förderung von FuE ein unentbehrliches Element Angesicht der Stärke der FuE großer Unternehmen stellt sich die Frage, ob die Unternehmen alleine in der Lage sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften zu sichern und somit keiner weiteren Unterstützung durch staatliche Wissenschaftsförderung bedürfen. Die Antwort ist, dass es mindestens drei Gründe gibt aus denen die staatliche Wissenschaftsförderung auch weiterhin benötigt wird: Zunehmende Komplexität der Produkte und wachsende Entwicklungskosten: Während es für die Automobilhersteller früher noch ausreichte technologische Fähigkeiten in Mechanik, Physik und Elektrik aufzubauen, bestimmen heute Elektronik und Informatik über die Wettbewerbsfähigkeit der PKWs und Nutzfahrzeuge. In einem Golf V sind bereits über 50 Mikroprozessoren integriert, die Funktionen von Fahrdynamiksteuerung, Entertainment bis hin zu Navigation übernehmen. Durch diese zusätzlichen Komponenten sind die Entwicklungskosten rapide gestiegen. Ähnliches gilt für die Entwicklung von Flugzeugen für die zivile Luftfahrt, die ohne staatliche Kreditbürgschaften, Steuererleichterungen und direkte Forschungsunterstützung nicht möglich gewesen wäre. Die geschätzten 12 Mrd. Euro Entwicklungskosten für den A 380 sind durch die Strukturen der Privatwirtschaft alleine nicht zu finanzieren. Dieser Komplexitätszuwachs führt dazu, dass der staatlichen Wissenschaftsförderung eine Rolle als Katalysator für komplexe Innovationen zufällt. 3

Rohrbeck Globaler Wettbewerb der FuE Standorte und Leuchtturm-Innovationen: International operierende Unternehmen können schon lange frei wählen in welchen Ländern sie ihre FuE Zentren aufbauen. Daher ist auch ein Wettbewerb entstanden in dem Länder Anreize schaffen, um ausländische Firmen anzuwerben, ihre FuE in einem Gastland zu betreiben. Österreich bietet im Rahmen eines solchen Anreizsystems Unternehmen, die ihren FuE-Hauptsitz nach Österreich verlegen, die Übernahme von 50% der ihnen entstandenen Umzugskosten. Unter Anderem beinhalten diese auch den Aufbau kostenintensiver Labore und Forschungseinrichtungen. Dies führt bereits dazu, dass Österreich im Vergleich der OECD Länder den drittgrößten Anteil von im Ausland finanzierten FuE Leistungen hat (OECD, 2008: 91, 106). Zusätzlich können auch staatliche Fördermaßnahmen nötig werden wenn ein Wettbewerb von Wirtschaftsräumen entsteht, wie etwa bei der Luft- und Raumfahrtindustrie. Derartige Industrien haben eine ausstrahlende Wirkung, die nach außen die Fähigkeit demonstriert Spitzentechnologie zu entwickeln. Aus dieser hohen Bedeutung für den gesamten Wirtschaftsraum ergibt sich die Notwendigkeit zu direkten Subventionen. Die Wissenschaftsförderung muss somit in einer zweiten Rolle als Verteidiger der nationalen (oder supranationalen) Interessen tätig werden. Technologische Umbrüche und neue Geschäftsmodellen: In der Forschung zu technologischen Umbrüchen und der Entstehung von neuen Geschäftsfeldern wurde gezeigt, dass große Unternehmen regelmäßig Schwierigkeiten haben ihre Organisation rechtzeitig umzubauen, um entstehende Chancen zu nutzen oder Risiken zu begegnen. Hierfür gibt es verschiedene Erklärungen: (1) Ein zu hohes Maß an Rigidität von Prozessen, (2) ein Mangel an der Fähigkeit Visionen zu entwickeln und diese zu verfolgen, (3) das Nicht-Erkennen von technologischen Umbrüchen wegen zu starker Fokussierung auf die Weiterentwicklung der eigenen Technologien und (4) die instinktive Abwehr gegen Innovationen, die eigene erfolgreiche Produkte kannibalisieren könnten. Ein sehr prominentes Beispiel für einen technologischen Umbruch ist die Digitalfotografie. Die Durchsetzung der Technologie hat bei allen großen Firmen der traditionellen chemischen Fotoindustrie entweder enorme Schäden verursacht (Kodak, der ehemalige Marktführer, musste die Anzahl seiner Mitarbeite auf ein Viertel reduzieren) oder sie sogar zur Aufgabe der Geschäftstätigkeit 4

FuE-Politik von Unternehmen gezwungen (die deutsche Firma Agfa hat ihr Fotogeschäft in eine GmbH ausgegliedert, die sich aktuell noch in einem Insolvenzverfahren befindet). Um in solchen Umbrüchen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten kann die Wissenschaftsförderung in einer präventiven Rolle die Grundlagenforschung fördern oder in einer reaktiven Rolle nach einem Umbruch den betroffenen Unternehmen den Eintritt in neue technologische Felder und neue Märkte durch FuE-Förderung ebnen. Problemstellung Ein sich kontinuierlich veränderndes FuE-Management in Unternehmen Um die drei Rollen der staatlichen Wissenschaftspolitik ausfüllen zu können, müssen ihre Mechanismen mit der FuE-Politik und dem FuE-Management der Unternehmen harmonieren. Hierzu ist es wichtig zu verstehen, dass sich das FuE-Management der Unternehmen in einem kontinuierlichen Veränderungs- und Anpassungsprozess befindet. Diese Anpassungsprozesse folgen Veränderungen im Umfeld. Die Unternehmen optimieren hierbei ihre internen Managementmechanismen, die es ihnen ermöglichen in einem gegebenen Umfeld effektiv und effizient Chancen zu nutzen und Risiken zu begegnen. Seit dem zweiten Weltkrieg haben Autoren teilweise vier oder fünf Generationen von FuE-Management identifiziert. Erste Vorschläge existieren auch über die zukünftige Entwicklung hin zu einer sechsten Generation ((Roussel et al., 1991; Miller & Morris, 1999); Nobelius, 2004). Zusammenfassend werden in der Tabelle 1 fünf Phasen dargestellt. In jeder Phase gibt es Umweltbedingungen, die auf die Ausprägung des FuE-Managements wirken, sowie eine Beschreibung der Charakteristika des FuE-Managements in den jeweiligen Phasen. Generationen Umweltbedingungen Charakteristika des FuE-Management 5

Rohrbeck Generationen Umweltbedingungen Charakteristika des FuE-Management 1 1950er Technology Push 2 1960er Market Pull 3 1970er Marketing und FuE Kopplung 4 1980er-1990er Integration 5 Heute System Integration, Umbrüche und Netzwerke Nachkriegsphase, schnelles Wirtschaftswachstum Nachfrage höher als Angebot Allgemeiner Wohlstand Unternehmensstrategie fokussiert auf Wachstum, sowohl organisch als auch durch Zukäufe Nachfrage und Angebot im Gleichgewicht Inflation und Nachfragesättigung Fokus auf Effizienz und Kostenreduktion Angebot übersteigt die Nachfrage Wirtschaftliche Erholung Konzentration auf Kerntechnologien und Kerngeschäft Fokus auf Produktionsoptimierung Globales Wachstum durch Allianzen und strategische Zukäufe Hohe Volatilität der Märkte und technologische Umbrüche Hohe Geschwindigkeit des technologischen Wandels Hyperwettbewerb Globalisierung Fokus auf Flexibilität und Produktdiversifikation Pro-aktives Management von marktund technologieseitigen Umbrüchen Linearer Prozess in dem die FuE Ergebnisse schnell in Produkte verwandelt werden Keine Absatzprobleme Linearer Prozess in dem der Markt Ideen liefert, die in der FuE in Produkte übersetzt werden FuE hat eine reaktive Rolle Mehrstufiger FuE Prozess ohne Feedback- Schleifen Integration von Marketing und FuE Integrierte Produktentwicklungsteams Integration von FuE und Produktion Verstärkte vertikale Integration mit Zuliefern und Kunden Zunahme von horizontaler Kooperation mit Konkurrenten (Joint-Ventures) Vertikale strategische Integration von Zulieferern und Kunden Horizontale Integration über Joint- Ventures und strategische Entwicklungspartnerschaften Fokus auf hohe Flexibilität; Experimentieren statt planen Zunehmende Bedeutung der Zeit als wichtigem Erfolgsfaktor Entstehung von neuen Organisationsformen wie Public Private Partnerschaften, Universitäts-Industrie- Forschungs-Zentren und Corporate Venturing Einheiten Wachsende Bedeutung kontinuierlicher Frühaufklärung Tabelle 1: Generationen des FuE-Managements in Unternehmen Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Basis von Roussel et al., 1991; Miller & Morris, 1999; Rothwell, 1992; Rothwell, 1994; Edler et al., 2002; Nobelius, 2004. Bei der Analyse der fünf Generationen des FuE-Managements sind vier zentrale Trends zu erkennen, die sich zunehmend verstärkt haben und heute die zentralen Herausforderungen für Unternehmen darstellen: 6

FuE-Politik von Unternehmen Zunehmende Komplexität: In der ersten Generation des FuE-Managements war es ausreichend, möglichst frühzeitig die Verwertbarkeit der FuE Ergebnisse zu prüfen und durch Kontrolle sicherzustellen, dass die geplanten Ergebnisse auch erreicht wurden. In der zweiten Generation wurde die FuE stärker an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet. Es handelte sich aber weiterhin um einen linearen Planungsprozess, der durch einen Kundenwunsch ausgelöst wurde und dann FuE- Projekte auslöste, die wiederum kontrolliert wurden um die ursprünglichen Ziele zu erreichen. In der dritten und vierten Phase wurden dann zunächst FuE und Marketing integriert, um parallele Produktentwicklung und Absatzmarktbearbeitung zu koordinieren. Später wurde auch eine Integration, bzw. eine intensive Koordination mit der Produktion angestrebt, um frühzeitig eine effiziente Serienproduktion sicherzustellen. In der fünften Phase wurden dann schließlich sowohl vertikale Kooperationen mit Lieferanten und Kunden aufgebaut, als auch horizontale Kooperationen mit Entwicklungs- und Produktionspartnern. Horizontale Kooperationen werden insbesondere auch wegen einer zunehmenden Technologiekonvergenz nötig (Knie & Braun-Thürmann, 2008: 82) durch welche auf den Schnittstellen bekannter Technologien Neue entstehen, wie es beispielsweise in der Mechatronik oder der Bioinformatik der Fall ist (Gassmann, 2006: 224). Um diese neu entstehenden Technologien zu entwickeln und beherrschbar zu machen bedarf es zumeist FuE Kooperationen mit Unternehmen, die über komplementäres technologisches Know-How verfügen. In Summe bedeutete dies, dass in vielen Produktentwicklungsprojekten multiple Schnittstellen gepflegt werden müssen und zusätzlich auch während der Entwicklung noch Veränderungen am Ziel ermöglicht werden, falls dies beispielsweise bei Veränderung der Kundenbedürfnisse für den Produkterfolg dienlich scheint. Diese hohe Komplexität durch multiple Schnittstellen und gewünschte Zielunklarheit charakterisiert im hohen Maße das heutige FuE-Management. Abnehmende Planbarkeit zunehmende Experimentierfreude: In der ersten und zweiten Generation des FuE-Managements dominierte noch die Planung, die initiale Phase eines FuE Projektes zusammen mit der Kontrolle, die Phase der Durchführung. In der dritten und vierten Generation setzte 7

Rohrbeck sich die Vorstellung durch, dass FuE Projekte in mehrere Phasen zu unterteilen sind. Der durch Robert Cooper vorgestellte Stage-Gate Prozess revolutionierte in vielen Unternehmen die FuE- Steuerung (Cooper, 1983). In seinem Modell wurden die einzelnen Phasen durch sogenannte Gates (deutsch=tore) unterteilt. Neue Produktentwicklungen mussten diese Tore passieren, um in die nächste Phase zu gelangen. Beispielsweise musste nach der zweiten Phase, der Konzeptentwicklung, zunächst die mögliche Wirtschaftlichkeit des Produkts nachgewiesen werden, bevor die nächste Phase, die Prototypentwicklung, eingeleitet werden konnte. Durch die Implementierung solcher Modelle konnten Planungszyklen deutlich verkürzt werden und den Produktentwicklungsteams wurde eine größere Autonomie darin gewährt, wie das nächste Gate erfolgreich passiert werden soll. In der heutigen Zeit hat sich dieser Trend weiter verstärkt. Die Produktentwicklung wird selbst nach Markteintritt und zum Teil ohne Vorausplanung fortgeführt. So ist es heute ebenfalls nicht ungewöhnlich, dass internetbasierte Produkte und Services in einer beta -Version angeboten werden. Also einer Version, die im Jargon der Softwareentwicklung eine Stufe vor dem offiziellen Markteintritt steht. Einige Produkte, wie beispielsweise die Software Google Earth, ein Programm, das Satellitenbilder basierte Karten zur Verfügung stellt, scheinen das beta Stadium überhaupt nicht zu verlassen. So ist am 4. Dezember 2008, ca. 3,5 Jahre nach der Veröffentlichung der Software die Testphase immer noch nicht abgeschlossen. Dieser Trend zur experimentellen Entwicklung wird auch eindrucksvoll durch die Versionsangaben dokumentiert: Google Earth Plus: 4.3.7284.3916 (beta) Build-Datum: Jul 8, 2008 Build-Uhrzeit: 19:04:33 In diesem Beispiel wird in den Versionsangaben nicht nur die Versionsnummer angezeigt, welche illustriert, dass bereits eine sehr hohe Zahl an Versionen hervorgebracht hat wurden, sondern es wird zusätzlich die Urzeit angegeben, was die sehr hohe Implementierungsfrequenz von neuen Versionen unterstreicht. Im Laufe der Zeit wurde also die rigide Planung über den gesamten Produktentwicklungsprozess in eine sequentielle Planung übertragen wobei heute auch innerhalb der Sequenzen mehrere Iterationen zugelassen werden. 8

FuE-Politik von Unternehmen Zunehmender Kooperationsbedarf: Während der ersten beiden Phasen des FuE-Managements waren noch praktisch alle Bestandteile eines Produktes von lediglich einem Hersteller. In einem Auto von Ford waren alle Teile, bis hin zur kleinsten Schraube, auch tatsächlich in Fabriken von Ford hergestellt worden. In der dritten und vierten Phase entstand dann der Automobilbau, wie wir ihn heute kennen: Der Automobilhersteller produziert nur noch einen Anteil von 20-30 Prozent der Fahrzeugteile. Die übrigen Anteile werden von Lieferanten erbracht, die hierarchisch in Systems- Komponenten- und Bauteilelieferanten aufgeteilt werden. Dieses Phänomen der Arbeitsteilung in der Produktion und damit auch in der FuE wurde zunächst vor allem durch Wettbewerbsdruck und mit dem Ziel durch Spezialisierung Kostenvorteile zu nutzen getrieben. Heute sind die Ziele der Kooperation in zunehmendem Maße höhere Entwicklungsgeschwindigkeit und Flexibilität. Ein weiteres Beispiel für Kooperation in der Produktentwicklung liefert der, in der Innovationsliteratur, viel zitierte Apple ipod, ein damals neuartiges tragbares Abspielgerät für Musik. Das initiale Produktkonzept stammte von Tony Fadell, einem unabhängigen Produktdesigner, der das Produktkonzept selbst entwickelt hatte und mit Apple einen interessierten Partner für Serienentwicklung und Vermarktung fand. Nachdem Steve Jobs, der Geschäftsführer von Apple, Interesse an dem Projekt entwickelt hatte, wurde Fadell freie Hand gegeben, um ein Produktentwicklungsteam aus internen und externen Entwicklern zusammen zu stellen. Dieses Team bestand dann schließlich aus insgesamt 35 Entwicklern, die überwiegend aus den externen Firmen Ideo (Produktdesign), Connectix (Hardware/ Software), und WebTV (Medien) stammten. In einer aktuellen Studie der Deutschen Bank wird davon ausgegangen, dass sich dieser Trend zur Kooperation weiter verstärken wird. In einer umfangreichen Szenarioanalyse, einer Methode, die quantitative und qualitative Daten integriert, wird davon ausgegangen, dass die Wertschöpfung in zunehmendem Maße im sogenannten Projektwirtschaft Modus erzielt werden wird. Projektwirtschaft steht hierbei für zumeist temporäre, außerordentliche Kooperationen zwischen mehreren Unternehmen, wie etwa der Zusammenschluss von Telekom und Daimler für die 9

Rohrbeck Entwicklung und Vermarktung der Toll-Collect-Lösung, Deutschlands LKW-Maut System. Es wird angenommen, dass deren Anteil von heute 2% auf 15% im Jahr 2020 ansteigen wird (Hofmann et al., 2007: 1). Bei der Organisation von Kooperationen wird darüber hinaus erwartet, dass zukünftig zunehmend spontanere und flexiblere Kooperationsformen gewählt werden, im Gegensatz zu den heute dominanten vertraglich gebundenen Kooperationen (Roehl & Rollwagen, 2004: 32). Zunehmende Bedeutung von pro-aktivem Management von Umbrüchen: In der Forschung zu Veränderungen in Märkten und Industieren hat sich das Paradigma durchgesetzt, dass Veränderungsprozesse von langen Phasen inkrementeller und kurzen Phasen radikaler Veränderungen geprägt sind. In Folge dessen wird es für Unternehmen immer wichtiger Fähigkeiten aufzubauen, die es ermöglichen systematisch und kontinuierlich Veränderungen im Umfeld zu identifizieren und darauf aufbauend interne Veränderungsprozesse auszulösen. Zur organisatorischen Etablierung solcher Fähigkeiten wird eine Kombination aus Einheiten, die strategische Frühaufklärung betreiben (Rohrbeck & Gemuenden, 2008: 155) und Corporate Venturing -Einheiten empfohlen. Die stärkere Vernetzung zwischen öffentlicher Forschung und Unternehmen Insbesondere aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Know-How, Experimentierfreude und Flexibilität entdecken Unternehmen wieder alte Tugenden und gehen verstärkt auf die öffentliche Forschung zu. Gerade für die Entstehung grundlegender Innovationen sieht der Wissenschaftsrat Kooperationen zwischen Hochschulen/ Forschungseinrichtungen und Unternehmen als essentiell an. (Wissenschaftsrat, 2007: 7). Tabelle 2 zeigt häufig genannte Gründe die als Motivation für temporäre und langfristige Kooperationen dienen. 10

FuE-Politik von Unternehmen Universitäten und öffentliche Forschung Verbesserung der Lehre Zusatzfinanzierung über Drittmittel Zugang zu Wissen und empirischen Daten Politischer Druck Innovationen zu fördern Reputationszuwachs Attraktive Berufseinstiegschancen für Abgänger Industrieunternehmen Zugang zu neuesten Technologien Nutzung von Laboren Zugang zu Personal und Kosteneinsparungen Risikoteilung bei Grundlagenforschung Stabilisierung von langfristigen FuE Projekten Rekrutierung Tabelle 2: Motivationsquellen für Zusammenarbeit von öffentlicher Forschung und Industrie Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von (Frank et al., 2007: 6; Laukkanen, 2003: 372) Erfreulicher Weise attestiert eine aktuelle Studie des Stifterverbands der deutschen Wissenschaft Unternehmen und Hochschulen eine zunehmende Professionalität bei der Durchführung ihrer Kooperationen (Frank et al., 2007: 6). Erfreulich ist ebenfalls, dass die bereits oben erwähnte Studie Innovationsindikator 2008 Deutschland bei der internen Vernetzung des Innovationssystems auf dem dritten Rang der führenden Industrienationen sieht. Dieser hohe Rang erfreut insbesondere deshalb, weil in Deutschland immer wieder das in hohem Maße diversifiziertes und dezentralisiertes Innovationssystem bemängelt wird (Kaiser & Prange, 2004: 258), welches die Vermutung nahe legen könnte, dass diese Komplexität der öffentlichen Forschung Kooperationen erschwert. Zudem ist auch die aktuelle Aufteilung der öffentlichen Forschung auf Universitäten, Fachhochschulen, Fraunhofer Institute, Max-Planck Institute sowie die Helmholz und Leibniz Gemeinschaft nicht überschneidungsfrei und damit das auffinden von passenden Kooperationspartnern für Unternehmen nicht immer einfach ist. Neue Instrumente der FuE-Politik von Unternehmen Erfreulich ist jedoch, dass in der jüngeren Vergangen mehrere neue Organisationsformen entstanden sind, die Kooperationen zwischen öffentlicher Forschung und Unternehmen intensivieren und professionalisieren. Im Folgenden werden drei dieser neuen Organisationsformen vorgestellt und diskutiert. 11

Rohrbeck Universitäts-Industrie-Forschungs-Zentren (UIFZ) Hierbei handelt es sich um Kooperationen, die zumeist von einem Industrieunternehmen initiiert und anschließend mit einer wissenschaftlichen Institution gemeinsam aufgebaut werden. Solche Zusammenschlüsse ersetzen die alten internen FuE-Laboratorien wie beispielsweise die in 1925 von dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen AT&T gegründeten Bell Labs. Dieses reine Industrie-Forschungs-Zentrum hat nicht nur Technologien wie Laser oder die UNIX Programmiersprache entwickelt, sondern auch sechs Nobelpreisträger hervorgebracht. Beispiele für solche neuartigen UIFZ sind das Microsoft Lab in Cambridge (GBR) oder in Deutschland das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken und die Deutsche Telekom Laboratories (T-Labs) in Berlin (Rohrbeck & Arnold, 2006). Die UIFZ ermöglichen es hierbei übliche Barrieren zwischen öffentlicher Forschung und Industrie auf geschickte Weise zu überspringen oder abzubauen (Rohrbeck & Arnold, 2006: 4-6). Insbesondere institutionelle und operative Barrieren wie nicht aufeinander abgestimmte Prozesse, unterschiedliche Perspektiven auf das Ziel der FuE oder die mangelnde Akzeptanz der Ergebnisse des Partners werden abgebaut. Für Unternehmen wird diese Art von Kooperation häufig zum zentralen Kooperationstor in die Wissenschaft über das ein breites Spektrum von Themen bearbeitet werden kann (Koschatzky et al., 2007). Strategische Public Private Partnerships (PPP) Diese Public Private Partnerships haben als primäres Ziel einen langfristigen Rahmen zu schaffen, der den Partnern die Kooperation in kurzfristigen, marktnahen Innovationsprojekten vereinfacht (Bub & Schläffer, 2008). Hierbei können die Kompetenzen der Partner zumeist mehrere öffentliche Forschungsträger und mehrere Unternehmen komplementär kombiniert werden (Zollenkop, 2006: 15; Frank et al., 2007: 43). Ein Beispiel für eine solche PPP ist das European Center for Information and Communication Technologies (EICT) in Berlin. Initiiert wurde EICT durch die drei Großunternehmen: Deutsche Telekom, Siemens und Daimler sowie die beiden Partner aus der öffentlichen Forschung: TU Berlin und Fraunhofer Gesellschaft. Die EICT GmbH dient als Rahmen in dem die Partner langfristig strategische Forschung und kurzfristige Innovationsprojekte betreiben können. Rahmenverträge regeln 12

FuE-Politik von Unternehmen zusätzlich Vertraulichkeit sowie gewerbliche Schutzrechte für die gemeinsamen Erfindungen. Der Wissenschaftsrat sieht in solchen PPP ein gute Kooperationsform, die ausgezeichnet dafür geeignet ist, langfristige zieloffene Kooperationen zu organisieren und den Innovationsprozess zu beschleunigen (Wissenschaftsrat, 2007: 92). Corporate Venturing und Seed Fonds für Radikale Innovationen Gerade bei technologischen Umbrüchen und Umbrüchen in Geschäftsmodellen stoßen traditionelle Unternehmensstrukturen schnell an ihre Grenzen. Anpassungsprozesse an die veränderte Umwelt sind häufig zu langsam, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (Christensen & Overdorf, 2000: 67). Daher ist es auch für die Volkswirtschaft insgesamt wichtig, die Agilität des nationalen Innovationssystems durch einen hohen Anteil an kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) und Unternehmensgründungen zu sichern. Neben der Gründungsförderung durch Steuererleichterungen und direkte Anschubfinanzierung spielt hierbei die Verfügbarkeit von Wagniskapital eine entscheidende Rolle (BMBF, 2008: 19-20). Eine Studie der OECD zeigt für Deutschland im internationalen Vergleich gerade bei der Verfügbarkeit von Wagniskapital deutlichen Aufholbedarf. In Grafik 2 ist zu sehen, dass Deutschland mit einem Anteil von Venture Capital Investitionen am BIP von 0,04 % deutlich unter dem OECD Durchschnitt von 0,16 % liegt. Besonders bedrückend ist der Vergleich mit Großbritannien, das mit einem Anteil von 0,49 % eine um das 12-fache höhere VC-Finanzierungsquote aufweist. Deutschlands Quote bei dem besonders wichtigen Seed -Kapital, für die Unterstützung von Unternehmensgründungen in der initialen Phase, ist hierbei im Vergleich sogar noch geringer und liegt um den Faktor 20 unter der von Großbritannien (OECD, 2008: 121). 13

Rohrbeck Grafik 2 Venture Capital Investitionen 2006 als prozentualer Anteil des Bruttoinlandsprodukt (BIP) 0,5% 0,4% Seed 0,3% 0,2% 0,1% OECD Ø =0,16% (Seed + Start-up) Start-up 0,0% AUT GER IRE DEN FRA BEL GBR Quelle: OECD Science, Technology and Industry Outlook 2008: 121 Als positiv ist jedoch anzumerken, dass dieser Notstand bereits in 2005 erkannt wurde und mit Aufsetzung der High-Tech Gründerfonds eine nachhaltig Stärkung der Seed -Kapital Förderung erreicht werden konnte. Die High-Tech Gründerfonds sind aus einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und sechs großen Deutschen Unternehmen hervorgegangen. Die Partner BMWi, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), BASF, Siemens, Deutsche Telekom, Daimler, Bosch und Zeiss haben insgesamt 272 Millionen Euro für die Unterstützung von jungen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das Ziel hierbei ist sowohl die Stärkung des deutschen Innovationssystems insgesamt, als auch alternative Kommerzialisierungspfade für die FuE Ergebnisse von Unternehme zu erschließen (Gold et al., 2008). Erste Erfolge zeigen sich in dem rasanten Wachstum der mit Seed -Kapital geförderten Unternehmensgründungen. Diese beliefen sich im Jahr 2005 noch auf 20 und wuchsen bereits in 2007 auf eine Anzahl von 127 Unternehmungen an. Entsprechend überrascht es nicht, dass auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in seiner High-Tech Strategie die Ausweitung der High-Tech Gründerfonds ankündigt (BMBF, 2008: 19-20). 14

FuE-Politik von Unternehmen Fazit Wie die Betrachtung der Entwicklung der FuE-Politik von Unternehmen gezeigt hat, ist diese durch eine zunehmende Komplexität, eine abnehmende Planbarkeit, einen zunehmenden Kooperationsbedarf und eine zunehmende Bedeutung von pro-aktivem Management von Umbrüchen gekennzeichnet. Der daraus abgeleitete Bedarf an erhöhter Flexibilität und dem Aufbau von Fähigkeiten um schnell auf Umbrüche reagieren zu können und schnell in partnerschaftliche FuE-Kooperationen einzutreten zu können hat zu neuen Organisationsformen für FuE in Unternehmen geführt. Für die Wissenschaftsförderung ergeben sich in Konsequenz drei zentrale Optimierungsvorschläge: 1. Abbau von Planung und Bürokratie: Im Licht des Bedarfs an höhere Flexibilität der Innovationssysteme erscheint die heutige Praxis der Wissenschaftsförderung nicht ausreichend. Durch die auf Studien aufbauende inhaltliche Planung der Förderprogramme werden die ohnehin schon nicht sehr agilen großen Unternehmen und Forschungskonsortien weiter verlangsamt. Auch grundsätzlich erscheint die inhaltliche Vorgabe durch Fördermittelgeber nicht immer zweckdienlich, denn die Unternehmen und insbesondere große Unternehmen haben zumeist eigene Stäbe, die Vorteilhaftigkeit von bestimmten FuE Projekten beurteilen können und die inhaltliche Einflussnahme während der Antragsphase verursacht einen erneuten Bedarf zur Abstimmung zwischen den Konsortialpartnern. Zusätzliche führt die bei großen Konsortialprojekten übliche Antragsdauer von einem Jahr oder mehr zu einem bedauerlichen Zeitversatz und macht die Teilnahe von Klein- und Mittelständischen-Unternehmen (KMU) häufig ganz unmöglich. 2. Stärkere Integration der Unternehmen in die inhaltliche Planung: Aktuell werden zur Definition von Förderprogrammen verstärkt auf Beratung durch Professoren und damit auf zumeist auf Kenntnisse auf der Technologieseite vertraut. Angesichts eines Innovationssystems, welches in verstärktem Maße iterativ auf Marktbedürfnisse reagieren muss, erscheint dies nicht ausreichend. Unternehmen sind hier deutlich näher am Markt und sollten stärker in die Definition und Ausrichtung der Förderprogramme integriert werden. Eine 15 Möglichkeit dies umzusetzen könnte die Nutzung von industriegetriebenen FuE Clustern

Rohrbeck bieten, da diese bereits konsolidierte Sichten ihrer Mitglieder in die Planung einbringen können. 3. Förderung der Eigeninitiative von KMUs und Unternehmensgründern: Für die Förderung der FuE von KMUs und Unternehmensgründungen scheint die Bindung an inhaltliche Vorgaben durch den Fördermittelgeber besonders unglücklich Die Stärke dieser kleinen, agilen Akteure des nationalen Innovationssystems ist gerade die Flexibilität und der eigene Antrieb, der oft direkt mit dem Inhalt der Innovationsaktivität verbunden ist. Für die Wissenschaftsförderung in diesem Bereich bietet sich daher eher eine indirekte Förderungen durch zum Beispiel Steuererleichterungen an. Literatur Grundlegend Bub, Udo und Christopher Schläffer. (2008) Umsetzung von offener Innovation durch industrielle Cluster und Public Private Partnerships Beschleunigte Innovation mit regionalen und industrienahen Forschungsclustern. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 146-157. Department of Trade and Industry UK (DTI). (2006) The 2006 R&D Scoreboard. London: DTI publications. Frank, Andrea, Volker Meyer-Guckel und Christoph Schneider. (2007) Innovationsfaktor Kooperation - Bericht des Stifterverbandes zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen Edition Stifterverband. Berlin: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, 148. Gold, Bernhard, Björn Momsen und Rene Rohrbeck. (2008) Konzerne und Seedinvestoren - Partner und Motor für die Volkswirtschaft. VentureCapital Magazin, 2008, 32-33. Knie, Andreas und Holger Braun-Thürmann. (2008) Katalysator des Wandels: Die Wirkung der Exzellenz-Initiative auf das Verhältnis von Wirtschaft und Wissenschaften. In: Dagmar Simon Stefan Hornbostel, Saskia Heise, ed. Exzellente Wissenschaft: Das Problem, der Diskurs, das Programm und die Folgen (ifq-working Paper No. 4). Bonn: ifq Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, 81-92. Rohrbeck, Rene und Heinrich M. Arnold. (2006) Making university-industry collaboration work a case study on the Deutsche Telekom Laboratories contrasted with findings in literature. In: M. 16

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