Dem Schlafmediziner kommt im



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Transkript:

Ganzheitliche Zahnmedizin Wenn Schmerzen nicht schlafen lassen Häufige Ursachen für schlechten, nicht erholsamen Schlaf sind Schmerzen in der Nacht. Hier spielen vor allem wirbelsäulenbedingte Beschwerden, in Verbindung mit Kopfschmerzen oder Tinnitus, eine große Rolle. Ca. ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung leidet an Ein- und Durchschlafstörungen, die man unter dem Begriff Insomnie zusammenfasst. Auch in Deutschland und Europa ist dieses Phänomen weit verbreitet. Dr. Brigitte Losert-Bruggner Lampertheim-Hüttenfeld Jahrgang 1951 Chemielaborantenausbildung. Abendgymnasium. Studium der Chemie und Politikwissenschaften. Studium der Zahnmedizin in Giessen und Frankfurt/Main. Seit 1985 in eigener Praxis niedergelassen. 1993 Gründung einer privatzahnärztlichen Praxis mit Arbeitsschwerpunkten in neuromuskulär und ganzheitlich orientierter Zahnheilkunde. Vorträge und Veröffentlichungen im Bereich neuromuskulärer Zahnheilkunde und Therapie schlafbedingter Atemstörungen mit Hilfe von Schnarcherschienen. Master im International College of Cranio-Mandibular Orthopedics (ICCMO), einer internationalen Vereinigung von Zahnärzten, Ärzten und anderen Heilberufen zum Studium der Ursachen und Therapie von chronischen Schmerzen, wie Kopf-, Gesichts-, Nacken- oder Kiefergelenkschmerzen, im Zusammenhang mit kraniomandibulären Dysfunktionen. Öffentlichkeitsarbeit im ICCMO und Editor des ICCMO-Kompendiums. Wissenschaftsbeirat und Gastdozent in der Cranial Facial Therapy Academy (CRAFTA). Zertifiziertes Mitglied der Deutschen Gesellschaft Zahnärztliche Schlafmedizin. Mitglied der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden Dem Schlafmediziner kommt im interdisziplinären Team eine besondere Aufgabe zu. Denn häufig soll er Patienten auf Grund ihres schlechten Schlafes untersuchen und therapeutische Empfehlungen geben. Auch der Schmerztherapeut ist gefordert, denn neben der symptomatischen, medikamentösen Schmerztherapie, die unumgänglich ist für einen erholsamen Schlaf, sollte die kausale Therapie nicht vergessen werden. An Hand von Beispielen soll der Zusammenhang zwischen craniomandibulärer-craniocervicaler Dysfunktion und wirbelsäulenbedingten Schlaf störenden Schmerzen diskutiert werden. Manfred Hülse Mannheim Jahrgang 1941 Studium der Humanmedizin an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken und in Tübingen an der Eberhard Karls Universität. Facharztausbildung (HNO) in Homburg, Koblenz und Mannheim. Weitere Facharztausbildung für Phoniatrie und Pädaudiologie in der Universitätsklinik für Kommunikationsstörungen der Universität Mainz. Seit 1983 als Universitätsprofessor Leiter der Abteilung für Phoniatrie, Pädaudiologie und Neurootologie der Universitäts-HNO- Klinik in Mannheim. Seit 1969 Forschung sowie 1979 Habilitation über die zervikale Gleichgewichtsstörung. 1989 Veröffentlichungen über die vertebragenen Stimmstörungen, 1994 Veröffentlichungen über die vertebragenen Hörstörungen. Verschiedene Publikationen und Buchveröffentlichungen über die HWS-bedingten Krankheitsbilder im HNO-Bereich. 1985 Sollmann-Preis der DGMM (Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin). Seit 1996 zusammen mit Dr. Marx und Dr. Polonius, Dozenten der FAC, Kurse für HNO-Ärzte über Manualmedizin und Osteopathie im HNO-Bereich. Kaum eingeschlafen, schmerzt der Rücken. Eine andere Schlafposition bringt nur kurzfristig Linderung. Abermaliger Stellungswechsel, wieder kurzfristige Besserung und so kann es bis zum frühen Morgen gehen. Der Wecker klingelt, der geplagte Bettwälzer quält sich müde aus dem Bett, wünschte, weiter schlafen zu können, wohl wissend, dass er trotz längerem Schlaf keine Ruhe finden würde. Eigene Untersuchungen an 708 Patienten mit craniomandibulären (CMD) und craniocervicalen (CCD) Dysfunktionen konnten zeigen, dass 231, also 33 % dieser Patienten keinen guten Schlaf auf Grund von Rücken-, Nacken- und/oder Kopfschmerzen hatten (Abb. 1). Diese Beschwerden wurden über Wirbelsäulenfehlstellungen hervorgerufen und standen ursächlich auch mit Kieferfehlstellungen (CMD) und Fehlstellungen im HWS-Bereich (CCD) in Verbindung. Dr. Brigitte Dudek Lindenfels Jahrgang 1961 1980-1986 Studium der Humanmedizin in Hindenburg/Oberschlesien (Zabrze) Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin in Duisburg Ausbildung zum Facharzt für Pneumologie und Schlafmedizin in Oberhausen Seit 2002 Leitende Ärztin des Bereiches Pneumologie, Schlafmedizin, Heimbeatmung im Luisenkrankenhaus Lindenfels. 20 AZN 1/07

Ein- und Durchschlafstörungen führen auf Grund der gestörten Schlafarchitektur zur Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen und Übellaunigkeit. Konflikte mit dem sozialen Umfeld, Familie und Beruf, sind vorprogrammiert, wenn diese Störungen länger als ein paar Tage anhalten und über Monate oder Jahre hinweg bestehen bleiben. Diese Störungen können in allen Altersgruppen auftreten. Oft ist die Ursache der Insomnie unklar. Häufig können aber auch Schmerzen, die in der Nacht auftreten, für die Schlafstörungen verantwortlich gemacht werden. Gelingt es, die Schmerzen zu unterbinden, kann wieder erholsam geschlafen werden. Rücken- und Kopfschmerzen während der Nacht sind eine häufig anzutreffende Ursache für Einund Durchschlafstörungen. In solchen Fällen werden geeignete Bettlager, Matratzen, Kopfkissen, Schlaf fördernde Verhaltensregeln oder auch professionelle, symptomatische medikamentöse Schmerztherapie empfohlen. Die kausale, interdisziplinäre Betrachtung und Therapie der Wirbelsäulenprobleme sollte unbedingt mit in die Überlegungen einbezogen werden, da sich durch sie das Einnehmen von Schmerz- oder Schlafmitteln häufig erübrigt. Abb. 1: Eigene Untersuchungen bei 708 Patienten mit Kiefergelenk- und HWS- Fehlstellungen zeigten, das 1/3 dieser Patienten wegen Rücken, Nacken-, Kopfschmerzen nicht gut schlafen konnte, morgens nicht erholt und tagsüber in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt war. Beispiel aus dem Schlaflabor Ein 42-jähriger Patient kommt wegen Sekundenschlaf am Steuer zur schlafmedizinischen Untersuchung. Subjektive Beschwerden sind: Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Er kann im Bett keinen Platz finden und muss somit ständig seine Position korrigieren. Anamnestisch sind bei ihm eine arterielle Hypertonie und ein Wirbelsäulenleiden festzustellen. In der ersten Nacht (Abb. 2 vom oben beginnend) besteht eine ausreichende Grundsättigung mit etwas unruhigem Muster, ohne Entsättigungen. Man sieht eine sehr schlechte Schlafeffizienz von 38 %, keinen REM-, sehr wenig Tiefschlaf (13,4 %) und einen ständigen Wechsel zwischen Wach- und Leichtschlaf. Ferner keine Apnoen/Hypopnoen, eine unruhige Herzfrequenz, sowie kurzfristige Positionswechsel einhergehend mit nur wenig Schnarchen und einigen sowohl periodischen, als auch isolierten Beinbewegungen. Am nächsten Morgen berichtet der Patient, dass sein Schlaf jede Nacht so aussehe. Er macht von sich aus seine Schmerzen für den schlechten Schlaf verantwortlich, worauf hin er der entsprechenden Therapie (Ursache + medikamentöser Schmerztherapie) zugeführt wird. Nach Beendung der Therapie hat sich der Patient zur Kontrolle vorgestellt und berichtet, dass er nachts schmerzfrei sei. Er wird einer erneuten Polysomnographie zugeführt (2. Nachtaufzeichnung). 2. Nacht (Abb. 3): Zu sehen ist eine stark instabile Sättigungskurve mit tiefen Entsättigungen und eine deutlich bessere Schlafeffizienz (81 %). Es liegt dennoch zu wenig Tief- (18 %) und REM-Schlaf Abb. 2: Sehr schlechte Schlafeffizienz und gestörte Schlafstruktur des Patienten. Auf Grund der wirbelsäulenbedingten Schmerzen in der Nacht wacht er ständig auf, sodass kein REM- und nur sehr wenig Tiefschlaf erreicht werden kann. Abb. 3: Aufzeichnung des Schlafverhaltens nach erfolgreicher Therapie der nächtlichen Schmerzen. Im Vergleich zur ersten Nacht deutlich ruhigere Körperlage und bessere Schlafeffizienz. Aber nun treten vorher verdeckte weitere Probleme auf. Sehr instabile Entsättigungskurve mit tiefen Entsättigungen, immer noch zu wenig REM- und Tiefschlaf und ein mittelschweres bis schweres Schlafapnoe-Syndrom. (12 %) vor. Zudem wird ein schweres REM- und Rückenlage betontes Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert (AHI Total AZN 1/07 21

Abb. 4: Gesunde Schlafarchitektur mit AutoCPAP-Versorgung, 97 % Schlafeffizienz, kein Schnarch- und Apnoe-Verhalten mehr. 28/h, in REM 41/h, in Rückenlage 39/h). Des Weiteren ist eine starke Variabilität der Herzfrequenz in den Phasen mit Apnoen festzustellen. Im Vergleich zur ersten Nacht zeigt der Patient eine deutlich ruhigere Körperlage mit weiterhin deutlichen Beinbewegungen, sowie eine Zunahme des Schnarchens. Nachdem sich die Schlafeffizienz gebessert hat, hat sich bei dem Patienten ein obstruktives Schlafapnoe- Syndrom gezeigt. Dies war vorher verdeckt, da er durch die vorhandenen Schmerzen nur oberflächlich geschlafen hat und die obstruktiv bedingte Schlafatmungsstörung nicht zutage trat. In der darauf folgenden Nacht wurde der Patient mit AutoCPAP versorgt, sodass eine stabile Sättigungskurve zu sehen ist (Abb. 4). Es kommt auch zu einer Normalisierung der Schlafarchitektur, womit im Hypnogramm 4 komplette Schlafzyklen mit 97 %iger Schlafeffizienz, mit einem Tiefschlafrebound von 45 % und REM-Rebound von 28 % auftreten. Zudem zeigt sich eine deutlich ruhigere Herzfrequenz. Der Patient hat die ganze Nacht in Rückenlage, ohne Schnarchen und ohne Beinbewegungen verbracht. Man kann sagen, dass der Patient in der 3. Nacht einen physiologischen Schlaf erfahren durfte. Dieses Beispiel zeigt, dass, wenn es gelingt Schmerzfreiheit in der Nacht zu erreichen, die Schlaf- und die Lebensqualität ansteigt. Dies ist nichts Neues und es braucht dazu nicht einmal eine wissenschaftliche Abhandlung. Jeder kann an sich selbst erfahren, wie schlecht er nach einer gestörten Nachtruhe, wodurch auch immer verursacht, drauf ist. Der Beitrag der Autoren möchte aber den Blick schärfen für die kausale Therapie von schmerzhaft organisch bedingten Schlafstörungen, die mit Wirbelsäulenbeschwerden einhergehen. So sind Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen häufige Ursachen von Einund Durchschlafstörungen. Die oft im Schlaf nur hintergründig dezent vorhandenen, aber fast ständig auftretenden nächtlichen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule führen zu vermehrten Weckreaktionen, sodass der Schlaf fragmentiert und die Schlafarchitektur gestört wird. Die Beschwerden treten in der Regel auch tagsüber, dann häufig deutlicher und vordergründig auf. Die orthopädische Abklärung der Probleme zeigt oftmals deutliche Stellungsprobleme in der Wirbelsäule, die trotz intensiver orthopädischer, manualtherapeutischer und krankengymnastischer Maßnahmen nicht zur Beschwerdefreiheit führen konnten, sodass zusätzlich symptomatische medikamentöse schmerztherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um einen erholsamen Schlaf zu erreichen. Die nachfolgenden Geschichten befassen sich mit therapieresistenten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule, die ursächlich mit Störungen des oberen HWS-Bereiches und Störungen im Bereich der Kiefergelenke einhergegangen waren und bei denen die craniomandibulären Dysfunktionen nicht in die therapeutischen Überlegungen einbe- Abb. 5: Röntgenbefund bei Erstkonsultation. Wegen ständig auftretender Zahnschmerzen in verschiedenen Kieferregionen wurden in den letzen Jahren die Zähne 44, 45, 46, 16, 11, 21, 24, 25, 26 endodontisch behandelt. Der Zahn 35 wurde extrahiert. Die Zähne 44-46 wurden wegen persistierender Beschwerden nach endodontischer Behandlung extrahiert und implantatprothetisch versorgt. Der Zahn 47 ist beherdet. Abb. 6: Deutliche intraorale Zeichen einer Kieferfehlstellung, die neuromuskulär reflektorisch, fortgeleitet über den HWS-Bereich, zu einer Fehlstellung der gesamten Wirbelsäule und des Beckens führen kann. Multiple Schmerzen, wie Rücken-, Kopf-, Nacken-, Beinbeschwerden können so in Erscheinung treten. Diese können nicht nur den täglichen Ablauf stören, sie können auch nachts zu Schlafstörungen führen und körperlich bedingte Ein- und Durchschlafstörungen verursachen. Man sieht auch deutlich die Abweichung der Unterkiefermitte beim Öffnen nach links, was immer ein Zeichen für eine Verlagerung der Kiefergelenkscheiben ist. Im Wirbelsäulenbereich wäre dies stellvertretend für eine Verlagerung der Bandscheibe. 22 AZN 1/07

zogen wurden. Vielen dieser Patienten konnte durch die kombinierte zahnärztliche Therapie der Kieferfehlstellung und manualtherapeutische Therapie der Haltungsstörungen geholfen werden. Die manualtherapeutische und orthopädische Behandlung von Wirbelsäulenproblemen ist auf Grund des sehr häufig auftretenden Beschwerdebildes in der westlichen Welt sehr verbreitet. Die Therapie der Kieferfehlstellung, die häufig ursächlich an den Wirbelsäulenproblemen beteiligt ist, wird oft außer Acht gelassen. So kommt es dann zu therapieresistenten Beschwerden, die, da kausal nicht therapiert, zusätzlich einer medikamentösen Schmerztherapie zugeführt werden müssen, damit wieder ein erholsamer Schlaf für diese Menschen möglich wird. Beispiele aus der Zahnarztpraxis Frau H., 39 Jahre: Nicht erholsamer Schlaf durch Beschwerden im Rücken Die Patientin sucht einen Zahnarzt auf, der sich besonders der Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) gewidmet hat. Unter eine CMD versteht man eine Fehlstellung des Unterkiefers zum Oberkiefer, was als Folge davon die gesamte Wirbelsäule verschieben und entsprechende Schmerzsymptome hervorrufen kann. Anamnestisch berichtete sie u. a. über ausgeprägte Rückenschmerzen, die durch Stehen verstärkt wurden. Sie klagte über schlechten Schlaf, häufiges Aufwachen wegen der Beschwerden im Rücken und nicht mehr Einschlafen können. Morgens wacht sie mit Rückenschmerzen und müde auf, die Leistungsfähigkeit am Tag ist deutlich eingeschränkt. Der schlechte Schlaf war aber nicht der Grund ihrer Erstkonsultation beim Zahnarzt. Ihr zahnärztliches Hilfegesuch bezog sich auf ständige Schmerzen an den Zähnen, mal links, mal rechts, mal im Ober-, mal im Unterkiefer. Außerdem klagte sie über häufige Gesichts-, Kiefer- und Kiefergelenkschmerzen. In der Vergangenheit wurden wegen der Beschwerden schon einige Zähne extrahiert, bei anderen Zähnen wurden die Zahnnerven entfernt und über Füllung des Wurzelkanals mittels spezieller Pasten versucht, die schmerzenden Zähne zu erhalten (Abb. 5). Der immer wiederkehrende Zahn-, Kiefer- und Gesichtsschmerz konnte durch die bisherigen, nur lokal auf den schmerzenden Zahn bezogenen Maßnahmen, nicht beseitigt werden. Die Zahnschmerzen wurden durch die verspannte Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur hervorgerufen, deren Ursache wiederum in einer Kieferfehlstel-

AZN S. 12-29 25.02.2008 12:47 Uhr Seite 24 Abb. 8a: Als Beispiel das Elektromyogramm eines Patienten im Ausgangszustand. Besonders auffällig ist die Verspannung der Schulter (LTR, RTR) und rechten vorderen Halsmuskulatur (RSM): Abb. 8b: Elektromyogramm des gleichen Patienten wie in Abb. 8a, aber nach Therapie des oberen HWS-Bereiches über die Atlasimpulstherapie nach Arlen und Entspannung der Kaumuskulatur mittels niedrigfrequenter TENS-Therapie. Deutliche Beruhigung der im Ausgangszustand verspannten Muskulatur. Abb. 7: Körperhaltung der Patientin im Stehen. Deutliche Kopfvorhaltung, das Ohr würde bei physiologisch ausgerichteter Haltung über der Schulter stehen. Eine Abweichung des Kopfes aus dem Körperlot heraus bewirkt eine beträchtliche Mehrarbeit für die Haltemuskulatur des gesamten Skelettsystems. Als Folge davon entstehen muskuläre Verspannungen, welche multiple Schmerzbilder hervorrufen können. Nicht nur Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen können daraus resultieren. Auch Schwindel, Tinnitus, Gesichts-, Kiefergelenkund Zahnschmerzen treten dabei häufig auf. lung, in Verbindung mit körperlichen Haltungsstörungen, zu suchen war. Beide, sowohl die Kieferfehlstellung, als auch die Wirbelsäulenprobleme haben nicht nur die Zahnschmerzen hervorgerufen, sondern auch die Rückenschmerzen in der Nacht. Deutliche Zeichen für eine Kieferfehlstellung sind eng stehende Unterkieferfontzähne, Abriebflächen am Zahnschmelz, Zahnfleischrückgang, freiliegende Zahnhälse, im Seitenzahnbereich stark bogenförmiger Kurvenverlauf, Abweichung des Unterkiefers beim Öffnen, Knackgeräusche in den Kiefergelenken und Temperaturempfindlichkeit der Zähne, um nur einige markante Zeichen von craniomandibulären Dysfunktionen anzuführen (Abb. 6). Es war geplant, über eine neuromuskulär ausgerichtete Aufbissschiene eine harmonische, störungsfreie Kauflächenbeziehung von Ober- und Unterkiefer herzustellen (Abb. 9). Durch das Tragen der Schiene kann sich die Kau-, Kopfund Halsmuskulatur entspannen und sich die Wirbelsäule in einer physiologischen Position stabilisieren. Wichtig zur Ermittlung der Position für die Aufbissschiene ist eine vorausgehende Entspannung der Körper- und Kaumuskulatur. In diesem Fall wurden die ersten drei Halswirbel, die so genannten Kopfgelenke, über manualtherapeutische Maßnahmen (Atlasimpulstherapie nach Arlen) entspannt. Zusätzlich erfolgte eine Entspannung der Kaumuskulatur mittels niedrigfrequenter TENS-Therapie. Der Grad der Entspannung wurde über das Elektromyogramm der Kau-, Kopf- und 24 AZN 1/07 Halsmuskulatur kontrolliert (Abb. 8a-c). Bei ruhiger, entspannter Muskulatur wurde der Biss für die Aufbissschiene ohne Fremdführung genommen. Der Patient kann, wenn die Muskulatur ruhig und der Körper in Harmonie ist, sei- Abb. 8c: Beispiel für die Anordnung der Elektroden im Elektromyogramm (s. Abb. 8a,b). Nur wenn sich die Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur in einem ruhigen, ausgeglichenen Zustand befindet, ist es sinnvoll, eine Bissnahme für die Aufbissschiene durchzuführen. Sollten noch nennenswerte Restspannungen vorhanden sein, müssen vor der Bissnahme weitere interdisziplinär ausgerichtete Entspannungsmaßnahmen eingeleitet werden. Nur bei entspannter Muskulatur ist es möglich, eine wirklich für den Körper des Patienten befriedigende Position für den Unterkiefer zu ermitteln. Das Elektromyogramm ist für den Zahnarzt ein wichtiges differentialdiagnostisches Hilfsmittel zur Beurteilung der körperlichen Situation seines Patienten und zum Festlegen des therapeutischen Weges.

Abb. 9: Beispiel einer Aufbissschiene, wie sie bei der Patientin eingegliedert wurde. Die farbigen Punkte auf der Kaufläche kennzeichnen die Stopps, die nach Einschleifen der Schiene für die Stabilisierung der Wirbelsäule erforderlich sind. Die Schiene wird über die Unterkieferzähne gestülpt. Der Unterkiefer kann mit dieser Schiene so zum Oberkiefer Kontakt aufnehmen, wie es die vorher ermittelte entspannte Kieferposition vorgegeben hatte. Durch das Tragen der Schiene kann sich die Muskulatur entspannen und die Wirbelsäule physiologisch ausrichten. Das neuromuskuläre Gleichgewicht im Körper kann wieder hergestellt werden. ne Position für eine physiologisch ausgerichtete Kieferzuordnung selbst einnehmen. Jede Handführung des Therapeuten würde das sehr sensible neuromuskuläre Gleichgewicht des Körpers stören. Am 21.02.2006 wurden die Aufbissschienen eingegliedert. Direkt vor dem Eingliedern der Schienen wurden wieder der obere HWS- Bereich und die Kaumuskulatur entspannt, also die gleiche Körper- und Muskelsituation hergestellt, wie sie für die Bissnahme erforderlich war. Die Patientin erhielt zwei Schienen. Eine ganze Schiene (Abb. 9), die zum Essen und für die Nacht angefertigt wurde. Und in der gleichen Bisslage eine geteilte Schiene unter Aussparung der Frontzähne, die immer tagsüber verwendet wurde. Durch das Freilassen der Front wird die Artikulation nicht behindert. Außerdem ist die Schiene für Außenstehende unsichtbar, sodass ein Tragen der Schiene auch während der Berufsausübung kein Problem darstellt. Nach einer anfänglichen Erstverschlimmerung der körperlichen Beschwerden in den ersten Tagen konnte relativ schnell eine deutliche Besserung des Beschwerdebildes herbeigeführt werden. Parallel zur Schienentherapie wurden manualtherapeutische Maßnahmen eingeleitet. Nach vier Monaten interdisziplinär ausgerichteter Aufbissschienentherapie und vor prothetischer Versorgung durch den Hauszahnarzt waren keine Zahnschmerzen mehr aufgetreten. Das Kiefergelenkknacken hatte sich deutlich verringert. Die Ohren schmerzten nicht mehr. Rückenschmerzen traten nicht mehr auf, weder nachts, noch tagsüber. Als Drogistin, die sehr viel stehen musste, war sie in ihrer Berufsausübung nicht mehr behindert. Da der Schlaf sehr gut war, war sie zusätzlich wieder voll beanspruchbar und leistungsfähig. Ebenfalls verschwunden waren die Schwellungen des Fußzehs und die Beschwerden in den Augenhöhlen. Weitere Fallbeschreibungen sowie abschließende Betrachtungen folgen in Ausgabe 2/2007 Dr. Brigitte Losert-Bruggner, Lampertheim Dr. Brigitte Dudek, Lindenfels Prof. Dr. Manfred Hülse, Mannheim AZN 1/07 25