In die Jugend investieren - Ein Diskussionsauftakt - Dr. Jörg Dräger

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Transkript:

In die Jugend investieren - Ein Diskussionsauftakt - Dr. Jörg Dräger Bad Ischl, 17. September 2013

Vortrag mit zwei Blickwinkeln: Bildung macht uns als Gesellschaft reich und individuell glücklich Ökonomischer Blick: Wirtschaftswachstum Individueller Blick: Glücksempfinden Innerhalb 80 Jahren kostet schlechte Bildung Deutschland 2.800 Mrd. Euro Starke Korrelation zwischen guten Lernbedingungen und empfundenem Glück Quelle: Wößmann/Piupiunik, 2009 Quelle: European Lifelong Learning Index (ELLI), 2011 17. September 2013 Seite 2

und Arbeitsmarkt und Individuen fordern gleichermaßen bessere Bildung und Qualifikation Arbeitsmarkt: Nachfrage nach höheren Qualifikationen Individuen: gestiegene Bildungsaspirationen 2,4% Arbeitslosenquote bei dt. Akademikern Hauptschüler: 70% -> 20% Hochschulzugang: 5% -> 50% Quellen: Vodafone Stiftung; IAB 17. September 2013 Seite 3

Überblick: Vier Probleme bei Bildung und Qualifikation und zwei Lösungsansätze Gesellschaftlicher Hintergrund: wachsende Heterogenität Vier Probleme Zwei Lösungsansätze 1 Kellerkinder 2 3 Mittelmaß Ungerechtigkeit Wie gelingen bessere Bildung und Qualifikation? Lernen lernen Richtige Rahmenbedingungen 1 2 4 Skills Gap Plädoyer für neuen Ansatz: talentism in Unternehmen, bei jedem Einzelnen und in der Politik 17. September 2013 4

Gesellschaftlicher Hintergrund: Bildungsinstitutionen müssen mit wachsender Heterogenität umgehen Demographie Migration Elternwille Inklusion Schülerschwund in ländlichen Regionen > 50% der Jugendlichen in Metropolen mit Migrationshintergrund Gymnasialquoten von über 80% in wohlhabenden Stadtteilen Mehr Kinder mit besonderem Förderbedarf 17. September 2013 Seite 5

percent Problem Kellerkinder : Jeder Fünfte kann nicht lesen, schreiben, rechnen v.a. Jungen mit Migrationshintergrund Anteil der Schüler unterhalb basaler Lesekompetenzen (PISA) 25 20 22.6 18.5 19.3 17.9 17.6 2000 2009 15 10 5 9.6 10.3 7.0 8.1 5,8 5,8 0 Germany Austria USA Canada Finland Korea Arbeitsmarkt Ausbildungsreife fehlt Arbeitskräftemangel Individuum Lebenschancen früh verspielt Quelle: PISA 2000 und 2009 17. September 2013 Seite 6

Mexico Turkey Greece Spain Slovak Republic Italy Portugal Luxembourg Latvia Hungary Czech Republic Norway Iceland France Austria OECD Average Denmark United Kingdom Germany Japan Switzerland Belgium Estonia Sweden Netherlands Poland Australia Ireland New Zealand Canada Finland Korea Mean Score Problem Mittelmaß: Deutschland und Österreich haben fast zwei Jahre Lese-Rückstand zur Spitze 600 Mean reading performance in PISA 2006 500 400 Countries Arbeitsmarkt Wenig Akademiker Hochlohnland?? Individuum Begabte langweilen sich in Schule Quelle: PISA 2006 17. September 2013 Seite 7

improvement from 2000 to 2006 (PISA points) Vertiefung Mittelmaß: in D signifikante Verbesserung bei den Bildungsergebnissen, aber Stagnation an der Spitze Dynamik in den Ländern verschieden Geringere Leistungsspreizung! Source: Wössmann, 2012 reading skills 2000 (PISA points) reading skills PISA 2009 Results: Learning Trends Aufholen von unten, Stagnation an der Spitze 17. September 2013 Page 8

Problem Soziale Ungerechtigkeit: Nachteile für Kinder mit Migrationshintergrund und aus unteren Sozialschichten Migrationshintergrund Sozialschicht Mehr als 1 Jahr Lernrückstand von Migranten* beim Lesen: Österreich 37 PISA-Punkte, Deutschland 27 PISA-Punkte, Kanada 3 PISA-Punkte. Mehr als 3 Jahre Lernrückstand sozial benachteiligter Schüler beim Lesen: Deutschland 105 PISA-Punkte, Österreich 104 PISA-Punkte, OECD 89 PISA-Punkte. *Sozio-ökonomischer Effekt rausgerechnet Arbeitsmarkt Sozialer Sprengstoff Potential verschwendet Individuum Jedes 3. Kind in falscher Schulform Quelle: PISA 2009, Chancenspiegel (2012), PISA in Focus No. 25 17. September 2013 Seite 9

Probleme Skills Gap: Strukturwandel führt zur Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel Tiefgreifender Strukturwandel am Arbeitsmarkt Routine- und Nicht-Routinejobs in USA, relative Veränderung 1959-1999 Arbeitsmarkt % 50 Kognitive Routine Manuelle Routine Kognitive Nicht- Routine Fachkräftemangel Gleichzeitig Arbeitslosigkeit 40 30 20 +45% Individuum 10 0-10 -5% Arbeitslosigkeit trotz Ausbildung -20-30 -40-45% -50 Quelle: Autor/Levy/Murnane 2001; Frauenbericht 2010 17. September 2013 Seite 10

Überblick: Vier Probleme bei Bildung und Qualifikation und zwei Lösungsansätze Gesellschaftlicher Hintergrund: wachsende Heterogenität Vier Probleme Zwei Lösungsansätze 1 Kellerkinder 2 3 Mittelmaß Ungerechtigkeit Wie gelingen bessere Bildung und Qualifikation? Lernen lernen Richtige Rahmenbedingungen 1 2 4 Skills Gap Plädoyer für neuen Ansatz: talentism in Unternehmen, bei jedem Einzelnen und in der Politik 17. September 2013 11

Lösung Lernen lernen ein Leben lang nicht erst heute nötig! Es ist schlimm genug, dass man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann. Unsere Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfingen; wir aber müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen. J.W. Goethe, Wahlverwandschaften,1809 17. September 2013 Seite 12

Lösung Lernen lernen: Individuelle Förderung als pädagogisches Grundprinzip zum Nutzen aller Erhebliche Leistungsbandbreite in jedem Klassenzimmer erfordert individuelle Förderung und Fokus auf Lernen lernen : Adaption auf unterschiedliche Lernniveaus, -stile und -tempos Vielfalt der Unterrichtsmethoden, individuelle Wochenpläne, Prüfungszeitpunkte, Jahrgangsübergreifendes Lernen (Internationale) Beispiele zeigen: Man kann die Starken wie die Schwachen gleichermaßen fördern. Differenzierung nach oben und unten. 17. September 2013 Seite 13

Anteil Schüler Lösung Lernen lernen: bisher zahlen wir viel Geld für stagnierende Ergebnisse bei wachsender Langeweile 100 90 80 95% - Anteil Schüler, die gerne zur Schule gehen (USA) - 240% 200% - Beispiel USA - Kosten pro Schüler (inflationsbereinigt) 70 160% 60 50 120% Lesekompetenz der Schüler 40 30 37% V 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Klassenstufe 80% Wichtigster Kostentreiber: Klassengröße, die keinen Einfluss auf Lernerfolg hat. Stattdessen: auf den einzelnen Lehrer kommt es an! Quelle: U.S. Department of Education, National Center for Education Statistics (2011); Michael Fullen, Stratosphere (2013) 17. September 2013 Seite 14

Aber auch der Rahmen ist wichtig Ausbildungsgarantie Krippenausbau Ganztagsschulen Mehr Lernzeit (anregende Lernumgebungen durch Krippe; Rhythmisiertes Lernen im Ganztag; Ausbildung für alle) 17. September 2013 15

Lösung Rahmen: Krippe ist (mit)entscheidend für Bildungserfolg, positiver Beschäftigungseffekt Krippenkinder U3 Deutschland: 28% Österreich: 20 % Dänemark: 72 % Erhöhung der Gymnasial- Wahrscheinlichkeit bei Krippenbesuch + 38% Bildungsstand (Herkunft) der Eltern Gesamt + 55% Migranten + 83% Hauptschule Anteil der Mütter mit Kindern unter 3 Jahren nach Erwerbsstatus U3 = Unter-Dreijährige >20 Prozentpunkte Unterschied Quellen: Länderreport 2013; OECD; Fritschi/Oesch (2009) 17. September 2013 Seite 16

Lösung Rahmen: Ganztagsausbau hätte große Wirkung für Kind, Familie und Arbeitsmarkt Niedrige Teilnahme......trotz großer Wirkung Ganztagsschüler: Deutschland: 30 % Österreich:? % Schweden: 100 % USA: 100 % Kanada: 100 % Besseres Sozialverhalten, höhere Schulfreude und mehr Lernmotivation Weniger Klassenwiederholungen Bis zu 1,5 Mio. Frauen in D könnten Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ausweiten Zusätzliche Einnahmen (Steuern, Soz.Vers.): bis zu 6 Mrd. p.a. Erfolgsmodell: gebundene, rhythmisierte Ganztagsschule Quelle: Rauschenbach (2012); Klemm (2013); BMFSFJ 17. September 2013 Seite 17

Plädoyer: talentism als neuer Ansatz in Unternehmen, bei jedem Einzelnen Statt war for talent Statt Auslernen Navigation Zertifizierung Individual Portfolio Inhalt/ Service... Investieren in die eigenen Talente... immer weiter lernen 17. September 2013 Seite 18

und in der Politik Anteil staatliche Gesamtausgaben in Deutschland Soziale Sicherung: Probleme der Vergangenheit Bildung: Chancen der Zukunft 9 % 56 % Statt vor allem Verteilungsgerechtigkeit: mehr Chancengerechtigkeit! Quelle: Bildung in Deutschland (2012) 17. September 2013 Seite 19

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Jörg Dräger joerg.draeger@bertelsmann-stiftung.de