Medizintechnologie.de Hygiene von Medizinprodukten Jährlich infizieren sich circa 600.000 Patienten im Krankenhaus mit einer Nosokomialinfektion. 15.000 davon sterben. Ein hohes Lebensalter, eine vorhandene Erkrankung oder ein geschwächtes Immunsystem können eine Nosokomialinfektion begünstigen. Auch Mangelernährung oder eine nachlässige Hygiene gehören zu den Risikofaktoren. Gleiches gilt für die Hygiene der Medizinprodukte, mit denen die Patienten in Berührung kommen. Dem sachgerechten Aufbereiten von Mehrweg-Medizinprodukten und das Herstellen von Medizinprodukten mit hoher Reinheit kommt deshalb eine große Bedeutung bei der Vermeidung von Infektionen zu. Die Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG schreibt im Anhang I Absatz 8.1 vor, dass Medizinprodukte und ihre Herstellungsverfahren so ausgelegt sein müssen, dass ein Infektionsrisiko für Patienten, Anwender und Dritte ausgeschlossen oder soweit wie möglich verringert wird. Weiterhin kommen bei der Hygiene von Medizinprodukten das Infektionsschutzgesetz (IfSG), die Medizinproduktebetreiber-Verordnung (MPBetreibV), die Empfehlung des Robert Koch-Institutes (RKI) und Normen für das Aufbereiten von Medizinprodukten sowie für die Angaben in der Gebrauchsanweisung zur Anwendung. Gemäß IfSG ist das RKI dafür zuständig, Konzepte zu entwickeln, wie übertragbaren Krankheiten vorgebeugt werden kann und wie Infektionen früh erkannt sowie ihre Verbreitung verhindert werden können. Hygiene, Anforderungen und Umsetzungen An jedes hergestellte Medizinprodukt werden Anforderungen hinsichtlich der Hygiene bzw. der Reinheit gestellt. Aus diesem Grund muss der Hersteller von Medizinprodukten festlegen, welche Komponenten oder Medizinprodukte in der Anwendung desinfizierbar und/oder steril benötigt werden. Mit Hilfe der Desinfektion, der Sterilisation bzw. der Reinraumtechnik Der Reinheit bei der Herstellung von Medizinprodukten kommt eine ebenso große Bedeutung zu wie der sachgerechten Aufbereitung
können die Medizinprodukte von Mehrweg-Medizinprodukten. keimarm bzw. steril zur Quelle: sudok1/fotolia Verfügung gestellt werden. Medizinprodukte können generell als Mehrweg- oder Einwegartikel auf den Markt gebracht werden. Mehrwegartikel können vom Anwender eigenverantwortlich aufbereitet und wiederverwendet werden. Die Art und Weise, wie ein Medizinprodukt aufbereitet werden muss, lässt sich an verschiedenen Kriterien festlegen. Dazu zählen die konstruktiven, materialtechnischen und funktionellen Eigenschaften sowie die Art der vorangegangenen und der nachfolgenden Anwendungen des Medizinproduktes. Für die aufbereitungsfähigen Medizinprodukte muss der Hersteller der Medizinprodukte die erforderlichen Angaben für den Anwender/Betreiber bereitstellen. Angaben, ob ein Medizinprodukt aufbereitet werden darf, unter welchen Bedingungen die Aufbereitung stattfinden muss und Aussagen zum Aufbereitungsverfahren sind nur einige Informationen, die der Hersteller dem Anwender zur Verfügung stellen muss. Die Anforderungen dazu sind in der Richtlinie 93/42/EWG und/oder in der Norm DIN EN ISO 17664 beschrieben. Falls das Medizinprodukt zur Wiederaufbereitung bestimmt ist, erfolgt eine Einteilung hinsichtlich des ausgehenden Risikos bei der Wiederanwendung des Medizinproduktes für Patient und Anwender (2,3). Medizinprodukte können nach ihrer Verwendungsart, ihren Anforderungen an die Aufbereitung und nach ihrer Dampfsterilisierbarkeit eingeteilt werden (siehe Abb.). Produkte, auf die zwei Kategorien zutreffen, werden stets in die kritische Stufe eingeteilt. Art der Anwendung Unkritische Medizinprodukte: Das sind Medizinprodukte, die lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen, zum Beispiel eine EKG-Elektrode oder ein Stethoskope. Von ihnen geht kein relevantes mikrobiologisches Gefährdungspotenzial aus. Semikritische Medizinprodukte: Als semikritisch gelten Medizinprodukte, die mit der Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Kontakt kommen, beispielsweise Klemmen, Zangen, Tubusse, Gastroskope etc. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geht von ihnen kein unvertretbares Infektionsrisiko aus. Grenzwerte für die mikrobiologische Belastungen von keimarmen Medizinprodukten existieren kaum. Kritische Medizinprodukte: Medizinprodukte, die mit Blut, Blutprodukten und sterilen Arzneimitteln in Berührung kommen, sind in hygienischer Hinsicht kritisch. Dazu gehören auch Medizinprodukte, die die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen
kommen (einschließlich Wunden). Beispiele: Skalpell, Pinzette, Hautscheren. Kritische Medizinprodukte müssen steril sein, da eine mikrobiologische Kontamination des Produktes zu einem unvertretbaren Infektionsrisiko führen kann. Anforderungen an die Aufbereitung Unkritische Medizinprodukte können in der Regel ohne besondere Vorbereitung nach der Reinigung und Desinfektion wieder benutzt werden. Semikritische und kritische Medizinprodukte werden nach den Anforderungen aufgeteilt, die sie an die Aufbereitung stellen: Risikobewertung und Einteilung der Medizinprodukte Quelle: OTH Weiden Gruppe A: Aufbereitung ohne besondere Anforderung Gruppe B: Aufbereitung mit erhöhten Anforderungen (beispielsweise lange, enge Lumen, Hohlräume) Medizinprodukte der Gruppe B stellen höhere Anforderung an die Aufbereitung. Dies bezieht sich auf die Reinigung, auf die Anwendungs- und Funktionssicherheit und auf die begrenzte Anzahl der Aufbereitungszyklen. Kritische Medizinprodukte können außerdem in Gruppe C mit besonders hohen Anforderungen eingeteilt werden. Das sind alle Medizinprodukte, bei denen der Erfolg der Reinigung visuell nicht inspiziert werden kann, sondern verfahrenstechnisch kontrolliert werden muss. Dampfsterilisierbarkeit Ob Medizinprodukte sich für die Dampfsterilisierung eigenen, muss einzeln bewertet werden. Thermolabile Medizinprodukte sind empfindlich gegenüber Wärme bzw. Hitze und sind deshalb nicht dampfsterilisierbar. Sie können der Gruppe C zugerechnet werden. Im Gegensatz dazu findet man die wärmebeständigen oder auch thermostabil genannten Medizinprodukte in Gruppe B wieder. Diese sind bei 134 Grad dampfsterilisierbar. (2, 4, 5) Ablauf der Aufbereitung Eine vollständige Aufbereitung umfasst folgende Hauptprozessschritte: Vorbereitung (zum Beispiel Vorbehandlung, Sammeln, Vorreinigung und gegebenenfalls Zerlegen) Reinigung und Desinfektion Spülen und Trocknen
Prüfen auf Sauberkeit und Unversehrtheit Pflege, Instandsetzung und Funktionsprüfung Kennzeichnung und Verpacken Sterilisation Eine erfolgreiche Sterilisation wird nur mit sauberen Medizinprodukten erreicht. Aus diesem Grund kommt der Reinigung im Gesamtablauf der Aufbereitung eine hohe Bedeutung zu. Man unterscheidet bei der Reinigung, Desinfektion, Spülung und Trocknung zwischen manuellen und maschinellen Verfahren. Aufgrund der besseren Standardisierbarkeit und Reproduzierbarkeit sowie des Arbeitsschutzes wird das maschinelle Verfahren bevorzugt verwendet. Das Ziel ist eine rückstandfreie Reinigung, um die nachfolgenden Schritte der Desinfektion und Sterilisation nicht durch Blut-, Sekret- oder Geweberückstände zu beeinträchtigen. Dies kann durch eine alkalische Reinigung oder mit einer Ultraschallanwendung erreicht werden. Die Vorteile der alkalischen Reinigung bestehen darin, dass sie sehr wirksam Protein- und Fettrückstände löst und eventuell eine antimikrobielle Wirkung entfacht. Von Nachteil ist allerdings, dass sie die Oberfläche der Medizinprodukte angreifen kann. Der Einsatz von Ultraschall kann unter bestimmten Bedingungen die Reinigungsleistung erhöhen. Nachteilig ist, dass Ultraschall nicht bei allen Medizinprodukten angewendet und nicht immer effektiv durchgeführt werden kann. Die anschließend durchgeführte Desinfektion muss nachweislich Bakterien, Pilze und Viren abtöten. Die thermische Desinfektion ist chemischen und chemo-thermischen Verfahren vorzuziehen, da sie zuverlässiger wirkt. Die Gebrauchsanweisung ist insbesondere im Hinblick auf die Konzentration und Einwirkzeit strikt zu beachten, um eine wirksame Reinigung und Desinfektion zu gewährleisten. Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmittellösungen müssen durch intensives Nachspülen bis zu dem vom Hersteller tolerierbaren Grenzwert entfernt werden. Grundsätzlich erfolgt der Sterilisationsvorgang nach einer sorgfältigen Reinigung und Desinfektion der Medizinprodukte. Zur Sterilisation muss ein hinsichtlich seiner Art für das Medizinprodukt geprüftes, effektives und validiertes Verfahren benutzt werden. Verfahren, mit denen eine Sterilisation durchgeführt werden können, sind: Sterilisation durch trockene Hitze bei relativ hohen Temperaturen Sterilisation durch Druck im Autoklaven Sterilisation durch chemische Substanzen (zum Beispiel Formaldehyd oder Ethylenoxid) Sterilisation durch Strahlung (Betastrahlen, Gammastrahlen,...) Sterilisation durch Filter mit Poren, die so klein sind, dass sie keine Bakterien durchlassen
Die Art des Sterilgutes, die Verpackung und die Beladungskonfiguration sind Komponenten, die den Erfolg der Sterilisation beeinflussen können (2). Validierung der Aufbereitungsverfahren Die Validierung der Aufbereitungsverfahren dient dem dokumentierten Nachweis, dass die spezifizierten Anforderungen im praktischen Einsatz eingehalten wurden. Als Grundlage für die Forderung nach einer Validierung dient die MPBetreibV, die in 4 Absatz 2 ein geeignetes validiertes Verfahren mit nachvollziehbarem Erfolg fordert. Nach den Anforderungen der DIN EN ISO 13060 bzw. DIN EN ISO 15883 müssen Hersteller die Eignung ihrer Sterilisatoren/Reinigungsgeräte/Desinfektionsgeräte zur Erfüllung der von den Geräten geforderten spezifischen Leistung in Form einer Typ- bzw. Werksprüfung nachweisen. Die Validierung von Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsprozessen beinhaltet die Installationsqualifikation (IQ), die Betriebsqualifikation (BQ) und Leistungsqualifikation (LQ). Die bei der Aufstellung des Gerätes vorgenommene IQ gewährleistet durch ein schriftliches Abnahmeprotokoll des Lieferanten, dass das Reinigungs-, Desinfektions- bzw. das Sterilisationsgerät und dessen Zubehör vorschriftsgemäß geliefert und installiert worden sind. Die BQ dient dem zu dokumentierenden Nachweis, dass das Gerät mit dem Zubehör nach den vereinbarten Spezifikationen reinigt und desinfiziert bzw. sterilisiert. Die LQ ist der Nachweis, dass das Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) bzw. Sterilisationsgerät sicher und reproduzierbar seine spezifische Funktion erfüllt, das heißt, dass sicher und reproduzierbar gereinigte und desinfizierte bzw. sterilisierte Medizinprodukte geliefert werden (6). Zusammenfassung Hersteller müssen bereits bei der Entwicklung von neuen Medizinprodukten dessen Anforderungen an die Hygiene ermitteln. Erforderliche Hygienemaßnahmen, vor allem Desinfektion und Sterilisation, stellen hohe Ansprüche an die Gestaltung der Medizinprodukte. Die Entscheidung über die Entwicklung eines Einweg- oder Mehrwegartikels kann aus hygienischen Gesichtspunkten abgeleitet werden. Komplexe und empfindliche Bauteile oder Materialien bedürfen eventuell spezielle Reinigungs-, Desinfektions- und gegebenenfalls Sterilisationsverfahren, die die Vermarktung und den Verkauf von Medizinprodukten erschweren. Die Tatsache, dass ein Medizinprodukt eines, vom Standard (herkömmliche Desinfektionsmittel, Dampfsterilisation) abweichenden Aufbereitungsverfahren bedarf, kann die Kaufentscheidung des Anwenders bestimmen.
Literaturverzeichnis (1) P. Gastmeier, C. Geffers: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich?, Deutsche Medizinische Wochenzeitschrift, Georg Thieme Verlag KG, 2011 (2) Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, Bundesgesundheitsblatt, Springer, 2012 (3) DIN EN ISO 17664:2004-07 (4) Daschner F., Dettenkofer M., Frank U., Scherrer M.; Praktische Krankenhaushygiene und Umweltschutz ; 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage; Springer, 2012 (5) Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimittel und Medizinprodukten: Anleitung für die Festlegung von Mindestkriterien zur mikrobiologischen Reinheit von Medizinprodukten (03.06.2015) (6) Michael Rottner: Validierung von Aufbereitungsprozessen, Bayrisches Zahnärzteblatt, September 2011