Werner Aschenbrenner. Masterarbeit



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Transkript:

Werner Aschenbrenner Kritische Fragestellungen für die Conversion Rate Optimization bei Impulskäufen im E- Commerce Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl- Franzens- Universität Graz Begutachter: ao. Univ.- Prof. Mag. Dr. Otto Petrovic Institut: Institut für Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik Graz / 01 / 2012

2 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, am

3 1 Problemstellung... 5 1.1 Relevanz der Problemstellung... 5 1.2 Methodischer Ansatz der Arbeit... 5 1.3 Ziel der Arbeit... 6 1.4 Definition und Abgrenzung des Themengebietes... 7 2 Erklärungsdisziplinen für Konversionen im E- Commerce... 10 2.1 Kaufentscheidungstypologien im Hinblick auf E- Commerce... 10 2.1.1 Extensives Kaufverhalten... 11 2.1.2 Limitiertes Kaufverhalten... 13 2.1.3 Habituelles Kaufverhalten... 15 2.1.4 Impulsives Kaufverhalten... 16 2.1.5 Determinanten des impulsiven Käuferverhalten im E- Commerce... 18 2.2 Conversion Rate Optimization als Prozess... 22 2.2.1 Prozessschritte der CRO... 25 2.2.2 Testverfahren (A/B Splittest) aufsetzen und auswerten... 29 2.2.3 Unterstützende Messmethoden & Analysetools... 32 2.2.4 Darstellungsverfahren - Konversionstrichter (Conversion Funnel)... 34 2.2.5 Bestehende Konversions Frameworks... 36 2.3 Erkenntnisse aus dem Neuromarketing... 46 2.3.1 Versuchsaufbauten & Methodik der Forschung... 47 2.3.2 Bedeutung des Neuromarketings & Ableitungen... 53 3 Einflussfaktoren auf spontane Konversionen... 59 3.1 Vertrauen & Sicherheit... 60 3.1.1 Design Patterns... 64 3.1.2 Transitivität von Vertrauen... 66 3.1.3 Datenschutz... 68 3.1.4 FUDs Ein Kunstwort aus der Praxis... 69 3.1.5 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 71 3.2 Markenemotionen und Markenidentität... 72 3.2.1 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 75 3.3 Personenbezogene Faktoren... 75 3.3.1 Impulsivität als Persönlichkeitsmerkmal... 75 3.3.2 Demografische Aspekte... 76 3.3.3 Kundensegmentierung Limbic Map... 77 3.3.4 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 78

4 3.4 User Experience & Incentives... 79 3.4.1 Produktbilder... 79 3.4.2 Spiegelneuronen... 81 3.4.3 Der Reiz der Interaktion... 82 3.4.4 Künstliche Verknappung... 82 3.4.5 Orientierungselemente Call to Action... 83 3.4.6 Altruistische Motivverknüpfungen... 86 3.4.7 Virtuelle Verkaufsassistenten... 86 3.4.8 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 87 3.5 Technische System- Aspekte... 88 3.5.1 Browserkompatibilität und Plattformunabhängigkeit... 88 3.5.2 Ladezeiten... 89 3.5.3 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 91 3.6 Der Checkout Prozess... 91 3.6.1 Redirect in den Warenkorb... 92 3.6.2 Optische Gestaltung des Checkouts... 92 3.6.3 Der Einsatz von CAPTCHAS... 93 3.6.4 Umgang mit Formularfelder... 94 3.6.5 Hilfestellungen im Checkout... 95 3.6.6 Gastbestellungen... 96 3.6.7 Fragestellungen für die Hypothesenbildung... 97 4 Diskussion der Forschungsergebnisse... 99 4.1 Einschränkungen und Limitationen... 99 4.2 Ausblick für weitere Forschungsansätze... 100 5 Literaturverzeichnis... 102

5 1 Problemstellung 1.1 Relevanz der Problemstellung Der E- Commerce- Bereich ist einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen und bietet rasante Umsatzsteigerungen. Als Ergebnis dieses rasanten Wandels hat sich eine pragmatische Disziplin der Optimierung entwickelt und etabliert. Im Zuge dieses Optimierungsprozesses findet eine methodische Überprüfung von Hypothesen zur Verbesserung statt. Die getesteten Hypothesen emergieren aus einer Vermischung von Erfahrungswerten und wagen Annahmen. Ein wissenschaftlicher Diskurs im Herangehen an die Hypothesengestaltung findet in dieser Form nicht statt. Parallel zu dieser Situation gibt es wissenschaftliche Forschungsarbeiten, die an der wirtschaftlichen Praxis vorbeiarbeiten und kaum Anwendung finden. Das Finden der richtigen Hypothesen für den Optimierungsprozess ist der kritische Moment jeder Optimierung und genau der Moment, in dem über die wirtschaftliche Zukunft des Projektes entschieden wird. 1.2 Methodischer Ansatz der Arbeit Die Arbeit ist eine fachliche Genese aus verschiedenen Disziplinen des Herangehens an das im Grunde selbe Problem. Die drei Disziplinen die dieser Arbeit zugrundeliegen sind das klassische Käuferverhalten, die Conversion Rate Optimization als Disziplin der Praxis und die Neuroökonomie als zusätzliche Forschungsrichtung. Aus dem Bereich des Käuferverhaltens kann auf klassische Literatur zurückgegriffen werden. Zusätzlich gibt es aktuelle Forschungsbeiträge die an der Schnittstelle zur Informationstechnologie entstanden sind und sich speziell auf das beschriebene Problem beziehen. Der Bereich der Conversion Rate Optimization entstand von der klassischen Wissenschaft relativ unbelangt parallel dazu und stützt sich bei der Gewinnung von Aussagen auf einen klar strukturierten Prozess, der im Rahmen der Arbeit exploriert wird. Der dritte disziplinäre Zugang ist der des Neuromarketings resp. der Neuroökonomie, einer jungen Disziplin, die durch naturwissenschaftliche Forschungsmethoden versucht, die

6 klassische Verhaltensökonomie zu ergänzen und interessante Erklärungsbeiträge liefert mit denen man sich dem Phänomen des Käuferverhaltens auf alternativem Weg annähern kann. Im Zuge der Arbeit werden die drei genannten Disziplinen sowohl fachlich als auch methodisch aufgespannt und deren Forschungs- und Erhebungsmodelle diskutiert. In einem späteren Schritt werden Einzelergebnisse aus Forschungsbeiträgen der drei Richtungen zusammengeführt und auf deren Aussagekraft in Bezug auf das Impulsive Käuferverhalten diskutiert. Bestehende Herangehensmodelle an die genannte Problemstellung werden ebenfalls diskutiert. 1.3 Ziel der Arbeit Ziel der Arbeit ist es, auf Basis des oben angeführten Diskurses, praxisnahe Fragestellungen für den Moment der Hypothesenbildung im Prozess der Conversion Rate Optimization (CRO) zu erschaffen. Als Ergebnis der Arbeit wird eine Sammlung an Fragestellungen erarbeitet die im Zuge der Hypothesenbildung im Conversion Rate Optimization Prozess eingesetzt werden können. Durch den Einsatz dieser Fragestellungen soll die Qualität der Hypothesenbildung für das vorliegende Spannungsfeld der impulsiven Kaufentscheidungen verbessert werden. Die erarbeiteten Fragestellungen beziehen sich dabei jeweils auf Einzelemente, für die eine Vermutung nahe liegt, einen moderierenden Einfluss auf das Konversionsverhalten zu haben. Gefundene Einflussfaktoren werden bewusst in Form von kritischen Fragestellungen präsentiert. In der Forschung gefundene Einzelaspekte können aufgrund der Komplexität nicht für jeden Einzelfall gelten und lassen es daher nicht zu absolute Aussagen zu treffen. Das Validieren von abgeleiteten Hypothesen obliegt dem Prozess der Conversion Rate Optimization, welcher im Rahmen dieser Arbeit diskutiert wird.

7 1.4 Definition und Abgrenzung des Themengebietes Konversion im E- Commerce Rund um den Begriff Konversion (Conversion) und CRO (=Conversion Rate Optimization) ist in den letzten Jahren eine eigenständige und noch sehr junge Wirtschaftsdisziplin entstanden, die auf mehreren klassischen Wissenschaftsdisziplinen und auf Methoden der Praxis aufbaut. Dabei bezieht sich der hier angelegte Fokus der Begrifflichkeiten immer auf den Bereich des E- Commerce. Unter Konversion versteht man den Übergang von einem Stadium in ein anderes. Im Fall des E- Commerce bedeutet eine Konversion, dass ein User seine Zugehörigkeit zu einer klassifizierbaren Gruppe durch eine gesetzte Handlung entweder bewusst oder unbewusst ändert. 1 Mit dieser sehr weit gefassten Definition können unterschiedliche Formen des Übergangs beschrieben werden. Der häufigste Fall, der in der Literatur diskutiert wird, ist das Konvertieren von der Gruppe der potentiellen Kunden (=User) hin zum Kunden. Dies wäre z.b. dann der Fall wenn ein User den Kaufprozess in einem Onlineshop durchläuft und dadurch zum Kunden wird. Konversion beschränkt sich dabei nicht auf den Kauf im engeren Sinne. Eine Konversion findet immer dann statt, wenn ein Übergang hin zu einer neuen Klassifizierung geschieht. Abgesehen vom eigentlichen Kauf gibt es zahlreiche weitere Konversionsziele, die im Rahmen von E- Commerce Projekte definiert werden können, und somit eine Konversion, bei deren Erreichung auslösen. Andere häufig beschriebene Arten von Konversionen im E- Commerce können sein: - - - - - Das Eintragen der eigenen Mailadresse in eine Verteilerliste Das Downloaden einer oder mehrerer spezifischen Dateien Das Ausfüllen einer Online- Befragung Die Registration als Kunde / Interessent Das Ausfüllen eines Kontaktformulars Wesentlicher Bestandteil des Konversionsbegriffs ist die Messbarkeit eines Ereignisses. Mit dem Anspruch der Messbarkeit orientieren sich Konversionen in der gängigen Definition als 1 Vgl Hassler, M., Web Analytics : Metriken auswerten, Besucherverhalten verstehen, Website optimieren, (2009) S.343ff

8 sehr praxisnahe Betrachtung. Als verwendete Kenngröße wird die Konversionsrate oder Conversion Rate herangezogen, eine Messzahl die ein Verhältnis zwischen Besuchern einer Seite und jenen Besuchern herstellt, die die gewünschte Aktion durchführen. Eine pragmatische Definition findet sich bei Eisenberg:...conversion rate is a measure of your ability to persuade visitors to take the action you want them to take. 2 Zieldefinition Makrokonversionen bestimmen Als Grundlage für die Arbeit im Umfeld der Konversion ist es notwendig Ziele zu definieren. Wobei definierte Ziele sogenannte Makrokonversionen sind, welche in einzelne Mikrokonversionen zerlegt werden können. Conversion Rate In der CRO ist die Conversion Rate (CR) die entscheidende Kennzahl. Obwohl mit zahlreichen anderen Kennzahlen die Performance einer Website gemessen werden kann, fokussiert die CRO auf die Kennzahl der Conversion Rate als zentrales Element. Die Berechnung der Conversion Rate ist relativ einfach, setzt aber voraus, dass im Vorfeld definiert wurde, was eine Konversion in dem Kontext ist und wie diese gemessen werden kann. Vereinfacht kann die Konversionrate als Verhältnis der rohen eindeutigen Besucherzahl zur Anzahl der Konversionen betrachtet werden. Berechnet wird die Konversionsrate mit einer sehr einfachen Formel, wobei je nach gewünschtem Einsatzzweck der Terminus Besucher entweder nur eindeutige Besucher, alle Besucher, nur neue Besucher oder ein anderes Segment abdecken kann. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auslegung ist Vorsicht beim Vergleichen von Konversionsraten angemessen.!"#$%&'("#!"#$!! =!""#$%h!"!"#$%&'("#')(%*%!"#$%h!"!"!"#$#%!"#$%&'( Gemessen an einem Kaufphasenmodell wird in dieser Arbeit auf dem Weg hin zur Konversion ab dem Erstkontakt fokussiert, nicht aber auf der Nachkaufphase (AfterSale), da diese zu stark von der logistischen Serviceleistung des Versandhändlers oder produkt- und 2 Eisenberg, B.: Call to Action (2006) S. XiV

9 branchenbezogenen Spezifika abhängig ist und mit der Konversion im engeren Sinne nichts zu tun hat. Von der Gesamtmasse der betrachteten Konversionen wird in dieser Arbeit jener Teil näher erfasst, der unter der Kategorie der Impulskäufe im Sinne der Typologie von Weinberg 3 4 5 aus dem Jahre 1981 zusammengefasst werden kann. Begrifflich sprechen wir in dieser Arbeit also von Impulskäufen im Internet, die eine besondere Form der Konversion darstellen. Mit der Orientierung an der Typologie von Weinberg wird einer der Herangehensweisen in dieser Arbeit Rechnung getragen. Während in der wirtschaftlichen Pragmatik von Konversionen oder Conversions gesprochen wird, ist dieser Begriff und dessen Umfeld im wissenschaftlichen Kontext des Käuferverhaltens nicht präsent, was nicht zuletzt eine sehr augenscheinliche Divergenz zwischen dem wissenschaftlichen Diskurs und der realwirtschaftlichen Pragmatik darstellt. 3 vgl. Kempe, M.: Ungeplante Käufe im Internet (2011) S. 34 4 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 447 ff 5 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011,.: Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 179 ff

10 2 Erklärungsdisziplinen für Konversionen im E- Commerce Für die thematische Genese der Arbeit wurden drei wesentliche Felder gewählt. Zum einen ist dies das klassische Käuferverhalten, eine Disziplin des Marketings, die sich als verhaltenswissenschaftlicher Ansatz versteht und stark auf rationalen Erklärungsmodellen aufbaut. Die Transformation dieser klassischen Marketingdisziplin in den Online- Bereich orientiert sich in der Forschung an Methoden, die für die wirtschaftliche Praxis oftmals zu abstrakt sind. Die zweite gewählte Disziplin ist die Conversion Rate Optimization, eine populärwissenschaftliche Disziplin in der ein sehr standardisierter Prozess Erkenntnisse produziert, die zwar hoch relevant sind für das vorliegende Problem, aber nicht in einem wissenschaftlichen Kontext entstehen und deren Dokumentation nicht den Gesichtspunkten des wissenschaftlichen Diskurses unterworfen sind. Der dritte thematische Zugang ist die junge Disziplin des Neuromarketings, dass aktuell einen regelrechten Hype erlebt und als Ergänzungs- Disziplin mit naturwissenschaftlichem Hintergrund zu verstehen ist. Der Mehrwert dieser Methoden ist darin zu suchen, oftmals tradierte Annahmen der klassischen Verhaltensforschung zu hinterfragen und zu ergänzen. Während die Methoden der klassischen Konsumentenforschung außer Frage stehen, was ihre wissenschaftliche Rigorosität betrifft, werden für die beiden anderen Disziplinen deren Methoden im Rahmen dieser Arbeit exploriert. 2.1 Kaufentscheidungstypologien im Hinblick auf E- Commerce Kaufentscheidungen lassen sich nach verschiedenen Modellen und Herangehensweisen typologisieren, wobei der Sinn einer Typologisierung nicht darin liegt, alle Erklärungsmuster in einem Totalmodell zu vereinen sondern betrachtbare, modellhafte Typen zu erschaffen. 6 Die hier gewählte Typologie richtet sich im Wesentlichen nach der von Weinberg aus dem Jahre 1981. Es gibt zahlreiche Versuche diese Typologie zu erweitern oder genauer zu spezifizieren, 7 wobei jeder dieser Versuche eine spezifische Blickrichtung aufweist. In diesem Abschnitt werden vorwiegend die Typologien von Weinberg in Hinblick auf E- Commerce betrachtet. 6 vgl. Kempe, M.: Ungeplante Käufe im Internet, (2011) S. 28. 7 vgl. ebda, S. 34 ff

11 Im E- Commerce gelten bezüglich der Klassifizierung von Kaufentscheidungen im Wesentlichen dieselben Erklärungsmuster wie bei Kaufentscheidungen im Allgemeinen. 8 Das Level des emotionalen Involvement und jenes des kognitiven Involvement sind ein geeignetes Maß für die Klassifizierung, wobei sich mit diesen beiden Kenngrößen eine Matrix aufspannen lässt, die vereinfacht vier Felder klassifiziert. 9 Neben der kognitiven Betrachtungsebene ist auch die Ebene der affektiven und der reaktiven Prozesse einzuführen um eine Klassifizierung von Kaufentscheidungen vorzunehmen. 10 Diese Betrachtung ist vor allem in Hinsicht auf Impulskäufe relevant. 2.1.1 Extensives Kaufverhalten Etwa ein Viertel aller Kaufentscheidungen mit denen wir es im E- Commerce zu tun haben sind der Klassifizierung des extensiven Kaufverhaltens zuzuordnen 11, wobei diese Zahl bei einer Klassifizierung streng nach Weinberg sogar höher anzusetzen wäre. 12 Speziell im E- Commerce kann der Begriff Suchkauf als zentrales Element angesehen werden, wobei darunter verstanden werden kann, dass die Kaufabsicht erst im Laufe des 13 14 Entscheidungsprozesses konkretisiert wird. Das extensive Kaufverhalten ist durch folgende Aspekte gekennzeichnet 15 : Eine hohe kognitive Beteiligung hoher Informationsbedarf lange Entscheidungsdauer Ausarbeitung von Bewertungskriterien 16 8 vgl. Kempe, M.: Ungeplante Käufe im Internet, (2011) S..247ff 9 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 171 10 ebda S 171 11 vgl. Kempe, M.: Ungeplante Käufe im Internet, (2011) S. 249. 12 Anm: Dr. Kempe geht in seiner Untersuchung von Typologisierungen des Käuferverhaltens aus, in der ungeplante Käufe spezifischer unterteilt werden und weist für ungeplante Käufe eine Häufigkeit von 23,2% auf wovon wiederum 6,2% ungeplanten Suchkäufen zuzuordnen sind und nach der Typologie von Weinberg zumindest teilweise in die Kategorie des extensiven Kaufverhaltens fallen würden. 13 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 172 14 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 423 15 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 174 f 16 ebda S 172

12 Der extensiven Kaufentscheidung kann ein Verhalten nach den Mustern der klassischen ökonomischen Theorie zugrunde gelegt werden. 17 Gerade das extensive Kaufverhalten kann unter der Prämisse und als Prozess der Risikoreduktion verstanden werden, zumindest wenn man eine Vertrauensdefinition nach Luhmann ansetzt, der Vertrauen als Reduktion von Komplexität betrachtet 18. Im E- Commerce ist der eigentlichen Kaufentscheidung oftmals ein Avisierungsprozess vorgelagert, mit dem sich der potentielle Kunde dem eigentlichen Kauf annähert. In der Praxis kann etwa das Lesen von Produktrezessionen oder aber von Kundenbewertungen unter diesem Aspekt verstanden werden. Erst wenn das subjektive Risiko der Entscheidung unter ein erträgliches Maß reduziert werden kann, kann eine Kaufentscheidung fallen. Der Risikoaspekt ist speziell in Hinblick auf E- Commerce Kaufentscheidungen relevant. Für die Mehrheit der Konsumenten sind E- Commerce Entscheidungen generell mit einem höheren, subjektiv wahrgenommenen, Risiko verbunden. 19 Den externen Informationsquellen kommt in dieser Hinsicht eine entscheidende Funktion zu. Zu diesen zählen neben Preisvergleichs- Portalen auch Diskussionsforen oder andere Informationsquellen mit User- Generated Content. Der von Foscht skizzierte Abbruch einer extensiven Kaufentscheidung 20 hin zu einer impulsiven Kaufentscheidung kann im E- Commerce unter zwei sehr unterschiedlichen Aspekten betrachtet werden. Zum einen kann es sich um eine sehr dominanten (positiven) Reiz handeln der den eigentlich extensiven Prozess abbricht und eine entsprechende impulsive Reaktion hervorruft und zum anderen kann eine Überforderung des Konsumenten (Information Overload) dazu führen, dass der Konsument auf ein impulsives Kaufverhalten umschwenkt. Es können zwei Herangehensweisen in diesem Avisierungsprozess unterschieden werden. Zum einen ist es eine Produktauswahl nach Alternativen und zum anderen, das Auswählen nach passenden Attributen. 21 Gerade im E- Commerce können diese beiden Prozessszenarien gut differenziert werden. 17 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S 173 18 vgl. Kumbruck, C., Sacher, M. & Stumpf, F., 2007, Vertrauen (skapseln) beim Online- Einkauf, Datenschutz und Datensicherheit- DuD, 31(5), S 362 19 vgl. Wells, J.D./Valacich, J.S./Hess, T.J., What signal are you sending? How website quality influences perceptions of product quality and purchase intentions, in MISQ, 35(2) (2011) S. 377 20 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 173. 21 vgl. ebda. S. 173.

13 Während im ersten Fall eine Relation zwischen wahrgenommenem Nutzen und wahrgenommenem Preis einen Vergleich der Alternativen ermöglicht, so sind es im zweiten Fall wesentlich komplexere Mechanismen, die angewandt werden, um einzelne Attribute zu 22 23 bewerten, um daraus einen subjektiven Nutzen zu generieren. Als exploratives Beispiel für eine Anwendung, die genau diese Auswahl nach Attributen im extensiven Kaufverhalten anspricht, kann der Online Preisvergleich Geizhals.at genannt werden, dessen Schwerpunkt auf einem gut gepflegten Produktkatalog mit umfangreicher Attribut- Filterung beruht. 2.1.2 Limitiertes Kaufverhalten Limitierte Kaufentscheidungen sind überlegt und geplant, wobei Entscheidungen auf Basis von Wissen und Erfahrung getroffen werden. 24 Das Limitierte Kaufverhalten ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: Das Evoced Set In einem Evoced Set wird nur eine bestimmte vorselektierte Auswahl an Angeboten betrachtet, z.b. nur Angebote eines spezifischen Online- Shops oder einer spezifischen Marke. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Evoced Set i.d.r. nur aus wenigen Marken besteht. 25 Weiters konnte gezeigt werden, dass die Wahrnehmung von Evoced Sets die Kaufentscheidungen simplifiziert. 26 Weiters relevant ist das Evoced Set in Zusammenhang mit Marken, da in neuroökonomischen Studien gezeigt werden konnte, dass es zu einer kortikalen Entlastung kommt, wenn subjektiv bevorzugte Marken vorhanden sind. 27 Entwickelte Mechanismen Der Kunde kann auf erfahrungsbasierte Bewertungs- und Beurteilungskriterien zurückgreifen. 28 Definierte Mindestanforderung Eine Kaufentscheidung kann getroffen werden, sobald das subjektive Anspruchsniveau des Kunden erfüllt wird. 29 22 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 173 f 23 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 426 ff 24 vgl. ebda S. 425 25 vgl. ebda S. 425 26 vgl. ebda S. 425 27 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 175. 28 vgl. ebda S 174

14 Das limitierte Kaufverhalten ist durch die Anwendung von gewohnten Entscheidungsmustern gekennzeichnet. Haben sich bereits genutzte Muster und Mechanismen bewährt, werden diese eingesetzt um die Kaufentscheidung zu treffen. 30 In Hinblick auf E- Commerce ist speziell die Ausbildung des Evoced Set von großem Interesse. In diesem Zusammenhang ist speziell die Bedeutungen von Marken herauszustreichen. Gerade aufgrund der umfassenden Möglichkeiten im E- Commerce kommt Marken hier eine gesteigerte Bedeutung zu. Als Marke im weiteren Sinne, können in diesem Zusammenhang auch Shops betrachtet werden. Um dies zu verdeutlichen sei etwa Amazon genannt. Bei limitierten Kaufentscheidungen wird vermehrt auf interne Informationen und weniger auf externe zurückgegriffen. Wenn diese jedoch nicht ausreichen um eine Entscheidung zu treffen, werden externe Informationen hinzugezogen, wobei diesen bei limitierten Kaufentscheidungen nicht die Rolle der Bildung neuer Entscheidungskriterien zukommt sondern diese nur dazu dienen sollen, bereits festgelegte Kaufalternativen zu bewerten. 31 Im Zuge dieser Informationsverarbeitung spricht man von Schlüsselinformationen, die im Rahmen eines limitierten Kaufverhaltens nicht einzeln überprüft werden. 32 Wesentlich für die Nutzung von verdichteten Schlüsselinformationen ist das Vorhandensein des eingangs beschriebenen Evoced Set s. 33 Im E- Commerce können solche Schlüsselinformationen z.b. von anderen Besuchern als sehr hilfreich bewertete Produktrezensionen sein oder aber Kaufempfehlungen von Foren- Usern, die ein hohes Vertrauen genießen. Für die Größe des Evoced Set lassen sich verschiedene Bestimmungsfaktoren nennen, die einen beschränkenden Einfluss haben, wie etwa das Alter, die Erfahrung oder die Stärke der Marke. 34 29 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 174 30 vgl. ebda. S. 174 31 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 425 32 vgl. ebda S 425 33 vgl. ebda S 425 34 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 176 f

15 2.1.3 Habituelles Kaufverhalten Im Gegensatz zu limitierten Kaufentscheidungen sind habitualisierte Kaufentscheidungen noch weiter simplifiziert. Unter habitualisierten Kaufentscheidungen können solche aufgefasst werden, bei denen bereits vorgefertigte Entscheidungen lediglich exekutiert werden. 35 In der Praxis finden sich derartige Entscheidungen sehr oft bei Verbrauchsgütern. Die Entwicklung eines habitualisierten Kaufverhaltens kann sowohl aus einem extensiven als auch aus einem impulsiven Kaufverhalten stammen. In diesen Fällen spricht man von einer Habitualisierung durch eigene Gebrauchserfahrung. 36 Wenn die Habitualisierung aus einem extensiven Kaufverhalten entsteht, spricht man von einem rational entstandenen Gewohnheitsverhalten. 37 Dieser Form der Habitualisierung stehen zwei weitere Konzeptionen gegenüber. Zum einen die Habitualisierung durch Imitation 38 und zum anderen die Habitualisierung als Persönlichkeitsmerkmal 39. Alle drei Zugänge sind im E- Commerce relevant. Gebrauchserfahrungen sind speziell bei Angeboten für Verbrauchsgüter oder wiederkehrende Verkäufe (Recuring Sale) relevant. Ein Beispiel hierfür wären etwa Nahrungsergänzungsmittel für Sportler. Ein Athlet, der mit den genutzten Produkten und den Nebenbedingungen des Kaufes zufrieden ist, wird diese Kaufentscheidung habitualisieren und dadurch einen Wiederholungskauf tätigen. Aktuelle E- Commerce Plattformen bieten Kunden für genau diesen Zweck die Möglichkeit bereits gekaufte Warenkörbe erneut zu bestellen. Als Beispiel für die Imitation als Auslöser eines Kaufverhaltens kann (unter starker Vereinfachung) das Kaufen des gekennzeichneten Bestsellers (= am häufigsten verkauftes Produkte einer Kategorie) in einem Online- Shop verstanden werden. Die Habitualisierung als Persönlichkeitsmerkmal kann als Wunsch nach kognitiver Entlastung verstanden werden. 40 Diese Form der Habitualisierung kann mitunter als risikominimierendes Verhalten verstanden werden. Weiters lässt sich zeigen, dass eine 35 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 439 36 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 178. 37 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 441 38 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 178. 39 vgl. ebda, S. 179 40 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 440

16 negative Korrelation zwischen dieser Form der Habitualisierung und dem sozialen Status herrscht. 41 Die Risikoaversion und der Wunsch nach Simplizität sind als zentrale Elemente zu sehen. Aus beiden Momenten resultiert eine umfassende Treue zu einer Marke, einem Unternehmen oder einem Produkt. Habitualisierte Kaufentscheidungen können nach dem Grad der Habitualisierung differenziert werden. Mit einem sehr hohen Grad der Habitualisierung geht eine starke kognitive Entlastung einher, weshalb man dann von einem reaktiven Prozess spricht. 42 2.1.4 Impulsives Kaufverhalten Um das impulsive Kaufverhalten als Typ erfassen zu können, muss das Konzept der Impulsivität eingeführt werden. Auch wenn rund um dieses Konzept unterschiedliche Begriffe verwendet werden, ist eine einheitliche Konzeption zu verstehen. Das Konzept beruht auf der Betrachtung von Kaufentscheidungen, die weder rational (im Sinne der kognitiven Steuerung) noch habitualisiert sind. Die Ebene der kognitiven Steuerung alleine reicht daher nicht aus um diese Konzeption hinreichend einer Typologie zuzuführen. 43 Unter allen Arten des Kaufverhaltens besteht beim impulsiven Kaufverhalten die größte Aktivierung. In der Regel basiert das impulsive Verhalten auf einer starken Reizsituation, der ein reaktives Verhalten folgt. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen Arten des Kaufverhaltens liegt in der geringeren kognitiven Kontrolle in Verbindung mit der Reizsituation 44. Auch wenn das ungeplante Verhalten oftmals in Verbindung mit dem impulsiven Käuferverhalten genannt wird, 45 kann heute mit berechtigter Kritik in Abrede gestellt werden, dass dies das zentrale Element von impulsiven Kaufentscheidungen ist. 46 47 Die 41 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 441 42 vgl. ebda, S. 439 43 vgl. ebda, S. 447 44 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 179. 45 vgl. ebda, S. 179 46 vgl. Kempe, M., 2011, Ungeplante Käufe im Internet, Gabler Verlag (Research), Wiesbaden, S 252 ff 47 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 448

17 deterministische Rolle bei der Typologisierung von impulsiven Käuferverhalten kommt der Reizsituation zu. 48 Die Messung von Impulskäufen als Differenz zwischen geplanten und tatsächlich getätigten Käufen ist zwar empirisch praktikabel aber ebenso wenig aussagekräftig bezüglich des 49 50 Zustandekommens von Impulskäufen. In Differenz zu reinen Impulskäufen können vier weitere Spontankaufarten abgegrenzt werden. Diese sind: Der erinnerungsgesteuerte Spontankauf Der geplante Spontankauf Der spontane Ersatzkauf Und Sonderangebotskäufe 51 Relevant ist diese Abgrenzung, da jeweils andere Verhaltensmuster diesen Kaufentscheidungen zugrunde liegen und lediglich der auslösende Reiz eine zeitnahe spontane Reaktion zur Folge hat. Das Konzept der Impulsivität ist aber ein weitgehend psychologisches Konzept, dass auf der hohen Aktivierung und der geringen kognitiven Steuerung beruht. 52 Aus Perspektive des E- Commerce ist es eine der größten Herausforderungen, das vorwiegend optische und sehr bedingt akustische Reize gesetzt werden können und damit entscheidende und emotionsauslösende Reize verloren gehen. Stimulierende Musik oder Wühltische als atmosphärische Reize 53 lassen sich nur schwer übertragen. Die Ebene der olfaktorischen Reize spielt z.b. bei Bäckereien eine entscheidende Rolle in Bezug auf Impulskäufe, kann aber ebenso wenig auf den E- Commerce Bereich übertragen werden wie das Moment der physischen Anwesenheit, welches für den Spontankauf im stationären Handel relevant ist. Im stationären Handel kann ein Angebot relativ gut an die Einmaligkeit der Gelegenheit gekoppelt werden. Wenn ein Kunde das Angebot nicht in dem Moment kauft, in dem er davor steht, muss er damit rechnen das Angebot nicht konsumieren zu können. Derart reizverstärkende Umfeldsituationen (auch in Hinblick auf 48 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 179. 49 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 447 50 vgl. ebda, S. 452 51 vgl. ebda, S. 447 52 vgl. ebda, S. 448 53 vgl. ebda, S. 450

18 investierte Anreisezeiten etc.) lassen sich nur in deutlich eingeschränktem Maße auf den E- Commerce übertragen. Generell kann zwischen zwei wesentlichen Ursachen für die Impulsivität unterschieden werden. Zum einen kann Impulsivität rein aus der Reizsituation resultieren und zum anderen aus der emotionalen Aufladung. 54 Im Zusammenhang mit der emotionalen Aufladung kann auch der Aspekt des Erlebniskaufes genannt werden. 55 In diesem Kontext ist der Shopping Momentum Effekt nach Dhar, Huber & Kahn von Interesse, dieser beschreibt die Kauffreudigkeit für weitere Produkte, wenn bereits ein Produkt gekauft wurde und die damit einhergehende Abschwächung von Kaufbarrieren. 56 Quantitativ machen ungeplante Käufe global ca. 40-70% aus, wobei reine Impulskäufe nur mit etwa 10-20% zu bewerten sind. 57 Bezogen auf den E- Commerce und unter einer etwas abweichenden Typologisierung nennt Kempe 23,2% ungeplante Käufe, wobei nach seiner Auswertung nur etwa 7,6% aller Online- Käufe spontane und emotionale Impulskäufe sind 58 (diese Definition ist weitgehend vergleichbar mit der von reinen Impulskäufen ). 2.1.5 Determinanten des impulsiven Käuferverhalten im E- Commerce Um eine Betrachtung des impulsiven Käuferverhaltens im E- Commerce zu ermöglichen ist es notwendig, eine Abgrenzung zum impulsiven Käuferverhalten im klassischen Kontext zu generieren. In diesem Kapitel werden Einflussfaktoren anhand aktueller Forschungen aufgearbeitet. Im Wesentlichen lassen sich drei Zugangsfaktoren für die Beeinflussung des impulsiven Käuferverhaltens im E- Commerce betrachten. Dies sind die individuellen Charakteristika, die umweltbezogenen Charakteristika und letztlich deren Wechselwirkungen. 59 54 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 451 55 vgl. Foscht, T./Swoboda, B., 2011, Käuferverhalten : Grundlagen - Perspektiven Anwendungen (2011) S. 180 56 vgl. Kroeber- Riel, W./Weinberg, P. /Gröppel- Klein, A.: Konsumentenverhalten, (2009) S. 448 57 vgl. ebda, S. 452 58 vgl. Kempe, M., 2011, Ungeplante Käufe im Internet, Gabler Verlag (Research), Wiesbaden, S 252 ff 59 vgl. Wells, J.D., Parboteeah, V. & Valacich, J.S.: Online Impulse Buying: Understanding the Interplay between Consumer Impulsiveness and Website Quality, Journal of the Association for Information Systems, 12(1) (2011) S. 35

19 In der klassischen Literatur konnte für das offline Kaufverhalten gezeigt werden, dass das Alter einer der Einflussfaktoren auf impulsives Kaufverhalten ist, wobei jüngere Probanden ein stärkeres impulsives Kaufverhalten zeigten als ältere. Der Einfluss der kulturellen Dimension konnte ebenfalls manifestiert werden. 60 Untersuchungen legen es nahe, dass in der westlichen Welt gewonnene Erkenntnisse von Studien bezüglich des Impulsiven Käuferverhaltens nicht unreflektiert auf andere Wirtschaftsräume wie Asien umgelegt werden können. 61 Individuen die den Kaufmoment als Aspekt der Selbstverwirklichung einstufen, zeigten ebenso ein impulsiveres Kaufverhalten, wie auch jene, mit einer stärkeren materialistischen Grundhaltung. Personen, für die der Einkaufsmoment als Erlebnis klassifiziert wird oder aber den Einkauf verstärkt als Lustbefriedigung erfassen zeigen ebenfalls eine stärkere Tendenz zu impulsiven Kaufentscheidungen. Ein weiterer Aspekt der berücksichtigt werden kann, ist die Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung eines Individuums und der Außenwahrnehmung durch andere. Eine hohe Diskrepanz zwischen diesen beiden Wahrnehmungen führt zu einer Produktkaufkompensation, die verstärkt impulsive Züge trägt. 62 Weiters konnte gezeigt werden, dass eine Korrelation zwischen Impulsivität als Persönlichkeitsmerkmal und impulsivem Käuferverhalten besteht. 63 Von bedeutenderem Interesse ist allerdings die in der selben Untersuchung gewonnene Erkenntnis, dass das impulsive Käuferverhalten mit dessen gesellschaftlicher Akzeptanz korreliert, selbst impulsive Probanden zeigten eine deutlich geringere impulsive Kaufentscheidungen, wenn damit eine negative normative Situationsbewertung einhergeht. 64 Sowohl für den Offline- als auch für den Online- Bereich kann die Impulsivität als Charakterzug als bedeutende Determinante eingeführt werden, wobei es sich bei dieser Betrachtung um eine inhärente Impulsivität als Charakterzug handelt. 65 Unter die externen Einflussfaktoren fallen im klassischen Offline- Kaufverhalten Stimulanzien wie Atmosphäre, Licht oder olfaktorische Reize. Der Kern der Umfeldbeeinflussung im 60 vgl. Kacen, J.J./Lee, J.A.: The Influence of Culture on Consumer Impulsive Buying Behavior, in Journal of Consumer Psychology (Lawrence Erlbaum Associates), 12(2) (2002) S. 163ff. 61 ebda. S. 173 62 vgl. Wells, J.D., Parboteeah, V. & Valacich, J.S., 2011, Online Impulse Buying: Understanding the Interplay between Consumer Impulsiveness and Website Quality, Journal of the Association for Information Systems, 12(1), S. 35f. 63 vgl. Rook, D.W. & Fisher, R.J., 1995, Normative Influences on Impulsive Buying Behavior, Journal of Consumer Research, 22(3), pp. 305-13., S311 64 vgl. Rook, D.W./Fisher, R.J., Normative Influences on Impulsive Buying Behavior, in Journal of Consumer Research, 22(3) (1995) S. 311 65 vgl. Wells, J.D./Parboteeah, V./Valacich, J.S.: Online Impulse Buying: Understanding the Interplay between Consumer Impulsiveness and Website Quality, in JAIS, 12(1) (2011) S. 35

20 Offline- Käuferverhalten liegt in der gezielten Manipulation der Atmosphäre. Im Online- Bereich verhält sich die Situation ähnlich, auch hier können Umfeldfaktoren gezielt adaptiert werden um impulsive Reize zu verstärken. Diese externen Einflussfaktoren zeigen sich als einzelne Elemente von Websites und stellen einzelne Facetten des Begriffs Website Qualität dar, welcher in der Literatur verwendet wird. 66 Bedauerlicherweise ist die Verwendung des Begriffs wenig spezifisch und lässt erhebliche Interpretationsspielräume zu. Bereits 2001 konnte eine Einteilung der einzelnen Faktoren in zwei Kategorien entwickelt werden, die nach dem Grad der Aufgabenbezogenheit (high-task-relevant / low- task- relevant) differenziert werden. 67 Die stärker aufgabenbezogenen Aspekte umfassen etwa die Navigierbarkeit (Heute wäre der gängige Begriff Usability), Sicherheitsaspekte oder Ladezeiten. In der Kategorie der weniger aufgabenbezogenen Aspekte finden sich in erster Linie atmosphärische Aspekte die das Einkaufsgefühl stimulieren sollen. 68 (Anm.: in einer aktuellen Terminologie würde man hier von User Experience und Aktivierung sprechen.) Derartige Einzelaspekte bilden in der Terminologie von Wells und Parboteeah den Oberbegriff Website Quality, welche entscheidenden Einfluss auf das impulsive Käuferverhalten hat. Führt man nun diese intrinsischen und extrinsischen Faktoren zusammen, kann für den Offline Bereich festgehalten werden, dass Personen mit stärkeren intrinsischen 69 70 Veranlagungen auch eine stärkere Reaktanz auf externe Einflussfaktoren zeigen. Aktuellen Forschungen folgend kann diese Annahme für den Online- Bereich ebenfalls gehalten werden. 71 Ein weiterer relevanter Einflussfaktor für impulsives Käuferverhalten ist dessen soziale Wahrnehmbarkeit. Es ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit für Impulskäufe in Kontexten in denen die Impulsivität der Entscheidung sozial nicht wahrgenommen wird höher ist. Der entscheidende Faktor in dieser Betrachtung ist die soziale Sichtbarkeit. 72 66 vgl. Wells, J.D./Parboteeah, V./Valacich, J.S.: Online Impulse Buying: Understanding the Interplay between Consumer Impulsiveness and Website Quality, in JAIS, 12(1) (2011) S. 35 67 vgl. ebda, S. 35 68 vgl. ebda, S. 35 69 vgl. ebda, S. 36 70 vgl. Rook, D.W./Fisher, R.J., Normative Influences on Impulsive Buying Behavior, in Journal of Consumer Research, 22(3) (1995) S. 310f 71 vgl. Wells, J.D./Parboteeah, V./Valacich, J.S.: Online Impulse Buying: Understanding the Interplay between Consumer Impulsiveness and Website Quality, in JAIS, 12(1) (2011) S. 45 72 vgl. Rook, D.W./Fisher, R.J., Normative Influences on Impulsive Buying Behavior, in Journal of Consumer Research, 22(3) (1995) S. 312