Medienerziehung in der Grundschule



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Transkript:

Autor: Schill, Wolfgang. Titel: Medienerziehung in der Grundschule. Quelle: Integrative Medienerziehung in der Grundschule. Konzeption am Beispiel medienpädagogischen Handelns mit auditiven Medien. München 2008, S.159-230. Verlag: kopaed. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Wolfgang Schill Medienerziehung in der Grundschule 1 Zur Situation der Medienerziehung in der Grundschule In den beiden vorangegangenen Teilen der Arbeit wurde unter anderem aufgezeigt, dass es ein wesentliches Ziel der Medienerziehung in der Grundschule ist, die kindlichen Medienerfahrungen aufzunehmen und zu klären und Kindern im Kontext medienpädagogischen Handelns neue Medienerfahrungen zu ermöglichen. Der Erfahrungsbezug ist insofern Essential für Grundschulpädagogik und -didaktik, als durchgehend in Grundschullehrplänen für die Fächer/Lernbereiche betont wird, dass sinnliches Erfahren und elementares Empfinden als Basis der Weltaneignung" anzusehen und im Unterricht an den Erfahrungen von Kindern anzuknüpfen sei (vgl. auch Empfehlungen der Kultusministerkonferenz 1994, Faust-Siehl u. a. 1996, S. 71ff). Zudem spielt Erfahrungsorientierung für den Sachunterricht und seine Didaktik eine bedeutsame Rolle (vgl. Duncker/Popp 1994, S. 21ff, Kahlert 2002, S. 188ff). In diesem Zusammenhang bedeutet Erfahrungsbezug vor allem zweierlei: 1) Vorwissen, Vorstellungen, Phantasien, Alltagserlebnisse und -beobachtungen der Kinder werden gezielt mobilisiert, um sich handelnd mit inneren und äußeren Welten auseinander zu setzen und um dabei Gedanken und Vorstellungen zu überprüfen, zu differenzieren, zu korrigieren oder zu erweitern. 2) Gegenstände, die außerhalb der Schule konkret vorfindbar sind, werden den Kindern durch Erkundung zugänglich gemacht, um sie durch die bewusste Auseinandersetzung mit Bekanntem, anders Wahrgenommenem oder neu 1

Erlebtem fähiger und wissender zu machen. Insofern erweist sich der Erfahrungsbezug als vermittelte Erfahrung in veranstalteten Lernsituationen" (vgl. Schulze 1978, S. 84ff). Das heißt, Situationen werden in pädagogischer Absicht aus dem allgemeinen Lebenszusammenhang herausgelöst und als Lernsituationen inszeniert. In der Regel geht die Initiative dazu von den Lehrenden aus, sodass man korrekterweise von Lehr-/ Lernsituationen sprechen sollte. Was nun die medienpädagogische Auseinandersetzung mit den ambivalenten und unterschiedlichen Medienerfahrungen von Kindern in der Grundschule betrifft, ergibt sich eine vielschichtige und zum Teil widersprüchliche Situation, die das medienpädagogische Handeln in der Grundschule erschwert. Zum einen ist die Medienerziehung in der Grundschule kein Fach, sondern ein Aufgabenfeld, sodass sich prinzipiell die Frage stellt, für welche Fächer/Lernbereiche die Medienerfahrungen der Kinder primär eine Rolle spielen können. Grundsätzlich bieten sich dazu einzeln oder im Verbund der Deutschunterricht, der Sachunterricht, der Kunst- und Musikunterricht im Rahmen ihrer fachspezifischen Aufgaben an. Zum anderen drückt sich diese komplexe Situation in Form verschiedener struktureller Phänomene aus, die tendenziell auch immer wieder durch empirische Untersuchungen bestätigt wurden oder werden (vgl. Höltershinken u. a. 1991, Tulodziecki u. a. 2000, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2003 b). Dazu gehören: der Vorrang der Mediendidaktik und der Printmedien in der Grundschule, die Bedeutung unterschiedlicher Mediensozialisationen von Kindern und Lehrkräften sowie die Diskrepanz zwischen medienerzieherischem Anspruch und medienerzieherischer Praxis von Lehrkräften. Vorrang der Mediendidaktik Für die Hauptströmung der Grundschulpädagogik spielt der Umgang mit Medien im Hinblick auf grundlegende Bildung" eher eine untergeordnete Rolle. Im Wesentlichen wird er nicht als ein besonderer Modus der Weltaneignung von Kindern gesehen, der medienerzieherisches Handeln herausfordert, sondern als eine mediendidaktische Aufgabe der Lehrkräfte (vgl. Drews u. a. 2000, S. 205) (27). Wenn Kindern beispielsweise authentische Begegnungen mit natürlichen, gegenständlichen oder sozialen Sachen der Welt" nicht ermöglicht werden können, wird die Wirklichkeit außerhalb der Schulmauern durch Bildungsmedien wie Film, Bild, Hörmedien oder multimediale Angebote 2

anschaulich" in den Unterricht geholt, um Erfahrungsprozesse anzuregen oder zu unterstützen. Aufgrund ihrer Stellvertreterfunktion werden die didaktisch konstruierten Repräsentationen von Wirklichkeit primär als nützliche und bereichernde" Hilfsmittel zur Instruktion und zur Durchsetzung bestimmter Ziele verstanden. Infolgedessen verwundert es auch nicht, dass der gelegentliche Medieneinsatz im Unterricht" mit traditionellen Medien wie Overheadprojektor, Videorekorder, Kassettenrekorder oder CD-Player vielfach das Lehrerhandeln dominiert (vgl. Tulodziecki 2000, S. 471). Wie auch diese didaktisch bestimmte Form der Mediennutzung als Möglichkeit gesehen wird, die Medienkompetenz der Kinder durch gezieltes Wahrnehmen, Verstehen und Deuten von Bildern und Tönen zu fördern. Nicht zuletzt hat die bildungspolitisch gewollte und intensiv geförderte Einführung des Computers in den Grundschulunterricht dazu beigetragen, dass sich im mediendidaktischen Sinne zwar Ansätze zur Entwicklung einer neuen Lehr- und Lernkultur" (vgl. Wilde 2003) ergeben haben, dass durch Computer-Aktionismus aber andere medienpädagogische Aufgabenbereiche, wie beispielsweise die Auseinandersetzung mit Medieneinflüssen und -wirkungen, in den Hintergrund gedrängt wurden. In diesem Kontext wird es dann auch verständlich, dass in der Grundschulpraxis meist solche medienerzieherischen Vorhaben bevorzugt werden, bei denen es in erster Linie um das kritische Hinterfragen der Medien und um die Vermittlung von Medienwissen geht (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2003 b, S. 19ff). Vorrang der Printmedien Die Grundschule ist trotz allen Erfahrungs- und Handlungsbezuges eine Schule, in der die Nutzung schriftlicher Texte das medienbezogene Lehren und Lernen dominiert, nicht zuletzt wegen der Kernaufgabe der Grundschule, Kindern den Zugang zur elementaren Schriftkultur zu erschließen. Mehrheitlich werden Unterrichtsinhalte im Medium schriftlicher Texte präsentiert, sei es in kontinuierlicher Form als Erzählung, Beschreibung, Arbeitsanweisung, Sachtext oder in nicht-kontinuierlicher Form als schematische Darstellung, Tabelle oder Diagramm. Selbst die Lernerfahrungen der Kinder müssen in der Regel schriftlich zur Sprache gebracht werden, wenn sie Lernergebnisse sichern sollen. Vielfach wird von Lehrkräften erkannt, dass durch Mediengebrauch auch bestimmte Dimensionen der Lesekompetenz angesprochen werden: Beispielsweise 3

bieten Hörspiele spezifische Möglichkeiten für die Entwicklung von Lesefertigkeiten, ebenso sind Kindern durch die außerschulische Nutzung von Spiel- und Fernsehfilmen meist deren narrative Strukturen so bekannt, dass sie für das Lesen und Schreiben von Geschichten aufgenommen werden können. Doch das Primat der Printmedien in der Grundschulpraxis scheint derart ungebrochen, dass die sinnvolle Verbindung von Leseund Medienerziehung nach wie vor eine Ausnahme bleibt (vgl. Tulodziecki 2000, S. 472ff). Unterschiedliche Mediensozialisationen In Bezug auf das Medienhandeln von Grundschullehrkräften und Kindern zeigen sich in der Regel deutliche Unterschiede, die verständlicherweise auf eine unterschiedliche Mediensozialisation zurückzuführen sind. Für gewöhnlich sind Lehrkräfte durch alltägliche Beobachtungen im Schulbetrieb gut über die Medienpräferenzen ihrer' Schülerinnen und Schüler informiert, doch ihr eigener Mediengebrauch deckt sich kaum mit dem von Kindern (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2003 b, S. 22ff). Für gewöhnlich sehen Lehrkräfte nicht oft fern, nutzen überdurchschnittlich oft Bücher und haben im weitesten Sinne Erfahrungen mit dem Computer. So verwundert es nicht, dass es sich für Lehrkräfte durch fehlendes Wissen über die so anderen und meist als bedenklich" angesehenen Medienerfahrungen von Kindern - beispielsweise wird deren Fernsehkonsum unrealistisch überschätzt - als schwierig erweist, mit ihnen über ihre Lieblingssendungen im Fernsehen ins Gespräch zu kommen. Denn wenn sich Lehrkräfte gegenüber den Medienerfahrungen von Kindern öffnen, machen sie nicht selten die Kriterien eigenen Medienhandelns, die sie von guten" Texten ableiten, zum Maßstab für sinnvollen Mediengebrauch. Dass dies den respektvollen Austausch mit den Medienerfahrungen der Kinder verhindern kann, wird meist nicht wahrgenommen. Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit Immer wieder zeigt sich eine Diskrepanz zwischen den Einstellungen von Grundschullehrkräften gegenüber den Zielen der Medienerziehung und der tatsächlichen medienerzieherischen Praxis in der Grundschule. Für gewöhnlich schätzen die Lehrkräfte medienerzieherische Ziele als wichtig ein, doch nur selten werden sie von ihnen im Schulalltag umgesetzt (vgl. Tulodziecki 2000, S. 473ff). Folgende Gründe dürften dabei eine bedeutsame Rolle spielen: 4

Vielfach schätzen Lehrkräfte ihre eigene Medienkompetenz als,nicht so gut' ein und vermeiden wegen ihrer Unsicherheiten medienerzieherische Vorhaben. Sie führen ihre mangelnde Kompetenz meist auf Defizite in der Ausbildung zurück. Medien (Hard- und Software), Unterrichtsmaterialien und Räumlichkeiten sind nicht in dem Maße an der Schule vorhanden, dass sich medienerzieherische Aktivitäten problemlos in den alltäglichen Schul- und Unterrichtsbetrieb integrieren lassen. Im Vergleich mit anderen übergreifenden Aufgabenfeldern wie Sozialerziehung, Gesundheits- und Sexualerziehung, Verkehrserziehung oder Umwelterziehung wird der Medienerziehung nur selten Priorität oder Gleichrangigkeit zugestanden. Dass sich Medienerziehung jedoch ohne weiteres mit diesen Aufgabenfeldern intentional wie funktional verbinden lässt, wird für gewöhnlich nicht erkannt. Versucht man, diese verschiedenen Phänomene in Form von Thesen zu verdichten, so ergeben sich hier folgende Annahmen: 1) Die Bedeutung der Medienerziehung für die Grundschule dürfte heute unbestritten sein (vgl. auch Empfehlungen der Kultusministerkonferenz 1994; Faust-Siehl u. a. 1996). Dennoch fehlt Lehrkräften offensichtlich eine klare Vorstellung davon, wie sich medienerzieherische Aufgaben in den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule einbinden lassen. Oftmals sehen sie auch in der Auseinandersetzung mit Medien eine Konkurrenz für die Vermittlung von Lese- und Schreibkompetenz. Ebenso fällt es ihnen schwer, eine sinnvolle Verbindung zwischen Medienerziehung und anderen Aufgabenfeldern herzustellen. 2) Die Qualifizierung vieler Lehrkräfte reicht bei weitem nicht aus, um medienerzieherische Vorhaben angemessen in der Schul- und Unterrichtspraxis zu realisieren. In diesem Zusammenhang wären Maßnahmen zur nachhaltigen Beratung und Unterstützung im Medienbereich angebracht, vor allem in Verbindung mit Prozessen der Schulentwicklung (vgl. Tulodziecki 2000, S. 480). 3) Die curricularen Vorgaben für die Förderung von Medienkompetenz dürften von Lehrkräften nach wie vor als derart unverbindlich" angesehen werden (vgl. Eschenauer 1989, S. 375ff), dass sie ihr medienpädagogisches Handeln kaum herausfordern. Ob dies womöglich darauf beruht, dass medienpädagogische Aspekte in den Lehrplänen der Fächer/Lernbereiche isoliert nebeneinander stehen 5

und dass Systematik und innerer Zusammenhang weitgehend fehlen, soll im Folgenden durch die exemplarische Untersuchung neuer Rahmenlehrpläne für die Grundschule geklärt werden. 2 Curriculare Vorgaben für die Medienerziehung: Untersuchung ausgewählter Rahmenlehrpläne für die Grundschule 2.1 Fragestellung und Untersuchungsverfahren In ihrer umfassenden Analyse bundesdeutscher Curricula der allgemeinbildenden Schulen bilanzierte Barbara Eschenauer Ende der 1980er Jahre Folgendes zum Stand der unbewältigten Medienpädagogik in den Lehrplänen": Unbewältigt ist die Medienpädagogik deshalb, weil zwar eine Fülle medienpädagogischer Aspekte mittlerweile für die Unterrichtsfächer vorgesehen ist; diese werden aber additiv und ohne ausreichende Implementation den Fächern zugeordnet. Herausragendes Kennzeichen der Medienpädagogik in den Lehrplänen ist ihre weitgehende Unverbindlichkeit - sie ist offenbar eine wichtige Nebensache" (Eschenauer 1989, S. 387). Diese allgemeine Tendenz, die sich vor allem für die Lehrpläne der Sekundarstufe I zeigte, wurde auch für die Grundschule durch eine im Jahre 2000 veröffentlichte Analyse der nordrhein-westfälischen Grundschullehrpläne von 1985 (!) bestätigt. Dort heißt es zusammenfassend: Auffällig ist, dass die Hinweise in den Lehrplänen häufig isoliert nebeneinander stehen; eine innere Systematik und Kohärenz ist nur selten gegeben" (Tulodziecki 2000, S. 384). Inzwischen liegen in einer Reihe von Bundesländern neuere Lehrpläne für die Grundschule vor, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen, und für die vier Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern wurden länderübergreifend Rahmenlehrpläne für die Grundschule erarbeitet. Somit stellt sich die Frage, ob Medienerziehung in der Grundschule nach wie vor nur eine wichtige Nebensache" ist oder ob die Förderung von Medienkompetenz integraler 6

Bestandteil der aktuellen Lehrpläne ist. Dieser Frage soll exemplarisch durch eine Analyse der zuvor genannten länderübergreifenden Rahmenlehrpläne nachgegangen werden, die im Schuljahr 2004/2005 in den jeweiligen Bundesländern in Kraft traten (vgl. Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg u. a. 2004). Für die Auswahl dieser Rahmenlehrpläne" sprechen vor allem folgende Gesichtspunkte: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben sich vier Bundesländer darauf geeinigt, gemeinsam curriculare Vorgaben für die Grundschule zu entwickeln. Die Rahmenlehrpläne zeichnen sich dementsprechend inhaltlich durch ein gemeinsames pädagogisches Rahmenkonzept für alle Fächer und formal durch eine einheitliche Gliederung aus. Der Konstruktion der Rahmenlehrpläne für die Fächer liegt ein gemeinsamer Kompetenzansatz zu Grunde, der auf den ersten Blick mit Medienkompetenz als Teil der Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz vereinbar scheint. Leitende Ideen für die Formulierung von Unterrichtszielen (Anforderungen), -inhalten und Prinzipien der Unterrichtsgestaltung sind die Förderung von Sachkompetenz, Methodenkompetenz, sozialer Kompetenz und personaler Kompetenz. Als Zielgröße für das pädagogische Handeln von Lehrkräften beschreiben Standards, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler am Ende der Jahrgangsstufe 4 erreicht haben sollen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung (März/April 2005) lagen für die Jahrgangsstufen 1-4 Rahmenlehrpläne für die Fächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Kunst, Musik und Sport vor. Die Rahmenlehrpläne für die Jahrgangsstufen 5/6, die stärker an den Systematiken der Fachdisziplinen orientiert und nur für die Berliner und Brandenburger Grundschulen gültig sind, wurden nicht in die Untersuchung einbezogen. Bei der Analyse der Rahmenlehrpläne wurden auch lediglich die Fächer Deutsch, Sachunterricht, Kunst und Musik berücksichtigt. Sie werden hier als Kernfächer für die Medienpädagogik in der Grundschule angesehen, da sie Medien nicht nur aus mediendidaktischer, sondern auch aus medienerzieherischer Perspektive betrachten. 7

Vorgehensweise für die Untersuchung Auf Grund der einheitlichen Struktur der zu untersuchenden Rahmenlehrpläne orientierte sich die Analyse an deren vorgegebener Systematik. Dabei wurde in vier Schritten vorgegangen: 1. Schritt Die medienpädagogisch relevanten Aussagen in den vier Rahmenlehrplänen wurden identifiziert, und die entsprechenden Fundstellen wurden in Dateien erfasst. Sie bezogen sich auf sechs Rahmenlehrplankapitel: die für alle Rahmenlehrpläne geltenden Aussagen zu Bildung und Erziehung in der Grundschule ( Rahmenkonzept"), den Beitrag des Faches zur Bildung und Erziehung in der Grundschule, Standards, die Gestaltung von Unterricht, die Inhalte sowie die Leistungsermittlung, Leistungsbewertung und Dokumentation. Als medienpädagogisch relevant wurden solche Aussagen angesehen, bei denen es eindeutig um die Nutzung von oder um den Umgang mit Medien geht. Dabei kann es sich um einen ausführlichen Begründungszusammenhang, einen pädagogisch-didaktischen Hinweis, die Formulierung eines Lernziels oder die kursorische Erwähnung eines Unterrichtsinhalts handeln. 2. Schritt Die medienpädagogischen Aussagen wurden den drei Aufgabenbereichen zugeordnet, die hier für die integrative Medienerziehung in der Grundschule bedeutsam sind (vgl. Teil II, Kapitel 4.2): Medienerfahrungen/-einflüsse bearbeiten Medien untersuchen/bewerten Medien gestalten und veröffentlichen. In diesem Kontext wurde auch untersucht, 8

welcher Medien-/Textbegriff verwendet wird, welche Medienarten (z. B. Foto, Fernsehen, Film, Hörmedien, Computer, Internet, Printmedien) berücksichtigt werden, ob fachübergreifende/fächerverbindende Bezüge hergestellt werden und ob eine Kooperation mit außerschulischen Partnern vorgesehen ist. 3. Schritt Im nächsten Schritt wurde anhand der gefundenen Aussagen versucht, bestimmte medienerzieherische Grundorientierungen zu identifizieren. Nach Tulodziecki (vgl. 1997, S. 84ff, auch 2000, S. 362f) können dabei, grob skizziert, folgende Orientierungen eine Rolle spielen: die behütend-pflegende Medienerziehung will Schülerinnen und Schüler vor schädlichen Medieneinflüssen schützen und an wertvolle Medienbeiträge heranführen; die ästhetisch-kulturorientierte Medienerziehung will dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler ein Verständnis für die Bild- und Filmsprache entwickeln und befähigt werden, Medien unter inhaltlichen und ästhetischen Gesichtspunkten zu beurteilen; die funktional-systemorientierte Medienerziehung will Schülerinnen und Schüler über die Funktion der Medien in einer demokratischen Gesellschaft aufklären und sie dazu befähigen, sich selbstbewusst und sachkundig handelnd am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen; die kritisch-materialistische Medienerziehung will Schülerinnen und Schüler über den manipulativen und repressiven Charakter der (Massen-)Medien aufklären. Durch kritische Auseinandersetzung mit Medien sollen die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt werden, Medien als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen zu nutzen und sich durch aktiven Mediengebrauch aus Bevormundung und Abhängigkeit zu befreien; die handlungsorientierte Medienerziehung will die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, Medienangebote situations- und bedürfnisgerecht zu nutzen und kommunikative Fähigkeiten durch das Gestalten und Verbreiten eigener Medienprodukte weiter zu entwickeln. 9

4. Schritt Diesen drei Schritten entsprechend wurden die vier Rahmenlehrpläne sukzessive untersucht und zusammenfassend kommentiert. Zur Darstellung der Rahmenlehrplananalyse Im folgenden Abschnitt wird zunächst die Analyse des Rahmenkonzepts vorgestellt. Dieses Konzept leitet im selben Wortlaut in alle vier untersuchten Rahmenlehrpläne ein und umreißt die grundlegenden Erziehungs- und Bildungsaufgaben für die Grundschule. Dabei kommt es auch zu medienerzieherisch relevanten Aussagen. Im Anschluss daran wird exemplarisch die ausführliche Analyse des Rahmenlehrplans Deutsch vorgestellt. Sie enthält die medienerzieherisch bedeutsamen Fundstellen und auch die Darstellung der Inhalte (Aufgabenbereiche) in Tabellenform. Ein Kommentar zum Rahmenlehrplan Deutsch schließt die Darstellung ab. Die Analyse der drei Rahmenlehrpläne Sachunterricht, Kunst und Musik wird jeweils in Form eines Kommentars präsentiert. Auf die Darstellung der medienerzieherisch relevanten Fundstellen für die jeweiligen Rahmenlehrpläne wurde dabei verzichtet. Sie finden sich jedoch im Anhang (s. Anhang 2) und können dort zur besseren Orientierung nachgelesen werden. In einer zusammenfassenden Beurteilung wird schließlich dargelegt, ob es den Urhebern der vier Rahmenlehrpläne gelungen ist, zumindest mithilfe curricularer Vorgaben günstige Voraussetzungen für eine integrative Medienerziehung in der Grundschule zu schaffen. Letztlich sei noch auf einen formalen Aspekt hingewiesen: Alle Hervorhebungen bei den zitierten Fundstellen stammen vom Verfasser. 2.2 Untersuchung des Rahmenkonzepts Der hier als Rahmenkonzept bezeichnete Textzusammenhang findet sich als 1. Kapitel in allen vier Rahmenlehrplänen. In diesem Kapitel wird der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule unter den Aspekten Grundlegende Bildung, Handlungskompetenz als Ziel des Lernens, Standards, Gestaltung von Unterricht, Inhalte, Leistungsermittlung/Leistungsbewertung und Dokumentation sowie Qualitätsentwicklung 10

und -sicherung beschrieben. Bei vier der insgesamt sieben Aspekte dieser grundlegenden Einführung tauchen explizit medienpädagogische Aussagen auf. 1. Unter dem Aspekt grundlegender Bildung heißt es allgemein, dass die Erfahrungen der Kinder aus der vorschulischen Sozialisation aufzunehmen seien und dass grundlegende Bildung Handlungskompetenz ermöglichen sowie die Fähigkeit zum Lernen innerhalb und außerhalb der Schule ( Anschlussfähigkeit") sichern solle. In diesem Sinne lernen es die Schülerinnen und Schüler, sich mit sich selbst, mit der sie umgebenden Welt und mit gesellschaftlichen Schlüsselproblemen auseinander zu setzen. Zur grundlegenden Bildung gehören insbesondere: Auseinandersetzung mit Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens und das Anbahnen von Wertorientierungen, Selbstregulation des Wissenserwerbs, Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbst- und Mitbestimmung sowie zum solidarischen Handeln, Beherrschung der Standardsprache in Wort und Schrift, Erwerb von Lesefähigkeit und Lesestrategien sowie sicherer Umgang mit Texten, Kompetenz im Umgang mit fremden Sprachen, Einführung in mathematische, natur- und sozialwissenschaftliche Interpretationsmuster der Welt, Entwicklung und Erweiterung eines körperlich-motorischen Handlungsrepertoires, Differenzierung ästhetischer Ausdrucks- und Gestaltungsformen, reflektierte und produktive Nutzung von Medien und Gestaltung eigener Medienbeiträge" (Rahmenlehrpläne für die Grundschule 2004, S. 8). 2. Unter dem Aspekt Handlungskompetenz als Ziel des Lernens wird ein Kompetenzmodell zu Grunde gelegt, das ursprünglich aus der Erwachsenenbildung und Berufspädagogik stammt (28). Dabei handelt es sich um ein vierdimensionales Modell, das sich aus den Bereichen Sachkompetenz, Methodenkompetenz, soziale Kompetenz und personale Kompetenz zusammensetzt. Diese vier Dimensionen, die sich wechselseitig bedingen, konstituieren die Handlungskompetenz. Handlungskompetenz wird als Ziel und Instrument des Lernens verstanden und dient als Richtgröße für Ziele, 11

Unterrichtsinhalte und Unterrichtsgestaltung bis hin zur Leistungsfeststellung und -bewertung. Sachkompetenz zielt auf den Erwerb von Erkenntnissen und Fertigkeiten in einem Fachgebiet, auf deren Anwendung in Lebenssituationen, auf das Erkennen von Zusammenhängen, das Verstehen von Argumenten und Erklärungen oder das Beurteilen von Thesen/Theorien. Methodenkompetenz schließt ein, fachbezogene und fachübergreifende Lernstrategien, Verfahrensweisen und Arbeitstechniken anwenden zu können. Die Schülerinnen und Schüler lernen, Zusammenhänge herauszufinden und herzustellen. Sie können zunehmend mit verschiedenen Medien umgehen, sich selbstständig Informationen aus Medien beschaffen, sammeln, sachbezogen aufbereiten und ordnen. Dabei wenden sie Lernstrategien an und setzen fachspezifische Arbeitsweisen zielorientiert ein" (Rahmenlehrpläne für die Grundschule 2004, S. 9). Soziale Kompetenz wird beschrieben als die Fähigkeit, eigene oder übergeordnete Ziele in wechselnden sozialen Situationen in Einklang mit sich selbst und anderen verfolgen zu können. Sie zeigt sich zudem in kommunikativem und kooperativem Handeln. Personale Kompetenz umfasst Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl und zeigt sich in wachsender emotionaler Unabhängigkeit und Zutrauen in eigene Stärken. So ermöglicht es dem Einzelnen, eine eigene Identität zu entwickeln, zu erproben und zu bewahren. 3. Unter dem Aspekt Gestaltung von Unterricht, bei dem Qualitätsmerkmale wie selbstständiges, eigenverantwortliches Lernen, Anknüpfen an den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, kooperatives Arbeiten, die Kombination von Instruktion und Konstruktion, situiertes und systematisches Lernen oder fachbezogenes, fächerübergreifendes und fächerverbindendes Unterrichten als bedeutsam aufgeführt werden, wird auch die Nutzung von Medien hervorgehoben: Das reflektierte und produktive Nutzen von Medien aller Art im Unterricht befähigt Schülerinnen und Schüler, Medienangebote zunehmend 12

selbstständig auswählen, eigene Medienbeiträge gestalten, verbreiten sowie kritisch bewerten zu können. Medien im Unterricht sind in den meisten Fächern Werkzeuge zum Lernen, in einigen Fächern aber auch Gegenstände des Lernens selbst. Sie erleichtern es, die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler in das schulische Leben einzubeziehen. Der Einsatz von Computer und Internet ermöglicht darüber hinaus differenzierte bzw. individualisierte Lernangebote. Er erweitert die Vielfalt von Lernformen und verändert auch die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer, die verstärkt als Lernberaterinnen und Lernberater aktiv werden müssen. Insbesondere Erfahrung mit der Interaktivität, dem Navigieren in Hypertexten und der Reproduzierbarkeit von Texten tragen zur Entwicklung der Lernkultur bei" (Rahmenlehrpläne für die Grundschule 2004, S. 12). 4. Mit dem Aspekt der Qualitätsentwicklung und -sicherung ist zweierlei gemeint: Qualitätsentwicklung bezieht sich auf alle Tätigkeiten einer Schule, gut" zu werden oder zu sein, Qualitätssicherung bezeichnet hingegen alle Maßnahmen einer Schule, den erreichten Stand zu analysieren, zu bewerten und zu dokumentieren. Qualitätsentwicklung und - sicherung sind notwendig aufeinander bezogen. In diesem Kontext spielt die Entwicklung schulinterner Curricula eine wesentliche Rolle. Die Arbeit an schulinternen Curricula eröffnet vielfältige inhaltliche Bereiche für die Kooperation der Lehrerinnen und Lehrer einer Schule, insbesondere beim Entwickeln eines pädagogischen Konzepts für die Arbeit in einzelnen Klassen oder auf Jahrgangsstufen-Ebene, z.b. bei der Planung von gemeinsamem Unterricht oder bei der Entwicklung von Kriterien für die Leistungsbewertung, in den Fachkonferenzen, bei der Arbeit an gemeinsamen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, wie z.b. bei der Planung von fächerverbindendem Unterricht und Projekten, bei der Verständigung über Unterrichtsmaterialien und Medien, [ ]" (Rahmenlehrpläne für die Grundschule 2004, S. 15). 13

Kommentar Unschwer lässt sich an den vier Fundstellen im Rahmenkonzept" erkennen, dass ein ausführlicherer theoretischer Begründungszusammenhang fehlt, durch den die Integration medienpädagogischer Aufgaben in die Grundschule fundiert wird. Lediglich formelhaft wird aufgeführt, dass der reflektierte, produktive und gestaltende Umgang mit Medien" Bestandteil grundlegender Bildung sei und bei der Gestaltung von Unterricht eine Rolle spiele. Was dabei den produktiven vom gestaltenden Umgang mit Medien unterscheidet, wird nicht erläutert. Im Prinzip wird aber durch diese sehr allgemeine Etikettierung der Bezug zu den drei Aufgabenbereichen integrativer Medienerziehung Medienerfahrungen/einflüsse bearbeiten", Medien untersuchen/bewerten" und Medien gestalten und veröffentlichen" hergestellt. Der im Rahmenkonzept" verwendete Medienbegriff bleibt unspezifisch, wenn von Medien (aller Art)" gesprochen wird. In erster Linie werden Medien aus pädagogischdidaktischer Perspektive gesehen, wenn sie in ihrer Bedeutung als Werkzeuge zum Lernen" und Gegenstände des Lernens erwähnt werden und wenn sie dazu beitragen sollen, das Einbeziehen der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schüler in schulisches Leben zu erleichtern". Für diesen funktionalen Gesichtspunkt wird allerdings keine plausible Begründung geliefert. Auch die Verständigung über Medien bei der Entwicklung schulinterner Curricula dürfte primär unter pädagogisch-didaktischem Aspekt zu sehen sein. Dieses wohl grundsätzliche Verständnis von Medien findet man bestätigt, wenn man die Pädagogischen Begriffe" zu Rate zieht, die von den Verfassern der Rahmenlehrpläne bei der gemeinsamen Arbeit verwendet wurden. In diesem Glossar heißt es zum Begriff Medien: Medien sind gleichermaßen Lern- und Arbeitsmittel und Inhalte des Unterrichts. Ihre Nutzung zur Rezeption, Produktion und Reflexion legt in der Grundschule einen integrativen Ansatz nahe, der die Schülerinnen und Schüler befähigt, Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu nutzen, Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten, Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten, 14

Medien hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu analysieren, Medien selbst zu gestalten und zu verbreiten" (Rahmenlehrpläne Grundschule. Pädagogische Begriffe 2004, S. 10). In dieser Begriffserläuterung, die fast wörtlich die fünf medienpädagogischen Aufgabenbereiche von Tulodziecki u. a. zitiert (vgl. Teil II, Kapitel 3.2), wird auch explizit die Möglichkeit integrativen" Vorgehens angedeutet. Was mit integrativer Medienerziehung gemeint ist, wird allerdings nicht erläutert. Teilweise wird aber auch auf die Bedeutung von Computer und Internet eingegangen, die knapp in ihren didaktischen Funktionen und im Hinblick auf die Veränderung der Lehrerrolle und die Entwicklung der Lernkultur" skizziert werden. Schließlich fällt bei der Entfaltung des Kompetenzmodells auf, dass der Begriff Medienkompetenz überhaupt nicht gebraucht oder explizit erwähnt wird. Stattdessen wird der Umgang mit Medien" eindeutig der Methodenkompetenz zugeordnet. Bezüge zur personalen und sozialen Kompetenz fehlen zwar auf Grund dieser eindimensionalen Zuordnung, können aber implizit unter den Aspekten Grundlegende Bildung" und Gestaltung des Unterrichts" ausgemacht werden. Durch die Zuordnung wird der in den vorangegangenen Kapiteln entwickelte Begriff von Medienkompetenz als Teil der Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz auf spezifische Weise verkürzt: Medien werden in erster Linie als Instrumente zur Rekonstruktion und Darstellung von Wirklichkeit gesehen. Nach unserem Verständnis von Medienkompetenz können sie in dieser Bedeutung aber der Sachkompetenz zugewiesen werden (vgl. Teil III, Kapitel 4.2). Hinweise auf die Nutzung von Medien im fachübergreifenden/ fächerverbindenden Unterricht fehlen ebenso wie die auf Kooperationen mit außerschulischen Partnern. Was die medienerzieherische Grundorientierung im Rahmenkonzept" angeht, ist ein Bezug zur handlungsorientierten Medienerziehung gegeben, weil den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich die Möglichkeit geboten wird, mit Medien umzugehen" und sich pädagogisch unterstützt mit Medien als Bestandteil ihrer Lebenswirklichkeit aktiv auseinander zu setzen. Auf diese Weise können sie befähigt werden, Medienangebote 15

zunehmend selbstständig auszuwählen, eigene Medienbeiträge zu gestalten und zu verbreiten sowie kritisch zu bewerten". 2.3 Untersuchung des Rahmenlehrplans Deutsch Bei der folgenden Analyse des Rahmenlehrplans Deutsch werden zunächst die Fundstellen aufgeführt, die sich in den Kapiteln Beitrag des Faches zur Bildung und Erziehung in der Grundschule (Kapitel 2), Standards (Kapitel 3), Gestaltung von Unterricht - fachdidaktische Ansprüche (Kapitel 4), Übersicht über die Aufgabenbereiche/Themenfelder (Kapitel 5.1), Leistungsermittlung, Leistungsbewertung und Dokumentation (Kapitel 6) identifizieren ließen (vgl. auch Tabelle 14). Tabelle 14: Anzahl der Fundstellen für die Fächer Deutsch, Sachunterricht, Kunst und Musik 16

Das Herzstück' eines jeden Rahmenlehrplans ist das 5. Kapitel Inhalte, das jeweils eine ausführlich kommentierte Übersicht über Aufgabenbereiche/Themenfelder bietet (Kapitel 5.1) und in tabellarischer Form Anforderungen (Ziele) und Inhalte für die Jahrgangsstufen 1/2 und3/4 aufeinander bezieht (Kapitel 5.2). Dieses Kapitel wird hier auf Grund seiner zentralen Funktion gesondert dargestellt. Dabei werden die medienbezogenen Fundstellen des Kapitels 5.2 in Tabellenform wiedergegeben und Zuordnungen zu den drei medienerzieherischen Aufgabenbereichen vorgenommen (vgl. auch Tabelle 15). Nach der Darstellung aller Fundstellen werden die medienpädagogisch relevanten Ergebnisse für den Rahmenlehrplan Deutsch in einem Kommentar zusammengefasst. Im Folgenden sind zunächst kontextbezogen alle Fundstellen dieses Rahmenlehrplans aufgeführt, der für die vier Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen und MecklenburgVorpommern gilt. Im 2. Kapitel Der Beitrag des Faches zur Bildung und Erziehung in der Grundschule wird unter anderem dargelegt, dass das Fach an den vorschulischen Spracherfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpft und dass Sprache als zentrales Lernmittel" in der Grundschule verstanden wird. Sprache dient dazu, emotionale, soziale und kognitive Zusammenhänge mündlich und schriftlich zu erschließen, wobei dem Verstehen von Texten eine zentrale Bedeutung zukommt". Der Deutschunterricht integriert die folgenden vier Aufgabenbereiche: Sprechen und Zuhören, Lesen - mit Texten und Medien umgehen, Schreiben - Texte verfassen/rechtschreiben, Sprache und Sprachgebrauch untersuchen. Für die Entwicklung der sprachlichen Handlungsfähigkeit hat der Schriftspracherwerb eine besondere Bedeutung. [...] Lesen- und Schreibenkönnen sind die Voraussetzungen dafür, dass die Schülerinnen und Schüler Medien mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten kompetent und selbstbestimmt nutzen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 17). 17

Diese Aufgabenbereiche korrespondieren deutlich mit den Kompetenzbereichen des Faches Deutsch, die für die Primarstufe von der Kultusministerkonferenz in Bezug auf Bildungsstandards im Oktober 2004 beschlossen wurden (vgl. Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich 2005, S. 7). In Bezug auf den Erwerb von Sachkompetenz heißt es: Die Schülerinnen und Schüler [...] schreiben eigene Texte, präsentieren sie und nutzen dabei vielfältige Textformen. Sie unterscheiden Textsorten. Ihnen sind vielfältige Informationsmöglichkeiten bekannt und sie nutzen Medien situationsgerecht" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 17). In Bezug auf den Erwerb von Methodenkompetenz heißt es: Die Schülerinnen und Schüler [...] fragen gezielt nach Informationen, und suchen danach in Texten, Büchern und digitalen Medien und verarbeiten diese Informationen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 18). Im 3. Kapitel werden Standards aufgelistet. Sie beschreiben die Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler am Ende der Jahrgangsstufen 4 und 6 erworben haben müssen, um ein erfolgreiches Weiterlernen zu sichern. Bezogen auf die Standards am Ende der Jahrgangsstufe 4 heißt es für den Aufgabenbereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen im Zusammenhang: Die Schülerinnen und Schüler lesen einen altersangemessenen Text sinngebend, lesen einen Text nach Vorbereitung flüssig und sinngebend vor, - wählen Texte nach eigenen Leseinteressen aus, kennen Autorinnen/Autoren und lesen Werke aus der Kinderliteratur, unterscheiden literarische Texte und Sachtexte, - nutzen eine Bibliothek, - entnehmen Texten gezielt Informationen, ziehen Schussfolgerungen aus Texten, äußern ihre Gedanken und Meinungen zu Texten in mündlicher und schriftlicher Form und tauschen sie mit anderen aus, wenden folgende Lesestrategien für das Verstehen von Texten an: 18

vor dem Lesen Vermutungen über den Textinhalt anstellen, Fragen an den Text stellen, Unverstandenes durch Nachdenken, Nachschlagen, Nachfragen klären, bedeutsame Textstellen mit Hilfestellung markieren und als Stichwörter fixieren, mithilfe der Stichwörter einen Text mit eigenen Worten wiedergeben, gehen mit Texten produktiv um, nutzen Möglichkeiten der Informationssuche in unterschiedlichen Medien, dokumentieren ihre Lernentwicklung beim Lesen und schätzen sie ein" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 19). Für den Aufgabenbereich Texte verfassen wird formuliert: Die Schülerinnen und Schüler [ ] - verwenden den Computer zum Schreiben und für die Textgestaltung" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 20). Im 4. Kapitel Gestaltung von Unterricht - fachdidaktische Ansprüche wird verdeutlicht, dass der Deutschunterricht sich als integrativer Unterricht versteht. Das heißt, die vier Aufgabenbereiche greifen mit ihren spezifischen Zielen ineinander, um über Sprache nachzudenken, um Phänomene zu erfassen und Einsichten in deren Funktion zu gewinnen". Dabei spielt unter anderem die Entwicklung einer anregenden Lese-, Schreibund Gesprächskultur im Deutschunterricht eine wichtige Rolle: Die Schülerinnen und Schüler nutzen unterschiedliche Textsorten und multimediale Präsentationsformen in für sie bedeutsamen Verwendungssituationen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 23). Ebenso wird der Umgang mit Medien zu einem besonderen Gestaltungsaspekt von Unterricht: Kinder bringen außerschulische Medienerfahrungen in die Schule mit. Der Deutschunterricht knüpft mit seinem Angebot daran an. Dieses Angebot geht aber im Sinne systematischen Lernens über die vorhandene Alltagserfahrung hinaus. Es 19

eröffnet neue Verwendungsmöglichkeiten von Medien und leitet die Kinder zum kritischen Reflektieren über Mediengebrauch und über Medieninhalte an. Beim Gebrauch von Medien lernen sie wichtige Gestaltungs- und Präsentationsmöglichkeiten kennen. Sie nutzen digitale Medien für die Erschließung und Darstellung von Informationen sowie für die Gestaltung und Präsentation eigener Produkte" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 23). Im 6. Kapitel Leistungsermittlung, Leistungsbewertung und Dokumentation werden Hinweise zur Diagnose individueller Lern- und Leistungsentwicklungen gegeben. In Bezug auf den Aufgabenbereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen wird Folgendes ausgeführt: Leseleistungen beinhalten neben dem Erschließen des Textes auch die elementaren Lesefertigkeiten. Die Kommunikation über Textinhalt und -wirkung ist eine wichtige Leseleistung. Handlungs- und produktbezogene Formen des Umgangs mit Texten und Medien wie Lesetagebuch, Lesebegleitheft, Präsentationsmappen, Schülerzeitung, Computer werden ebenso einbezogen wie das Erfassen der Inhalts-und Vorleseleistungen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 47). Im 5. Kapitel Inhalte, das hier gesondert dargestellt wird, wird zunächst unter 5.1 eine Übersicht über die Aufgabenbereiche gegeben. Da der Schriftspracherwerb nicht als eigener Bereich, sondern als Bestandteil aller Aufgabenbereiche in den Jahrgangsstufen 1 und 2 gesehen wird, wird er besonders herausgestellt. In diesem Zusammenhang heißt es dann in Bezug auf die kommunikative Funktion der Schriftsprache und auf die Ausbildung von Leseinteressen: Durch regelmäßiges Vorlesen lernen die Schülerinnen und Schüler, Texte zu verstehen, in anschließenden Gesprächen ihre Eindrücke zu schildern und durch unterschiedliche Gestaltungsaufgaben den Textinhalt wiederzugeben. Gemeinsam werden Bücher für die Leseecke ausgesucht und verschiedene Leseinteressen und Leseerfahrungen besprochen. [...] Anlässe zum Schreiben ergeben sich [...] beim Vorlesen von Geschichten, aus Bildvorlagen und aus sachunterrichtlichen Themen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 26). 20

Beim Aufgabenbereich Sprechen und Zuhören, der seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung einer Gesprächskultur legt, heißt es: Die Schülerinnen und Schüler kennen und nutzen beim Erzählen, Vortragen oder Präsentieren von Arbeitsergebnissen neben sprachlichen auch sprecherische Mittel, wie Stimmführung, Lautstärke, Sprechtempo und nichtsprachliche Mittel, wie Mimik, Gestik und Körperhaltung. Sie wählen geeignete Medien zur Unterstützung des Gesagten aus und setzen sie ein" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 27f). Was den Aufgabenbereich Lesen - mit Texten und Medien umgehen angeht, kommt es zu folgendem Begründungszusammenhang: Durch die Entwicklung einer Lesekultur mit unterschiedlichen Medienangeboten werden die persönlichen, insbesondere auch geschlechtsspezifische Interessen der Schülerinnen und Schüler ernst genommen, aufgegriffen und erweitert. Das Praktizieren von Lesegewohnheiten, wie Vorlesen, Genießen freier Lesezeiten und Bibliotheksbesuche lässt Lesen zu einem festen Bestandteil im Schulalltag werden. Dabei wird von einem weiten Textbegriff ausgegangen. Dieser schließt literarische ebenso wie Sach- und Gebrauchstexte ein. Er bezieht sich auf Texte in Printmedien, audiovisuellen und digitalen Medien und berücksichtigt kontinuierliche und nicht-kontinuierliche Texte. [...] Im Deutschunterricht werden die Medienerfahrungen der Schülerinnen und Schüler aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie lernen, Medien kriterienorientiert so auszuwählen, dass ihre Nutzung mit den gesetzten Zielen und Absichten übereinstimmt. Sie lernen zunehmend selbstständiger mithilfe von Medien zu recherchieren, Medienangebote kritisch zu bewerten und selbst Medienbeiträge zu gestalten und zu veröffentlichen" (Rahmenlehrplan Deutsch 2004, S. 28). Unter 5.2 werden Anforderungen und Inhalte für die Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4 dargestellt. Dabei beschreiben die Anforderungen - als verbindliche Ziele -, welchen Beitrag der jeweilige Aufgabenbereich zum Erreichen der Standards leisten soll. Die 21

entsprechenden Inhalte sind ebenfalls verbindlich. Daneben gibt es fakultative Inhalte, über deren Auswahl die Fachkonferenz der Schule entscheidet. Schließlich werden verbindliche Verknüpfungen mit anderen Aufgabenbereichen und Bezüge zu anderen Fächern hergestellt. Auf den beiden folgenden Seiten werden die medienbezogenen Anforderungen und Inhalte für die Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4 in tabellarischer Form wiedergegeben. Dabei wird in der Übersicht auch der Bezug zu den drei medienerzieherischen Aufgabenbereichen aufgezeigt. 22

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Kommentar In der Zusammenschau lässt sich sagen, dass der Rahmenlehrplan Deutsch versucht, Lese- und Medienerziehung zu verbinden. Dabei werden Printmedien und Kommunikationsmedien aller Art auf der Grundlage eines integrativen Konzepts deutlich in Beziehung gesetzt. Wesentlich für diesen Ansatz ist der weite Textbegriff', der nicht nur Printmedien, sondern auch auditive, visuelle und audiovisuelle Medien einschließt: Die Schülerinnen und Schüler gehen mit unterschiedlichen Textsorten in verschiedenen Medien um und können dabei die Funktionen und Wirkungen von Medien aller Art entdecken. Die Anforderungen und Inhalte des Aufgabenbereichs Lesen - mit Texten und Medien umgehen" weisen aber auch deutlich darauf hin, dass der Umgang mit Schrifttexten als wesentlich für den Aufbau von Medien-Lese-Kompetenz im weiteren Sinne angesehen wird. Lesen und Schreiben von Schrifttexten behalten unbestritten im Deutschunterricht ihren hohen Rang, werden aber durch das gezielte Umgehen mit Medien aller Art um eine besondere Qualität ergänzt. Diese Konstellation lässt sich im groben Umriss auch an der Anzahl der inhaltlichen Verweise auf Printmedien und technische Medien erkennen (vgl. Tabelle 16). Im Übrigen fällt auf, dass der Medienbegriff weitgehend unspezifisch gebraucht wird und dass Begriffe häufig missverständlich gebraucht werden. Offensichtlich sind mit audiovisuellen Medien auch auditive und visuelle Medien gemeint, wie auch die Bezeichnung digitale Medien als Synonym für Computer, Internet und Multimedia-Angebote stehen dürfte (29). Nur in wenigen Fällen werden Medienarten wie Foto, Film oder Hörspiel ausdrücklich genannt. Jeglicher Hinweis auf das Fernsehen als Kindermedium Nr.1 fehlt. Relativ häufig wird indessen auf Hörmedien verwiesen (vgl. Tabelle 16). Was den Bezug zu den verschiedenen Dimensionen des Kompetenzmodells angeht, werden Medien tendenziell in ihrer instrumentellen Funktion der Sach- und Methodenkompetenz zugeordnet. Dies entspricht im Übrigen auch den Formulierungen der Kultusministerkonferenz für die Bildungsstandards im Fach Deutsch, bei denen es heißt: Standards legen auf der Ebene der Sach- und Methodenkompetenz (Hervorhebung vom Verfasser) fest, welche Leistungen von einem Kind am Ende der Jahrgangsstufe 4 in Kernbereichen des Faches Deutsch in der Regel erwartet 24

werden. Sie sollen eine klare Perspektive für die anzustrebenden Ziele geben, auf die hin sich auch eine individuelle Förderung konzentrieren muss" (Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich 2005, S. 7). Explizit fehlen Hinweise, die die medienbezogene Förderung von personaler und sozialer Kompetenz betreffen. Sie können aber,mitgedacht' werden, wenn es darum geht, die Medienerfahrungen der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und weiter zu entwickeln". Verbindliche Hinweise auf andere Fächer wie Sachunterricht, Kunst und Musik fordern zu fachübergreifendem oder fächerverbindendem Unterricht heraus. Die Kooperation mit außerschulischen Partnern beschränkt sich indessen auf den Kontakt zu Bibliotheken. Als medienerzieherische Grundorientierung lässt sich die handlungsorientierte Medienerziehung erkennen. Ob und wie dabei auch Einflüsse der handlungs- und produktionsorientierten Literaturdidaktik (vgl. Haas 1997) eine Rolle spielen, lässt sich anhand der Fundstellen nicht eindeutig sagen. Indem an den Medienerfahrungen der Schülerinnen und Schüler angeknüpft wird, wird ihnen nicht nur die Möglichkeit verschafft, sich mit Medieneinflüssen und -wirkungen handelnd auseinander zu setzen und Medienerlebnisse zu genießen, sondern sich auch kritisch mit Medien zu befassen. Durch Gestaltung und Präsentation von Medienbeiträgen aller Art kann situations-, bedürfnisbezogen und kreativ mit Medien gehandelt werden. Dabei ergeben sich auch deutliche Bezüge zur ästhetisch-kulturorientierten Medienerziehung. 2.4 Untersuchung der Rahmenlehrpläne Sachunterricht, Kunst und Musik Die Einzelanalysen der Rahmenlehrpläne Sachunterricht, Kunst und Musik erfolgten in denselben Untersuchungsschritten wie bei der Analyse des Rahmenlehrplans Deutsch. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die ausführliche Darstellung der Fundstellen verzichtet (vgl. Tabelle 15). Die Fundstellen zu jedem Rahmenlehrplan sind jedoch kontextbezogen im Anhang (s. Anhang 2) aufgeführt und können dort zum Verständnis der folgenden Einzelkommentare nachgelesen werden. 25

Tabelle 15: Übersicht über die Anzahl medienerzieherischer Bezüge für die Fächer Deutsch, Sachunterricht, Kunst und Musik bei den Aufgabenbereichen/Themenfeldern (Kapitel 5.2) 2.4.1 Kommentar zum Rahmenlehrplan Sachunterricht Es fällt auf, dass im Rahmenlehrplan Sachunterricht keine ausführlichere Begründung für medienpädagogisches Handeln gegeben wird. Aus fachdidaktischer Sicht wird lediglich knapp formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler, die in einer durch Medien geprägten Welt leben", durch das Nutzen von Medienangeboten und die Gestaltung von Medienbeiträgen im Sachunterricht jene Kompetenzen erwerben können, die notwendig sind, um Medien selbstständig auszuwählen, zu bewerten und produktiv zu nutzen". Damit wären prinzipiell auch Bezüge zu den drei medienerzieherischen Aufgabenbereichen hergestellt (vgl. auch Tabelle 15). Welche Bedeutung Medien im Leben von Kindern haben, wie sie ihr (Um-)Welt- und Wirklichkeitsverständnis oder wie sie die aktive Auseinandersetzung mit den Sachen dieser Welt womöglich beeinflussen, wird allerdings nicht ausgeführt. Wie überhaupt Annahmen über die Wirkungen von Medien weitgehend fehlen. So wird lediglich Werbung in unspezifischer Form als traditionelles Unterrichtsthema des Sachunterrichts im Zusammenhang mit den Aspekten Information und Manipulation aufgegriffen. Dies wäre im Übrigen - neben den Hinweisen auf die Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsfunktion von Medien sowie die Folgewirkungen von Technik - der einzige deutliche Ansatzpunkt, um auch auf die 26

politisch-gesellschaftliche Bedeutung der Medien einzugehen. Indirekt wird an einzelnen wertenden Hinweisen erkennbar, dass auch negative Einflüsse durch Mediennutzung angenommen werden, wenn unter den Inhalten für die Jahrgangsstufen 1/2 von maßvoller Fernseh- und Computernutzung" oder im Rahmen der Suchtprophylaxe von Fernseh- und Spielsucht" die Rede ist. In diesem Zusammenhang erweist sich die Annahme, dass die Schülerinnen und Schüler mit zunehmender Sicherheit im Umgang Medien auch sensibel für deren Risiken" werden, als ausgesprochen vereinfachend und wird auch nicht näher erläutert. Der Bezug zum Kompetenzmodell beschränkt sich auf die Sachkompetenz, für die die Kurzformel Nutzen und Beurteilen von Medienangeboten" und Gestalten von Medienprodukten" gilt. Dass implizit auch die Förderung von Selbst- und Sozialkompetenz eine Rolle spielt, lässt sich lediglich an den Inhalten und Anforderungen der Themenfelder Sich selbst wahrnehmen", Zusammen leben" und Medien nutzen" nachvollziehen. Beim Vergleich mit dem Rahmenlehrplan Deutsch bleibt der Medienbegriff nicht unspezifisch. Auf den Textbegriff wird allerdings nicht eingegangen. Es werden relativ häufig verschiedene Medienarten direkt benannt (vgl. Tabelle 16). Dabei fällt auf, dass den Medien ein hoher Wert als Instrument für die Konstruktion und Rekonstruktion von (auch historischer) Wirklichkeit zugesprochen wird, sei es dass sie den Zugang zu oder den Austausch von Informationen ermöglichen oder dass mithilfe von Medien Informationen aus Realbegegnungen dokumentiert, ergänzt, vertieft oder präsentiert werden können. In Bezug auf die Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen durch technische Medien fehlen Ziele und Inhalte völlig (vgl. zu diesem Aspekt Niedersächsisches Kultusministerium 1994). So wäre beispielsweise beim Themenfeld Naturphänomene erschließen", das für alle vier Jahrgangsstufen die Auseinandersetzung mit akustischen und optischen Phänomenen vorsieht, am Beispiel von Themen wie Mikrophon oder Kamera eine Verknüpfung mit den Themenfeldern Sich selbst wahrnehmen" und Technik begreifen" möglich. Auffällig ist, dass der Computer in Verbindung mit dem Netzmedium Internet allein von der Anzahl der Zielformulierungen her, das Themenfeld Medien nutzen" dominiert. Dabei geht es im Sinne informatischer Propädeutik nicht nur um die Bedeutung dieser Medien als Hilfen und Werkzeuge für die Bearbeitung von Informations-, Kommunikations- und 27