Jugend und Medien Einführung zum Gespräch in der Projektgruppe Kommunale Jugendpolitik am 14.08.2008 1. Kindheit und Jugend ist Medienkindheit und Medienjugend Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer von mediengeprägten Welt auf. Sie nehmen aktiv teil am gesellschaftlichen Leben, das für sie vor allem in den Medien stattfindet. Ihre Kommunikation wickeln sie mit einem zunehmend umfangreicher werdenden Medienexemble ab. Die technischen Neuerungen zielen im Medienbereich immer auf die jugendliche Muttergruppe ab. Der Umgang mit Medien ist für Kinder und Jugendliche heute eine Selbstverständlichkeit. In den Familien stehen zahlreiche technische Geräte zur Verfügung, die zu den unterschiedlichsten Tätigkeiten genutzt werden. Bei den Kindern, d.h. der Altersgruppe der bis 13-jährigen ist Fernsehen nach wie vor das Leitmedium. 78 % sitzen jeden oder fast jeden Tag vor dem Fernsehgerät. 29 % nutzen Musikkassetten bzw. CDs, 24 % Computer und ebenso viel Radio, 23 % telefonieren über das Festnetz, 13 % mit dem Handy, Bücher nutzen 14 %, MP3-Dateien 12 %, Gameboy 11 %, Videospiele bzw. Spielkonsolen 10 %. Diese Zahlen sind je nach Milieuzugehörigkeit allerdings unterschiedlich. Unterschiede gibt es auch bezüglich des Medienbesitzes der Kinder. Im Schnitt haben bereits 44 % ein eigenes Fernsehgerät, 36 % ein eigenes Handy und 17 % einen eigenen Computer. Im Bereich der Jugendlichen also der 12 19-jährigen gibt es in den Haushalten praktisch eine mediale Vollversorgung. Computer spielen in 98 % der Haushalte und in 92 % gibt es bereits den Internetzugang. Handys sind ebenfalls in allen Haushalten vorhanden. Mit 92 % verfügen fast alle Jugendlichen über mindestens ein Mobiltelefon. Knapp zwei Drittel haben den eigenen Fernseher in ihrem Zimmer, die Besitzrate bei Computern oder Laptops beträgt 60 %, DVD-Player 41 % und 38 % der Jugendlichen haben sogar einen eigenen Internetzugang. Bei der Mediennutzung unterscheiden sich die Präferenzen von Jungen und Mädchen deutlich. Jungen und junge Männer nutzen Computer und Internet intensiver, vor allem aber Computerund Konsolenspiele. Je älter Jugendliche werden, desto seltener nutzen sie Bücher, Comic, Hörspiele oder Spielkonsolen und umgekehrt profiziert die Zeitung am stärksten vom Alterszuwachs. Der Computer ist ein unentbehrliches Medium der Jugendlichen. Bei der Frage nach der Unverzichtbarkeit entscheiden sich ein Viertel der Jugendlichen für den Computer, Fernsehen und Internet rangieren mit 19 % auf dem zweiten Rang.
Außerdem steht das Handy im hohen Kurs, wobei die technische Ausstattung der Handys zunehmend die unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten bieten. SMS und fotografieren beispielsweise, sind wichtige Handyfunktionen für Jugendliche geworden. Die Generation der Onlinekids wächst mit dem Computer als Alltagsmedium auf. Für Ausbildung und Beruf, für Schule wird der Computer intensiv genutzt. Je nach Alter verbringen Jugendliche täglich 94 155 Minuten am Computer. Vor allem männliche Jugendliche räumen dem Computerspiel einen großen Stellenwert ein. Etwa 37 % von ihnen sind intensive Spieler. Das heißt, sie gehören zu dem Kreis der täglich bzw. mehrmals pro Woche Computerspiele nutzen. 28 % in dieser Altersgruppe spielen überhaupt nicht. Der Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen liegt konstant im Schnitt bei etwa 90 Minuten pro Tag. Jüngere Kinder verbringen mehr Zeit, Jugendliche weniger Zeit vor dem Fernseher. Kinder und Jugendliche stellen eine Mediengeneration dar, die interessanterweise von unterschiedlichen Medien bestimmt sind. In der Mediengeneration versteht man eine Gruppe von Menschen, für die ein bestimmtes Medium im Sozialisationsprozess eine dominante und prägende Rolle hatte. Die rasante technologische Entwicklung führt dazu, dass die Großeltern, der Film und Buch bzw. Zeitungsgeneration angehören, die Eltern der Fernsehgeneration, die Jugendlichen bereits der Generation Web 20, also der Internetgeneration. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet das die Geburtsjahrgänge ab 1955 gehören zur Fernsehgeneration, die davorliegenden zur Literatur- oder Printgeneration, die Geburtsjahrgänge ab 1975 können der PC-Generation zugehörig erklärt werden. Heute gibt es so etwas wie eine Handygeneration. 2. Kompetenzen und Gefahren Die Kinder und Jugendlichen wachsen mit bewegten Bildern auf. Sie sind also eine Bildgeneration, sie entwickeln schon frühzeitig Kompetenzen zum Entschlüsseln von Bildern, ihr Alltag und ihre Alltagswirklichkeit wird von bewegten Bildern bestimmt. Daraus folgt, dass frühere Generationen, die andere Kompetenzen erworben haben, durchaus Schwierigkeiten entwickeln, sich mit den Bilderwelten konstruktiv auseinanderzusetzen. Im kommunikativen Bereich entstehen zunehmend Schwierigkeiten der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Mediengenerationen. Festzustellen ist z.b., dass die heutige Generation sich ihre Informationen über Internet besorgen, Zeitungen und Zeitschriften verlieren immer mehr an Bedeutung. Im politischen Bereich wird mehr und mehr deutlich, dass Medienjugendliche in institutionalisierte Politik weitgehend ablehnen, vor allen Dingen dann, wenn sie bildungsfernen Kreisen angehören. Kinder und Jugendliche schätzen ihre Kompetenzen in Bezug auf Medien als ausreichend ein und geben an mit den Medien gut zu Recht zu kommen. Dennoch gibt es von pädagogischer Seite immer wieder die Forderung, nach einer intensiveren Ver-
mittlung von Medienkompetenz. Es zeigt sich, dass im Erziehungsalltag der Familien die Medienerziehung eine untergeordnete Rolle spielt. Angesichts der negativen Ereignisse im Zusammenhang mit Medien, insbesondere sogenannten Killerspielen, wird immer wieder, auch von Seiten des Jugendmedienschutzes, eine verbesserte Medienkompetenzerziehung gefordert. 3. Mediennutzung und Medienwirkung Dies führt zu einer politischen Debatte, die immer nur dann eingreift, wenn angeblich Medien bei Kinder und Jugendlichen negative Entwicklungen verursachen. So entsteht der Eindruck, dass Kinder und Jugendliche in Bezug auf Medien immer als gefährdet bezeichnet werden, dass sie mehr oder minder den Wirkungen der Medien hilflos ausgeliefert sind. Die Medienwirkungstheorie kann nicht nachweisen, dass es zwischen Medien und Verhalten einen direkten Zusammenhang gibt. Unbestritten ist allerdings auch, dass vorhandene Einstellungen, Werte, Normen durch Medien beeinflusst werden, weil Medien immer Mittler in einem Kommunikationsprozess sind. Dennoch ist es wichtig, die Medien nicht zu diffamieren und Kinder und Jugendliche nicht zu stigmatisieren. Unbestritten ist, dass das Aufwachsen in den Medienwelten eine enorm große Herausforderung darstellt. Somit bewegen sich Kinder und Jugendliche in einem enormen Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Gestaltung der Medienwelt einerseits und andererseits den durchaus negativen Einflüssen von Gewalt, Manipulation, Verflachung der medialen Angebote usw. 4. Die pädagogische Herausforderung Damit Kinder und Jugendliche selbstbestimmte Mediennutzer werden können, ist es erforderlich, sie in der Mediengesellschaft, in der sie zu Hause sind, abzuholen und ihnen Hilfen zu geben, damit sie sich zurecht finden können. Gefordert ist hier vor allem die institutionelle Pädagogik und das beginnt im vorschulischen Bereich also der Kindertagesstätte, geht über die Schule bis hin zur außerschulischen Bildung. Gerade die außerschulische Bildung, die Jugendarbeit und Jugendförderung hat sich die neuen Herausforderungen schon immer im medialen Bereich gestellt. So wurde die Medienpädagogik als eine der Bindestrich-Pädagogigen schon früh in den Kanon der Angebote übernommen. Dennoch ist heute festzustellen, dass die vorhandenen Angebote bei weitem nicht ausreichen, zumal sie zunehmend unter einen jugendschützerischen Aspekt diskutiert werden. Die Erfahrungen in der Pädagogik sind aber, dass es keinen Sinn macht, Kinder und Jugendlichen etwas vorenthalten zu wollen, die Zeiten der Bewahrpädagogik sind
vorbei. Nur die aktive Auseinandersetzung mit den Medien, das Handeln und Selbstproduzieren im medialen Kommunikationsprozess kann helfen, die vorhandenen Medienkompetenzen zu verbreitern und weiterzuentwickeln. In diesem Sinne ist auch darüber nachzudenken, gerade aus der Sicht der Jugendhilfe, verstärkt Elternbildungsangebote zu etablieren, die helfen, Erziehungspersonen eine Medienerziehungskompetenz zu vermitteln. In diesem Bereich werden zwar vielfältig politische Forderungen gestellt, die aber wenig Konkretisierung erfahren. 5. Zielvorstellung: Medienkompetenz Der Medienkompetenzbegriff wird heute in der Politik, der Wirtschaft, der Pädagogik mit völlig unterschiedlichen Zielen und Inhalten genutzt. Sehr häufig steht im Vordergrund eine instrumentelle Medienkompetenz, also das technische Beherrschen der Medien. Viel wichtiger wäre es, den Medienkompetenzbegriff auf das Verstehen der Medien, auf den kreativen Umgang mit den Medien auszudehnen. Hierzu ist es notwendig, in der institutionellen Pädagogik und vor allen Dingen auch der Jugendarbeit und Jugendbildung klar festzulegen, welche Begrifflichkeit im Vordergrund der pädagogischen Arbeit zu stehen hat. 6. Medienpädagogik in der kommunalen Jugendpolitik Die aktuelle Lage zeigt, dass in der kommunalen Jugendpolitik die Medienerziehung und Medienpädagogik einen zunehmend geringeren Stellenwert einnimmt. Berufliche Bildung, Arbeit mit bildungsfernen Gruppierungen stehen zunehmend im Vordergrund. Dabei wäre es wichtig, in der Kindertagesstätte nicht nur Spielen und Tanzen zu üben, sondern eben auch Mediennutzung gemeinsam zu erleben und Qualitätsmerkmale für die Kinder nachvollziehbar zu vermitteln. In der Schule müsste Raum sein für Medienprojekte, also für das eigene Tun und Handeln und in der außerschulischen Pädagogik müsse verstärkt der Versuch unternommen werden, im kommunikativen medialen Kompetenzen der Jugendlichen zu stärken. Ohne den Jugendmedienschutz vernachlässigen zu wollen, ist die medienpädagogische Auseinandersetzung und Hilfestellung auf jeder Falle der sichere und nachhaltigere Weg der Vermittlung von Medienkompetenz und der Ermöglichung politischer Teilhabe der nachwachsenden Generation. Im Rahmen der Aktion Sichere Zukunft der Hessischen Landesregierung wurde vor nunmehr rund zehn Jahren auch im Bereich der Medienarbeit ein Kahlschlag durchgeführt. Dies wird deutlich am Beispiel unseres Instituts, das mit dem Ziel eingerichtet wurde, die Medienarbeit in der Jugendarbeit und Jugendförderung zu befördern. Die gesamte finanzielle Förderung wurde seinerzeit gestrichen und haben heute nur noch die Möglichkeit medienpädagogische Projekte anzubieten, wenn die entsprechende Finanzierung gesichert ist. Erfreulich ist, dass wir wenigstens aus dem sogenannten Kabelgroschen über die Landesanstalt für privaten Rundfunk und Neue Medien Projektgelder erhalten, die es uns möglich machen, z.b. Fortbildungsprojekte in
Kindertagesstätten durchzuführen, Radioprojekte mit Jugendlichen, Medienprojekte mit benachteiligten Jugendlichen, Handyprojekte usw. Detlef Ruffert/14.8.08