Je höher das Einkommen eines Bürgers ist, desto eher ist er steuerpflichtig.



Ähnliche Dokumente
Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Informationsblatt Induktionsbeweis

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Lösung Fall 23. Anspruch des G gegen S auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus 1147, 1192 Abs.1 BGB

Das Leitbild vom Verein WIR

DOWNLOAD. Wortfeld Recht. Fachausdrücke des Alltags verstehen und anwenden. Jens Eggert. Downloadauszug aus dem Originaltitel:

das usa team Ziegenberger Weg Ober-Mörlen Tel Fax: mail: lohoff@dasusateam.de web:

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Erfolg im Verkauf durch Persönlichkeit! Potenzialanalyse, Training & Entwicklung für Vertriebsmitarbeiter!

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Haftung des Telearbeiters gegenüber dem Arbeitgeber

Evangelisieren warum eigentlich?

Alle Schlüssel-Karten (blaue Rückseite) werden den Schlüssel-Farben nach sortiert und in vier getrennte Stapel mit der Bildseite nach oben gelegt.

Die richtigen Partner finden, Ressourcen finden und zusammenführen

Gutes Leben was ist das?

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Nachstellung (Stalking) 238 n. F.

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Leichte-Sprache-Bilder

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Die Notare. Reform des Zugewinnausgleichsrechts

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot

Inhalt. Einführung in das Gesellschaftsrecht

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Leseprobe - Seite 5 - Kapitel 5 Fragetechniken - Einfürung

Strafrecht Allgemeiner Teil

Festigkeit von FDM-3D-Druckteilen

1. Weniger Steuern zahlen

Verjährungsfalle Gewährleistungsbürgschaft. -Unterschiedliche Verjährungsfristen für Mängelansprüche und Ansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft

1 Mathematische Grundlagen

predigt am , zu römer 16,25-27

Behindert ist, wer behindert wird

6. Fall Geschäftsführung ohne Auftrag???

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

4. Jeder Knoten hat höchstens zwei Kinder, ein linkes und ein rechtes.

Alle gehören dazu. Vorwort

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Schwangerschaftsabbruch. Lösungshinweise Fall 1 (nach BGH NStZ 2008, 393 mit Anm. Schroeder JR 2008, 252)

Die Gesellschaftsformen

Monatstreff für Menschen ab 50 Temporäre Dateien / Browserverlauf löschen / Cookies

Und was uns betrifft, da erfinden wir uns einfach gegenseitig.

18: Weitere Delikte gegen die persönliche Freiheit

Schritte 4. Lesetexte 13. Kosten für ein Girokonto vergleichen. 1. Was passt? Ordnen Sie zu.

Sollsaldo und Habensaldo

Anwendungskurs Strafrecht Allgemeiner Teil II und Eigentumsdelikte. - Fahrlässigkeit -

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Teil 1: Ansprüche S gegen I

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Elternzeit Was ist das?

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Pflegende Angehörige Online Ihre Plattform im Internet

Sonderrundschreiben. Arbeitshilfe zu den Pflichtangaben in Immobilienanzeigen bei alten Energieausweisen

Der wachsende Berufsunfähigkeitsschutz SV Start-Easy-BU.

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Was sind Soziale Netzwerke? Stelle dazu selbstständig Überlegungen an!

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

Einkaufen im Internet. Lektion 5 in Themen neu 3, nach Übung 10. Benutzen Sie die Homepage von:

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Der Leverage-Effekt wirkt sich unter verschiedenen Umständen auf die Eigenkapitalrendite aus.

Auftrag zum Fondswechsel

Kulturelle Evolution 12

mysql - Clients MySQL - Abfragen eine serverbasierenden Datenbank

So funktioniert Ihr Selbstmanagement noch besser

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

Repetitionsaufgaben Wurzelgleichungen

Studienkolleg der TU- Berlin

Kündigung, Zustimmung zur - eines Schwerbehinderten; Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten; Prävention.

ES GEHT NICHTS ÜBER EX-AZUBIS, Leiter der Fertigung, Produktbereich Blech, bei

Vertical-Spreads Iron Condor Erfolgsaussichten

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

Kreativ visualisieren

RECHT AKTUELL. GKS-Rechtsanwalt Florian Hupperts informiert über aktuelle Probleme aus dem Beamten- und Disziplinarrecht

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

Was ist das Budget für Arbeit?

Mobile Intranet in Unternehmen

Im Folgenden werden einige typische Fallkonstellationen beschrieben, in denen das Gesetz den Betroffenen in der GKV hilft:

Änderung des IFRS 2 Anteilsbasierte Vergütung

Info zum Zusammenhang von Auflösung und Genauigkeit

Wirtschaftsstrafrecht Besonderer Teil Juniorprofessor Dr. Isfen

Berufsausbildungsbeihilfe Die finanziellen Hilfen der Agentur für Arbeit

Situa?onsbeschreibung aus Sicht einer Gemeinde

Finanzierung: Übungsserie III Innenfinanzierung

Transkript:

Das Erst-Recht-Argument, argumentum a fortiori 1. Die vier Formen des Erst-Rechtschlusses Jedes Erst-Recht-Argument basiert auf einem steigerungsfähigen Begriff und einer mit Hilfe dieses Begriffs gebildeten komparativen Rechtsregel. Diese kann in vier verschiedenen Formen auftreten: 1. In je höherem Maße das steigerungsfähige Merkmal gegeben ist, desto eher tritt die Rechtsfolge ein (argumentum a minore ad maius). 2. In je geringerem Maße das steigerungsfähige Merkmal gegeben ist, desto eher tritt die Rechtsfolge nicht ein (argumentum a majore ad minus). 3. In je höherem Maße das steigerungsfähige Merkmal gegeben ist, desto eher tritt die Rechtsfolge nicht ein (argumentum a minore ad maius). 4. In je geringerem Maße das steigerungsfähige Merkmal gegeben ist, desto eher tritt die Rechtsfolge ein (argumentum a majore ad minus). Satz 1 und 2 sowie Satz 3 und 4 bedeuten dasselbe, welche der jeweils gleichbedeutenden Formeln man anwendet, hängt davon ab, ob im zu entscheidenden Fall das Merkmal in höherem Maße gegeben ist, als im Ausgangsfall oder in geringerem Maße. Die Sätze 1 und 4 sind anwendbar, wenn das steigerungsfähige Merkmal die Rechtsfolge begründen soll, die Sätze 2 und 3 sind anwendbar, wenn das steigerungsfähige Merkmal die Rechtsfolge begrenzen soll. Das Argument geht aus von einem Satz, in dem das steigerungsfähige Merkmal in einem bestimmten Grade vorkommt oder in den es hineininterpretiert worden ist. Wir nennen diesen Satz im Folgenden den Ausgangssatz. Kommt das steigerungsfähige Merkmal im Ausgangssatz expressis verbis vor, so ist es eine Frage der Interpretation, ob es eine rechtsfolgenbegründende oder eine rechtsfolgenbegrenzende Funktion hat oder auch beide Funktionen. Wenn das steigerungsfähige Merkmal im Ausgangssatz tatsächlich vorkommt, so ist die Argumentation in der Praxis sehr einfach, wie folgendes Beispiel zeigt. Wir gehen von der folgenden komparativen Regel aus: Je höher das Einkommen eines Bürgers ist, desto eher ist er Nehmen wir nun folgenden

Ausgangssatz: Wer ein Jahreseinkommen von 24.000 Euro hat, ledig ist und keine Unterhaltspflichten hat, ist Je höher das Einkommen eines Bürgers ist, desto eher ist er Konsequenz: Wer ein Einkommen von 30.000 Euro im Jahr hat, ledig ist und keine Unterhaltspflichten hat, ist Dies ist ein argumentum a minore ad maius. Nehmen wir nun folgenden Ausgangssatz: Konsequenz: Wer ein Einkommen von 10.000 Euro im Jahr hat, ist nicht Je niedriger das Einkommen ist, desto eher ist der Bürger nicht Wer ein Einkommen von 7.000 Euro im Jahr hat, ist nicht Dies ist ein argumentum a majore ad minus. Der Erstrecht-Schluss ist zwingend, wenn er von einem steigerungsfähigen Merkmal ausgeht, das in einem positiv gültigen Rechtssatz expressis verbis vorkommt. Wird das steigerungsfähige Merkmal in den Ausgangssatz erst hineininterpretiert, so ist das Erstrecht- Argument nicht zwingend. Zunächst ist diese Interpretation selbst prinzipiell angreifbar. Nach 250 StGB wird bestraft, wer bei einem Raube den Tod eines Menschen mindestens fahrlässig verursacht. Daraus ergibt sich ein Erstrecht-Argument für den Fall, dass der Täter den Tod vorsätzlich verursacht hat. Die Ausdrucksweise des Gesetzes mindestens fahrlässig, setzt einen steigerbaren Begriff voraus. Dieser kann nur in dem Grad des Verschuldens des Täters am Tod des Opfers bestehen. Also ist auf den 250 StGB das folgende komparative Gesetz anwendbar: Je größer die Schuld des Täters am Tod des Opfers ist, desto eher wird er nach 250 StGB bestraft. Wenn der Täter den Tod bei dem Raube vorsätzlich verursacht hat, ist sein Verschulden daran größer, als wenn er ihn fahrlässig verursacht hat, der steigerungsfähige Begriff mindestens fahrlässig ist also bei Vorsatz in stärkerem Maße erfüllt als bei Fahrlässigkeit, deshalb ist 250 StGB unmittelbar auch auf den Fall anwendbar, in dem der Räuber den Tod eines Menschen vorsätzlich verursacht hat. Das Problem des Erst-Recht-Arguments besteht darin, die komparative Regel zu ermitteln, zu formulieren und aus dem Ausgangsrechtssatz zu begründen. Leider wird dies bei Anwendung dieser Schlussform sehr oft vernachlässigt, weil man sich auf die intuitive Plausibilität des Erst-Recht-Schlusses verlässt. Das ist ein methodischer Fehler, denn ohne die theoretische Grundlage der komparativen Regel kann der Erst-Recht-Schluss weder begründet noch

kritisiert werden. Dann kann es geschehen, dass ein Erst-Recht-Argument, das aus einem plausiblen Ausgangssatz abgeleitet wird, in die Irre führt. Hierfür ein Beispiel: 2. Diskussion eines Erst-Rechtarguments Es wird empfohlen, sich mit der Lehre von der Teilnahme an fremder Selbstgefährdung in den Grundzügen vertraut zu machen. Der Angeklagte, ein Polizeibeamter, hatte seine Dienstpistole auf dem Armaturenbrett seines Wagens abgelegt. Von dort nahm seine Beifahrerin die Waffe weg und erschoss sich sofort damit. Der Besitzer einer Schusswaffe ist verpflichtet, diese stets so zu verwahren, dass kein anderer auf sie Zugriff hat. Diese Sorgfaltspflicht hatte der Angeklagte verletzt. Da er wusste, dass seine Beifahrerin depressiv und suizidgefährdet war, war ihr Tod infolge seiner Sorgfaltspflichtverletzung für ihn auch vorhersehbar. Demgemäß hat das Instanzgericht ihn wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der BGH hob das Urteil mit folgender Begründung auf: Wer mit Gehilfenvorsatz den Tod eines Selbstmörders mitverursacht, kann nicht bestraft werden, weil der Selbstmord keine Straftat ist. Damit aber verbiete es sich aus Gründen der Gerechtigkeit, denjenigen zu bestrafen, der nur fahrlässig eine Ursache für den Tod eines Selbstmörders setzt. 1 Roxin, der das Argument des BGH offenbar als Erstrechtschluss versteht, führt diesen Schluss wie folgt weiter: Ist nämlich die Bewirkung vorsätzlicher Selbsttötung straflos, so folgt aus dem vom BGH in der neusten Freitod-Entscheidung mit Recht hergestellten Wertungszusammenhang mit derselben zwingenden Logik, dass auch die Mitwirkung bei vorsätzlicher Selbstgefährdung straflos sein muss; denn wenn nicht einmal die vorsätzliche Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung vom Schutzzweck der Tötungsnorm gedeckt wird, kann es die Beteiligung an einer Selbstgefährdung, die im Hinblick auf den Erfolg in der Regel nur Fahrlässigkeit begründet, erst recht nicht sein. 2 Dieser Erstrecht-Schluss von der Straflosigkeit der Beteiligung an einer Selbsttötung auf die Straflosigkeit einer Beteiligung an einer Selbstgefährdung hat sich in der Strafrechtswissenschaft zunächst durchgesetzt. Seit dem unterscheidet man zwischen der Beteiligung an einer Selbstgefährdung, die per se straflos ist und der einverständlichen Fremdgefährdung, deren Straflosigkeit an weitere Bedingungen geknüpft werden kann. 3 Inzwischen wird die Tragfähigkeit der Unterscheidung zwischen Beihilfe zur Selbstgefährdung und einverständlicher Fremdgefährdung bestritten 4, also auch der oben 1 BGHSt 24, 342 (343 f.). 2 Roxin Zum Schutzzweck der Norm bei fahrlässigen Delikten, FS-Gallas (1973), 241 (246). 3 SK-Rudolphi Vor 1 Rn. 81 a; Schönke/Schröder-Lenckner Vor 32 Rn. 102; Kindhäuser AT 12/63 ff.; Wessels/Beulke AT Rn. 186; Otto AT 6 Rn. 60; Kühl AT 4 Rn. 88a. 4 Dach Die Beteiligung an vorsätzlicher Selbstgefährdung, NStZ 1985, 24 (25); Frisch Selbstgefährdung im Strafrecht, NStZ 1992, 1 (5); Otto Anm. zur Entscheidung des BayObLG vom 14.02.1997 StRR 4/97, JZ 1997, 522 (523); ders. Eigenverantwortliche Selbstschädigung und -gefährdung sowie einverständliche Fremdschädigung und -gefährdung, FS-Tröndle (1989), 157 (172); vgl. NK-Puppe Vor 13 Rn. 184 f.; dies. AT/1 6/3.

dargestellt Erstrecht-Schluss von Roxin. 5 Da auch Roxin das komparative Gesetz nicht angibt, auf dem dieser Erstrecht-Schluss beruhen soll, sind wir auf Vermutungen angewiesen. Diese Regel könnte vielleicht wie folgt lauten: In je höherem Maße ein Beteiligter den Kausalverlauf zu einem Erfolg beherrscht, desto eher ist er dafür verantwortlich. In je geringerem Maße ein Beteiligter den Kausalverlauf zum Erfolg beherrscht, desto eher ist er nicht dafür verantwortlich. Nach dieser Regel ließe sich der Schluss des BGH von der Straflosigkeit der vorsätzlichen Beihilfe zur Selbsttötung auf die Straflosigkeit einer fahrlässigen Ermöglichung einer Selbsttötung wie folgt als argumentum a majore ad minus darstellen: Ausgangssatz: Die vorsätzliche Beteiligung an einer fremden Selbstverletzung ist straflos. Einführung des komparativen Merkmals: Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung beteiligt beherrscht den Kausalprozess weniger als der, der sich vorsätzlich daran beteiligt. In je geringerem Maße der Beteiligte den Kausalverlauf zum Erfolg beherrscht, desto eher bleibt er straflos. Konsequenz: Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung beteiligt ist straflos. Dies wäre die Interpretation des Arguments des BGH, die seiner Fortführung durch Roxin zugrunde liegt. Wenn unsere Interpretation der Argumentation von Roxin richtig ist, so lässt sie sich wie folgt vollständig darstellen: Ausgangssatz: Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung beteiligt, ist straflos. Einführung des komparativen Merkmals: Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstgefährdung beteiligt beherrscht den Eintritt des Erfolges weniger als der, der sich fahrlässig an einer fremden Selbstverletzung beteiligt. In je geringerem Maße der Beteiligte den Kausalverlauf zum Erfolg beherrscht, desto eher bleibt er straflos. Konsequenz: Wer sich fahrlässig an einer fremden Selbstgefährdung beteiligt, ist straflos. Ein solcher Erstrecht-Schluss ist aber nur dann gültig, wenn sich die beiden verglichenen Fälle durch nichts anderes unterscheiden, als dadurch, dass das steigerungsfähige Merkmal im zu entscheidenden Fall in schwächerem Maße ausgeprägt ist als im Ausgangssatz. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so besteht die Gefahr, dass durch das Erstrecht-Argument ein entscheidender Unterschied zwischen den beiden verglichenen Fällen überspielt und deshalb missachtet wird. Das argumentum a minore ad minus des BGH erfüllt diese Bedingung. Die 5 MüKo-Duttge 15 Rn. 150; Zaczyk Strafrechtliches Unrecht und die Selbstverantwortung des Verletzten (1993), 53, 185; NK-Puppe Vor 13 Rn. 184; dies. AT/1 6/4; dies. Die Selbstgefährdung des Verletzten beim Fahrlässigkeitsdelikt, FS-Androulakis (2003), 555 (560 f.); Frisch Selbstgefährdung im Strafrecht, NStZ 1992, 1 (5).

fahrlässige Ermöglichung einer fremden Selbsttötung unterscheidet sich von der vorsätzlichen nur dadurch, dass der Täter den Erfolgseintritt in geringerem Maße beherrscht. Bei der Fortführung des Erstrechtschlusses durch Roxin aber bleibt ein Unterschied zwischen den verglichenen Fällen unbeachtet, auf den es für die Straflosigkeit der Beteiligung an fremder Selbsttötung und fremder Selbst-verletzung möglicherweise ankommen sollte. Wer sein eigenes Rechtsgutsobjekt bewusst preisgibt oder zerstört oder zerstören lässt, der betätigt seinen Willen, das Objekt los zu werden. Dadurch wird sein Recht, über dieses Objekt zu verfügen, nicht verletzt, sonder im Gegenteil ausgeübt. Wer sein Rechtsgutsobjekt nur gefährdet, will es in der Regel gerade nicht verlieren. Der Verlust des Rechtsgutsobjekts als Konsequenz der Gefährdung ist durch seine Entscheidung, das Rechtsgutsobjekt zu gefährden also nicht gedeckt. Dieser Unterschied steht einem Schluss von der Rechtmäßigkeit der Beteiligung an fremder Selbstverletzung auf die Rechtmäßigkeit der Beteiligung an fremder Selbstgefährdung entgegen. Es ist hier nicht der Ort, die materielle Rechtsfrage zu entscheiden, ob und inwieweit der Bürger davor geschützt werden soll, dass ihm eine Gefährdung seiner eigenen Rechtsgüter ermöglicht wird oder dass er, vergleichbar einer Anstiftung, dazu veranlasst wird, sich selbst in Gefahr zu begeben. Es war nur zu demonstrieren, welche Anforderungen ein gültiges argumentum a fortiori erfüllen muss. Es sind die folgenden: 1. Der Ausgangssatz enthält ein steigerungsfähiges Merkmal, dass in einem bestimmten Ausmaß erfüllt ist und die Rechtsfolge begründet, bzw. begrenzt. 2. Aus diesem steigerungsfähigen Merkmal lässt sich eine komparative Regel ableiten, wonach die Rechtsfolge um so eher eintritt, bzw. ausbleibt, in je höherem bzw. geringerem Grade das steigerungsfähige Merkmal erfüllt ist. 3. Der zu entscheidende Fall unterscheidet sich vom Ausgangssatz darin, dass in ihm das steigerungsfähige Merkmal in höherem, bzw. geringerem Grade gegen ist, als im Ausgangssatz. Der zu entscheidende Fall unterscheidet sich vom Ausgangsfall in keinem anderen entscheidungsrelevanten Merkmal.