BERICHTE AUS DEM AUSLAND 1 / 2011. Politischer Bericht aus den USA. Der 112. US-Kongress: Neue Politik oder Mogelpackung? 17.



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Transkript:

HANNS-SEIDEL-STIFTUNG E.V. BERICHTE AUS DEM AUSLAND 1 / 2011 Politischer Bericht aus den USA Der 112. US-Kongress: Neue Politik oder Mogelpackung? 17. Januar 2011 Ulf Gartzke Verbindungsstelle Washington

IMPRESSUM Herausgeber Vorsitzender Hauptgeschäftsführer Copyright 2011, Hanns-Seidel-Stiftung e.v., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel.: 089/1258-0, E-Mail: info@hss.de, Online: www.hss.de Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.d., Senator E.h. Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Tel.: 089 1258-202 oder -204 Fax: 089 1258-368 E-Mail: mailing@hss.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Berichtes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Autoren tragen für ihre Texte die volle Verantwortung. 2

Der 112. US-Kongress: Neue Politik oder Mogelpackung? Am 5. Januar 2011 konstituierte sich der 112. US-Kongress und nahm seine Arbeit auf. Während die Demokraten zuvor in beiden Kammern über deutliche Mehrheiten verfügen konnten, haben die Zwischenwahlen vom vergangenen November die Verhältnisse nahezu umgekehrt. So wird das Repräsentantenhaus nun klar von den Republikanern dominiert (242 R vs. 193 D Abgeordnete, Veränderung: + 63 R), und lediglich im Senat vermochten die Demokraten eine dünne Mehrheit zu behaupten (47 R vs. 53 D Senatoren, Veränderung: + 6 R). Für Barack Obama sind die Zeiten des vergleichsweise leichten Regierens vorbei; dem US-Präsidenten weht künftig ein deutlich schärferer Wind vom Capitol her ins politische Angesicht. Was ändert sich nun aber? Welche Auswirkungen haben die verschobenen Machtverhältnisse auf die künftige US-amerikanische Politik? Aufschluss hierüber kann eine Analyse der Zwischenwahlen geben, für deren Ergebnis schlussendlich zwei Faktoren entscheidend waren zum einen die Wirtschaftskrise und zum anderen die Tea Party als basisdemokratische Bürgerbewegung. So war es der neue republikanische Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus, John Boehner, der nahezu den gesamten Wahlkampf seiner Partei an einer einzigen Parole ausrichtete: Where are the jobs? Die Demokraten um Präsident Obama blieben die Antwort schuldig, schließlich hatten sich all ihre Trendwendeprognosen für den US-Arbeitsmarkt als Makulatur erwiesen und ihnen nichts als Hohn und Spott eingebracht. Auch das von Obama initiierte gigantische Konjunkturpaket vermochte die Arbeitslosenrate eben nicht, wie versprochen, unter acht Prozent zu halten, sondern war vielmehr der Auftakt zu einer Explosion des US- Staatsdefizits bislang ungekannten Ausmaßes. Noch heute, knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten und leichter Konjunkturerholung, liegt die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten deutlich über neun Prozent. Auf anderen Gebieten konnten Barack Obama und die Demokraten mehr politische Erfolge für sich verbuchen. An erster Stelle sind hier die große US-Gesundheitsreform ( Obamacare ) sowie Initiativen auf dem Gebiet von Klima- und Sozialpolitik zu nennen. In den Augen vieler Bürger setzte der Präsident damit aber schlichtweg die falschen Prioritäten. So machte bald die Parole vom burning roof die Runde, der zufolge Obama und seine Mitstreiter zwar durchaus notwendige Renovierungs- und Reparaturarbeiten im Hause USA durchführten, während gleichzeitig aber in Anspielung auf die Folgen der Wirtschaftskrise das Dach lichterloh brennt. Vor allem bei Arbeitslosen verfehlte dieser plastische Vergleich seine Wirkung nicht. Der weitere Umstand, dass viele politische Initiativen Obamas um den Preis zusätzlicher Staatsschulden realisiert wurden, führte schließlich auch bei vielen Mitgliedern der amerikanischen Mittelschicht zum offenen Protest gegen ihre Regierung die Geburtsstunde der Tea Party, welche im weiteren Verlauf zur Sammelbewegung des heterogenen Massenprotestes avancieren konnte. Am Anfang noch belächelt, entwickelte sie sich schnell zu einem politisch bedeutsamen Faktor der amerikanischen Innenpolitik, und die Entscheidung der Tea Party, sich politisch innerhalb der republikanischen Partei zu organisieren, stellte einen entscheidenden Schritt zum jüngsten Machtwechsel im Kongress dar. 3

Es waren denn auch vor allem Exponenten der Tea Party, welche die bisherige Politik der Demokraten um Barack Obama als eine Entwicklung kritisierten, die zur ausufernden Staatsbürokratie samt unkontrolliert steigenden Defiziten führen würde. Sie forderten eine Rückbesinnung auf die Werte der amerikanischen Verfassung und erklärten die Zwischenwahlen zu einer Richtungsentscheidung zwischen big government und small government mit Erfolg, wie wir heute wissen. Daher gehören Jobs und Staatsverschlankung sicherlich zu den entscheidenden Parametern jeder künftigen Politik, und an die neuen republikanischen Feuerwehrleute auf dem Capitol Hill sind hohe Erwartungen gestellt. Diese haben sich dann auch gleich an die Arbeit gemacht, allerdings mit einem eher symbolischen denn praktischen Akt. Erstmals in seiner Geschichte wurde im Repräsentantenhaus die komplette amerikanische Verfassung laut verlesen ein Tribut an die Tea Party. Die neu beschlossene Geschäftsordnung des Repräsentantenhauses wiederum ist der Idee eines schlanken und transparenten Staates verpflichtet, wie nicht zuletzt entsprechende Veröffentlichungspflichten von Verfahrensabläufen oder Anwesenheitsstatistiken im Internet zeigen. Die ebenfalls beschlossene Aufhebung des bisherigen Automatismus, wonach sämtliche budgetsteigernde Gesetze auch die Verschuldungsobergrenze entsprechend anhoben, sollte ein wichtiger Schritt zur Defizitreduktion sein. Aber schon wenige Tage nach Amtsantritt mussten auch die republikanischen Abgeordneten zähneknirschend dem Drängen von US-Finanzminister Geithner nachgeben und einer erneuten Anhebung der US- Verschuldungsgrenze ihre Zustimmung erteilen, da den USA andernfalls binnen kurzer Zeit die Zahlungsunfähigkeit gedroht hätte. Dabei hatten sich die Republikaner eigentlich vor der Wahl in einer feierlichen Selbstverpflichtung Einsparungen in Höhe von 100 Milliarden Dollar verordnet. Die jüngste Ankündigung von US-Verteidigungsminister Gates, im Budget des Pentagon innerhalb der kommenden fünf Jahre 100 Milliarden Dollar kürzen zu wollen, dürfte in den Augen vieler Republikaner hingegen ein Sparen am falschen Ort darstellen. Bei diesen steht bekanntlich die US-Gesundheitsreform (Obamacare) ganz oben auf der Streichliste. Eine für den 12. Januar geplante Beschlussfassung zu deren Aufhebung wurde aber nach dem blutigen Anschlag auf die republikanische Abgeordnete Gabrielle Giffords verschoben. Dieser Beschluss dürfte jedoch in Kürze nachgeholt werden und wohl erst einmal ohne weitere Folgen bleiben, da er von der demokratischen Mehrheit im Senat aufgehoben und vom Präsidenten per Veto blockiert werden kann. Wesentlich mehr Aussicht auf Erfolg dürfte die Strategie der Republikaner haben, die Reform per Salami-Taktik aufzuweichen, also in einzelnen Bereichen die Umsetzung oder Finanzierung zu kippen. Dies werden die Demokraten natürlich mit allen Mitteln zu verhindern suchen, weshalb nicht wenige Experten dem 112. Kongress vor allem eines voraussagen: Harte Konfrontationen zwischen Republikanern und Demokraten. Zur künftigen außenpolitischen Ausrichtung des Kongresses sind derzeit kaum verlässliche Prognosen möglich, da es hier auf Seiten der Tea Party schlicht an stringenten Positionen fehlt. Summiert man die wenigen Aussagen ihrer Akteure zur Außenpolitik, so offenbaren diese eine große Heterogenität und decken die gesamte Spannbreite zwischen radikalem Isolationismus und unbegrenztem Interventionismus ab. Hier dürfte die globale Wirklichkeit alsbald zur Ausprägung realpolitischer Sichtweisen und Positionen beitragen, ohne die eine 4

Bewältigung aktueller und künftiger Krisen nicht möglich sein wird. Bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen ist nämlich eine Zusammenarbeit über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg unerlässlich, um für die USA außenpolitischen Schaden zu vermeiden. So hoffen denn auch viele Amerikaner inständig darauf, dass ihre politischen Eliten die tatsächlichen Probleme der Nation in Angriff nehmen, statt in Grabenkämpfen um politische Symbole zu erstarren. Erste Ansätze hat es bereits in der Weihnachtspause gegeben, als es zwischen Barack Obama und den Republikanern zu einer Verständigung über die Verlängerung von Steuererleichterungen und die Ratifizierung des New-START-Vertrages mit Russland kam. Jüngste Meinungsumfragen bescheinigen denn auch sowohl dem Präsidenten als auch den Republikanern im Kongress wachsende Zustimmungswerte. Was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, kann auf mittelfristige Sicht der Weg zum Erfolg sein. So werden sich die Probleme des Arbeitsmarktes nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Kongress und Administration lösen lassen. Die republikanischen Planungen zur Belebung der Wirtschaft, vor allem Deregulierung und Steuerentlastungen, dürften bei nicht wenigen Demokraten ebenso zustimmungsfähig sein wie ideologiefreie Ansätze zu Budgetkürzungen und Haushaltsstabilisierung. Dass die große Wallstreet-Reform mittlerweile zu einer Monstrosität von 243 unterschiedlichen Verordnungen mit elf beteiligten Bundesbehörden entartet ist, lässt auch hier auf demokratischer Seite künftige Verhandlungsbereitschaft erwarten. Bei aller Notwendigkeit zur Kooperation darf nicht übersehen werden, dass 2012 Wahlen zum Weißen Haus anstehen, und der Zeitpunkt, ab dem auch der Kongress eher dem Wahlkampf als dem Allgemeinwohl verpflichtet sein wird, die weitere Bewältigung der aktuellen Krisen maßgeblich beeinflussen kann. Hinzu kommt die Divergenz von Republikanern und Tea Party, die aus gemeinsamen Zielen noch lange keine deckungsgleichen Maßnahmen erwachsen lässt. Einige republikanische Mandatsträger, die in ihrem Abstimmungsverhalten die Anliegen der Tea Party nicht berücksichtigt hatten, erhielten bereits die Ankündigung, dass die Tea Party bei kommenden parteiinternen Nominierungswahlen einen Gegenkandidaten benennen werde, was in einigen Fällen de facto einem Mandatsentzug gleichkommt. So bleibt abzuwarten, ob sich die Prognosen vieler Analysten, wonach der anfängliche Elan der neuen Abgeordneten bald erlahmen und altbekannten Politikmustern weichen werde, als zutreffend erweisen. Zum jetzigen Zeitpunkt verfügt die Tea Party offenbar über genügend Macht und Selbstbewusstsein, um den Republikanern im Kongress in wesentlichen Punkten die Richtung vorzugeben. Sie beeinflusst damit maßgeblich die amerikanische Politik. Hält dies an, war das Verlesen der Verfassung nicht bloße Folklore, sondern deutliches Indiz für eine Rückbesinnung der bürgerlichen Kräfte auf die ursprünglichen Ziele der amerikanischen Gründerväter. Dieses Denken erscheint uns in Deutschland derzeit eher fremd. Vielleicht liegt hier der tiefere Grund für die geringe Resonanz dieser Entwicklung in der deutschen Medienberichterstattung. Ulf Gartzke ist Leiter der HSS-Verbindungsstelle Washington. Der Autor dankt Frau Julia Dose für ihre Hintergrundrecherchen in Vorbereitung dieses Berichts. 5