Männlichkeit im Wandel Michael Meuser Kinder brauchen männliche Bezugspersonen! Landesstiftung Baden-Württemberg Stuttgart 24.9.2009 Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 1
Krisenszenarien Der deutsche Mann Vom Macho zur Memme (Spiegel special 7/1997) Dem Mann steht das Wasser bis zum Hals. (Brigitte special 3/1999) Mannsein als hochriskante Lebensform (Geo Wissen 2000) Angeknackste Helden (Spiegel 21/2004) Die Krise der Kerle (KStA, 6.9.2006) Arme Kerle! (Psychologie Heute, 11/2006) Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 2
Die Zeit, 23.7.2009: Institut für Soziologie Die Weiberwirtschaft: Männer verlieren ihre Jobs, Frauen kommen voran in dieser Krise schneller denn je Ohne Arbeit schmerzt das Arbeiterherz Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 3
Übersicht 1. Umbrüche im Geschlechterverhältnis 2. Tradierte Männlichkeitspositionen 3. Herausforderungen tradierter Männlichkeit 4. Fazit im Feld der Erwerbsarbeit im Bereich der Familie Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 4
Umbrüche Beruf: - Gestiegene Erwerbsquote von Frauen - Eroberung von Männerberufen durch Frauen Politik: - Frauenbewegung - Gleichstellungspolitik - Gestiegener Anteil von Frauen in den politischen Institutionen Bildungssystem: - Wachsende Bildungserfolge von Mädchen Familie: - Pluralisierung der Familienformen - Erosion des bürgerlichen Familiemodells - Bedeutungsverlust des Ernährermodells Wertesystem: - Vordringen egalitärer Werthaltungen - Rhetorik der Gleichheit Institut für Soziologie Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 5
Tradierte industriegesellschaftliche Männlichkeitskonstruktionen Industriegesellschaftliche Geschlechterordnung: Trennung und Hierarchisierung der Sphären von Produktion und Reproduktion mehr oder minder stringent vollzogene Zuweisung der Geschlechter zu einer der beiden Sphären Kern industriegesellschaftlicher (bürgerlicher) Männlichkeitskonstruktionen: Berufs- statt Familienorientierung Vollerwerbstätigkeit im Rahmen des sog. Normalarbeitsverhältnisses Karriereorientierung Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 6
Fraglose Gegebenheit der Berufsorientierung Fm: Am: Fm: Allein Ihre Fragestellung find ich schon nich in Ordnung. Warum muß ich überhaupt nachdenken, daß ich Mann bin. Ich existiere, äh ich bin in meinem Beruf erfolgreich, ich hab noch nie darüber nachgedacht, ob ich überhaupt Stolz haben muß n Mann zu sein. Die Frage hat sich mir überhaupt noch nicht gestellt. Hast noch nie drüber nachgedacht? Nö warum Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 7
Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses als Herausforderung tradierter Männlichkeit Normalarbeitsverhältnis: Arbeitsplatzkontinuität und soziale Sicherung Normalarbeitsverhältnis als tief einsozialisierte Normalitätsunterstellung (Bonß) Normalarbeitsverhältnis als institutionelle Stütze tradierter Männlichkeitspositionen Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 8
Bm: Y1: ja Bm: Am: Bm: Am: Bm: Am: Bm: Aber es gibt ja auch nun äh ich sach mal Familien (.) ich sach mal bedingt durch die Arbeitslosigkeit die wir jetz haben (.) wo die Frau n guten Job hat (.) und der Mann den Beruf eben seinen Job sach ich mal verloren hat (.) und wo die Frau nun (.) jetz das Geld nach Hause bringt (.) und trotzdem jo und trotzdem würd ich sagen kann passieren in der heutigen Zeit kann das durchaus passieren is is trotzdem nach wie vor auch wenn der Mann die Hausarbeit macht (.) der Mann is trotzdem (.) das Familienoberhaupt so seh ich das is trotzdem der Mann eben und so is es äh immer gewesen und wieso soll ich jo das ändern ne Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 9
Strukturwandel von Erwerbsarbeit Krise der Arbeit: Krise der androzentrischen Strukturen moderner Arbeitsgesellschaften (Kurz-Scherf) Wachsende Diskontinuität männlicher Erwerbsbiographien Wachsende Inklusion von Frauen in vormals ausschließlich oder weit überwiegend von Männern besetzte Berufe Auflösung männlich-homosozialer Berufswelten Frauen als Mitspielerinnen in den ernsten Spielen des Wettbewerbs Subjektivierung von Arbeit Zugriff auf die ganze Person Humankapital Gender Flexibilisierung von Arbeitszeiten und orten. Entgrenzung von Arbeit und Leben Auflösung der Grenze zwischen den Sphären von Produktion und Reproduktion Grenze zwischen Beruf und Familie als Verhandlungsmasse Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 10
Milieutypische Differenzierungen Institut für Soziologie Festhalten an der Illusion des Normalarbeitsverhältnisses und an tradierten Männlichkeitsvorstellungen vor allem im Segment prekärer Beschäftigung: wachsende Verunsicherung als Folge Produktiver Umgang mit Unsicherheit und Gestaltung des Wandels im Segment privilegierter Beschäftigung: transnational business masculinity (Connell/Wood) als neues Idealbild von Männlichkeit Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 11
Zwischenfazit Verschärfung männlicher Identitätskonflikte durch Festhalten an tradierten Männlichkeitsmustern in prekären Soziallagen Unsicherheiten als Chance zur Gestaltung: Männlichkeit als ein auf permanente Innovation hin orientiertes Projekt in privilegierten Soziallagen Männlichkeit wird von einer Vorgabe zu einer Aufgabe Männer müssen selbst schauen, wie sie mit ihrer Männlichkeit zurecht kommen, da sie nicht mehr institutionell vorausgesetzt und im Geschlechterverhältnis entsprechend gestützt ist. (Lothar Böhnisch) Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 12
Familie Das Image der Väter in der Gesellschaft ist denkbar schlecht. (Institut für Demoskopie Allensbach 2007) Neue Väter braucht das Land. (U. v.d. Leyen 2005) Diese Gesellschaft wird nicht weiter existieren können, ohne dass die Vaterrolle oder die Rolle des pflegenden Sohnes weiterentwickelt wird. (U. v.d. Leyen 2007) Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 13
Einstellungen zu Vaterschaft Institut für Soziologie 80 70 71 75 60 50 40 30 29 25 Männer Frauen 20 10 0 Vater als Ernährer Vater als Erzieher Quelle: Fthenakis/Minsel 2002 Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 14
Erwerbsstatus 15- bis 64jähriger Männer nach Zahl der Kinder im Haushalt, 2000 2 u. mehr Kinder 1 Kind 75 82 erwerbstätig, 36 Std. u. mehr erwerbstätig, unter36 Std. erwerbslos Kein Kind 56 Nichterwerbspersonen 0% 20% 40% 60% 80% 100% (Quelle: BMFSFJ 2003) Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 15
Der neue Vater (H)e is present at the birth; he is involved with his children as infants, not just when they are older; he participates in the actual day-to-day work of child care, and not just play; he is involved with his daughters as much as his sons (Pleck 1987, 93). Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 16
Der neue Vaterschaftsdiskurs Aktive und bewusste Gestaltung der Vaterrolle Diskursfigur des guten Vaters Aktive Vaterschaft als männliche Selbstverwirklichung Vaterschaft als voraussetzungsvolle Praxis Wissenschaftliche Fundierung Erzeugung eines normativen Drucks Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 17
Wissenschaftliche Fundierung Neue psychologische Vaterforschung: Väter [verfügen] sowohl in psychologischer Hinsicht als auch auf physiologischer Ebene über hinreichende Voraussetzungen für einen einfühlsamen Umgang mit Neugeborenen und Säuglingen (Nickel 2002). Vätern haben dieselben biologischen Voraussetzungen für eine liebevolle und kompetente Eltern-Kind-Interaktion wie Mütter; sie sind wichtig für die kindliche Entwicklung (Werneck 2004). Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 18
Günstige Konstellationen für engagierte Vaterschaft Annähernde Einkommensgleichheit zwischen den Partnern bzw. höheres Einkommen der Frau Biographieentwurf der Männer: geringe Karriereorientierung, Lebensentwurf jenseits der klassischen männlichen Normalbiographie Berufliche Karriere des Mannes ist bereits gesichert. Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 19
Barrieren gegen aktive Vaterschaft Unverständnis und Ablehnung bei Vorgesetzten und Kollegen Unterstellung von Illoyalität Geschlechterstereotype: Erwartung der Arbeitsmarktverfügbarkeit des Mannes Bereitschaft von Frauen, Familienaufgaben aus der Hand zu geben Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 20
Fazit: Double Squeeze Beruf Familie Erwartung Anspruch Erwartung Anspruch Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 21
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Michael Meuser Stuttgart 24.9.2009 22